L 11 KR 3929/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 2710/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3929/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

§ 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 enthält eine materielle Präklusionsregelung mit der Rechtsfolge, dass konkret bezeichnete Unterlagen, die der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens angefordert, das Krankenhaus aber nicht innerhalb der Frist von 4 Wochen vorgelegt hat, auch in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr zur Begründung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt werden dürfen (Anschluss an BSG 18.05.2021, B 1 KR 32/20 R). Die präkludierten Unterlagen sind als Beweismittel endgültig ausgeschlossen. Die materielle Präklusion steht nicht zur Disposition der Beteiligten.

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.11.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 10.780,49 € festgesetzt.




Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin, Trägerin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses, behandelte den bei der beklagten Krankenkasse versicherten K (Versicherter) wegen eines Lungen-Karzinoms stationär vom 25.10.2016 bis 31.10.2016 sowie vom 06.11.2016 bis zum 17.11.2016. Während des ersten stationären Aufenthalts erfolgten die Bestimmung des Stadiums des Tumors sowie eine ausführliche Diagnostik.

Mit Rechnung vom 01.12.2016 rechnete die Klägerin die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2016 <DRG>) E05A (Andere große Eingriffe am Thorax oder bestimmte Eingriffe zur Entfernung von intrakraniellem Gewebe, mit bestimmten Eingriffen bei Brustkorbdeformität oder mit äußerst schweren CC) iHv 14.828,74 € ab und berücksichtigte dabei die OPS-Prozedur 5-324.b1 (einfache Lobektomie und Bilobektomie der Lunge: Lobektomie mit radikaler Lymphadenektomie, offen chirurgisch, ohne bronchoplastische oder angioplastische Erweiterung) mit dem OP-Datum 07.11.2016. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig.

Mit Schreiben vom 20.12.2016 zeigte die Beklagte der Klägerin (Eingang bei der Klägerin am 23.12.2016) eine „Teilprüfung der Abrechnung (bestimmte Diagnosen, bestimmte Prozeduren, etc.)“ an und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Der MDK zeigte der Klägerin mit Schreiben vom 22.12.2016 (Eingang bei der Klägerin 28.12.2016) die Prüfung an und übermittelte die Fragen der Beklagten:
„Ist die DRG korrekt?
Ist/sind die Nebendiagnosen (ND) korrekt?“

Außerdem forderte der MDK folgende Unterlagen an:
„Ausführlicher Krankenhausentlassungsbericht,
Tageskurve(n),
Pflegedokumentation(en),
Operationsbericht(e), falls operative Eingriffe durchgeführt wurden,
Interventionsprotokoll(e), falls Intervention durchgeführt wurden,
Laborbefund(e), Antibiogramm und Mikrobiologie,
Anamnese, Befunde bei Aufnahme, körperlicher Untersuchungsbefund bei Aufnahme,
Nachweise zu Nebendiagnosen,
Überwachungsbogen, falls eine Überwachung durchgeführt wurde“.

Das in dem Vordruck vorgesehene Feld „Nachweise zu OPS“ kreuzte der MDK nicht an.

Nach Übersendung von Unterlagen durch die Klägerin, wobei sie lediglich die Unterlagen bzgl des stationären Aufenthalts vom 25.10.2016 bis 31.10.2016 übersandte und dabei insbesondere den Operationsbericht vom 07.11.2016 betreffend die am 07.11.2016 durchgeführte Lobektomie nicht beifügte, gelangte der MDK in seinem Gutachten vom 04.07.2017 zu der Auffassung, dass anstatt der DRG E05A die DRG E71C (Neubildungen der Atmungsorgane ohne äußerst schwere CC oder ein Belegungstag, ohne Bronchoskopie, ohne bestimmte Lungenbiopsie) sowie die Hauptdiagnose D38.1 (Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens: Trachea, Bronchus und Lunge) anstatt C34.3 zu kodieren sei. Die Nebendiagnosen prüfte der MDK nicht, da diese nicht abrechnungsrelevant seien. Die Klägerin habe Unterlagen für den Aufenthalt ab 06.11.2016 nicht vorgelegt. Ob die OPS-Prozedur 5-324.b1 zu Recht abgerechnet worden sei, sei mangels Unterlagen nicht zu beurteilen.

