L 13 AL 190/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 5016/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 190/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2020 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe und begehrt Arbeitslosengeld für den Zeitraum der Sperrzeit.

Die 1990 geborene Klägerin war seit dem 16. November 2016 bei der H GmbH in B als Architektin sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Am 5. Juli 2019 meldete sie sich bei der für sie zuständigen Agentur für Arbeit in B online arbeitssuchend ab dem 1. September 2019 und kündigte am 10. Juli 2019 ihr Arbeitsverhältnis zum 31. August 2019.

Am 31. Juli 2019 meldete sich die Klägerin persönlich bei der Agentur für Arbeit in B mit Wirkung zum 1. September 2019 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Den Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg) übersandte sie zusammen mit dem „Fragebogen bei eigener Kündigung oder Aufhebungsvertrag" am 15. August 2019. Darin teilte sie mit, dass ein geplanter Umzug am 1. September 2019 zum Lebenspartner und zurück in die Nähe der Eltern Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewesen sei. Die Fragen, ob es möglich gewesen sei, das Beschäftigungsverhältnis später zu beenden und ob sie dazu einen Versuch unternommen habe, verneinte die Klägerin.

Am 28. August 2019 stellte sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit in K vor und beantragte die Genehmigung einer Ortabwesenheit vom 4. September 2019 bis 25. September 2019 (22 Kalendertage). Die Ortsabwesenheit wurde durch die Eingangszone genehmigt. Am 5. September 2019 und 13. September 2020 bat die Klägerin jeweils um Verlängerung der Ortsabwesenheit, da sie aufgrund des geplanten Umzugs nach ihrem Urlaub erst am 27. September 2019 wieder in K sei. Die Ortsabwesenheit wurde laut den verbis-Vermerken der Beklagten von den jeweiligen Tagen entsprechend verlängert. Am 30. September 2019 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten zurück.

Mit Bescheid vom 19. September 2019 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. September 2019 bis 23. November 2019 fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld. Sie habe ihr Beschäftigungsverhältnis durch eigene Kündigung selbst gelöst und habe voraussehen müssen, dass sie hierdurch arbeitslos werde. Der Umzug zu ihrem Lebenspartner könne in Abwägung mit den Interessen der Versichertengemeinschaft eine Sperrzeit nicht abwenden. Ein wichtiger Grund im Sinne der Sperrzeitregelung liege nur vor, wenn ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses objektiv nicht mehr zugemutet werden könnte. Die Sperrzeit dauere zwölf Wochen und mindere ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld um 90 Tage — ein Viertel der Anspruchsdauer.

Mit weiterem Bescheid vom 19. September 2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg für (insgesamt) 360 Kalendertage, wobei ein Zahlungsanspruch mit einem täglichen Leistungsbetrag von 39,19 € erst ab dem 24. November 2019 zuerkannt wurde (1. September bis 23. November 2019 0 € wegen Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, 24. September bis 29. September 2019 0 € wegen Ortsabwesenheit).

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die von der Beklagten verfügte Sperrzeit. Sie führte aus, dass sie bei der persönlichen Vorstellung in der Agentur für Arbeit in B am 31. Juli 2019 mit ihrer Beraterin die Gründe für die Kündigung besprochen habe. Sie führe seit zweieinhalb Jahren eine Fernbeziehung und ihr Partner sei Polizist im Bundesland Baden-Württemberg, so dass für ihn ein Umzug nicht ohne Weiteres möglich sei. Die räumliche Trennung stelle eine große emotionale und finanzielle Belastung dar. Auch weil geplant sei, sich in nächster Zeit zu verloben, sei die Entscheidung getroffen worden, zusammenzuziehen. Darüber hinaus habe sie Familie in B1, was ebenfalls zur Entscheidung beigetragen habe, nach K zusammenzuziehen. Die Beraterin in B habe ihr nach Erläuterung der Gründe und unter Bezugnahme auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 12. Dezember 2017 mit dem Aktenzeichen L 7 AL 36/16 bestätigt, dass es nicht zu einer Sperrzeit kommen würde, da die Kündigung für die Familienzusammenführung unerlässlich sei.

Der Widerspruch wurde von der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2019 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 10. Juli 2019 ohne Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Beschäftigung gelöst habe. Sie habe keinerlei Angaben gemacht, was sie — abgesehen von der Erfüllung der Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung — seit dem Entschluss das Arbeitsverhältnis zu beenden, unternommen habe, um eine Beschäftigungslosigkeit zu vermeiden. Ausschlaggebend sei lediglich die Festigung der Beziehung durch Begründung eines gemeinsamen Haushalts und der Zuzug in die Nähe ihrer Familie gewesen. Die Arbeitslosigkeit sei deshalb zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Dieser hätte im Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe vorliegen müssen und sei nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. In Abwägung ihrer Interessen mit denen der Beitragszahler wäre es der Klägerin zumutbar gewesen, ihr Beschäftigungsverhältnis zumindest bis zum Beginn einer Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber fortzusetzen.

