L 8 AY 34/22 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AY 14/22 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AY 34/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Zur Zuständigkeit bayerischer Leistungsträger für Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG.
2. Voraussetzung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG ist auch, dass der Leistungsberechtigte über seine Ausreisepflicht belehrt und auf mögliche leistungsrechtliche Folgen beim Verbleib in Deutschland hingewiesen wurde.

 

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 4. Februar 2022 abgeändert und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Januar 2022 angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen zu erstatten.

III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt S, B, beigeordnet.


G r ü n d e :

I.

Der Antragsteller (ASt) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der ASt, nach eigenen Angaben 1985 geboren und afghanischer Staatsangehöriger, reiste über Italien und die Schweiz am 18.09.2021 nach Deutschland ein und beantragte Asyl; seine Ehefrau und sein Sohn leben seinen Angaben zufolge im Iran. Er ist seit Ende September 2021 in einer Aufnahmeeinrichtung im Gebiet des Antragsgegners (Ag) untergebracht. Dort beantragte er die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG. Der Ag bewilligte daraufhin zunächst Grundleistungen i.H.v. monatlich 121,50 EUR für die Zeit vom 27.09.2021 bis 31.12.2021 (Bescheid vom 01.10.2021).

Mit Bescheid vom 01.12.2021 bewilligte der Ag dem ASt, solange sich die Verhältnisse nicht änderten, monatsweise und nicht als Dauerleistung für die Zeit vom 01.01.2022 bis 31.12.2022 Grundleistungen i.H.v. monatlich 122 EUR. Ernährung, Unterkunft, Heizung, Wohnungsinstandhaltung, Haushaltsenergie, Kleidung, Körperpflegeartikel, Hygieneartikel, WLAN, Babyerstausstattung, Kinderwagen und Schulbeihilfe Grundschule würden in der Ankereinrichtung als Sachleistungen gewährt. Die Bewilligung der Leistungen erfolge bis auf Weiteres.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte mit Bescheid vom 23.12.2021 den Asylantrag des ASt als unzulässig ab, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote bestünden, und ordnete die Abschiebung des ASt nach Italien an. Beim Eurodac-Abgleich hätten sich Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, nämlich Italien, ergeben. Auf ein Übernahmeersuchen hätten die italienischen Behörden nicht in der vorgegebenen Frist geantwortet. Daher sei der Asylantrag unzulässig. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote lägen nicht vor.

Bei der Anhörung vor dem BAMF hatte der ASt angegeben, er habe von Italien schneller ein Angebot zur Ausreise erhalten. Das sei seine letzte Möglichkeit gewesen, nach Europa auszureisen. Sein Ziel sei aber gewesen, nach Deutschland zu kommen. Einen Asylantrag habe er deswegen in Italien nicht gestellt. Bei einer Abschiebung nach Italien befürchte er, dass sein Asylverfahren sehr lange dauern werde. In dieser Zeit bestehe Gefahr für seine Familie, die er aus Afghanistan herausbringen wolle.

Den gegen den Bescheid des BAMF gerichteten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg (VG) mit Beschluss vom 18.01.2022 (W 1 S 21.50382) ab. Nach den Erkenntnissen aus der Eurodac-Datenbank habe der ASt in Italien erstmalig einen Asylantrag gestellt, so dass dieses Land zuständig sei. Hinreichende Gründe für die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bei der Rückkehr des ASt nach Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens seien nicht feststellbar. Auf der Basis einer Gesamtwürdigung gehe das Gericht nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht davon aus, dass das Asylverfahren in Italien relevanten Mängeln unterliege. Das gelte insbesondere mit Blick auf die Unterbringungsmöglichkeiten. Auch hätten Asylantragsteller wenige Wochen nach Registrierung freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch die Annahme des BAMF, dass keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote vorlägen, sei nicht zu beanstanden. Weiter sei kein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis vorgetragen oder sonst ersichtlich. Insbesondere stünde die Corona-Pandemie der Abschiebungsanordnung nicht entgegen.

Nach Anhörung des ASt (Schreiben vom 29.12.2021) stellte der Ag bereits mit Bescheid vom 17.01.2022 fest, dass der Leistungsanspruch des ASt vom 01.02.2022 bis 31.07.2022 eingeschränkt sei, lehnte den Antrag auf Grundleistungen für diese Zeit ab, hob den Bescheid vom 01.12.2021 für die Zeit ab 01.02.2022 auf und bewilligte dem ASt für die Zeit vom 01.02.2022 bis 31.07.2022 eingeschränkte Leistungen als Sachleistungen. Der Bedarf an Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege werde in der Aufnahmeeinrichtung sichergestellt. Der Asylantrag des ASt sei als unzulässig abgelehnt worden, zuständig für das Asylverfahren sei das Land Italien. Mit der Entscheidung des BAMF seien die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung erfüllt. Aufgrund der Anspruchseinschränkung sei ein Anspruch auf Grundleistungen nicht mehr gegeben. Damit liege eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor und der Dauerverwaltungsakt sei ab Februar 2022 aufzuheben gewesen.

