L 2 R 180/11

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
L 2 R 180/11
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:

Gesellenprüfung zum Schlosser (06/74) Meisterprüfung im Zentralheizungs- und Lüftungsbauerhandwerk (09/83) Meisterprüfung im Gas- und Wasserinstallateurhandwerk (06/90) 09/77 – 1986 Betriebssschlosser, Monteur (Heizung), Techniker, zum Schluss als Meister mit Auftragsabwicklung / Baustellenleitung bei der Fa. XY. GmbH befasst
06/86 – 10/88 Betriebsleiter Fa. Z. Z. Energietechnische Anlagen GmbH
02/89 – 03/92 selbstständige Tätigkeit als Heizungs- und Sanitärinstallateur

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:

Leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden in wechselnder Körperhaltung unter Beachtung folgender qualitativer Leistungseinschränkungen:
- Kein überwiegendes Heben und Tragen von mittelschweren Lasten, keine Stauchungs- und Vibrationsbelastungen für das Achsorgan, keine überwiegenden Arbeiten in Rumpfvorbeugehaltung mit Bewegung von mittelschweren Lasten.
- Keine überwiegenden Überkopfarbeiten mit Reklination der Halswirbelsäule.
- Keine überwiegenden Arbeiten in Armvorhaltestellung mit statischer Muskelarbeit.
- Kein gehäuftes Ersteigen von Leitern oder Gerüsten.
- Vermeiden von Tätigkeiten in Nässe, Zugluft mit extremen Temperaturschwankungen.
- Keine Stauchungs- und Schwerbelastungen für die Kniegelenke.
- Vermeiden von Arbeiten mit häufigem Knien und Hocken.

II. Beweisfragen

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

Kann der Kläger insbesondere noch folgende Tätigkeiten ausüben:
a) Kundenberater (Außendienst) im Großhandel für Heizungs- Lüftungs- und Sanitärartikel
b) Sachbearbeiter im Sanitärverkauf
c) Schadenfeststeller bei Wasser- und Heizungsschäden für Sachversicherungen
d) Techniker im Fachbereich Heizung
e) Aufsichtsführender Meister / Betriebsleiter eines Heizungs- / Sanitärbetriebes

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) Berufsnahe Tätigkeiten kommen für den Kläger nicht in Betracht. Sämtliche vom Gericht in seiner Anfrage unter Beweisfrage 1 genannten Tätigkeiten kann der Kläger aus fachlicher und/oder gesundheitlicher Sicht nicht verrichten.

Kundenberater (Außendienst) im Großhandel für Heizungs-, Klima-, und Sanitärartikel/ Sachbearbeiter im Sanitärverkauf
Üblicherweise erfordern beide Tätigkeiten eine kaufmännische Ausbildung. Den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten wird bei diesen Tätigkeiten eine weitaus größere Bedeutung als dem produktbezogenen und anwendungsspezifischen Wissen zugemessen. Da der Kläger nicht über vertiefte kaufmännische und vertriebswirtschaftliche Kenntnisse verfügt, ist eine wettbewerbsfähige Beschäftigung in diesem Bereich nicht möglich.

Schadenfeststeller, Techniker oder aufsichtführender Meister im Bereich Heizung, Sanitär
Nach den hier vorliegenden Unterlagen, ist der Kläger seit 04/1992 nicht mehr erwerbstätig. Die durch Aus-/Fortbildung und seine Tätigkeiten im Heizungs- und Sanitärinstallationsbereich erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen sind sicherlich noch in Teilen vorhanden, entsprechen jedoch keinesfalls dem aktuellen technischen Stand und den Anforderungen an einen leitenden Mitarbeiter bzw. Schadenfeststeller/Gutachter in diesem Bereich. Auch wären bei diesen Tätigkeiten, z.B. beim Arbeiten auf Baustellen die sich noch im Rohbau befinden, Umgebungseinflüsse wie Nässe, Kälte, Zugluft, häufiges Knien und das besteigen von Leitern und Gerüsten nicht auszuschließen.

Aufgrund seines gesundheitlichen Restleistungsvermögens ist der Kläger aus berufskundlicher Sicht in der Lage, die berufsfremden Tätigkeiten eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers, eines Telefonisten und eines Pförtners vollwertig verrichten zu können.

zu 2.) Kundenberater (Außendienst) im Großhandel für Heizungs-, Klima-, und Sanitärartikel
Kundenberater im Außendienst sind qualifizierte Fachkräfte, die aufgrund ihrer Ausbildung/Berufserfahrung in der Lage sind, selbständig Beratungs- und Verkaufsgespräche anzubahnen, verkaufsfördernde Maßnahmen zu planen, umzusetzen, Absatzaktivitäten zu organisieren und zu steuern. Ihre Aufgabe ist es, einen vorhandenen Kundenstamm zu betreuen und neue Kunden zu gewinnen. Neben allgemeinen kaufmännischen Arbeiten wie Erledigung des Schriftverkehrs, Auftragsabwicklung, Terminverfolgung, Erstellung von Verkaufsstatistiken und ähnlichen Arbeiten, gehören die Warenpräsentation beim Kunden, Information und Beratung über Eigenschaften und Wettbewerbsvorteilen der Waren und Preisverhandlungen zu ihren Aufgaben.

