S 9 RJ 750/03

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 9 RJ 750/03
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

a) Beruflicher Werdegang
Der Kläger hat von 1975 – 1980 den Beruf des Malers und Lackierers (Fahrzeuglackierer) erlernt und bis November 2000 in einem Familienbetrieb ausgeübt. Im Dezember 1996 hat der Kläger die Meisterprüfung in diesem Handwerk bestanden.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen
Der Kläger ist nach den Feststellungen des orthopädischen Sachverständigen Herrn Dr. K. vom 07.10.2003 noch in der Lage, 6 Stunden täglich Tätigkeiten ohne Kopfzwangshaltungen (z.B. Bildschirmarbeit), ohne schweres Heben oder Tragen, ohne ungünstige Körperhaltung, ohne Über-Kopf-Arbeiten und ohne differenzierte feinmotorische Tätigkeiten für die linke Hand zu verrichten. Die bisherige Berufstätigkeit als Maler und Lackierer sei nicht mehr möglich. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Herrn Dr. B. vom 08.03.2004 ist aus neurologischer Sicht zweifelhaft, ob Montierarbeiten auf Grund der Störung der Feinmotorik der linken Hand noch möglich sind. Im Übrigen sei der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.

Fragen:

1. Welches fach- und gesundheitliche Anforderungsprofil hat eine Tätigkeit als Fachberater, -verkäufer im (Farben-)Großhandel, Versandfertigmacher, Telefonist, Montierer in der Metall- oder Elektroindustrie?

2. Welche der zu 1. genannten Tätigkeiten kann d. Kl. vollschichtig ausüben?

3. Falls keine der bei Frage 1. genannten Tätigkeiten in Betracht kommt:

a) Welche sonstigen berufsnahen Tätigkeiten kommen für d. Kl. noch in Betracht?

b) Welche berufsfremden Tätigkeiten kommen für d. Kl. noch in Betracht?

(bitte auch bei Fragen 3. a und b das jeweilige fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil angeben)

4. Handelt es sich bei der/den bei Frage/n 1. bis 3. genannten Tätigkeit/en um
- gelernte Arbeiten mit einer mehr als zweijährigen Ausbildungszeit,
- angelernte Arbeiten mit einer Einarbeitungs- bzw. Ausbildungszeit von mehr als drei Monaten bis zu zwei Jahren,
- ungelernte Arbeiten mit lediglich betrieblichen Einarbeitungs- oder Einweisungszeiten bis zu drei Monaten?

5. Kann d. Kl. unter Berücksichtigung des beruflichen Werdeganges und sonstiger beruflicher Qualifikationen innerhalb einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?

7. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang – mehr als 300 besetzte oder unbesetzte Arbeitsplätze auf dem gesamten Arbeitsmarkt in Deutschland – zur Verfügung?

Sollten Sie dabei aufgrund des Akteninhaltes einen abweichenden beruflichen Werdegang oder ein abweichendes gesundheitliches Restleistungsvermögen für gegeben halten, bitte ich Sie, diese Abweichung kenntlich zu machen und die Beweisfragen alternativ zu beantworten.
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) Fachberater - Farben, Lacke, Tapeten Sie beraten Kunden beim Kauf von Farben, Lacken, Tapeten und Zubehör. Sie informieren über die Produkteigenschaften, zeigen das vorhandene Warensortiment und erläutern den Kunden den Verwendungszweck und die richtige Handhabung der einzelnen Produkte. Je nach Betriebsgröße und vorausgegangener Ausbildung können sie teilweise neben der reinen Kundenberatung auch Tätigkeiten im Bereich der Warenbeschaffung und Lagerverwaltung oder sogar im Abrechnungs- und Bestellwesen übernehmen. Sie arbeiten in Betrieben des einschlägigen Fachhandels (Groß- und Einzelhandel), in Baumärkten oder auch in Kundenserviceabteilungen bzw. im Fabrikverkauf der Hersteller. In der Regel wird für den Zugang zur Tätigkeit als Fachberater für Farben, Lacke und Tapeten eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kaufmann im Einzelhandel - Fachbereich Heimwerkerbedarf und Werkzeuge o.ä. gefordert. Auch Maler- und Lackierermeister können diese Tätigkeit ausüben.