Hiergegen legte der ASt am 26.01.2022 Widerspruch ein, über den - soweit bekannt - noch nicht entschieden wurde.

Ebenfalls am 26.01.2022 hat der ASt beim Sozialgericht Würzburg (SG) einstweiligen Rechtsschutz und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Es solle die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet und der Ag verpflichtet werden, ab 01.02.2022 Grundleistungen nach Bedarfsstufe 1 zu gewähren. Die Regelung über die Anspruchseinschränkung sei evident verfassungswidrig, da sie das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletze. Die den Anspruch begründende Menschenwürde stehe allen zu und gehe selbst durch ein vermeintlich "unwürdiges" Verhalten nicht verloren. Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstrecke sich sowohl auf die Sicherung der physischen Existenz als auch die Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Es widerspräche dem nicht relativierbaren Gebot der Unantastbarkeit, wenn nur ein Minimum unterhalb dessen gesichert würde, was der Gesetzgeber bereits als Minimum normiert habe. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe jüngst für die streitgegenständliche Norm konkretisiert, dass eine generalisierende Einschränkung von vornherein unzulässig sei. Eine Praxis, wonach soziokulturelle Bedarfe allgemein als entbehrlich angesehen würden, wäre auch mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar. Nach der aktuellen Regelung zur Anspruchseinschränkung erhielten die Betroffenen nur Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Damit seien Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse zwingend ausgeschlossen. Somit liege eben jene generalisierende Einschränkung vor, wonach soziokulturelle Bedarfe allgemein als entbehrlich angesehen würden. Zwar könnten staatliche Leistungen zur Existenzsicherung an Mitwirkungspflichten gebunden werden, die darauf abzielten, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden, soweit sie verhältnismäßig seien. Migrationspolitische Erwägungen könnten allerdings von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards rechtfertigen. Die Anspruchseinschränkung verfolge kein legitimes Ziel im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Mit der Regelung sollten schon keine asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten durchgesetzt werden. Es gehe dem Gesetzgeber offenkundig allein um die repressive Sanktionierung eines Verhaltens der Betroffenen im Einzelfall, das abschreckende Wirkung auf andere entfalten und die Betroffenen zur freiwilligen Ausreise drängen solle. Dies diene jedoch nicht dem Ziel, Bedürftigkeit zu vermeiden oder zu überwinden. Zudem fehlten Erkenntnisse zur Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit des Konzepts der Anspruchseinschränkungen. Diese seien nicht geeignet, dass das sanktionierte Verhalten unterlassen oder eine Mitwirkung nachgeholt werde. Eine Reaktionsmöglichkeit des Betroffenen sei nicht gegeben. Ferner seien die starre Sanktionsdauer von sechs Monaten und die Beschränkung der Leistungen auf solche zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege verfassungswidrig. Die Leistungshöhe betrage ca. 50% der Grundleistungen und nur 40% der Analogleistungen. Überdies sei eine Anspruchseinschränkung nur zulässig, wenn dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Nur dann habe es der Betroffene selbst in der Hand, die Sanktionierung durch pflichtgemäßes Verhalten zu beenden. Darüber hinaus längen die Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchseinschränkung nicht vor. Zwar sei der Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden. Es sei jedoch eine teleologische Reduktion der Vorschrift vorzunehmen dahin, dass dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Die Einreise nach Deutschland stelle kein pflichtwidriges Verhalten dar. Vielmehr stelle die Dublin III-Verordnung für Fälle der asylrechtlichen Zuständigkeit anderer EU-Mitgliedstaaten ein geregeltes Aufnahme- bzw. Wiederaufnahme- und Überstellungsverfahren bereit. Unklar sei auch, ob in Italien wirklich ein Asylantrag gestellt worden sei. Ein pflichtwidriges Verhalten scheide bereits deshalb aus, weil nie mitgeteilt worden sei, dass Asyl nicht in der Bundesrepublik Deutschland beantragen werden dürfe, weil ein anderer EU-Mitgliedstaat für den Asylantrag zuständig sei. Jedenfalls sei keine Belehrung dahin erfolgt, dass während des Verfahrens in Deutschland nur eingeschränkte Sozialleistungen erbracht würden. Schließlich sei die Anspruchseinschränkung auf eine dauerhafte Leistungsabsenkung angelegt, die erst mit einer Anerkennung im Asylverfahren ende. In den allermeisten Fällen schließe sich an das Dublin-Verfahren ein nationales Asylverfahren an. Nur in jedem vierten Verfahren, in dem eine Zustimmung eines anderen EU-Mitgliedstaats zur Überstellung vorgelegen habe, habe auch tatsächlich eine Überstellung stattgefunden. Eine dauerhafte Absenkung unter das soziokulturelle Existenzminimum sei jedoch mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar. Zudem drohe bei einer Überstellung nach Italien die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung, denn dort sei für einen längeren Zeitraum wohl weder Unterkunft noch Arbeit zu finden. Hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Leistungen verstoße es gegen das Gleichheitsgebot, wenn Leistungsberechtigte in Gemeinschaftsunterkünften Grundleistungen nur nach Bedarfsstufe 2 erhielten. Eine normerhaltende Auslegung komme allenfalls im Wege der Reduktion in Betracht, indem als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" gefordert werde. Ferner sei eine Differenzierung nur möglich, sofern der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen signifikant von dem anderer Bedürftiger abweiche und dies in einem transparenten Verfahren belegt werden könne. Der Gesetzgeber habe aber keine Ermittlungen zum spezifischen Bedarf angestellt. Der Bedarf weiche auch nicht signifikant ab. Als Grund für die Leistungsreduzierung werde eine "Solidarisierung in der Gemeinschaftsunterbringung" behauptet. Dass diese Herleitung verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genüge, sei offensichtlich. Personen, die gemeinsam untergebracht seien, profitierten nicht von Einspareffekten. Leistungen i.H.v. nur 90% seien evident unzureichend.

