Kürzung der Altersversorgung ehemaliger Vertragsärzte in Hessen rechtswidrig

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Kategorie
Entscheidungen
In Hessen haben Vertragsärztinnen und Vertragsärzte - neben Ansprüchen gegenüber dem Versorgungswerk der Landesärztekammer - auch Versorgungsansprüche gemäß der sogenannten Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KV). Nach den satzungsrechtlichen Bestimmungen der KV wird ein bestimmter Anteil der von den Krankenkassen zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen bezahlten Honorare nicht an die berufstätigen Ärzte als Erbringer dieser Leistungen verteilt. Dieser Honoraranteil wird vielmehr den aus dem Berufsleben ausgeschiedenen Vertragsärzten oder deren Hinterbliebenen ausgezahlt.

Im Hinblick auf die demografische Entwicklung erfolgte im Jahr 2006 eine grundsätzliche Neuausrichtung der Honorarverteilung. Für die Zeit ab dem 3. Quartal 2006 wurde ein sogenannter Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt, der eine deutliche Absenkung der Versorgungsbezüge bewirkt. Diese Neuregelung hat der 4. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in vier Parallelverfahren mit Urteilen vom 27. Juni 2012 wegen Verletzung
der Eigentumsgarantie für rechtswidrig erklärt.

Mehr als 3.000 anhängige Widerspruchsverfahren gegen die Kürzung der Altersversorgung
Der aufgrund der Neuregelung ab dem 3. Quartal 2006 eingetretenen Kürzung ihrer Versorgungsbezüge um ca. 6 % widersprach eine Vielzahl ehemaliger Vertragsärzte aus Hessen. Sie verstoße gegen die Eigentumsgarantie und sei daher verfassungswidrig. Die KV verwies hingegen darauf, dass der Nachhaltigkeitsfaktor zur Kompensation künftiger demografischen Verwerfungen aufgrund der Altersstruktur sowie der zunehmenden
Lebenserwartung erforderlich sei. Im Jahre 2040 werde das Verhältnis der EHV-Bezieher zu den aktiven Vertragsärzten 1:0,8 (2005: 1:1,67) betragen. Bei unveränderter Fortführung der EHV werde der Umlagesatz von unter 6 % (2006) auf ca. 10 % steigen. Mit dem Nachhaltigkeitsfaktor hingegen werde die Belastung der aktiven Ärzte dauerhaft auf einen Umlagesatz von 5 % beschränkt.

Nachhaltigkeitsfaktor sei unverhältnismäßig und verletze die Eigentumsgarantie
Die Darmstädter Richter erklärten nun den Nachhaltigkeitsfaktor für verfassungswidrig. Die erworbenen Ansprüche aus der EHV stünden - ebenso wie Ansprüche auf Renten aus der Sozialversicherung - unter dem Schutz der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie. Der Nachhaltigkeitsfaktor stelle sich in seiner konkreten Ausgestaltung als unverhältnismäßige Belastung dar. Durch das Einfrieren der Belastung der aktiven Ärzte
auf 5 % ihres Honorars müssten die nicht mehr aktiven Ärztinnen und Ärzte in Hessen letztlich die Lasten allein tragen. Konkret bedeute dies eine 6 %ige Absenkung zu Beginn der Reform 2006 verbunden mit einer stets weiter voranschreitenden Minderung der Versorgungsbezüge. Zudem ermögliche es die streitige Regelung den Versorgungsbeziehern nicht, sich auf die neue Rechtslage in angemessener Zeit einzustellen.

Über die zahlreichen noch anhängigen Widerspruchsverfahren werde die KV entsprechend
zu entscheiden haben.

Hessisches Landessozialgericht, Urteile vom 27.06.2012 (Az.: L 4 KA 43/11, 45/11, 46/11, 47/11
Die Urteile werden nach Zustellung an die Beteiligten unter
www.lareda.hessenrecht.hessen.de ins Internet eingestellt.)
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