Dagegen hat die Klägerin am 15. November 2019 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das Gericht hat zunächst die bei der Agentur für Arbeit in B gefertigten Gesprächsvermerke beigezogen und die Vorsitzende hat am 8. Oktober 2020 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Beide Beteiligte haben dort ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die Klägerin hat ihr Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung wiederholt und vertieft. Inzwischen sei sie mit ihrem Freund verlobt, der Umzug zu ihm sei erfolgt, um sicher zu sein, dass man eine gemeinsame Zukunft miteinander sehe. Man könne nicht von den Menschen verlangen, zuerst zu heiraten und dann zusammenzuziehen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hält die erlassenen Bescheide für rechtmäßig und verweist darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Zusammenzug zum Partner nur dann als wichtiger Grund für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im Sinne der Sperrzeitregelung gelten könne, wenn es sich um Ehepartner handele, die Hochzeit innerhalb der Kündigungsfrist erfolge oder besondere Umstände, wie etwa gemeinsame Kinder vorlägen. Jedenfalls hätte die Klägerin sich bereits vor Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses um eine neue Anstellung bemühen müssen, um eine Arbeitslosigkeit zu vermeiden, so dass auch aus diesem Grund die Sperrzeit zu Recht festgestellt worden sei.

Mit Urteil vom 29. Oktober 2020 hat das SG den Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 19. September 2019 sowie den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 19.September 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2019 aufgehoben bzw. abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum 1. September 2019 bis 23. September 2019 und 30. September 2019 bis 23. November 2019 zu gewähren. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Beklagte habe zu Unrecht im Zeitraum 1. September 2019 bis 23. November 2019 eine Sperrzeit festgestellt und auf dieser Grundlage kein Alg in diesem Zeitraum gewährt. Lediglich für die Woche vom 24. September 2019 bis 29.September 2019, in der sich die Klägerin länger als 21 Tage im Urlaub befunden habe, habe sie keinen Anspruch auf die Gewährung von Alg.
Die Klägerin habe durch die Eigenkündigung vom 10. Juli 2019 ihr Beschäftigungsverhältnis zum 31. August 2019 gelöst, was auch kausal für den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit gewesen sei. Für das Verhalten der Klägerin sei jedoch ein wichtiger Grund gegeben.
Die Klägerin habe leistungsunschädlich ihr Arbeitsverhältnis in B aufgegeben, um eine bestehende, auf Dauer angelegte und ernsthafte eheähnliche Beziehung mit ihrem Lebenspartner in K fortzusetzen. Eine vorherige gemeinsame Wohnung sei bei dieser Fallgestaltung nicht erforderlich (so auch mit ausführlicher Begründung: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12. Dezember 2017, L 7 AL 36/16).
Das Gericht sei vorliegend davon überzeugt, dass die Klägerin durch den Zusammenzug mit ihrem Lebenspartner die seit zweieinhalb Jahren bestehende Beziehung habe vertiefen und eine gemeinsame Zukunft vorbereiten wollte. Es widerspreche der aktuellen Lebensrealität, für die Anerkennung der Ernsthaftigkeit einer Beziehung und der daraus folgenden Möglichkeit ohne Eintritt einer Sperrzeit ein bestehendes Arbeitsverhältnis zum Zwecke der Begründung eines gemeinsamen Haushalts zu kündigen, das Vorliegen einer Ehe zu verlangen. Wie die Klägerin zurecht geltend mache, könne auch im Rahmen der Anerkennung eines wichtigen Grundes — nicht verlangt werden, dass eine Ehe quasi auf Verdacht geschlossen werde, um erst im Nachhinein herauszufinden, ob man im alltäglichen Zusammenleben, welches sich von der Führung einer Wochenendbeziehung unterscheide, eine gemeinsame Zukunft sehe.
Das LSG Niedersachsen-Bremen statuiere deshalb aus Sicht der Kammer zurecht, dass der in § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III genannte wichtige Grund kein Privileg für Ehegatten oder für anders genau definierte Personengruppen sei, sondern uneingeschränkt für alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation unter Abwägung der von der Sperrzeitvorschrift verfolgten Zwecke gelte. Es seien nämlich gewichtige Umstände (finanzielle Situation, Scheidungsverfahren, gesundheitliche Gründe, Wohnungsmarkt, Schwangerschaft) denkbar, die unabhängig vom familiären Status und von formalen Voraussetzungen einen Umzug zum Partner als vernünftig und sinnvoll erscheinen lassen, sodass die Versichertengemeinschaft gar kein Interesse haben könne, die Arbeitsaufgabe als versicherungswidriges Verhalten zu sanktionieren. Entscheidend sei allein, ob die Partnerschaft nach außen erkennbar eine solche Dauerhaftigkeit und Kontinuität zeige, die von einem gegenseitigen Verantwortungsbewusstsein geprägt sei, sodass diese in der Abwägung gegenüber den Interessen der Versichertengemeinschaft Vorrang genieße. Ein vorheriges gemeinsames Wohnen sei dabei kein unerlässliches Kriterium (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12. Dezember 2017, L 7 AL 36/16 m.w.N.).