Der Ag hat erwidert, der ASt erfülle die Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung. Das soziokulturelle Minimum könne anders als das physische in verfassungsrechtlich zulässiger Weise dem Umfang nach beschränkt werden. Das Existenzminimum werde weiterhin vollumfänglich durch Sachleistungen abgedeckt. Die Kürzung der Geldleistungen sei umso mehr gerechtfertigt, als nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union für das Asylverfahren zuständig sei. Ohne sachlichen Grund würde daher eine Besserstellung erfolgen.

Das SG hat - nach Bewilligung von PKH (Beschluss vom 03.02.2022) - mit Beschluss vom 04.02.2022 die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Der ASt habe vorliegend zum einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt und zum anderen den Erlass einer einstweiligen Anordnung über die vorläufige Gewährung von Grundleistungen beantragt. Beide Anträge seien zulässig, aber unbegründet. In Bezug auf die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiege das private Interesse des ASt an der Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Vollzugsinteresse nicht. Es bestünden nämlich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der festgestellten Anspruchseinschränkung und der vorgenommenen Aufhebung des Bescheids vom 17.01.2022. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung über die Anspruchseinschränkung seien ebenso wenig gegeben wie am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen im Fall des ASt. Ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Dem geltend gemachten Anspruch auf Grundleistungen stehe die Anspruchseinschränkung entgegen.

Dagegen hat der ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und die Bewilligung von PKH beantragt. Zur Begründung ist weitestgehend der erstinstanzliche Vortrag wiederholt worden.

Der Ag hat an seiner Rechtsauffassung festgehalten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Anspruchseinschränkungen hätten deren Voraussetzungen vorgelegen und blieben für den ausgesprochenen Zeitraum auch bestehen.

Der mit Beschluss vom 08.03.2022 beigeladene Freistaat Bayern hat ausgeführt, dem ASt würden weiterhin uneingeschränkt Sachleistungen zur Deckung seines Bedarfs an Ernährung und Unterkunft (einschließlich Heizung, Hausrat sowie Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie) sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt. Daneben erhalte der ASt Sachleistungen für Bekleidung und uneingeschränkten Zugang zu WLAN. Die durch den Ag eingeschränkten Leistungen beträfen nur die Geldleistungen. Soweit sich der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auch darauf beziehe, fehle das Rechtsschutzbedürfnis.

Der ASt hat daraufhin die Beschwerde auf den notwendigen persönlichen Bedarf beschränkt (Schriftsatz vom 04.04.2022).

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR überschreitet (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

Nach dem Begehren des ASt (siehe unten) beläuft sich der Wert desjenigen, das bei Einlegung der Beschwerde - dieser Zeitpunkt ist maßgeblich (vgl. Littmann in Berchtold, SGG, 6. Aufl., § 144 Rn. 11) - weiterverfolgt wurde, auf monatlich 135 EUR. Auf diesen Betrag würden sich die monatlichen Grundleistungen nach Bedarfsstufe 1 belaufen, soweit sie im Fall des ASt als Geldleistungen vom Ag erbracht werden.

