Arge muss Schülermonatskarte ab der 11. Klasse zahlen

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Schülerbeförderungskosten, die einem Hartz IV-Empfänger für den Besuch der 11. Klasse
eines Gymnasiums entstehen, können einen unabweisbaren Mehrbedarf darstellen.

Dies hat das Sozialgericht Gießen heute in einem Eilverfahren entschieden, dem folgender Sachverhalt
zugrund lag:

Der 16jährige Antragsteller aus der Wetterau bezieht Hartz IV-Leistungen und besucht ein Gymnasium, das 8,4 km von seinem Wohnort entfernt liegt. Er muss öffentliche Verkehrsmittel benutzen, um zur Schule zu gelangen.

Bis zur 10. Klasse übernahm das Land die Schülerbeförderungskosten, für die weitergehende schulische Ausbildung ist im Hessischen Schulgesetz aber keine Förderung mehr vorgesehen. Schüler, die bei den Eltern wohnen, erhalten zudem kein Bafög. Auch das Sozialgesetzbuch 2. Buch ( SGB II ) sieht für Schülerbeförderungskosten keine ausdrückliche Regelung vor.

Deshalb hatte das Bundessozialgericht mit Urteil vom 28.10.2009 (Az.: B 14 AS 44/08 R) in einem vergleichbaren Fall noch einen Anspruch auf Übernahme dieser Kosten nach dem SGB II abgelehnt. Das Urteil bezog sich allerdings auf eine Rechtslage vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 09.02.2010 zur Verfassungswidrigkeit der Regelsätze. Das Verfassungsgericht hatte seinerzeit festgestellt, dass Hartz IV-Empfänger einen Anspruch auf die Übernahme eines unvermeidbaren Mehrbedarfs haben, der immer wieder auftritt.

Der Gesetzgeber hat die Vorgaben des Gerichts mittlerweile teilweise umgesetzt, indem in § 21 Abs.6 SGB II mit Wirkung zum 03.06.2010 eine Regelung eingeführt wurde, wonach ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger dann Leistungen für einen Mehrbedarf erhält, wenn im Einzelfall ein unabweisbarer , laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Dies hat das Sozialgericht jetzt für die Schülerbeförderungskosten angenommen. Bildung komme in unserer Gesellschaft eine Schlüsselrolle zu. Gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden
sei sie zudem ein wesentlicher Faktor bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt und vermeide hierdurch auch eine fortgesetzte Hilfebedürftigkeit. Es verstoße daher gegen die Würde des Menschen nach Art. 1 Grundgesetz, wenn der Antragsteller gezwungen wäre, die Schulausbildung aus finanziellen Gründen abzubrechen.

Die Arge muss dem Antragsteller nun in Zukunft 48 € zusätzlich pro Monat für eine Monatskarte zahlen.

Sozialgericht Gießen, Beschluss vom 19.08.2010, Az.: S 29 AS 981/10 ER
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