S 9 R 583/05

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 9 R 583/05
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen der Klägerin: ´
Die Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Zuletzt arbeitete die Klägerin als Raumpflegerin.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen der Klägerin:
Nach den Feststellungen des auf orthopädischem Fachgebiet gehörten Sachverständigen Prof. Dr. EB. bestehen bei der Klägerin folgende Erkrankungen: Zustand nach Radiusköpfchentrümmerfraktur und Osteosensynthese rechts mit Pseudoarthrose und geringer Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenkes, rezidivierende Lumboischialgien bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom, Hüftgelenksarthrose beidseits Stadium II, Kniegelenksarthrose Stadium II beidseits, Varikosis beidseits. Aufgrund der orthopädischen Leiden müsse die Klägerin Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ausüben. Zwangshaltungen sowie Hebe- und Bückarbeiten seien zu vermeiden. Die Hebebelastung sei links auf 8 kg und rechts auf 2 kg limitiert. Erhöhte Anforderungen an die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand dürften nicht gestellt werden. So seien zum Beispiel wiederholte Drehbewegungen unter gleichzeitiger Kraftentfaltung nicht möglich, auch einfache Haltetätigkeiten seien nur bis etwa 1,5 bis 2 kg zumutbar. Feinmotorische Arbeiten ohne Kraftentfaltung seien möglich. Der Klägerin sei keine Tätigkeit mit Absturzgefahr zumutbar. Darüber hinaus besteht bei der Klägerin nach den Feststellungen des hierzu gehörten Sachverständigen Dr. LW. eine depressive Episode in Remission. Hieraus ergeben sich derzeit keine weiteren Leistungseinschränkungen. Wegen der Einzelheiten in medizinischer Hinsicht wird auf das Gutachten von Prof. Dr. EB. sowie das Gutachten von Dr. LW. Bezug genommen. Ferner befinden sich in der Akte das orthopädische Gutachten von Dr. NB., erstattet im Schwerbehindertenverfahren sowie das neurologische Gutachten von Prof. Dr. RW., erstattet im Schwerbehindertenverfahren. Prof. Dr. RW. diagnostizierte bei der Klägerin ein chronisches Supinatorlogensyndrom rechts ohne Restitution mit entsprechender Klinik und Neurophysiologie bei Zustand nach Radiusköpfchenfraktur rechts. Die Funktionsbeeinträchtigungen der rechten Hand seien bei leichten grob- und feinmotorischen Arbeiten erheblich. Die im Rentenverfahren gehörten Sachverständigen bescheinigten der Klägerin unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für körperlich leichte Arbeiten. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes bitte ich um die Beantwortung der folgenden Fragen:

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann die Klägerin noch ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann die Klägerin unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) und 2.): Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen halte ich die Klägerin nicht mehr für in der Lage, die bisher ausgeübte Tätigkeit als Raumpflegerin zu verrichten.

Berufsnahe Verweistätigkeiten können keine benannt werden.

Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich die Klägerin aus berufskundlicher Sicht durchaus noch für in der Lage, folgende berufsfremde bzw. qualifizierte Verweistätigkeiten zu verrichten:

Pförtner/Tagespförtner (Eingangskontrolleur)
Diese Tätigkeit umfasst das Überwachen des Personenverkehrs in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen von Betrieben, Behörden oder Krankenhäusern, das Überprüfen von Ausweisen, das Anmelden von Besuchern, das Ausfüllen von Besucherzetteln und das Weiterleiten von Besuchern an die zu besuchenden Stellen oder Personen innerhalb des Betriebes, der Behörde oder des Krankenhauses.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen. Die Arbeiten werden überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Umhergehen verrichtet.

Telefonist
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telegrammen, Telefaxen u. ä., die Entgegennahme und Niederschrift von Nachrichten für Teilnehmer, die vorübergehend abwesend sind. Je nach Art des Betriebes/ der Behörde können diese Tätigkeiten auch mit der Verrichtung von einfachen Büroarbeiten und/oder dem Empfangen und Anmelden von Besuchern gekoppelt sein.

Die Anforderungen an Telefonisten sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind recht unterschiedlich. Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeiten in der Regel auf das Bedienen einer z.T. recht umfangreichen Telefonanlage beschränken, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit einfachen Bürotätigkeiten, Schreibtätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.

Während bei Telefonisten in Großunternehmen ein bedarfsmässiger Wechsel der Körperhaltung zumindest bezweifelt werden darf, kann man bei dieser Tätigkeit in kleineren Betrieben davon ausgehen, dass eine wechselweise Körperhaltung zum einen aufgrund des breiteren Betätigungsfeldes, zum anderen aber auch im Bedarfsfalle jederzeit möglich ist.

zu 3.): Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit keine Tarifsammlung führen. Entsprechende Anfragen bitte ich an die Tarifvertragsparteien oder an die Tarifregisterstelle im Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung zu richten.

zu 4.): Für die genannten Verweistätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin - auch für sie ausreichend sein.

zu 5.): Die genannten Verweistätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 6.): Die genannte Verweistätigkeit steht auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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Datum