Krankenversicherung: Fehlende Befreiungsmöglichkeit für kurze Beschäftigung nach langjähriger Selbstständigkeit verstößt nicht gegen Europarecht

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Eine Lehrerin, die langjährig selbstständig tätig war und dann eine halbjährige Teilzeit-Vertretung als angestellte Lehrerin an einer staatlichen Schule übernahm, kann insoweit nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreit werden. Dies entschied die 17. Kammer des Sozialgerichts Wiesbaden in einem heute veröffentlichten Urteil.

Die Lehrerin wollte während der Anstellung ihren Privatversicherungsschutz aufrechterhalten und eine Doppelversicherung vermeiden. Zur Begründung ihrer Klage führte sie an, dass anderen Teilzeitbeschäftigten, die wegen der Höhe des Einkommens während der vorausgehenden Vollzeitbeschäftigung unter die Versicherungsfreiheit fielen, eine Befreiungsmöglichkeit zuerkannt werde. Die Klägerin habe wegen ihrer langjährig selbstständigen Tätigkeit keine Chance, im Alter gesetzlich versichert zu sein. Es sei gleichheitswidrig, ihr die Befreiung vorzuenthalten. Zudem handele es sich um eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, da Lebensläufe wie der der Klägerin wesentlich häufiger bei Frauen anzutreffen seien als bei Männern.

Das Sozialgericht folgte dieser Argumentation nicht. Durch ein gesetzlich garantiertes Rückkehrrecht in die private Versicherung zu den gleichen Bedingungen nach Beendigung der befristeten Beschäftigung sei eine Doppelversicherung zu verhindern.
Zwar sei die Frage, ob die Befreiungstatbestände diskriminierungsfrei ausgestaltet seien, an den europäischen Gleichbehandlungsrichtlinien zu messen (hier: RL 79/7/EWG). Selbst wenn es sich aber um eine mittelbare Diskriminierung handeln sollte, so wäre diese gerechtfertigt. Eine breite Basis der Versichertengemeinschaft zur Verwirklichung des Solidarprinzips sowie die Gewährleistung des finanziellen Gleichgewichts eines Zweiges der sozialen Sicherheit seien insoweit objektive Gründe, die Befreiungstatbestände eng auszugestalten. Auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Betroffenen sei ein zulässiges Merkmal der Differenzierung.

Sozialgericht Wiesbaden, Urteil vom 07.08.2009, Az.: S 17 KR 173/07
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