Die Kammer sei von der Ernsthaftigkeit der Beziehung der Klägerin zu ihrem Lebenspartner auch im Zeitpunkt der Kündigung überzeugt. Die Klägerin habe glaubhaft geschildert, dass die Beziehung im Zeitpunkt der Kündigung seit zweieinhalb Jahren bestanden habe und für beide eine gemeinsame Zukunft erstrebenswert gewesen sei, weshalb sie sich auch zum Schritt des Umzugs entschieden habe. Der Lebenspartner der Klägerin könne als Polizist im Landesdienst des Bundeslandes Baden-Württemberg nicht so flexibel einen neuen Arbeitgeber finden, wie die Klägerin, so dass ihr Umzug auch aus der Sicht der Arbeitsvermittlung und der Erwartung, möglichst nur eine kurze Zeit arbeitslos zu werden — auch aus Sicht der Versichertengemeinschaft — sinnvoll und verständlich erscheine.
Die Anforderungen an den wichtigen Grund umfassten als Obliegenheit grundsätzlich auch die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich bei Eigenkündigung rechtzeitig um eine Anschlussbeschäftigung am neuen Wohnort zu bemühen (BSG, Urteil vom 26. März 1998, B 11 AL 49/87 R). Das Gewicht der Interessen des Arbeitslosen trete dabei umso mehr zurück, als er Bemühungen unterlasse, seine Interessen auch ohne den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu verwirklichen. Dies erfordere lediglich, "naheliegende Möglichkeiten" der Beschäftigungssuche wahrzunehmen. (BSG, Urteil vom 17. November 2005, B 11a/11 AL 49/04 R).
Ungeachtet dieser Erwägungen setzten Obliegenheitsverletzungen ohnedies ein dem Leistungsbewerber zurechenbares Fehlverhalten voraus. In der Entscheidung des 11. Senats des BSG vom 26. März 1998 sei hierzu ausgeführt, der Versicherte müsse naheliegende Anstrengungen zur Erlangung eines Anschlussarbeitsplatzes unterlassen haben. Dem sei für gesetzlich nicht im Einzelnen geregelte Obliegenheiten zuzustimmen. Ein zu einem Rechtsverlust führender Verstoß gegen solche im Einzelnen nicht näher ausgestalteten Obliegenheiten, die also nicht dezidiert in Form einer Gesetzesnorm ausformuliert seien, sondern sich allenfalls in Ergänzung der Gesetzesnorm oder aus der Systematik der einzelnen Vorschriften ableiten ließen, könnten mithin nur dann den Rechtsverlust herbeiführen, wenn der Arbeitslose gegen diese grobfahrlässig oder vorsätzlich verstoßen habe (BSG, Urteil vom 27. Mai 2003, B 7 AL 4/02 R).
Der Klägerin könne der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht gemacht werden.
Sie habe sich bereits am 5. Juli 2019 und somit noch vor ihrer Kündigung bei der Agentur für Arbeit in B arbeitssuchend gemeldet. Die Tatsache, dass sie erst Ende Juli 2019 einen Termin zur persönlichen Vorsprache erhalten habe, liege nicht in ihrem Verantwortungsbereich; im verbis-Vermerk vom 31. Juli 2019 sei zum Erstgespräch vermerkt: „Ein Termin zum Bewerberbetreuer wurde aus folgendem Grund nicht vergeben: innerhalb des vorgegebenen Suchzeitraumes kein Termin frei". Das Gericht sei auch davon überzeugt, dass die Klägerin von Anfang an den Grund ihrer Kündigung und den beabsichtigten Umzug gegenüber der Agentur für Arbeit in B kommuniziert habe. Dafür spreche, dass die Klägerin im Widerspruchsschreiben explizit auf die Anfrage nach einer Sperrzeit und das ihr von ihrer Betreuerin in B genannte Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen verweise. Die Bezugnahme auf dieses Urteil spreche für eine erfolgte sachkundige Beratung bezogen auf das Thema „Umzug zum Lebenspartner". Dass die Agentur für Arbeit in B ihre Daten nicht unmittelbar nach K übermittelt habe und ihr keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet worden seien, könne der Klägerin somit nicht zum Vorwurf gemacht werden. Angesichts der somit erfolgten Beratung durch eine Mitarbeiterin der Beklagten könne der Klägerin nach Auffassung der Kammer kein Verschulden im oben genannten Sinne (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) vorgeworfen werden.
Schließlich spreche auch gegen eine grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung der Obliegenheitspflicht die von der Klägerin geschilderte Bewerbungslage bei Architekten. Hierbei seien nach den glaubhaften Schilderungen der Klägerin nicht bloße Bewerbungsgespräche zu führen, sondern Mappen und Präsentationen persönlich vorzustellen. Dies sei der Klägerin in der Endphase ihres Beschäftigungsverhältnisses, in der sie ein von ihr betreutes Projekt zu Ende habe führen müssen, nicht möglich gewesen. Die subjektive Erwartungshaltung ihrerseits, bei einer Bewerbung vor Ort eine höhere Chance auf eine Einstellung zu haben, sei für die Kammer nachvollziehbar und schließe deshalb das Vorliegen wenigstens grober Fahrlässigkeit bezüglich des Unterlassens eigener Bewerbungsbemühungen vor der Kündigung aus. Die Sperrzeit sei somit zu Unrecht festgesetzt worden und der Anfechtungsklage der Klägerin gegen den Sperrzeitbescheid in vollem Umfang stattzugeben.
Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 24. September 2019 bis 29. September 2019, weil sie den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit in diesem Zeitraum nicht mehr i.S.d. § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 3 Abs. 1 der Erreichbarkeits-Anordnung - (EAO) zur Verfügung gestanden habe. Die Klägerin habe sich das Einverständnis der Beklagten für die Zeit vom 4. September 2019 bis 27. September 2019 eingeholt. Mit Ablauf des 23. September 2019 habe die Beklagte einem weiteren Aufenthalt der Klägerin außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs zwar noch zugestimmt, doch die Drei-Wochen-Frist sei überschritten gewesen. Ebenso habe es am Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes gefehlt, der eine Überschreitung der Drei-Wochen-Frist rechtfertigen könnte. Die Klägerin habe somit erst wieder ab dem 30. September 2019, an dem sie sich persönlich bei der Beklagten zurückgemeldet habe, einen Anspruch auf Alg und der Leistungsklage sei deshalb im tenorierten Umfang stattzugeben.