Die vom ASt erstinstanzlich und bis zur Beschränkung der Beschwerde (Schriftsatz vom 04.04.2022) ebenfalls erstrebten weiteren Leistungen für den notwendigen Bedarf in Form von Bekleidung und für den notwendigen persönlichen Bedarf in Form von Kommunikation (WLAN) waren dagegen in die Wertberechnung nicht einzustellen. Zwar bestimmt sich der für den Wert maßgebliche Beschwerdegegenstand nach dem Begehren des Rechtsmittelführers, hier des ASt, unabhängig von einem tatsächlich bestehenden Anspruch. Das gilt aber nur, soweit das Begehren sich nicht als willkürlich bzw. rechtsmissbräuchlich darstellt, so dass es nicht wertbestimmend ist (vgl. Littmann, a.a.O., § 144 Rn. 10; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 14a). Davon geht der Senat hier insoweit aus, denn nach der Auskunft des Beigeladenen - der Senat hat keinen Anlass, diese in Zweifel zu ziehen - hat der ASt auch in Ansehung der vom Ag verfügten Anspruchseinschränkung die nach § 1a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG an sich dann ebenfalls entfallenden Leistungen für Bekleidung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Kommunikation (WLAN) durchgehend weiter erhalten. Tatsächlich weggefallen sind ab Februar 2022 aufgrund der Anspruchseinschränkung mit Bescheid vom 17.01.2022 allein die bis dahin gewährten Geldleistungen für den - anderweitig nicht gedeckten - notwendigen persönlichen Bedarf i.H.v. monatlich 122 EUR (Bescheid vom 01.12.2021). Dafür, dass vom ASt bzw. seinem Prozessbevollmächtigten - sozusagen standardmäßig - ohne entsprechende Beschwer dennoch auch die weiterhin vom Beigeladenen als Sachleistungen gewährten Bedarfe beansprucht wurden, bestanden mithin keine Grundlage und keine Veranlassung.

Bezogen auf den hier streitigen sechsmonatigen Zeitraum der Anspruchseinschränkung (Februar bis Juli 2022) ist der Wert des Beschwerdegegenstandes daher mit mehr als 750 EUR zu bemessen.

Die Beschwerde hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist noch - das ergibt sich eindeutig aus den mittels anwaltlicher Hilfe gestellten Anträgen in der Beschwerdeschrift vom 04.03.2022 unter Berücksichtigung der Beschränkung der Beschwerde durch den Schriftsatz vom 04.04.2022 - das Begehren des ASt, höhere Leistungen nach dem AsylbLG in Form von Grundleistungen nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG in Höhe der Bedarfsstufe 1 ohne Anspruchskürzung zu erhalten. Da es sich hinsichtlich der Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG um einen einheitlichen Streitgegenstand handelt, unabhängig davon, auf welche Rechtgrundlage das Begehren nach weiteren Leistungen gestützt wird, ist - jedenfalls regelmäßig im Wege der Auslegung nach dem Meistbegünstigungsprinzip - die Leistungshöhe unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl. BSG, Urteile vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R und vom 26.06.2013 - B 7 AY 6/11 R; Urteil des Senats vom 29.04.2021 - L 8 AY 122/20 - alle nach juris). Nach seinem Umfang betrifft das Begehren allein die vom Ag zu erbringenden Geldleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf. Wie oben bereits dargelegt, gewährt der Beigeladenen die Sachleistungen für den notwendigen und teilweise den notwendigen persönlichen Bedarf unverändert weiter, zumal der Beigeladene in Bezug auf den von ihm zu erbringenden Teil der Grundleistungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 der bayer. Asyldurchführungsverordnung - DVAsyl) auch keine Anspruchseinschränkung i.S.d. § 1a AsylbLG verfügt hat. Nur nebenbei sei bemerkt, dass der Senat auch nach Inkrafttreten des seit März 2022 geltenden § 19 DVAsyl (in der Fassung der Verordnung vom 08.02.2022, GVBl. S. 42), mit dem erstmalig eine ausdrückliche Regelung zur Zuständigkeit für Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG getroffen wurde, nicht erkennen kann, dass eine vom Ag erlassene Anspruchseinschränkung auch für Leistungen wirken könnte, die nach der durch § 10a AsylbLG i.V.m. der DVAsyl geregelten Zuständigkeitsaufteilung vom Beigeladenen selbst zu erbringen sind.

