Auch „Hartz-4“- Empfänger haben Recht auf Bildung

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Kategorie
Entscheidungen
17 jähriger Schüler bekommt Kosten für monatliche Busfahrkarte als Darlehn

„Hartz-4“- Empfänger, die nach der allgemeinen Schulpflicht ein Gymnasium besuchen und dafür auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen sind, haben neben ihrem monatlichen Regelbetrag in Höhe von 281,- € Anspruch auf ein zinsloses Darlehn für den Kauf einer Monatsfahrkarte.
Dies entschied die 8. Kammer des Sozialgerichts Marburg in einem heute veröffentlichten Beschluss.

Landkreis zieht sich auf formale Argumente zurück
Der aus dem Landkreis Marburg- Biedenkopf stammende 17 jährige Antragsteller lebt mit seinen Eltern und Geschwistern von „Hartz- 4“. Er besucht ein Marburger Gymnasium und muss dafür täglich ca. 16 Kilometer mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Eine entsprechende Monatskarte des RMV kostet derzeit 56,90 €.

Daher beantragten die Eltern des Jungen die Übernahme der Kosten beim Landkreis Marburg. Der Antrag wurde von beiden in Betracht kommenden Abteilungen des Landkreises mit dem Hinweis auf eine fehlende Rechtsgrundlage abgelehnt.

Im gerichtlichen Eilverfahren vor dem Sozialgericht Marburg bekamen der Junge und seine Eltern nun Recht.

Jedem muss der Zugang zu einer umfassenden schulischen Bildung offen stehen
Das Sozialgericht Marburg entschied im Sinne der Chancengleichheit auf Bildung und führte damit eine generelle Linie der Sozialgerichte fort.
In nahezu allen Bundesländern gehen die Gerichte davon aus, dass die Kosten einer Monatsfahrkarte nicht vom monatlichen Regelsatz angespart werden können. Damit ist Schülern mit „Hartz 4“ der Zugang zu einer guten Ausbildung versperrt, was weder mit dem Grundgesetz, noch mit der Zielsetzung der „Hartz-4“- Gesetze vereinbar ist.

Auch die zuständige Marburger Richterin begründete ihren Beschluss damit, dass die Pauschalierung der Leistungen beim Arbeitslosengeld II („Hartz 4“) nicht dazu führen darf, dass Kindern aus armen Haushalten der Besuch eines Gymnasiums unmöglich ist. Daher muss die Behörde unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für eine Schüler-Monatskarte zusätzlich übernehmen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Schule nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist und keine andere öffentliche Stelle für die Kosten der Monatskarte aufkommt.

Als unerfreulich bewertete das Gericht den Verlauf des gerichtlichen Eilverfahrens. Denn trotz eines gerichtlichen Hinweises auf die Rechtslage konnte zwischen den beiden streitbeteiligten Abteilungen keine interne Verständigung über die Regelung solcher Fälle gefunden werden.

Kleiner Wermutstropfen für die Schüler ist allerdings, dass die Kosten ähnlich wie beim BAföG nur als zinsloses Darlehn gewährt werden können.

Sozialgericht Marburg, Beschluss vom 14.07.2009, Az: S 9 SO 60/09 ER
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