Gegen das ihr am 19. Dezember 2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. Januar 2021 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Die Klägerin habe die Arbeitslosigkeit nach der Kündigung ihres Beschäftigungsverhältnisses in zumindest grob fahrlässiger Weise herbeigeführt, da sie im Zeitpunkt ihrer Kündigung am 10. Juli 2019 kein konkretes Anschlussarbeitsverhältnis in Aussicht gehabt habe.
Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass sich die Klägerin am 2. Juli 2019 (Eingang bei der Beklagten am 5. Juli 2019), mithin noch vor der Kündigung online und am 31. Juli 2019 persönlich arbeitslos zum 1. September 2019 gemeldet habe, nachdem zuvor kein Termin vergeben werden konnte. Ein mit der Klägerin zwischen dem 5. Juli 2019 und dem 31. Juli 2019 geführtes Gespräch sei aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Den weiteren Ausführungen der Klägerin sei jedoch zu entnehmen, dass sie mit ihrem Arbeitgeber vereinbart habe, den Resturlaub zu regeln, sobald mit der Beklagten der Eintritt einer Sperrzeit geklärt worden sei. Sie habe dann gekündigt und sei danach zu ihrem Gespräch in der Agentur für Arbeit B mit ihrer Beraterin gegangen.
Aus dem geschilderten Ablauf ergebe sich, dass die Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Kündigung am 10. Juli 2019 habe davon ausgehen müssen, dass sie ab dem 1. September 2019 arbeitslos werden würde. Zu diesem Zeitpunkt habe sie weder eine gegenteilige Aussage der Beklagten, noch seien Vermittlungsmöglichkeiten gegeben gewesen, aufgrund derer die Klägerin berechtigt habe mit einer Anschlussbeschäftigung rechnen dürfen.
Nach der Rechtsprechung des BSG sei damit die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden (BSG, Urteil vom 12. September 2019 – B 11 AL 19/18 R; Rn. 17). Es komme deshalb auf den Inhalt des Erstgespräches mit der Klägerin am 31. Juli 2019 nicht an, da zu diesem Zeitpunkt das sperrzeitbegründende Ereignis, die Kündigung am 10. Juli 2019, bereits eingetreten sei.
Die Klägerin könne sich auch nicht erfolgreich auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes berufen. Ein wichtiger Grund müsse nicht nur objektiv vorliegen, sondern auch den Zeitpunkt der verursachten Arbeitslosigkeit erfassen. Es habe bereits objektiv kein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe vorgelegen. Das LSG Baden-Württemberg habe in seinem Urteil vom 12. September 2018 – L 3 AL 1428/16 – unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG - entschieden, dass selbst der Zuzug zum Verlobten den Eintritt einer Sperrzeit nur dann verhindern könne, wenn die Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses zum gewählten Zeitpunkt notwendig war, um ab dem beabsichtigten Heiratstermin die eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen. Der Arbeitslose müsse also zum Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses davon ausgehen können, dass die Eheschließung bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen werde (s. a. BSG, Urteil vom 17.Oktober 2007 – B 11a/7a AL 52/06 R; Juris).
Die Klägerin sei im Zeitpunkt der Kündigung nach ihren eigenen Aussagen weder verlobt gewesen, noch habe ein Heiratstermin festgestanden.
Das BSG habe daran festgehalten, dass ein Ortswechsel zur Begründung einer (zuvor nicht bestehenden) nichtehelichen Lebensgemeinschaft keinen wichtigen Grund darstelle. Dabei sei ein auf Dauer angelegtes gemeinsames Wohnen notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Ernsthaftigkeit der Beziehung (BSG, aaO, Rn. 18). Nach den Schilderungen der Klägerin stehe fest, dass sie an ihrem alten Wohnort in B mangels einer gemeinsamen Wohnung noch keine eheähnliche Gemeinschaft mit ihrem Lebensgefährten begründet habe. Ihrer Aussage im Erörterungstermin am 8. Oktober 2020 nach sei vielmehr Zweck des Umzuges gewesen, zuerst einmal zusammenzuleben, um danach zu entscheiden, ob eine Heirat erfolgen solle.
Dementsprechend könne sich die Klägerin schon allein wegen der erst herzustellenden eheähnlichen Gemeinschaft nicht auf einen wichtigen Grund i. S. des Sperrzeitrechts berufen (BSG, aaO, Rn. 20). Nach alledem habe ein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe bereits objektiv nicht vorgelegen. Die vom Sozialgericht vertretene, abweichende Rechtsauffassung halte einer Überprüfung unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG nicht stand.