Das beschriebene Rechtsschutzziel kann der ASt hier in zwei Schritten erreichen. Soweit im Bescheid vom 17.01.2022 die Aufhebung des Bescheids vom 01.12.2021 ab Februar 2022 verfügt wurde, richtet sich der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 SGG. Mit dem Bescheid vom 01.12.2021 wurden nämlich Leistungen auf Dauer bewilligt, also auch für den hier streitigen Zeitraum, und Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Leistungseinschränkung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG). Die Beurteilung, ob ein Dauerverwaltungsakt vorliegt, richtet sich nach dem objektiven Empfängerhorizont. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erschöpft sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot, sondern begründet oder verändert ein auf Dauer gerichtetes Rechtsverhältnis (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Aufl., Anhang § 54 Rn. 5c). Nach dem klaren Wortlaut des Verfügungssatzes hat der Ag mit dem Bescheid vom 01.12.2021 Grundleistungen für das gesamte Jahr 2022 bewilligt. Im Übrigen hat der Senat bereits für einen inhaltlich nahezu gleichlautenden Bescheid des Ag entschieden (Beschluss vom 15.03.2022 - L 8 AY 3/22 B ER), dass es sich um eine Leistungsbewilligung auf Dauer handelt. Dies gilt auch vorliegend.

Im Umfang des weitergehenden Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz - dies betrifft die Bewilligung von Grundleistungen auf der Basis der Bedarfsstufe 1 anstatt 2 - ist nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG vorzugehen (vgl. zur Verbindung von Verfahren nach § 86b Abs. 1 und 2 SGG: Keller, a.a.O., § 86b Rn. 24).

Mit diesem Inhalt ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig, soweit das Begehren des ASt über den nach dem Bescheid vom 01.12.2021 bisher erbrachten Leistungsumfang (122 EUR monatlich) hinausgeht; dies betrifft die - im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG - erstrebte Bewilligung von Grundleistungen unter Berücksichtigung der Bedarfsstufe 1 anstatt wie bislang 2 (ein Anspruch in Höhe von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG wird nicht geltend gemacht). Insofern fehlt es an einer vorherigen Antragstellung bei der Behörde. Eine Befassung der zuständigen Behörde vor der Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes bei Gericht ist Zulässigkeitsvoraussetzung, andernfalls ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht zu bejahen (vgl. Beschluss des Senats vom 27.10.2020 - L 8 AY 105/20 B ER - juris). Der ASt hat sich hier aber nicht rechtzeitig vor Antragstellung beim SG an den Ag gewandt. Der Ag hatte ihm mit dem Bescheid vom 01.12.2021 Grundleistungen für die Zeit ab Januar 2022 nach Bedarfs-stufe 2 bewilligt. Diese Bewilligung hat der ASt nicht angegriffen und auch gegenüber dem Ag vor Antragstellung beim SG am 26.01.2022 nicht kundgetan, dass er mit der Höhe der bewilligten Grundleistungen nicht einverstanden sei. Dies ist erstmals mit dem zeitgleich zu dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz am 26.01.2022 eingelegten Widerspruch erfolgt. Umstände, die ausnahmsweise eine vorherige Befassung der Behörde als entbehrlich ansehen lassen könnten (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 26b), sind vorliegend nicht ersichtlich, zumal sich der ASt auch auf die Anhörung (Schreiben vom 29.12.2021) nicht geäußert hatte.

Soweit demnach zulässig, hat der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz in der Sache Erfolg.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Dem Widerspruch des ASt gegen den Bescheid vom 01.12.2021 kommt wegen § 86a Abs. 1 Nr. 4 SGG i.V.m. § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG keine aufschiebende Wirkung zu. Die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung steht im Ermessen des Gerichts und erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Aspekten der Abwägungsentscheidung: BVerfG, Beschluss vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 - juris). Abzuwägen sind die privaten Interessen des jeweiligen Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsakts bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Weder für den Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens noch im Übrigen lässt sich mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben abstrakt festlegen, welche Anforderungen im Rahmen der summarischen Prüfung an einzelne Abwägungsgesichtspunkte zu stellen sind. Die Bedeutung des materiell-rechtlichen Aspekts des Hauptsacheverfahrens erschließt sich aus den Besonderheiten des Eilverfahrens, und zwar aus dessen dienender Funktion, dem Prognosecharakter und dem begrenzten Prüfungsgegenstand. Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ebenso eine Bedeutung zu wie den Beeinträchtigungen des Antragstellers durch eine mögliche Vollziehung, wenn besondere private Interessen überwiegen (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2015 - L 8 SO 146/15 B ER - juris; Keller, a.a.O., § 86b Rn. 12i).

