S 15 R 1764/03 - SG München

Berufskundekategorie
Gutachten
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 15 R 1764/03 - SG München
Auskunftgeber
Regionaldirektion Bayern (RD BY)
Anfrage
Hochregallagerarbeiter
Auskunft
Der Begriff des Hochregallagers ist in der Literatur nicht eindeutig beschrieben. Meist werden darunter Einrichtungen subsummiert, in denen Lagergüter (i. d. R. Stückgüter) durch mechanische Bedienung (mit manuell bedienten Flurförderzeugen) oder automatisierte Anlagen (Ein- und Auslagerung erfolgt durch zentral von einem Rechner aus gesteuerte Maschinen) in Regalen gelagert werden. Bei vollautomatischen Hochregallagerstätten handelt es sich um baulich abgeschlossene Anlagen, die personenlos betrieben und nur zu Wartungs- und Instandhaltungszwecken betreten werden.

Eine Höhenangabe ist mit dem Begriff nicht verbunden, ebenso wenig wie eine Angabe über die Art der Lagerbeschickung oder den Transport der Waren. Während sich der Begriff Hochregallager in der Arbeitsstättenverordnung auf eine Bauhöhe ab 9 m bezieht, findet er bei kleineren Unternehmen auch schon bei Bauhöhen bis 7 m Verwendung.

Nach Einzug der Automatisierungstechnik in die Lagerhaltung von Unternehmen hat sich die neue Anlerntätigkeit des Hochregallagerarbeiters in den vergangenen zwanzig Jahren zu einer eigenständigen Tätigkeit entwickelt, welche in ihrem Kern die Handhabung von sog. Regalbediengeräten beinhaltet. Aufgabe des Hochregallagerarbeiters ist in der Regel die Bedienung der Anlage, jedoch werden je nach Art, Größe und Struktur des Betriebes und der dementsprechend eingesetzten Lagerungsart unterschiedliche Anforderungen an einen Arbeiter in einem Hochregallager gestellt.

Die Computersoftware ist menügeführt und anwenderfreundlich, es müssen überwiegend vorgegebene Warennummern eingegeben werden, die Zuordnung der Waren zum Lagerplatz erfolgt durch die vorhandene Software. Die eingesetzten Personalcomputer haben die früher bekannten Lagerkarteien abgelöst und speichern im Wesentlichen die Lagerbestände einschließlich der Zu- und Abgänge, erleichtern das Auffinden bestimmter Warensortimente über Schlüsselnummern und rationalisieren das Belegwesen (Ausdrucken von Rechnungen, Ausdrucken von Abgangsmeldungen). Die Programmsteuerung läuft dabei benutzerfreundlich über die Menüführung. Tiefgehende Kenntnisse der Computerprogramme sind nicht erforderlich. Allerdings werden aktuellen Arbeitgeberbefragungen zufolge grundlegende EDV-Kenntnisse vor Beginn der Einarbeitung i. d. R. vorausgesetzt. Bei den erforderlichen Hardwarekenntnissen bei der Bedienung der Computer handelt es sich um die Handhabung der Tastatur, die Handhabung und Wirkungsweise von angeschlossenen Druckern, die Datenein- und -ausgabe über externe Datenträger sowie die Arbeit mit dem angeschlossenen Bildschirm. Die softwarebezogene Einarbeitung konzentriert sich auf den Umgang mit einschlägigen Warenwirtschaftssystemen. Die Bedienung erfolgt via Terminals, die an den Bereitstellungsplätzen installiert sind, meist in stehender Arbeitshaltung. Häufig werden die erforderlichen Erfassungsdaten mittels Barcodeleser eingescannt. Sind die entsprechenden Daten nicht erkenn- oder erfassbar, erfolgt eine manuelle Dateneingabe. Die Steuerung und die Organisation der Anlage gehören nicht zu den Aufgaben eines Hochregallagerarbeiters. Diese werden vom Rechenzentrum oder von den Lagerleitern/meistern vorgenommen.