Ein – unterstellter – wichtiger Grund würde aber auch den gewählten Kündigungszeitpunkt nicht erfassen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es der Klägerin nicht hätte zugemutet werden können, jedenfalls solange in B weiterzuarbeiten, bis sie eine konkrete Anschlussbeschäftigung am jetzigen Wohnort in Aussicht gehabt habe. Unabhängig von Vermittlungsbemühungen der Beklagten hätte die Klägerin auch selbst frühzeitig eine Anschlussbeschäftigung suchen können, um so den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Dies gelte erst recht, wenn der Aussage der Klägerin gefolgt werde, der Bewerbungsprozess im Architekturbereich sei aufwändig.
Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb eine Kündigung zum 31. August 2019 zwingend erforderlich gewesen sei und der Klägerin eine Weiterarbeit bis zu einer Anschlussbeschäftigung nicht zumutbar gewesen wäre. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin im Kündigungszeitpunkt mit ihrem Partner bereits 2,5 Jahre zusammen gewesen sei, wie das SG festgestellt habe. Der Kündigungszeitpunkt sei von der Klägerin gewählt worden, ohne dass hierfür zwingende Umstände, die eine Weiterarbeit bis zu einer Anschlussbeschäftigung unzumutbar gemacht hätten, erkennbar seien. Das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 12. Dezember 2017 – L 7 AL 36/16 –, auf welches das SG seine Entscheidung stütze, sei auf das vorliegende Verfahren schon deshalb nicht übertragbar, da im dortigen Fall vor der Kündigung diverse vergebliche Bewerbungsbemühungen durch die Klägerin unternommen worden seien und weitere gravierende Besonderheiten, die sich aus der gesundheitlichen Situation des Lebensgefährten ergeben hätten, bestanden hätten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 2020 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Für ihr Verhalten habe es einen wichtigen Grund gegeben, nämlich den Zusammenzug mit ihrem Lebenspartner. Sie habe das Arbeitsverhältnis in B aufgegeben, um – wie im Urteil des SG formuliert: „eine bestehende, auf Dauer angelegte und ernsthafte eheähnliche Beziehung mit ihrem Partner in K fortzuführen“. Sämtliche in der Berufung der Beklagten genannten Argumente seien im Rahmen des Erörterungstermins am 8. Oktober 2020 sowie in dem daraufhin ausgesprochenen Urteil des SG bereits vollumfassend und begründet widerlegt worden.
Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin ergänzt, der Zeitpunkt der Kündigung sei in enger Abstimmung mit ihrem damaligen Arbeitgeber und in Abhängigkeit ihres zu diesem Zeitpunkt fertigzustellenden Projektes gewählt worden.
Anders als bei anderen Berufen, sei in der Architektur der Erfolg von Projekten abhängig von der konsequenten und stringenten Arbeit der Projektbeteiligten über die gesamte Phase der Planung und Ausführung. Ein Verlassen des Büros zu einer Phase mitten in einem Projekt wäre schlichtweg verantwortungslos gewesen. Aus diesem Grund sei gemeinsam mit dem Team ein Zeitpunkt der Kündigung zum Abschluss der Planungsphase gewählt worden. Das laufende Projekt sei in der Endphase der Beschäftigung zu Ende geführt worden, weshalb es ihr in dieser Zeit auch nicht möglich gewesen sei, sich persönlich – wie es vor Corona durchaus üblich gewesen sei, in anderen Büros im knapp 700 km entfernten K vorzustellen.
Darüber hinaus sei es bei Architekten üblich, sich mit einer Mappe mit ausgewählten Projekten und Präsentationen vorzustellen, die sie nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses angefertigt und mit welcher sie sich dann in K und Umgebung vorgestellt habe.
Bereits vor der schriftlichen Kündigung habe sie sich am 5. Juli 2021 bei der Agentur für Arbeit in B arbeitssuchend gemeldet. Da ein früherer Termin seitens der Arbeitsagentur in B nicht möglich gewesen sei, habe sie sich am 31. Juli 2021 persönlich dort vorgestellt und die Gründe ihrer Kündigung mit ihrer Betreuerin besprochen. Die Informationen, die sie bei diesem Gespräch zu einer nicht eintretenden Sperrzeit zu diesem Zeitpunkt von ihrer Betreuerin erhalten habe, hätten sie selbstverständlich beruhigt und sie in der Ansicht bestätigt, sich erst nach erfolgreichem Abschluss des ehemaligen Arbeitsverhältnisses um ein neues Arbeitsverhältnis in der neuen Heimat aktiv und vor allem vor Ort zu bemühen.