Gemessen hieran überwiegt das Suspensivinteresse des ASt.
Für die vorliegend geltend gemachten Geldleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG ist der Ag sachlich gemäß § 10 Satz 1 AsylbLG i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 2, § 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 DVAsyl und örtlich gemäß § 10a Abs. 1 AsylbLG zuständig, da der ASt in einer Aufnahmeeinrichtung i.S.d. § 44 des Asylgesetzes (AsylG) im Gebiet des Ag untergebracht ist und sich in dieser Einrichtung auch tatsächlich aufhält. Auch wenn der Ag demnach im übertragenen Wirkungskreis handelt (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 DVAsyl) und Kostenträger letztlich der beigeladene Freistaat Bayern ist (§ 12 Abs. 1 DVAsyl), welcher den Landkreisen und kreisfreien Städten die aufgewandten Kosten erstattet (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Aufnahmegesetzes - AufnG), ist dennoch der Ag passiv legitimiert, denn er handelt auch im übertragenen Wirkungskreis nicht als staatliche Behörde (Art. 4 und 6 der Bayer. Landkreisordnung).

Der ASt steht voraussichtlich trotz der mit Bescheid vom 17.01.2022 verfügten Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG weiter ein Anspruch auf Grundleistungen aus dem Bescheid der Ag vom 01.12.2021 zu, denn bei summarischer Prüfung erweist sich die verfügte Anspruchseinschränkung als rechtswidrig.

Der Bescheid vom 17.01.2022 ist formell rechtmäßig.
Vor seinem Erlass ist die von Art. 28 Abs. 1 des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) vorgeschriebene - die Voraussetzungen für eine Ausnahme sind nicht erkennbar - Anhörung des ASt erfolgt (Schreiben vom 29.12.2021).

Auch verneint der Senat die Zuständigkeit des Ag (§ 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 48 Abs. 4 und § 44 Abs. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X) nicht, obwohl zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids vom 17.01.2022 - diese erfolgte im Januar 2022 - eine ausdrückliche (landesrechtliche) Regelung zur Zuständigkeit bei einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG fehlte. Das AsylbLG selbst legt die sachliche Zuständigkeit im Einzelnen nicht fest, sondern ermächtigt hierzu die Landesregierungen bzw. die von ihnen beauftragten obersten Landesbehörden (§ 10 AsylbLG). Wie oben schon angesprochen, enthält die DVAsyl erst seit 01.03.2022 mit den neu gefassten § 19 DVAsyl eine Zuständigkeitsregelung für Fälle des § 1a AsylbLG. Allerdings geht der Senat - jedenfalls bei summarischer Prüfung - davon aus, dass sich die Zuständigkeit des Ag als örtlicher Träger (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 DVAsyl) für die Einschränkung der allein betroffenen Geldleistungen noch damit begründen lässt, dass sie sich quasi als das Gegenstück zur Zuständigkeit für die nicht eingeschränkte Leistung, hier Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, ergibt. Nach diesem Prinzip legt seit März 2022 nunmehr auch § 19 DVAsyl die Zuständigkeiten fest. Für die Erbringung von Grundleistungen i.S.d. § 3 AsylbLG war der Ag aber gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 14 Abs. 2 DVAsyl (in der Fassung der Verordnung vom 18.11.2021, GVBl S. 630) schon vor März 2022 zuständig. Soweit im Bereich der Grundleistungsgewährung aber Sachleistungen erbracht werden (§ 3 Abs. 2 AsylbLG), erfolgt dies nach § 14 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl durch die zuständige Regierung, hier die Regierung von Unterfranken, deren Rechtsträger der Beigeladene ist. Diese Regelung greift hier ein, weil der ASt nach wie vor i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl verpflichtet ist, in der sog. Ankereinrichtung zu wohnen. Diese Verpflichtung folgte hier aus § 47 Abs. 1 AsylG, nachdem der ASt am 18.09.2021 - also bezogen auf das ganze Jahr 2022 vor weniger als 18 Monaten (§ 2 Abs. 1 AsylbLG) - nach Deutschland gekommen und sein Asylantrag mit Bescheid des BAMF vom 23.12. 2021 abgelehnt worden war. Die Ankereinrichtung, in welcher der ASt verteilt ist, stellt eine Aufnahmeeinrichtung i.S.d. § 44 Abs. 1 AsylG dar (§ 4 Abs. 1 DVAsyl), die von der zuständigen Regierung errichtet und betrieben wird (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 AufnG) und deren Träger der Beigeladene ist (Art. 5 AufnG).

Die Frage der Zuständigkeitsaufteilung zwischen dem Ag und dem Beigeladenen kann vorliegend auch nicht deswegen dahin stehen, weil für den bereits vergangenen streitgegenständlichen Zeitraum rückwirkend keine Sachleistungen, sondern nur mehr Geldleistungen zugesprochen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2019 - B 7 AY 1/17 R - juris) und für diese nach § 14 Abs. 2 DVAsyl der Ag zuständig ist. Zum einen würden im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG keine Geldleistungen zugesprochen, sondern dies wäre lediglich Folge einer Entscheidung zugunsten des ASt. Zum anderen reicht der von der hier im Streit stehenden Anspruchseinschränkung betroffene Zeitraum bis 31.07.2022, ist also längst nicht abgelaufen.