Als Zugang für die Tätigkeit eines Kundenberaters (Außendienst) wird in der Regel eine abgeschlossene Fachberaterfortbildung oder eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung mit entsprechender Verkaufspraxis verlangt. Je nach Einsatzbereich werden zum Teil umfassende technische Kenntnisse der zu vertreibenden Produkte verlangt. Persönliche Mindestvoraussetzung sind u.a. gutes mündliches Ausdrucksvermögen, verbindliches Auftreten, Konzentrationsfähigkeit, Organisationsvermögen, Verhandlungsgeschick und ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild.

Kundenberater im Außendienst führen die planenden und beratungsvorbereitenden Arbeiten –teilweise von zuhause aus- am Schreibtisch durch. Sie müssen hierbei und bei der Warenpräsentation mit Laptop und modernen Bürokommunikationsmitteln umgehen. Es handelt sich bei diesem Teilbereich ihrer Arbeit um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen.

Die Außendiensttätigkeit verlangt meist erhebliche Fahrleistungen mit dem PKW mit den typischen Belastungen, zu denen auch in gewissem Umfang Witterungseinflüsse gehören. Schweres Heben und Tragen von Produkten und Präsentionsmaterialien kann nicht immer ausgeschlossen werden. Die Tätigkeit gilt üblicherweise als stressreich (unregelmäßige Arbeitszeit, Überstunden, Termindruck, vorgegebene Mindestleistungszahlen usw.). Es ist daher ein ordentliches Maß an psychischer Belastbarkeit und eine hohe Frustrationstoleranzgrenze (Ablehnungen/Absagen durch Kunden) erforderlich.

Sachbearbeiter im Sanitärverkauf
Sachbearbeiter im Sanitärverkauf werden überwiegend im Vertriebsinnendienst des Großhandels eingesetzt. Zu ihren Hauptaufgaben gehören das komplette Angebotswesen, die Auftragsabwicklung und verschiedene Sonderaufgaben. Sachbearbeiter im Sanitärverkauf wickeln –zum Teil im beratenden Gespräch mit dem Kunden- Bestellungen ab, arbeiten Individualangebote aus, sind verantwortlich für Materialdisposition und Bearbeitung der verschiedensten telefonischen Anfragen. Außerdem sorgen sie für termingerechte Lieferung, bearbeiten Reklamationen und überwachen Termine.

Erwartet wird in der Regel eine abgeschlossene Ausbildung als Kaufmann Groß- und Außenhandel o.ä., gute Microsoft-Office-Kenntnisse, eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, meist gute Englischkenntnisse, Teamfähigkeit und idealerweise Branchen- und Sortimentskenntnisse.

Es handelt sich um eine körperlich leichte bis zeitweise mittelschwere Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Üblich ist der Umgang mit den verschiedenen Bürokommunikationsmitteln und Bildschirmarbeit. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen.

Warenaufmacher/Versandfertigmacher/in
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren, das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen. Schließlich gehört zu ihren Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen. Warenaufmacher/Versandfertigmacher können in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Eine vollständige Auflistung ist nicht möglich. Nachfolgend finden Sie eine exemplarische Auswahl: Handel, Nahrung und Genussmittel, Chemie, Pharmazie, Metall- und Elektroindustrie, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Feinmechanik, Optik.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Funktionstüchtigkeit beider Arme und Hände sollte gegeben sein. Für diese Tätigkeiten sind meist keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich.

Telefonist/Telefonistin
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen und E-Mails. Die Anforderungen an Telefonisten/Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich.

Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeit in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränkt, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit Bürotätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten. Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse.

Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen.

Pförtner/in
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese in den verschiedenen Bereichen an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stresssituationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden.

zu 3.) Bei den Tätigkeiten eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers, eines Telefonisten und eines Pförtners handelt es sich um ungelernte Tätigkeiten, für die keine besonderen Ausbildungen erforderlich sind. Im Regelfall betragen die betrieblichen Einarbeitungs- und Einweisungszeiten maximal drei Monate. Hinsichtlich der tarifvertraglichen Einstufung verweise ich auf das Tarifregister des Landes Hessen.

zu 4.) Aufgrund seines gesundheitlichen Restleistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht für in der Lage, die Tätigkeiten eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers, eines Telefonisten und eines Pförtners nach einer betrieblichen Einarbeitungs-/Einweisungszeit von maximal drei Monaten unter arbeitsmarkt- und betriebsüblichen Bedingungen vollwertig verrichten kann. Bei der Tätigkeit eines Telefonisten ist der Umgang mit versch. Bürokommunikationsmitteln und elektronischer Datenverarbeitung üblich. Sollte der Kläger über einfache PC-Kenntnisse verfügen (z. B. weil er privat einen PC besitzt), so kann er sich sicherlich in kurzer Zeit in eine solche Tätigkeit einarbeiten.

zu 5.+6.) Die in Betracht kommenden Tätigkeiten eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers, eines Telefonisten und eines Pförtners stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang –mehr als 300 besetzte oder unbesetzte Arbeitsplätze- auch Betriebsfremden zur Verfügung.
Saved
Datum