L 2 R 124/13

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
L 2 R 124/13
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

- Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen der Klägerin:
gel. Bürokauffrau, zuletzt Filialleiterin in einer Reisemobilvertretung

- Gesundheitliches Restleistungsvermögen der Klägerin:
6 Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechslender Körperhaltung, kein Publikumsverkehr mit längerem Sprechen, keine ständige Exposition von Kälte, Nässe, Zugluft und atemwegsreizenden Substanzen, ohne Kontakt zu kalter Außenluft. Vorteilhaft wäre ein Heimarbeitsplatz.

II. Beweisfragen

- Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann die Klägerin noch ausüben?
- Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?
- Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?
- Kann die Klägerin unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?
- Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?
- Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

Berufsnahe Verweistätigkeiten kommen aus berufskundlicher Sicht nicht in Betracht. Auch halte ich die Klägerin für nicht in der Lage die Tätigkeit als Bürokauffrau verrichten zu können. Nach Aktenlage ist kein längeres Sprechen möglich. Die Tätigkeit als Bürokauffrau erfordert vielfältige Sprachkontakte. Ob persönlich oder am Telefon - Bürokaufleute haben vielfältige Kontakte, nicht nur zu ihren Kollegen und Vorgesetzten, sondern auch zu Kunden.

Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich die Klägerin aus berufskundlicher Sicht für in der Lage, folgende Tätigkeiten ausüben zu können:

Mitarbeiter/Mitarbeiterin in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Die Tätigkeit umfasst die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen; das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Poststellenmitarbeiter/innen bereiten die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Kuvertieren, Wiegen und Feststellen des Brief-/Paketportos, Frankieren per Hand bzw. mit Frankiermaschinen, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln, wie PC, Scanner, Faxgeräte und Kopierer sowie Brieföffnungsmaschinen, Kuvertiermaschinen, Frankiermaschinen

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros (Poststelle). Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie die Feinmotorik der Hände. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Arbeiten unter gelegentlichem Stress und Zeitdruck sind nicht auszuschließen.

Warenaufmacher/in – Versand
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren, das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen. Schließlich gehört zu ihren Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen. Für diese Tätigkeiten sind in der Regel keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich.

Warenaufmacher-Versand können in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Eine vollständige Auflistung ist nicht möglich. Nachfolgend finden Sie eine exemplarische Auswahl: Handel, Nahrung und Genussmittel, Chemie, Pharmazie, Metall- und Elektroindustrie, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Feinmechanik, Optik.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Funktionstüchtigkeit beider Arme und Hände sollte gegeben sein (z.B. für beidhändiges Arbeiten).

Eine Beschäftigung in Heimarbeit bei den vorgenannten Tätigkeiten ist nicht marktüblich.

Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können.

Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von bis zu 3 Monaten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin - auch für sie ausreichend sein.

Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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