Mit Schreiben vom 06.07.2017 machte die Beklagte einen Erstattungsanspruch iHv 10.780,49 € geltend. Die Hauptdiagnose C34.3 sowie die OPS-Prozedur 5-324.b1 seien nicht bestätigt worden. Neue Hauptdiagnose sei D38.1 sowie die neue DRG E71C. Zur Begründung verwies die Beklagte auf das MDK-Gutachten.

Am 07.07.2017 nahm die Beklagte in Höhe vom 10.780,49 € eine Verrechnung mit unstreitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderweitigen Behandlungsfällen vor.

Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 21.07.2017 über einen Anruf der Medizincontrollerin der Klägerin, Frau P, habe diese angefragt, ob sie noch Unterlagen nachreichen dürfe. Die Klägerin habe es bei dem zusammengeführten Fall versäumt, den für den MDK wichtigen OP-Bericht zur Lobektomie im zweiten Aufenthalt vorzulegen, was zur Rechnungskürzung geführt habe. Der Medizincontrollerin sei gesagt worden, dass die Beklagte keine Widersprüche zuließe und das Nachreichen von Unterlagen nicht vorgesehen sei. Die Medizincontrollerin habe die Übersendung des OP-Berichts angekündigt. Der OP-Bericht ging bei der Beklagten per Fax am 21.07.2017 ein. Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 26.07.2017 sei die Medizincontrollerin P telefonisch darüber informiert worden, dass das Prüfverfahren abgeschlossen sei.

Am 06.09.2017 stellte die Klägerin der Beklagten eine Endabrechnung für die beiden Krankenhausaufenthalte erneut mit der DRG E05A in Höhe von 14.828,74 €. Dabei berücksichtigte sie die Hauptdiagnose C34.3 sowie die OPS-Prozedur 5-324.b1.

Mit Schreiben vom 25.10.2017 widersprach die Klägerin der Leistungsentscheidung der Beklagten und legte den Operationsbericht vom 07.11.2016 betreffend die durchgeführte Lobektomie vor. Die Klägerin bezog sich auf ein Telefonat vom 20.07.2017 mit dem Mitarbeiter der Beklagten A. Darin sei vereinbart worden, dass der fehlende Operationsbericht, aus dem die vom MDK gestrichene Prozedur hervorgehe, erneut versandt werden könne und die im Gutachten gestrichene Prozedur dann anerkannt werde. Somit bleibe laut Gutachten nur die Hauptdiagnoseänderung, die allerdings in dieselbe DRG führe.