Diese Tätigkeit wird überwiegend im Stehen und Gehen verrichtet. Bücken ist durchaus häufig erforderlich, auch Recken, gelegentlich Überkopfarbeit bzw. Hochhantierungen und Besteigen von Leitern ist nicht auszuschließen. Heben und Tragen von Lasten ist keineswegs zu vermeiden. Die zu bewegenden Gewichte können sogar mittelschweres Maß übersteigen (z.B. Farbeimer, Kartons mit Lackdosen bzw. Tapeten). Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch eine gewisse psychische Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen. Neben warenkundlichen und handwerklichen sind auch kaufmännische und verkaufstechnische Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich. Eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände und Arme ist unabdingbar.

Warenaufmacher / Versandfertigmacher
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren o.ä., das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen o.ä., das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen o.ä.

Hierbei handelt es sich je nach Branche um eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit, die in wechselnder Körperhaltung (im Sitzen, Stehen und Umhergehen) verrichtet werden kann. Eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände und Arme ist unabdingbar.

Montierer
Die wesentlichen Aufgaben umfassen den Zusammenbau / die Montage von vorgefertigten Einzelteilen oder von Baugruppen zu einer funktionsgerechten Einheit entsprechend den Montageanleitungen unter gleichzeitiger Prüfung der Maßgenauigkeit; Zupassen der Teile und Verbinden der Teile durch Verschrauben, Löten, Schweißen, Nieten u.ä.; Einbau von Zusatzgeräten in Grundeinheiten zur Erweiterung der Verwendungsmöglichkeit. Arbeitsplätze dieser Art findet man in allen Bereichen der feinmechanischen, optischen, Metall- und Elektroindustrie.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen. Die Arbeiten werden überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Umhergehen verrichtet. Eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände und Arme ist unabdingbar.

Telefonist
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telegrammen, Telefaxen u. ä., die Entgegennahme und Niederschrift von Nachrichten für Teilnehmer, die vorübergehend abwesend sind. Je nach Art des Betriebes/ der Behörde können diese Tätigkeiten auch mit der Verrichtung von einfachen Büroarbeiten und /oder dem Empfangen und Anmelden von Besuchern gekoppelt sein.

Die Anforderungen an Telefonisten sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind recht unterschiedlich. Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeiten in der Regel auf das Bedienen einer z.T. recht umfangreichen Telefonanlage beschränken, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit einfachen Bürotätigkeiten, Schreibtätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.

Während bei Telefonisten in Großunternehmen ein bedarfsmässiger Wechsel der Körperhaltung zumindest bezweifelt werden darf, kann man bei dieser Tätigkeit in kleineren Betrieben davon ausgehen, dass eine wechselweise Körperhaltung zum einen aufgrund des breiteren Betätigungsfeldes, zum anderen aber auch im Bedarfsfalle jederzeit möglich ist.

zu 2.) Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht noch für in der Lage, die Tätigkeit eines Telefonisten zu verrichten:

zu 3.) Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht noch für in der Lage, folgende berufsfremde bzw. qualifizierte Verweistätigkeiten zu verrichten:

Pförtner/Tagespförtner (Eingangskontrolleur)
Diese Tätigkeit umfasst das Überwachen des Personenverkehrs in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen von Betrieben, Behörden oder Krankenhäusern, das Überprüfen von Ausweisen, das Anmelden von Besuchern, das Ausfüllen von Besucherzetteln und das Weiterleiten von Besuchern an die zu besuchenden Stellen oder Personen innerhalb des Betriebes, der Behörde oder des Krankenhauses.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen. Die Arbeiten werden überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Umhergehen verrichtet.

zu 4.) Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

zu 5.) Für die genannten Tätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für ihn ausreichend sein.

zu 6.) Die genannte Verweistätigkeit steht auch Betriebsfremden zur Verfügung.

zu 7.) Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.
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