Die Beklagte hat hierzu eingewandt, eine Kündigung auf den Zeitpunkt zum Ende des Projekts sei nicht objektiv zwingend und eine Weiterarbeit bis zu einer Anschlussbeschäftigung sei zumutbar gewesen, zumal die Kündigungsfrist nur einen Monat zum Monatsende betragen habe. Die Klägerin habe im Fragebogen vom 15. August 2019 die Frage nach einer Möglichkeit zur Vereinbarung eines späteren Beendigungstermins allein wegen des feststehenden Umzugstermins verneint. Es sei jedoch nicht ersichtlich, weshalb als Zeitpunkt gerade der 1. September 2019 gewählt worden sei. Gründe für eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwingend zum 1. September 2019 seien von der Klägerin nicht genannt worden. Sie habe sich noch nicht um ein Anschlussarbeitsverhältnis bemüht gehabt. Soweit sie dies mit der beruflichen Inanspruchnahme und der Entfernung nach K begründet habe, rechtfertige dies ihr Verhalten nicht. Die Suche nach einem Anschlussarbeitsverhältnis bedeute regelmäßig Bemühungen im bestehenden Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin hat hierzu eingewandt, ihr könne die Wahl eines für ihren ehemaligen Arbeitgeber möglichst verträglichen Zeitpunkts der Kündigung nicht zur Last gelegt werden. Auch im Hinblick auf ihr Arbeitszeugnis habe für sie immer Priorität gehabt, das Arbeitsverhältnis verantwortungsvoll und „im Guten“ zu beenden.
Die Frage, ob ein späterer Umzug nach K möglich gewesen wäre, sei für sie nicht relevant, weil es sich bei dem gewählten Kündigungstermin aus den genannten Gründen der Familienzusammenführung und des Umzugs zu ihrem Partner um das Finden eines möglichst frühen und nicht des möglichst spätesten Termins gehandelt habe. Es bleibe auch weiterhin unberücksichtigt, dass ein späterer Umzug an dem erläuterten Bewerbungsverfahren und der damit verbundenen Anwesenheit in K nichts geändert hätte. Die getroffenen Entscheidungen und Termine seien gut überlegt und nach Abstimmung mit ihrer Betreuerin der Agentur für Arbeit getroffen worden. Der Vorwurf, leichtfertig und ohne jegliche Bemühungen ihr Arbeitsverhältnis beendet und den Zeitpunkt willkürlich gewählt zu haben, sei nicht richtig.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist begründet.