Die Klägerin hat am 17.06.2019 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und die Zahlung iHv 10.780,49 € nebst Zinsen begehrt. Ihre Abrechnung sei richtig. Sie habe die Diagnosen medizinisch richtig und leitliniengerecht bestimmt. Unter Anwendung der Deutschen Kordierrichtlinien seien die Diagnosen und Prozeduren richtig verschlüsselt worden. Nach dem sog Grouping durch einen zertifizierten Grouper habe sich die DRG E05A ergeben. Zwischen den Beteiligten sei allein streitig, ob die OPS-Prozedur 5-324.b1 zu kodieren sei. Insofern vertrete die Beklagte die Auffassung, dass die Kodierung nicht habe erfolgen dürfen, da die entsprechenden Unterlagen nicht rechtzeitig an den MDK übermittelt worden seien. Die Unterlagen seien wohl tatsächlich nicht an den MDK versandt worden. Die liege daran, dass sie - die Klägerin - die beiden Behandlungsfälle zusammengeführt habe. Dabei sei übersehen worden, dass die Unterlagen für den zweiten Fall mitgesandt werden müssten. Auf Grund dessen habe sie sich nach Eingang des MDK-Gutachtens an den Sachbearbeiter der Krankenkasse, Herrn A, gewandt. Dieser habe mitgeteilt, dass er die OPS-Prozedur anerkenne, wenn der Operationsbericht per Fax nachgereicht werde. Dies habe sie sodann getan. Nach erneuter telefonischer Rücksprache mit dem Sachbearbeiter der Beklagten sei von diesem telefonisch die Prozedur akzeptiert und gebeten worden, die Rechnung mit korrigierter Hauptdiagnose erneut an die Beklagte zu übermitteln. Dabei handele es sich um ein Anerkenntnis der Beklagten. Auch liege keine wirksame Einleitung einer Prüfung vor. Aus der Prüfanzeige der Beklagten vom 20.12.2016 ergebe sich nicht, dass Auffälligkeiten vorgelegen hätten. Auch aus der Prüfanzeige des MDK ergäben sich keine Auffälligkeiten für die Einleitung eines MDK-Prüfverfahrens. Somit sei bereits ohnehin keine Unterlagenübersendungsfrist gelaufen, sodass sie - die Klägerin - diese auch nicht versäumt haben könne. Weiterhin habe der MDK eine Prüfung der Nebendiagnosen angezeigt. Aus der Prüfanzeige der Beklagten selber ergebe sich hierzu nichts. Die Frage, ob die DRG korrekt sei, sei viel zu unbestimmt und nach der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB (Prüfverfahrensvereinbarung <PrüfvV 2014>) unzulässig. Die Beklagte habe jedoch die Hauptdiagnose sowie eine Prozedur gestrichen, sodass Unterlagen hätten problemlos nachgereicht werden können. Weiterhin sei die Frist aus der PrüfvV 2014 gegenstandslos. Sie regele allenfalls die Durchführung des MDK-Prüfverfahrens, gelte jedoch nicht für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens (Hinweis auf Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg 17.04.2019, L 5 KR 1522/17). Letztlich müsse der Operationsbericht berücksichtigt werden. Aus diesem ergebe sich eindeutig, dass die streitbefangene OPS-Prozedur durchgeführt worden sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der fehlende Operationsbericht sei der Beklagten erst Ende Juli 2017 übermittelt worden. Ihr Mitarbeiter A, Sachbearbeiter Krankenhausabrechnung, habe der Klägerin nicht zugesagt, dass die OPS-Prozedur anerkannt werde, wenn der Operationsbericht nachgereicht werde. Der Inhalt der Telefongespräche ergebe sich aus den Aktennotizen. Sie - die Beklagte - habe die Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V ordnungsgemäß eingeleitet. Nach § 4 PrüfvV 2014 sei der Prüfgegenstand konkret zu benennen, nicht die Auffälligkeiten. Die Beklagte habe eine Teilprüfung der Abrechnung angezeigt. § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014 regele eindeutig, dass das Krankenhaus nur Anspruch auf den unstreitigen Rechnungsbetrag habe, wenn es die zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen sowie der Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigten Unterlagen nicht innerhalb der Frist des § 7 Abs 2 Satz 3 PrüfvV 2014 an den MDK übermittle. Dieser Ausschluss gelte nicht nur für das MDK-Prüfverfahren, sondern auch für das gerichtliche Verfahren. Diese Regelung sei auch von der Ermächtigungsgrundlage des § 17 c Abs 2 Krankenhausgesetz (KHG) gedeckt. Die Beklagte hat Bezug genommen auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 17.04.2018 (L 11 KR 936/17).