Voraussetzung ist überdies ein normales Kommunikationsvermögen (z. B. Absprachen und Abstimmung mit Kollegen) und ein normales logisches Denkvermögen. Die Arbeit in Nachtschicht gehört nicht typischerweise zu den gewöhnlichen Anforderungen eines Bedieners von Hochregallagern. Entscheidend hierfür ist das Arbeitszeitregime des zu versorgenden Produktionsbetriebes. Da das Hochregallager die Ein- und Auslagerung von angelieferten aber auch produzierten Erzeugnissen vornimmt, ist überwiegend davon auszugehen, dass die Arbeit in Normalschicht oder in 2-Schichbetrieb durchzuführen ist. Versorgt das Hochregallager einen Produktionsbetrieb, der im 3-Schichtbetrieb arbeitet, ist in diesen Fällen die Tätigkeit des Bedieners des Hochregallagers auch mit Nachtschicht verbunden.

In Abhängigkeit der Größe/Höhe des Lagers und der Lagerorganisation ergeben sich unterschiedliche Bereiche:

Zum Teil ist auch bei vollautomatischen Einlagerungssystemen eine Kommissionierung der angelieferten Ware vor der Einlagerung ins Hochregal erforderlich. Dies erfolgt in der sogenannten Vorzone. Ein Umpacken der Lagerware ist für die eigentliche Erfassung der Anlieferungen nicht notwendig, der Umpackvorgang erfolgt jedoch danach, wobei die auf Paletten oder in Gitterboxen angelieferte Ware in spezielle Transport- und Lagerbehältnisse umgestapelt wird. Hierbei sind auch höhere Gewichte zu handhaben. Einwirkungen durch extreme Hitze oder Kälte (außer bei Kühlhäusern) gibt es in der Regel nicht. Die Tätigkeit konzentriert sich auf die Erfassung der angelieferten und maschinell einzulagernden Ware in den Lagerverwaltungsrechner. Dies erfolgt durch Tastatureingabe oder durch Einscannen von Strichcodes. Die Tätigkeit wird entweder im Sitzen oder im Stehen ausgeführt.

In mittleren und kleineren Betrieben werden die Hochregallager mit Hubstaplern, Niederhubwagen oder anderen Hochregalfahrzeugen durch die Hochregallagerarbeiter vor allem zur Kommissionierung von Waren bedient. Je nach technischer Ausstattung der Fahrzeuge kann der Bediener mit den Gabelzinken die Kommissionierplatte anheben und braucht beim Aufnehmen und Ablegen der aus dem Regal entnommenen Waren nicht manuell eingreifen. Das manuelle Heben und Bewegen von schweren Lasten ist jedoch nicht auszuschließen, da häufig neben der reinen Staplerbedienung manuelle Arbeiten mit zu übernehmen sind (z. B. Umpacken der Ware, Kennzeichnung). Arbeiten in Zwangshaltungen sind hier nicht vermeidbar, etwa wie häufiges Arbeiten in hockender Stellung oder Bücken. Handelt es sich um kleinere, leicht handhabbare Teile, ist nicht auszuschließen, dass zur schnelleren Bereitstellung benötigter Teile auch über eine Leiter im Störfall die Materialversorgung vorgenommen wird.

Die Fahrtätigkeit mit den Flurförderzeugen ist körperlich leicht und wird ausschließlich im Sitzen verrichtet. Belastungen ergeben sich aus den Ganzkörperschwingungen und der monotonen Sitzhaltung. Überlastungen, und daraus resultierende chronische Beschwerden, treten vor allem im Bereich der unteren Wirbelsäule auf.

Hochregallager mit einer Einlagerhöhe von bis zu vierzig Meter und mehr werden nicht mehr mit einem Stapler sondern mit hochautomatisierten Regalbediengeräten und Transportsystemen bestückt. Die Ein- und Auslagerung von Paletten, Gitterboxen oder anderen Lagerungselementen erfolgt dabei entweder durch die Ansteuerung des Regalbediengerätes mit dem Computer oder manuell von einem Führungsstand aus. In sehr großen Betrieben, die große Hochregallager nach dem Stand neuer Technik besitzen, erledigt der Hochregallagerarbeiter mittels Computer und automatischer Regaltechnik die Ein- und Auslagerung von Gütern aller Art. Das Heben und Tragen von Lasten entfällt aber trotz der eingesetzten Transporttechnik nicht vollständig. Ein Umpacken der Lagerware ist je nach Transport- und Lagerorganisation nicht auszuschließen (z. B. bei sog. Kleinteilelagern). Einwirkungen durch Hitze und Kälte gibt es auch hier, außer in Kühlhäusern, nicht. Teilweise liegt, verursacht durch die entsprechenden Flurförderzeuge, ein hoher Geräuschpegel vor. Die Tätigkeit wird in wechselnder Körperhaltung ausgeführt, wobei Stehen und Gehen meist überwiegen.

