S 7 RJ 2544/04

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 7 RJ 2544/04
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
- geb. 1968
- schulische Ausbildung in Jugolawien (K.) zum Ökonom
- zuzug in BRD: 15.056.1993
- zuvor Tätigkeit in Jugoslawien (K.) als Verkäufer
- in Deutschland: bis 02/1999 arbeitslos
- 03/99 bis heute: Tätigkeit bei „G. W. E.“ (Verpackung von Autoersatzteilen und Saatbändern)

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
Der Kläger leidet an spastischer hochgradiger Lähmung (Querschnittslähmung) der Beine und ist auf den Rollstuhl angewiesen.

Arbeiten können nur im Sitzen verrichtet werden, so dass Arbeiten mit Heben und Bücken entfallen. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist nicht beeinträchtigt. Wegen der Rückenschmerzen bei längerem Sitzen sollten Akkordarbeit, Nachtschicht etc. vermieden werden.

Im Sitzen kann der Kläger Tätigkeiten mindestens 6 Stunden arbeitstäglich verrichten.

Bei einer vollschichtigen beruflichen Tätigkeit ist zunächst noch mit betriebsunüblichen zusätzlichen Pausen zu rechnen wegen der bei längerem Sitzen im Rollstuhl auftretenden Rückenschmerzen. Durch regelmäßige Krankengymnastik mit Entspannungsübungen etc. und Anpassung des Rollstuhls an die Statik der Wirbelsäule müsste es möglich sein, dass sich diese Schmerzen lindern lassen und zusätzliche betriebsunübliche Pausen nicht mehr erforderlich werden. So lange diese Behandlungsmaßnahmen noch nicht durchgeführt sind oder erfolgreich waren, dürfte eine Pause alle 2 – 3 Stunden für die Dauer von 15 Minuten erforderlich sein, um Entspannungsübungen der Rückenmuskulatur durchzuführen.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann die Klägerin/der Kläger noch ausüben?

Kann der Kläger insbesondere noch die Tätigkeit eines Telefonisten und eines Pförtners an der Nebenpforte ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann die Klägerin/der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

Zu 1. und 2.) Berufsnahe Verweistätigkeiten kommen aus berufskundlicher Sicht nicht in Betracht. Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht noch für in der Lage, folgende berufsfremde bzw. qualifizierte Verweistätigkeiten zu verrichten:

Pförtner/Tagespförtner
Diese Tätigkeit umfasst das Überwachen des Personenverkehrs in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen von Betrieben, Behörden oder Krankenhäusern, das Überprüfen von Ausweisen, das Anmelden von Besuchern, das Ausfüllen von Besucherzetteln und das Weiterleiten von Besuchern an die zu besuchenden Stellen oder Personen innerhalb des Betriebes, der Behörde oder des Krankenhauses.

Telefonist
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telegrammen, Telefaxen u. ä., die Entgegennahme und Niederschrift von Nachrichten für Teilnehmer, die vorübergehend abwesend sind. Die Anforderungen an Telefonisten sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich. Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeiten in der Regel auf das Bedienen einer z.T. recht umfangreichen Telefonanlage beschränken, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit einfachen Bürotätigkeiten, Schreibtätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten. Während bei Telefonisten in Großunternehmen ein bedarfsmässiger Wechsel der Körperhaltung zumindest bezweifelt werden darf, kann man bei dieser Tätigkeit in kleineren Betrieben davon ausgehen, dass eine wechselweise Körperhaltung zum einen aufgrund des breiteren Betätigungsfeldes, zum anderen aber auch im Bedarfsfalle jederzeit möglich ist.

Zu 3. und 4.) Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können.

Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

Für die genannten Tätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich.

Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit keine Tarifsammlung führen. Entsprechende Anfragen bitte ich an die Tarifvertragsparteien oder an die Tarifregisterstelle im Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung zu richten

Zu 5.) Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

Zu 6.) Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung. Die mir zur Einsichtnahme überlassenen Gerichts- und Rentenakten sind als Anlage beigefügt.
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Datum