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 09.11.2020 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 10.780,49 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.07.2017 zu zahlen und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Beklagten stehe kein Erstattungsanspruch zu. Die Klägerin sei nicht gehindert gewesen, den Operationsbericht und den Pathologiebefund noch nach Abschluss der MDK-Prüfung vorzulegen. Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014, wonach das Krankenhaus nur Anspruch auf den unstreitigen Rechnungsbetrag habe, wenn es die zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie der Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigten Unterlagen nicht innerhalb der Frist des § 7 Abs 2 Satz 3 PrüfvV 2014 an den MDK übermittle. Die PrüfvV 2014 habe nicht für sachlich-rechnerische Prüfungen gegolten. Erst nach Einführung des § 275 Abs 1c Satz 4 SGB V mit Wirkung zum 01.01.2017 sei eine neue PrüfvV für Behandlungsfälle ab dem 01.01.2017 erlassen worden. Eine Geltung der alten PrüfvV für sachlich-rechnerische Prüfungen zwischen dem 01.01.2016 und 31.12.2016 erfolgter Behandlungen lasse sich daraus nicht ableiten. Es verbleibe bei dem Grundsatz, dass ohne eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage das Krankenhaus nicht nach Ablauf bestimmter Fristen mit tatsächlichem Vorbringen ausgeschlossen sei (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG> 19.11.2019, B 1 KR 33/18 R).

Gegen den ihr am 12.11.2020 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Beklagte mit ihrer am 11.12.2020 beim LSG Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Die PrüfvV 2014 sei auch auf die Prüfung einer OPS-Prozedur anwendbar. In § 4 PrüfvV 2014 würden Diagnosen und Prozeduren ausdrücklich genannt. Zum anderen sei durch die Einfügung des § 275 Abs 1 c Satz 4 SGB V geregelt, dass jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses, mit der der MDK beauftragt werde und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordere, als Prüfung nach § 275 Abs 1c Satz 1 SGB V anzusehen sei. Dass es sich bei der Prüfung bezüglich einer im Oktober/November 2016 stattgefundenen Krankenhausbehandlung um eine Prüfung nach § 275 Abs 1c SGB V handele, stehe außer Zweifel. Aus den vom SG zitierten Urteilen des LSG Baden-Württemberg lasse sich nicht entnehmen, dass die PrüfvV 2014 für die Zeit bis zum 31.12.2016 ausschließlich auf Auffälligkeitsprüfungen anwendbar sei.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.11.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der Sache sei unstreitig, dass die von der Klägerin vorgenommene Kodierung des OPS 5-324.b1 richtig gewesen sei, wenn der Operationsbericht zu Grunde zu legen sei. Die vom MDK geforderte Änderung der Hauptdiagnose sei nicht vergütungsrelevant. Soweit die PrüfvV 2014 neben der Auffälligkeitsprüfung auch die sachlich-rechnerische Richtigstellung von § 4 Satz 1 PrüfvV umfasse, sei diese wegen Überschreitens der Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Jedoch sei § 7 Abs 2 PrüfvV 2014 ohnehin nicht einschlägig. Aus der MDK-Prüfanzeige ergebe sich eindeutig, dass sich das MDK-Prüfverfahren allein auf die Frage beziehe, ob die Nebendiagnosen korrekt kodiert seien. Dementsprechend sei auch kein „Kreuz“ bei den Unterlagen für die „Nachweise zu OPS“ gesetzt, sondern lediglich bei den „Nachweisen zu Nebendiagnosen“. Sie - die Klägerin - habe gar nicht wissen können, dass das MDK-Prüfverfahren auch zur Prüfung der OPS-Prozeduren habe erfolgen sollen. Ihr sei keine Anzeige einer Erweiterung der Prüfung durch den MDK zugegangen. Mangels Übersendung einer Erweiterungsanzeige habe keine Verpflichtung bestanden, Unterlagen für die OPS-Prozedur zu übersenden.