Die Tätigkeit eines Hochregalarbeiters in einer großen Anlage modernen Zuschnitts ist als eine leichte bis zeitweise mittelschwere, zum Teil schwere körperliche Tätigkeit anzusehen. In hochautomatisierten Hochregallagern nimmt die eigentliche Kommissionierung der Ware nur einen geringen Arbeitszeitanteil in Anspruch. Im Vordergrund stehen hier die Beseitigung von Störungen kleineren Umfangs, die Behebung von Fehlfunktionen im Transportablauf und die Überwachung der Warenbewegung. Insofern ist gutes Geh- und Stehvermögen erforderlich, die Tätigkeiten erfordern zum Teil Zwangshaltungen - je nach Art der Lagerorganisation und innerbetrieblichen Logistik - wie Bücken, Knien, Hocken. Auch Überkopfarbeiten sind nicht vollständig auszuschließen. Auch das Besteigen von Leitern ist für die Bediener solcher Hochregallager zwar nicht üblich, kann aber ebenfalls nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Beurteilung

Arbeiter in einem Hochregallager ist eine in nennenswertem Umfang auch isoliert vorkommende Teilaufgabe aus dem Berufsbild der dreijährig ausgebildeten Fachkraft für Lagerwirtschaft. Der Industrieverband der Metall und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg vertritt die Auffassung, dass es Hochregallager in allen Metall- und Elektrounternehmen, in denen entweder eine große Streubreite eines Warensortimentes hergestellt wird, das üblicherweise von den Kunden direkt abgerufen werden kann oder in Unternehmen, die für ihre Produktion eine derartig hohe Vielfalt von Einzelteilen benötigen, gibt. Für den Bereich der Verbandsmitglieder wird die Anzahl auf mehrere hundert diesbezügliche Arbeitsplätze bundesweit geschätzt und ergänzend noch ausgeführt, dass neben den Betrieben der Metall- und Elektroindustrie ebenfalls in den Bereichen des Großhandels - so z. B. auch beim Handel mit Kfz-Einzelteilen - Hochregallager bestehen. Auch alle größeren Autohersteller betreiben in der Bundesrepublik Deutschland ein oder mehrere Zentrallager zur umfassenden Ersatzteilversorgung, die üblicherweise in Form von Hochregallagern ausgeführt werden.

Eine besondere Qualifikation ist als Voraussetzung meist nicht gefordert, eine vorausgegangene Ausbildung z. B. zur Fachkraft für Lagerwirtschaft oder Lagerlogistik (neuer Nachfolgeberuf ab 1. August 2004) wird i. d. R. nicht erwartet. Aktuellen Arbeitgeberbefragungen (Ende 2006, Anfang 2007) zufolge wird neben der fachlichen Qualifikation vorrangig eine umfangreiche Erfahrung hinsichtlich der betriebsspezifischen Verhältnisse als Voraussetzung genannt (Produkte, Fertigungsverfahren, Betriebsorganisation und Arbeitsabläufe), ferner das Vorhandensein eines Staplerscheines. Eingesetzt werden daher für die Tätigkeiten eines Hochregallagerarbeiters überwiegend interne Arbeitskräfte, die bereits entsprechende Waren- und Produktionskenntnisse aus ihren vorherigen Tätigkeiten in den unterschiedlichen Montage- und Fertigungsbereichen des Unternehmens mitbringen. Selbst für diese Mitarbeiter wird ein Einarbeitungszeitraum von 3-6 Monaten, je nach Art des Lagers/der Lagerorganisation angegeben. Externe Kräfte haben ohne entsprechende Vorkenntnisse oder Ausbildung kaum Zugangsmöglichkeiten.

Arbeitsplätze in Hochregallagern eignen sich nicht grundsätzlich zur Umsetzung leistungsgeminderter Mitarbeiter, da es sich nicht um typische Schonarbeitsplätze handelt.

Die Tätigkeit ist grundsätzlich als eine leichte bis zeitweise mittelschwere, teilweise auch schwere körperliche Tätigkeit in überwiegend stehender und gehender, nur zum Teil sitzender Arbeitshaltung anzusehen. Zwangshaltungen können nicht ausgeschlossen werden.

Es handelt sich bei der Tätigkeit eines Hochregallagerarbeiters um eine höher qualifizierte Anlerntätigkeit.
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