S 8 R 434/11

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 8 R 434/11
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Kl.:
Der Kläger hat keine Lehre abgeschlossen. Zuletzt war er bis zum 28.02.2010 als Fenstermonteur beschäftigt.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen d. Kl.:
Der Kläger leidet unter einer Störung der kognitiven Flexibilität durch eine kombinierte Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten (Lese-, Schreib- und Rechenstörung) und unter Störungen der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses bzw. einer Intelligenzminderung

Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. A. vom 13.09.2012 kann er noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung folgender qualitativer Leistungseinschränkungen ausführen:
- Vermeidung von Zwangshaltungen
- Vermeidung von häufig gebückten Belastungen
- Vermeidung von Tätigkeiten, die mit Erschütterungen der Wirbelsäule einhergehen oder die in Zugluft und Kälteexposition ausgeführt werden.
- Hebe- und Tragebelastungen sollen im Einzelfall nicht mehr als 10 kg und als Dauerbelastung nicht mehr als 5 kg betragen
- Keine Überkopfarbeiten im rechten Schultergelenk
- Vermeidung von vorwiegend knieenden und hockenden Belastungen sowie ausschließlich stehenden und gehenden Belastungen
- Keine besonderen Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit

Nach dem Gutachten des SV Dr. B. vom 11.03.2013 kann der Kläger ebenfalls noch leichte Tätigkeiten unter Beachtung folgender qualitativer Leistungseinschränkungen ausführen:
- Akkordarbeit könne er nicht mehr ausüben.
- Das Umstellungs- und Anpassungsvermögen des Klägers sei sowohl durch die fehlenden Schulfertigkeiten als auch duch die kognitiven Beeinträchtigung bzw. die Intelligenzminderung erheblich beeinträchtigt für komplexere Arbeiten.
- Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, Reaktionsvermögen und Flexibilität, Tätigkeiten unter Zeitdruck, Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung für Personen und Maschinen, Überwachungs- und Steuerungstätigkeiten und Tätigkeiten, die mit erhöhter Anforderung an das Sprech-, Sprach, Lese- und Schreib- und Rechenvermögen einhergehen, können von ihm nicht mehr durchgeführt werden.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann d. Kl. noch ausüben?
Kann der Kläger insbesonderen noch die Tätigkeiten eines Pförtners oder als Warenaufmacher/Versandfertigmacher ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann d Kl. unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) Berufsnahe Tätigkeiten kommen für den Kläger nicht in Betracht. Aufgrund seines gesundheitlichen Restleistungsvermögens ist der Kläger aus berufskundlicher Sicht in der Lage, die berufsfremde Tätigkeit eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers vollwertig verrichten zu können. Die Tätigkeit eines Pförtners kann der Kläger aus fachlicher und gesundheitlicher Sicht nicht verrichten, da diese u.a. verantwortungsvolles Arbeiten/Handeln, eine gewisse geistige Flexibilität und durchschnittliche Lese- und Rechtschreibkenntnisse bedingt. Auch kann es gelegentlich zu Stresssituationen kommen.

zu 2.) Warenaufmacher/Versandfertigmacher/in
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren, das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen. Schließlich gehört zu ihren Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen.

Warenaufmacher/Versandfertigmacher können in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Eine vollständige Auflistung ist nicht möglich. Nachfolgend finden Sie eine exemplarische Auswahl: Handel, Nahrung und Genussmittel, Chemie, Pharmazie, Metall- und Elektroindustrie, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Feinmechanik, Optik.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Funktionstüchtigkeit beider Arme und Hände sollte gegeben sein. Für diese Tätigkeiten sind meist keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich.

Pförtner/in
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese in den verschiedenen Bereichen an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stresssituationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden.

zu 3.) Bei den Tätigkeiten eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers und eines Pförtners handelt es sich um ungelernte Tätigkeiten, für die keine besonderen Ausbildungen erforderlich sind. Im Regelfall betragen die betrieblichen Einarbeitungs- und Einweisungszeiten maximal drei Monate. Hinsichtlich der tarifvertraglichen Einstufung verweise ich auf das Tarifregister des Landes Hessen.

zu 4.) Aufgrund seines gesundheitlichen Restleistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht für in der Lage, die Tätigkeit eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers nach einer betrieblichen Einarbeitungs-/Einweisungszeit von maximal drei Monaten unter arbeitsmarkt- und betriebsüblichen Bedingungen vollwertig verrichten zu können.

zu 5.+6.) Die in Betracht kommende Tätigkeit eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang -mehr als 300 besetzte oder unbesetzte Arbeitsplätze- auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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