Die Beklagte hat erwidert, dass sie den MDK nicht ausschließlich mit der Prüfung der Nebendiagnosen beauftragt habe, sondern auch mit der Prüfung, ob die vom Krankenhaus abgerechnete DRG korrekt sei. Die Frage nach der abgerechneten DRG umfasse dabei neben der Überprüfung der kodierten Nebendiagnosen zwangsweise auch die Prüfung der Hauptdiagnose und der verschlüsselten Prozeduren. Die gesondert gestellte Frage nach den Nebendiagnosen diene allenfalls dazu, die Prüfung der Nebendiagnosen in den Vordergrund zu rücken. Dies führe aber keineswegs dazu, dass die Prüfung der übrigen Bestandteile, aus denen sich eine DRG zusammensetze, nicht beauftragt worden sei. Weiterhin habe der MDK den Operationsbericht ausdrücklich angefordert. Die Nichtvorlage der Unterlagen sei auch gerade nicht erfolgt, weil die Klägerin diese nicht für prüfungsrelevant gehalten habe, sondern weil sie diese versehentlich nicht vorgelegt habe. 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.


Entscheidungsgründe


Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, an die Klägerin 10.780,49 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Klage der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte weitere Vergütungsanspruch iHv 10.780,49 € nebst Zinsen nicht zu.
 
Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch iHv 10.780,49 € nicht zu. Zwar hatte die Beklagte ursprünglich die gesamten von der Klägerin für die Behandlung der Versicherten geltend gemachten Rechnungsbeträge bezahlt, jedoch nachträglich den Vergütungsanspruch mit zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen gegen die Beklagte verrechnet. Da die Beklagte sich ausschließlich jeweils im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, stehen die Hauptforderungen selbst außer Streit (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2).

Die für eine Aufrechnung erforderliche Gegenforderung der Beklagten, mit der sie gegen die Hauptforderung der Klägerin wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufrechnen kann (zur Aufrechnung analog § 387 BGB BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2), liegt vor. Der Beklagten steht als Grundlage für ihre Gegenforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch iHv 10.780,49 € zu (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgten insoweit ohne Rechtsgrund. Ein weiterer Vergütungsanspruch der Klägerin iHv 10.780,49 € gegen die Beklagte für die stationäre Behandlung des oben genannten Versicherten bestand nicht.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V idF vom 26.03.2007, BGBl I 378) in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG; idF des Gesetzes vom 22.12.2010, BGBl I 2309) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (idF von Art 2 Nr 9 Krankenhausstrukturgesetz - KSHG - vom 10.12.2015, BGBl I 2229) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF vom 08.12.2015, BGBl I 2114) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2016 (Fallpauschalenvereinbarung 2016 - FPV-2016).

Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten und damit korrespondierend die Zahlungspflicht einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iSv § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R). Dem Krankenhaus stand dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch für die unstreitig erforderliche stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten
vom 25.10.2016 bis 31.10.2016 sowie vom 06.11.2016 bis zum 17.11.2016 zu, was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist. Diese Behandlung hat die Beklagte entsprechend der Rechnung der Klägerin vom 01.12.2016 iHv 14.828,74 € zunächst vollständig vergütet. Die Klägerin ist jedoch mit dem Vergütungsanspruch iHv 10.780,49 € (14.828,74 € - 4.048,24 €) nach dem zeitlich und sachlich anwendbaren § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014 materiell präkludiert, sodass zugunsten der Beklagten ein entsprechender Erstattungsanspruch besteht. Der Klägerin steht betreffend die beiden stationären Aufenthalte des Versicherten lediglich die Fallpauschale nach DRG E71C iHv 4.048,24 € zu, die nach dem unstreitigen Vorbringen der Beteiligten angesteuert wird, wenn die zwischen den Beteiligten allein streitige OPS-Prozedur 5-324.b1 nicht angesetzt wird. Die Klägerin hat die tatbestandlichen Voraussetzungen der abgerechneten OPS-Prozedur 5-324.b1 nicht nachgewiesen, sie ist mit den nachgereichten Unterlagen zu diesem Eingriff gemäß § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014 materiell präkludiert. 