Das SG hat zu Unrecht den Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 19. September 2019 sowie den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 19. September 2019, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2019 aufgehoben bzw. abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum 1. September 2019 bis 23. September 2019 und 30. September 2019 bis 23. November 2019 zu gewähren. Soweit das SG die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 24. bis 29. September 2019 abgelehnt hat, hat die Klägerin keine (Anschluss-) Berufung eingelegt, so dass der Senat darüber nicht zu befinden hat.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 19. September 2019 (Sperrzeitbescheid und Bewilligungsbescheid) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2019, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Sperrzeitbescheids vom 19. September 2019 bzw. Abänderung des Bewilligungsbescheids vom 19. September 2019 und Bewilligung von Alg in der Zeit vom 1. September bis 23. November 2019 und vom 30. September 2019 bis 23. November 2019.

Rechtsgrundlage für die Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit ist § 159 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Sperrzeit, wenn der Anspruchssteller sich versicherungswidrig verhalten hat. Versicherungswidriges Verhalten liegt u.a. dann vor, wenn der Anspruchssteller seine Arbeitsstelle ohne wichtigen Grund aufgegeben hat (§ 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III). Die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen hat der Arbeitnehmer darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen (§ 159 Abs. 1 Satz 3 SGB III).

Der Umzug der Klägerin zu ihrem Lebenspartner ist in der hier vorliegenden Konstellation nicht geeignet, unter Abwägung der Interessen der Klägerin mit den Interessen der Versichertengemeinschaft einen wichtigen Grund darzustellen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat einen wichtigen Grund wegen einer geplanten Eheschließung und wegen Zuzug zum Ehegatten angenommen.

Nach den hierzu entwickelten Grundsätzen ist der Zuzug zum Ehegatten als wichtiger Grund für die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses anzuerkennen, wenn der Arbeitslose seine Arbeitsstelle von der gemeinsamen Wohnung aus nicht zumutbar erreichen kann. Der Zuzug zum Partner bildet auch schon dann einen wichtigen Grund, wenn die Ehe noch nicht geschlossen ist, jedoch der Arbeitnehmer bei Ausspruch seiner Kündigung davon ausgehen kann, dass die Eheschließung bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 – B 11a/7a AL 52/06 R m.w.N. - juris).

Allerdings kann ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses wegen Zuzugs zum Ehepartner nur anerkannt werden, wenn dieser sich mit dem konkreten Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses deckt (vgl. BSGE 52, 276, 277 = SozR 4100 § 119 Nr. 17). Dies bedeutet für den Zuzug zum Verlobten, dass die Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses zum gewählten Zeitpunkt notwendig gewesen sein muss, um ab dem beabsichtigten Heiratstermin die eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen (vgl. BSGE 64, 202, 204 = SozR 4100 § 119 Nr. 34). Der Arbeitslose muss also zum Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses davon ausgehen können, dass die Eheschließung bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen werde. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Denn die Klägerin war weder mit ihrem Partner verheiratet, noch war eine Heirat im Zeitpunkt der Kündigung konkret geplant. Vielmehr wollten die Partner nach eigenen Aussagen der Klägerin zunächst zusammenziehen, um dann über eine spätere Heirat zu entscheiden.

Die Klägerin kann sich ferner auch nicht auf die Rechtsprechung des BSG berufen, wonach der Umzug zum Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft als wichtiger Grund dem Eintritt einer Sperrzeit entgegenstehen kann, wenn bereits bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses eine derartige Gemeinschaft (Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft) bestanden hat (BSGE 90, 90 = SozR 3-4100 § 119 Nr 26; kritisch gegenüber dieser Rechtsprechung Eichenhofer, SGb 1999, 167, 171; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S 524; Kühl, Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, 2007, S 171). Eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung des BSG liegt nur vor, wenn die Verbindung auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sie sich durch innere Bindung auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BSGE aaO S 100). Ob die genannten Voraussetzungen vorliegen, ist anhand des Vorliegens von Hilfstatsachen festzustellen, wobei als Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung insbesondere deren Dauerhaftigkeit und Kontinuität und eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft heranzuziehen sind. Nach der Auffassung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist ein auf Dauer angelegtes gemeinsames Wohnen notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Ernsthaftigkeit der Beziehung. Da die Partner - wie hier – zu keinem Zeitpunkt vor dem Umzug zum 1. September 2019 eine gemeinsame Wohnung innegehabt haben, kann sich die Klägerin nicht allein wegen der erst herzustellenden eheähnlichen Gemeinschaft auf einen wichtigen Grund im Sinne des Sperrzeitrechts berufen. Es genügt nicht, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Voraussetzungen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen erfüllt sind (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 – a.a.O., Rn. 18ff. – juris).

Demnach ist die vorliegende Fallgestaltung nicht geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne der vom BSG entwickelten Grundsätze zu begründen.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst dann, wenn man sich der gegenteiligen Auffassung des SG bzw. des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 12. Dezember 2017, L 7 AL 36/16 m.w.N.) anschließen wollte, dass bereits das Vorliegen einer Partnerschaft, die erkennbar nach außen Dauerhaftigkeit und Kontinuität zeigt, ausreicht und eine solche Partnerschaft bejaht wird, vorliegend die Anforderungen an einen wichtigen Grund nicht erfüllt wären.

Nach der Rechtsprechung des BSG steht eine Verletzung der Obliegenheit des Versicherten, den Eintritt des Versicherungsfalls zu vermeiden, der Anerkennung eines wichtigen Grundes entgegen. Dies betrifft auch den Fall, dass der Versicherte mittels einer- für sich behandelt zu billigenden - Kündigung seine Arbeitslosigkeit dadurch herbeiführt, dass er naheliegende Anstrengungen zur Erlangung eines Anschlussarbeitsplatzes unterlässt (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1998 – B 11 AL 49/97 R, Rn. 19, m.w.N. – juris). Zwar wird ein wichtiger Grund nur ausgeschlossen, wenn gegen die Obliegenheit grob fahrlässig oder vorsätzlich verstoßen wurde (vgl. BSG, Urteil vom 27. Mai 2003 – B 7 AL 4/02 R). Jedoch liegen diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall vor.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt ist, also naheliegende Anstrengungen zur Erlangung eines Anschlussarbeitsplatzes nicht angestellt worden sind.

