Kein Cannabis von der Krankenkasse wegen Alkoholsucht

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Kategorie
Pressemitteilungen


Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung können gegenüber ihrer Krankenkasse eine Versorgung mit Cannabis beanspruchen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie nicht mit einer Standardtherapie behandelt werden können. Zur Behandlung einer Alkoholerkrankung stehen insbesondere Rehabilitationsbehandlungen zur Verfügung. Ein Anspruch auf Cannabis besteht daher nicht. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Versicherter beantragt Cannabis wegen „Saufdruck“

Ein 70-jähriger Versicherter aus dem Landkreis Gießen beantragte gegenüber seiner Krankenkasse die Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten. Nur damit könne er seinen Drang zum Alkoholkonsum kompensieren. Die letzten 15 Jahre habe er mit selbst angebautem Cannabis seinen „Saufdruck“ erfolgreich kontrollieren können. Der Eigenanbau sei ihm allerdings mittlerweile untersagt worden.
Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab und verwies den Versicherten auf die Möglichkeit einer Entwöhnungstherapie.

Standardtherapie bei Alkoholerkrankung vorhanden

Auch die Richter beider Instanzen verneinten einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabis. Eine Alkoholerkrankung könne nach den medizinischen Leitlinien unter anderem mit Rehabilitationsmaßnahmen, medikamentöser Rückfallprophylaxe und Psychotherapie behandelt werden.
Der behandelnde Arzt habe nicht substantiiert begründet, dass die Standardtherapien im konkreten Fall nicht zur Anwendung kommen könnten.
Der Versicherte könne sich auch nicht darauf berufen, dass er bei einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung vorübergehend nicht erwerbstätig sein könne.
Maßgeblich seien allein medizinische Hinderungsgründe, nicht hingegen Aspekte der persönlichen Lebensführung und vermeidliche Schwierigkeiten im Berufsleben.


Hinweise zur Rechtslage

§ 31 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)
(…)
(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn
1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a) nicht zur Verfügung steht oder
b) im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu
erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. (…)

Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 17.03.2022, Az.: L 1 KR 429/20 - Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil wird unter
www.lareda.hessenrecht.hessen.de ins Internet eingestellt.)
 

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