§ 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 lautet:
„Bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren kann der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag.“

Der hier noch streitige Vergütungsanspruch der Klägerin ist schon deswegen ausgeschlossen, weil sie es versäumt hat, die durch den MDK mit Schreiben vom 22.12.2016 angeforderten und konkret bezeichneten Unterlagen betreffend den zweiten stationären Aufenthalt binnen der 4-Wochen-Frist vollständig vorzulegen.

§ 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 enthält eine materielle Präklusionsregelung mit der Rechtsfolge, dass konkret bezeichnete Unterlagen, die der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens angefordert, das Krankenhaus aber nicht innerhalb der Frist von vier Wochen vorgelegt hat, auch in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr zur Begründung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt werden dürfen. Die präkludierten Unterlagen sind als Beweismittel endgültig ausgeschlossen.

Zwar enthält § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014 keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, begründet jedoch eine materielle Präklusion (dazu und zum Folgenden BSG 18.05.2021, B 1 KR 32/20 R, SozR 4-2500 § 275 Nr 33; BSG 18.05.2021, B 1 KR 24/20 R, SozR 4 <vorgesehen>). Dies bedeutet, dass die nach dem jeweiligen Regelungszusammenhang erforderlichen Handlungen zur Durchsetzung oder Abwehr eines Anspruchs ausgeschlossen sind. Dies hat bei § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 zur Folge, dass die Vergütungsforderung des Krankenhauses nicht auf der Grundlage präkludierter Unterlagen durchgesetzt werden kann (vgl ferner zur Wirkung der Präklusion im Rahmen des § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 und 2016 BSG 18.05.2021, B 1 KR 34/20 R, B 1 KR 37/20 R und B 1 KR 39/20 R). Die materielle Präklusion steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Die Gerichte dürfen präkludierte Unterlagen bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigen. Die Begründung des Vergütungsanspruchs durch andere als die angeforderten, aber nicht vorgelegten Unterlagen schließt die Vorschrift hingegen nicht aus. § 7 Abs 2 PrüfvV 2014 dient vorrangig, aber nicht allein der Beschleunigung und Verfahrenskonzentration. Die Regelung schafft einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Anspruch des Krankenhauses auf vollständige Vergütung der erbrachten erforderlichen Krankenhausbehandlungen und einem zügigen Abschluss des Prüfverfahrens und damit der Rechtssicherheit. Sinn und Zweck der Regelung gebieten aber nicht, auch die Begründung des Vergütungsanspruchs mit anderen als den vom MDK angeforderten Unterlagen zu unterbinden. Der Streitstoff für die Überprüfung der Abrechnung des Behandlungsfalls soll vollständig gebündelt und deren Abschluss insgesamt beschleunigt werden. Hierbei ist es Aufgabe des MDK, die prüfrelevanten Begründungselemente durch die Unterlagenauswahl so einzugrenzen, dass die Anspruchsprüfung konzentriert erfolgen kann, dh alle für die Anspruchsprüfung relevanten Gesichtspunkte erfasst werden können. Das Krankenhaus soll die aus Sicht des MDK für die Beantwortung der Prüffragen benötigten und konkret bezeichneten Unterlagen zeitnah (innerhalb von vier Wochen) vorlegen, damit das Prüfverfahren durch die Beantwortung der Prüffragen zügig seinen Abschluss finden kann. Versäumt der MDK die sachgerechte Eingrenzung der zur Abrechnungsprüfung benötigten Unterlagen, tritt das Interesse an der Überprüfung der Abrechnung hinter dem Interesse des Krankenhauses an vollständiger Vergütung der erbrachten Leistungen zurück.