Allerdings erweist sich der Bescheid vom 17.01.2022 bei summarischer Prüfung als materiell fehlerhaft.

Der Senat geht im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht davon aus, dass die Voraussetzungen für die verfügte Anspruchseinschränkung vorlagen bzw. weiterhin vorliegen. Insofern ist keine wesentliche Änderung i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 48 Abs. 1 SGB X gegenüber dem Bescheid vom 01.12.2021 anzunehmen. Mangels einer Änderung der Verhältnisse kann im Übrigen auch dahinstehen, ob im Bescheid vom 01.12.2021 wirklich eine auflösende Bedingung enthalten ist ("solange sich die Verhältnisse nicht ändern"). Selbst wenn man dies annähme, wären die Voraussetzungen für deren Eintritt nicht erfüllt. Ohnehin wäre davon auszugehen, dass die Bedingung rechtswidrig und damit unwirksam ist, da die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Nebenbestimmung gemäß Art. 36 BayVwVfG nicht gegeben sind, insbesondere fehlte es an der von Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG vorgeschriebenen Ermessensausübung.

Der Ag stützt die vorgenommene Anspruchseinschränkung für die Zeit von Februar bis Juli 2022 auf § 1a Abs. 1 und 7 AsylbLG (in der seit 01.09.2019 geltenden Fassung des Gesetzes vom 13.08.2019, BGBl. I, 1290, bzw. vom 15.08.2019, BGBl. I, 1294). Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde und für die eine Abschiebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG angeordnet wurde, grundsätzlich nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist. Dies gilt nicht, sofern ein Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet hat (§ 1a Abs. 7 Satz 2 AsylbLG). Vorliegend hat der ASt zwar beim VG um einstweiligen Rechtsschutz gegen den Bescheid des BAMF vom 23.12.2021 nachgesucht, dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt (Beschluss vom 18.01.2022 - W 1 S 21.50382). Der ASt war damit jedenfalls ab dem Beginn der hier streitigen Anspruchseinschränkung mit dem 01.02.2022 vollziehbar ausreisepflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG). Der Asylantrag des ASt wurde vom BAMF auch nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt, weil ein anderer Staat - nämlich Italien - für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist. Zugleich wurde die Abschiebung nach Italien angeordnet.

Rein dem Wortlaut nach wird eine Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG allein aus dem Grund vorgenommen, dass der Leistungsberechtigte einem europäischen Asylregime unterworfen ist; über das Verweilen im Bundesgebiet hinaus ist kein weiteres pflichtwidriges Verhalten erforderlich (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 19/20984, S. 8). Die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG knüpft weder an eine durch bestimmte äußere Umstände geänderte Bedarfslage noch an ein ausländerrechtlich missbilligtes Verhalten, sondern an die Rechtsfolge einer ausländer- bzw. asylrechtlichen Entscheidung an. Berücksichtigt man die Tatbestandswirkung einer bindenden ausländerrechtlichen Entscheidung für die Sozialleistungsbehörden - auf das ausländerrechtlich ausdrücklich mitbedachte Vorgehen, nämlich eines Antrags nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), nimmt die Norm Bezug - geht der Senat davon aus, dass eine Leistungseinschränkung verfassungsrechtlich noch zulässig sein kann (vgl. Beschluss des Senats vom 18.01.2022 - L 8 AY 103/21 B ER; Siefert in: Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 90; i.E. ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.03.2020 - L 20 AY 48/19 B ER - juris).

Zu fordern ist dabei jedoch ein dem jeweiligen Leistungsberechtigten zurechenbares pflichtwidriges Verhalten. Im Hinblick auf die gegenüber anderen existenzsichernden Leistungssystemen ohnehin reduzierten Leistungen nach dem AsylbLG gebieten das Grundrecht auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine restriktive Auslegung aller Tatbestände des § 1a AsylbLG. Nach dem Urteil des BVerfG vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11), das zur Verfassungswidrigkeit der Höhe der Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG a.F. erging, können migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, von vorneherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren (vgl. BVerfG, a.a.O.). Gemeinsame Voraussetzung der bisherigen Sanktionssysteme sowohl im AsylbLG als auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ist, dass die Kürzung der Leistungen stets ein bestimmtes, vorwerfbares Verhalten oder Unterlassen des Leistungsberechtigten zur Voraussetzung haben muss. Dann hat es der Leistungsberechtigte selbst in der Hand, eine Leistungskürzung zu vermeiden bzw. zu beenden (Beschluss des Senats vom 17.09.2018 - L 8 AY 13/18 B ER - juris).

