L 7 B 384/08 AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AS 206/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 384/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.10.2008 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragstellern hinsichtlich der Stromkostennachforderung Leistungen in Höhe von 878,32 Euro als Darlehn zu gewähren. Den Antragstellern zu 1) und 2) wird für das erstinstanzliche Verfahren ab dem 22.09.2008, dem Antragsteller zu 3) ab dem 21.10.2008 Prozesskostenhilfe bewilligt. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die Hälfte der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

In das Rubrum als Antragsteller war über die Antragsteller zu 1) und 2) hinaus auch das Kind (Antragsteller zu 3) aufzunehmen, weil es in Bedarfsgemeinschaft mit den Antragstellern zu 1) und 2) lebt.

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist bezüglich des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes teilweise begründet. Hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist die Beschwerde überwiegend begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05 -, NVwZ 2005, S. 927).

Die Antragsteller haben bezüglich der Stromkostennachforderung einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anspruch der Antragsteller auf Gewährung eines Darlehns bezüglich der Stromkostennachforderung der S AG vom 10.06.2008 in Höhe von 878,32 Euro für den Zeitraum vom 25.05.2007 bis 27.05.2008 ergibt sich aus § 22 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Danach können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. Mit der in § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II genannten Behebung einer vergleichbaren Notlage sind solche Konstellationen angesprochen, die mit der Gefährdung der Sicherung der Unterkunft vergleichbar sind. Insbesondere in Form von Energiekostenrückständen kommt eine Behebung einer der drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbaren Notlage in Betracht. Weiterhin können auch Kosten, die in der Regelleistung enthalten sind, insbesondere Stromschulden, eine vergleichbare Notlage auslösen. Dies gilt vor allem dann, wenn eine andere Entscheidung dazu führen würde, dass die Wohnung unbewohnbar würde (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rn. 105/106).

Diese Voraussetzungen liegen unter Beachtung der existentiellen Bedeutung des Wohnraums vor. Für den Zeitraum vom 25.05.2007 bis 27.05.2008 haben die Antragsteller hinsichtlich der Stromkosten noch einen Betrag von 878,32 Euro zu begleichen. Infolge der Rückstände droht nunmehr eine Stromsperre, zumal aus den Verwaltungsakten hervorgeht, dass die Verpflichtungen aus einer zwischen der RWG AG und den Antragstellern geschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung durch die Antragsteller nicht eingehalten worden sind. Im Falle einer Stromsperre wäre von einer Unbewohnbarkeit, jedenfalls in der jetzigen Jahreszeit, auszugehen. Dass die Antragsteller lediglich einen Betrag von 878,23 Euro im Schriftsatz vom 15.09.2008 geltend gemacht haben, steht der Entscheidung des Senats nicht entgegen. Es handelt sich hierbei um einen Schreibfehler. Aus der Begründung der Antragsteller und den angefochtenen Bescheiden ergibt sich ein Betrag von 878,32 Euro.

Ein Anordnungsgrund ist aufgrund der beabsichtigten Stromsperre durch die S AG und den damit verbundenen nachteiligen Folgen, insbesondere gegenüber dem Kind, gegeben. Der Beurteilung des Senats steht nicht entgegen, dass die RWG AG sich bereit erklärt hat, eine Stromsperre in den nächsten drei Wochen nicht vorzunehmen. Diese Bereitschaft erfolgte aufgrund einer Bitte des Senats, damit nicht vor einer Entscheidung durch die S AG vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Ob das Auflaufen der Stromschulden und der damit verbundenen drohenden Stromsperrung, wie die Antragsgegnerin im Schreiben vom 26.09.2008 ausgeführt hat, dadurch verursacht worden ist, dass die Antragsteller trotz wiederholter und eindeutiger Hinweise einer Begleichung ihrer eigenen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sind und sich die Antragsteller ein sozialwidriges Verhalten vorhalten müssen, so dass eine Übernahme der Schulden als Darlehn nicht gerechtfertigt ist, muss unter Berücksichtigung der existentiellen Bedeutung des Wohnraums dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dort ist auch abzuklären, ob die Antragsteller ihre Selbsthilfemöglichkeiten nicht ausschöpfen.

Hingegen haben die Antragsteller keinen Anspruch auf Übernahme der von ihnen ab Juni 2008 geltend gemachten Stromabschlagszahlungen in Höhe von 83,78 Euro. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Allerdings besteht dieser Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft nur, soweit der Bedarf nicht bereits anderweitig gedeckt ist (vgl. BSG Urteil vom 27.02.2008, B 14/11b AS 15/07 R). Dies ist jedoch hinsichtlich der Kosten für Strom nicht der Fall. Die vom Kläger geltend gemachten Stromkosten sind bereits von der Regelleistung gemäß § 20 SGB II umfasst. Diese können nicht zweifach gedeckt werden; im Rahmen der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 SGB II und im Rahmen der Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II.

Welche Bedarfe von der Regelleistung umfasst werden, umschreibt § 20 Abs. 1 SGB II. Nach der Neufassung des § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II ab dem 01.08.2006 umfasst die Regelleistung auch die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile. Den Antragstellern bleibt es jedoch unbenommen, für die Zeit ab Juni 2008, von dem sie die Übernahme der Abschlagszahlungen in Höhe von monatlich 83,78 Euro durch die Antragsgegnerin begehren, erneut bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Übernahme von Stromschulden zu stellen, sofern weitere Stromschulden aufgelaufen sind. Unabhängig davon sollten sich die Antragsteller mit der S AG wegen einer weiteren Ratenzahlungsvereinbarung in Verbindung zu setzen und im Falle eines Abschlusses ihren Verpflichtungen rechtzeitig nachzukommen.

Da der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinreichende Aussicht auf Erfolg bot, hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt, so dass die Beschwerde des Antragstellers auch insoweit begründet ist (§ 73a SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Auch dem Antragsteller zu 3) war ab Antragstellung Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil dieser bereits im Ausgangsverfahren als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft aufzunehmen war, worauf die Antragsteller im Schreiben vom 20.10.2008 (Eingang beim Sozialgericht: 21.10.2008) zu Recht hingewiesen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Antragsteller nur hinsichtlich der Stromkostennachforderung Erfolg gehabt haben. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe für das Ausgangsverfahren richtet, werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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