Die Klägerin hat sich zwar bereits am 2. Juli 2019 online arbeitslos gemeldet und den Umstand nicht zu vertreten, dass sie erst am 31. Juli 2019 einen Termin zur persönlichen Vorsprache erhalten hat und erst zu diesem Zeitpunkt die Vermittlungsbemühungen durch die Beklagte aufgenommen wurden.

Der Klägerin war jedoch nach ihren eigenen Angaben bewusst, dass in ihrer Branche eine persönliche Vorstellung und Vorlage einer Mappe mit ausgewählten Projekten und Präsentationen vor Ort üblich ist. Sie hätte daher unabhängig von den Vermittlungsbemühungen der Beklagten (die von der Agentur für Arbeit in B ohnehin – wegen der fehlenden Detailkenntnisse des Arbeitsmarktes in K und Umgebung – nur eingeschränkt möglich waren) die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz in K und Umgebung aufnehmen können. Sie hat aber vor dem Umzug nach K keinerlei eigene Bemühungen unternommen, im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in B nahtlos einen Arbeitsplatz in der Nähe des neuen Wohnortes zu finden und nach den aktenkundigen Vermerken in den Akten der Beklagten die Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz erst (nach einer fast vierwöchigen Ortsabwesenheit) im Oktober 2019 aufgenommen. Sie hat außerdem nicht nachvollziehbar dargelegt, dass der Umzug keinen Aufschub geduldet hätte, bis sie am neuen Wohnort eine neue Arbeitsstelle gefunden hatte.

Der Einwand der Klägerin, sie habe während der Schlussphase des aktuellen Projekts beim bisherigen Arbeitgeber keine Zeit gehabt, sich in der Umgebung des 700 km entfernten neuen Wohnorts bei potentiellen neuen Arbeitgebern persönlich vorzustellen, überzeugt nicht. Denn sie hat von vornherein keinerlei Versuche unternommen, Kontakte mit potentiellen neuen Arbeitgebern zu knüpfen und Vorstellungsgespräche ggf. so zu planen, dass sie mit der Arbeit beim bisherigen Arbeitgeber vereinbar sind. Gerade weil der Klägerin bewusst sein musste, dass ein Umzug und die Arbeitsplatzsuche an einem 700 km entfernten neuen Wohnort erfahrungsgemäß längere Zeit in Anspruch nehmen wird, hätte sie den Umzug und den Arbeitsplatzwechsel mit Vorstellungsgesprächen am neuen Wohnort auch schon längerfristig vor der Kündigung planen und für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche Zeiten nutzen können, in denen sich das laufende Projekt nicht in der besonders arbeitsintensiven Schlussphase befand.

Ferner hat die Klägerin nicht ausreichend begründet, warum eine Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber in B nicht möglich war, bis sie eine Arbeitsstelle am neuen Wohnort gefunden hatte. Sie hat keine zwingenden Gründe dafür dargelegt, dass der Umzug gerade zum 1. September 2019 erfolgen musste. Aufgrund der bereits – nach eigenen Angaben – seit 2 ½ Jahren bestehenden Fernbeziehung wäre eine Verzögerung des Umzugstermins bis zur erfolgreichen Arbeitsplatzsuche am neuen Wohnort zumutbar gewesen. Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf die möglichen Aussagen der Arbeitsvermittlerin der Agentur für Arbeit B berufen. Denn das Beratungsgespräch, auf das sich die Klägerin bezieht, fand nach den vorliegenden Unterlagen erst am 31. Juli 2019 statt und damit zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin die Kündigung bereits ausgesprochen hatte (am 10. Juli 2019). Die Aussagen der Arbeitsvermittlerin zur Frage des Eintritts einer Sperrzeit können die Entscheidung der Klägerin, das Arbeitsverhältnis zum 10. Juli 2019 ohne Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz zu kündigen, daher nicht mehr beeinflusst haben. Auch die am 2. Juli 2019 (online) erfolgte Arbeitslosmeldung zum 1. September 2019 zeigt, dass sich die Klägerin schon damals zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses entschlossen hatte. Eine Beratung durch die Beklagte, auf die sich die Klägerin stützen könnte, hat im Vorfeld der Kündigungsentscheidung nicht stattgefunden. Nach alledem konnte sich der Senat nicht vom Vorliegen eines wichtigen Grundes überzeugen.

Beginn und Dauer der Sperrzeit gemäß § 159 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB III sind nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass im Einzelfall die Regeldauer der Sperrzeit außer Verhältnis zu den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen und damit eine besondere Härte vorliegt, sind nicht ersichtlich.

Da das SG somit zu Unrecht den Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 19. September 2019 sowie den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 19. September 2019, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2019 aufgehoben bzw. abgeändert und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum 1. September 2019 bis 23. September 2019 und 30. September 2019 bis 23. November 2019 zu gewähren, war das Urteil des SG vom 29. Oktober 2020 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Beklagte im Berufungsverfahren obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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