L 2 R 13/08

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
L 2 R 13/08
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
a) 1977 Facharbeiterprüfung als Mauer
b) 1993-1998 Fahrer
c) 1998-2002 Fahrer
d) 15.04.2002 – 06.10.2002 Servicefahrer

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:

1. Tiefe Beinvenenthrombose rechts in der Folge einer Arthroskopie rechts 10/2002, Lungenembolie ohne Nachweis einer anhaltenden Lungenfunktionsstörung, Schwellneigung, aktuell Ödembildung rechts mit Umfangsplus von 2,5 cm, lokale Überwärmung

2. Initiale Gonarthrose rechts mit lokalem Druckschmerz, vorbeschriebene Chondromalazie rechts medial am Gelenk, Zustand nach Arthroskopie und Innenmeniskusteilentfernung nach Korbhenkelriss 2002

3. Leichte Übergewichtigkeit

II. Zeitliches Leistungsvermögen:
Der Kläger ist noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer zumindest leichten Tätigkeit, überwiegend im Sitzen, mit gelegentlichem Wechselrhythmus, nachzukommen.

III. Qualitatives Leistungsvermögen:
Bei dem Kläger besteht ein Zustand nach Beinvenenthrombose rechts, bedeutsame Gelenkdefizite liegen hingegen nicht vor. Funktionell bedeutsame Defizite an den Beinen oder den unteren Wirbelsäulenabschnitten bestehen nicht.

An der Wirbelsäule besteht kein relevantes Defizit, Erkenntnisse über degenerative Veränderungen liegen nicht vor.

Die Beinvenenthrombose führt zu einer Schwellneigung und belastungsabhängigen Beschwerden, die auch durch konsequentes Tragen eines Kompressionsstrumpfes nicht völlig zu beheben sind.

Die Arbeit sollte möglichst im Sitzen, mit zeitweisem Gehen und Stehen, ermöglicht werden, in wechselnder Körperhaltung. Hierbei ist ein Haltungswechsel etwa alle ein bis zwei Stunden vorzunehmen.

Der Kläger sollte nicht mehr überwiegend stehen oder gehen müssen, sondern überwiegend sitzen dürfen. Dabei ist jedoch ein Hochlagern des Beines zumindest zeitweise zu ermöglichen. Überkopfarbeiten sind möglich, auch Zeitdruck oder Schicht und Nachtarbeit. Hebe- oder Bückarbeiten im angegebenen Rahmen sind denkbar, auf Leitern und Gerüsten sollte der Kläger nicht oder nur ausnahmsweise tätig werden müssen. Gefährlich laufende Maschinen sind nach den bisherigen Erkenntnissen kein Hindernis für den Kläger, er sollte nur in geschlossenen und warmen Räumen arbeiten müssen.

Der Kläger kann mehr als 500 m viermal täglich zurücklegen, die Wegstrecke ist nicht beschränkt.

III. Besondere Leistungeseinschränkungen: Der Kläger sollte gemäß seinem postthrombotischen Syndrom mit peripherer Schwellneigung sein rechtes Bein hochlegen können.

Für eine solche jeweilige Pause dürften 15 Minuten genügen, also insgesamt 45 Minuten in einer Arbeitsschicht von 8 Stunden. Günstiger wäre eine überwiegend sitzende Tätigkeit ohne Publikumsverkehr, bei dem er zwischenzeitlich je nach Bedarf seinen rechten Fuß hoch legen könnte.

II. Beweisfragen

c) Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

d) Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

e) Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

f) Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

g) Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

h) Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

Zu IIc) und IId) Berufsnahe Verweistätigkeiten kommen aus berufskundlicher Sicht nicht in Betracht.

Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht für in der Lage, folgende Tätigkeiten ausüben zu können:

Telefonisten/Telefonistinnen
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, E-Mails u. ä ... Die Anforderungen an Telefonisten/Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich.

Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeit in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränkt, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit Bürotätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.

Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse.

Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen.

Pförtner/Tagespförtner
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stress-Situationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden. Je nach Arbeitsort kann Schichtdienst vorkommen. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich.

Zu IIe und IIf) Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können.

Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von bis zu 3 Monaten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für ihn ausreichend sein.

Zu IIg) Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

Zu IIh) Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.

Zu III) Zu betriebsunüblichen Pausen ist generell anzumerken, dass diese in der Regel von Arbeitgebern nicht toleriert werden, sondern bestenfalls langjährigen erwerbsgeminderten Betriebsangehörigen gewährt werden. Betriebsunübliche Pausen sind zusätzliche Ruhepausen, die ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern aus technologisch oder persönlich bedingten Gründen gewähren kann. Ein gesetzlicher Anspruch besteht nicht.

Nach meinen Erfahrungen sind Arbeitgeber in den seltensten Fällen bereit, derartige Arbeitsunterbrechungen zu tolerieren.
Saved
Datum