Lässt man es als solches pflichtwidriges Verhalten ausreichen, dass der ASt trotz Kenntnis von der Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens und trotz vollziehbarer Ausreisepflicht nicht freiwillig dorthin ausreist, ist mit Blick auf die obigen Erwägungen für die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG außerdem zu fordern, dass dem Leistungsberechtigten dieses Verhalten auch vorwerfbar ist. Jedoch hat der Senat ernstliche Zweifel, ob der ASt, etwa infolge des Bescheids des BAMF vom 23.12.2021 und des nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, ausreichend Kenntnis von einer Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise hatte. Zwar wurde er auf die Zuständigkeit Italiens im Bescheid des BAMF vom 23.12.2021 hingewiesen. Der Bescheid des BAMF spricht jedoch nur von einer sich an die Unzulässigkeit des Asylantrags anschließenden Überstellung nach Italien und setzt sich im Weiteren mit der Zulässigkeit einer Überstellung bzw. Abschiebung auseinander. Die Anhörung des ASt durch den Ag (Schreiben vom 29.12.2021) erschöpft sich in einer Wiederholung der Feststellungen des BAMF und dem Hinweis, dass deshalb Leistungen einzuschränken seien. Der ASt wurde jedoch an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass von ihm eine (freiwillige) Ausreise erwartet werde, um im zuständigen Mitgliedstaat am Asylverfahren mitzuwirken, und dass ansonsten eine Einschränkung seiner Leistungen nach dem AsylbLG die Folge wäre. Hatte der ASt aber überhaupt keine Kenntnis davon, welches Verhalten konkret von ihm verlangt wird, ist ein Verstoß dagegen auch nicht vorwerfbar (vgl. den Beschluss des Senats vom 15.03.2022 - L 8 AY 7/22 B ER). Zwar kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes keine abschließende Prüfung erfolgen, jedoch gilt auch hier, dass Zweifel zulasten des Ag gehen, da dieser sich auf das Vorliegen einer wesentlichen Änderung bzw. der Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung beruft (vgl. Oppermann in jurisPK-SGB XII, Stand: 21.02.2022, AsylbLG § 1a Rn. 111).

Nachdem sich die verfügte Anspruchseinschränkung bereits aus diesem Grund in der Hauptsache wahrscheinlich als rechtswidrig erweisen wird, kann offen bleiben, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen eine (weitere) teleologische Reduktion des § 1a Abs. 7 AsylbLG dahingehend geboten ist, dass dem betreffenden Antragsteller eine Rückkehr in den nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedsstaat der Europäischen Union möglich und zumutbar sein muss, weil er andernfalls keine Möglichkeit hätte, sich der Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG durch ein zumutbares Verhalten - nämlich der Ausreise in das betreffende Land - zu entziehen. Der Senat geht hier allerdings davon aus, dass unter Bezugnahme auf die Feststellungen des BAMF im Bescheid vom 23.12.2021 sowie die Ausführungen des VG im Beschluss vom 18.01.2022 (W 1 S 21.50382) dem ASt eine Rückkehr nach Italien zur Durchführung des Asylverfahrens zumutbar wäre. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - juris). Von diesen Voraussetzungen ist angesichts der aktuellen (ober)gerichtlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte für Italien nicht (mehr) auszugehen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2022 - M 19 S 22.50042; OVG des Saarlandes, Urteil vom 15.02.2022 - 2 A 46/21; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.01.2022 - 4 LB 68/17; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.11.2021 - A 4 S 2850/21 - alle nach juris).

Offen bleiben kann somit ferner, ob die Feststellung einer Anspruchseinschränkung durch den Bescheid des Ag vom 17.01.2022 bereits vor Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens erfolgen durfte. § 1a Abs. 7 Satz 2 AsylbLG sieht nämlich vor, dass eine Anspruchseinschränkung nicht ergehen darf, sofern ein Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet hat. Das war zwar bei Erlass des Bescheids vom 17.01.2022 nicht der Fall. Jedoch war das Verfahren beim VG auch noch nicht abgeschlossen und der Ag konnte nicht wissen, wie das Verfahren enden würde.

Im Ergebnis ist somit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 17.01.2022 anzuordnen mit der Folge, dass der ASt im streitigen Zeitraum einstweilen weiterhin Anspruch auf Geldleistungen gemäß § 3 AsylbLG der Bedarfsstufe 2 hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

Dem ASt ist außerdem für das Beschwerdeverfahren PKH ohne Ratenzahlung zu bewilligen und sein Bevollmächtigter beizuordnen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten für das Beschwerdeverfahren bestehen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, und es liegen auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen vor. Die Vertretung durch einen Bevollmächtigten erscheint erforderlich (§ 121 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.        

 

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