Nach der Rechtsprechung des BSG bestehen im Verhältnis zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und dem MDK Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen (vgl nur BSG 13.11.2012, B 1 KR 14/12 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 1 mwN): Auf der ersten Stufe hat das Krankenhaus alle Daten nach § 301 Abs 1 SGB V zutreffend und vollständig zu übermitteln (so auch § 3 Satz 2 und 3 PrüfvV 2014). Ergeben sich für die Krankenkassen bei der Prüfung dieser Daten sowie weiterer zur Verfügung stehender Informationen Auffälligkeiten, ist auf der zweiten Stufe ein Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1, Abs 1c SGB V einzuleiten (so auch §§ 4 und 6 PrüfvV 2014). Die dritte Stufe betrifft das ordnungsgemäß eingeleitete Prüfverfahren und die Prüfung durch den MDK: Das Krankenhaus hat auf dieser Ebene nach § 276 Abs 2 Satz 2 SGB V dem MDK alle weiteren Angaben zu machen und Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüffragen benötigt werden. § 7 Abs 2 PrüfvV 2014 betrifft die dritte Ebene der zwischen Krankenkasse, Krankenhaus und MDK bestehenden Auskunfts- und Prüfpflichten (BSG 18.05.2021, B 1 KR 32/20 R, SozR 4-2500 § 275 Nr 33; BSG 18.05.2021, B 1 KR 24/20 R, SozR 4 <vorgesehen>). Danach hat das Krankenhaus dem MDK über die nach § 301 SGB V übermittelten Daten hinaus weitere Angaben zu machen und nach § 276 Abs 1 Satz 1 SGB V alle Unterlagen vorzulegen, die der MDK für die Prüffragen benötigt. Diese Obliegenheit wird durch § 7 Abs 2 Satz 2 und 3 PrüfvV 2014 näher konkretisiert und in § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014 mit einer Rechtsfolge belegt.

Die Voraussetzungen des § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 sind erfüllt. Eine materielle Präklusion ist hier eingetreten.

Die aufgrund § 17c Abs 2 KHG (idF des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013, BGBl I 2423) erlassene und am 01.09.2014 in Kraft getretene PrüfvV 2014 ist zeitlich auf die im Jahr 2016 durchgeführte Krankenhausbehandlung des Versicherten anwendbar. Sie ist auch in der Zeit ab 01.01.2016 inhaltlich sowohl auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung als auch die - hier vorliegende, auf die Korrektur der Abrechnung zielende - Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit anwendbar (BSG 20.11.2021, B 1 KR 36/20 R, SozR 4 <vorgesehen>; BSG 10.11.2021, B 1 KR 43/20 R; vgl ferner BSG 23.05.2017, B 1 KR 24/16 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 8 zur Anwendbarkeit des § 275 Abs 1c SGB V in der bis zum 3.12.2015 geltenden Fassung sowie der PrüfvV 2014 lediglich auf die Auffälligkeitsprüfung), nachdem der Gesetzgeber dem § 275 Abs 1c SGB V mit Wirkung zum 01.01.2016 den Satz 4 angefügt hat. Danach ist als Prüfung iSd § 275 Abs 1c Satz 1 SGB V (in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung <aF>) jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert. Dies umfasst auch Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausabrechnung. Die Anfügung des § 275 Abs 1c Satz 4 SGB V aF zum 01.01.2016 hatte zur Folge, dass sich der Anwendungsbereich der PrüfvV 2014 ab diesem Zeitpunkt auf sachlich-rechnerische Prüfungen erweitert hat (BSG 10.11.2021, B 1 KR 36/20 R, SozR 4 <vorgesehen>). 

Es fand ein schriftliches Prüfverfahren durch den MDK iSd § 7 Abs 2 Satz 2 PrüfvV 2014 statt. § 7 Abs 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 gilt nur für das schriftliche Verfahren. Auf die Prüfung vor Ort findet die Vorschrift keine Anwendung. Vorliegend hat der MDK innerhalb der 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V aF mit Schreiben vom
22.12.2016, das bei der Klägerin am 28.12.2016 eingegangen ist, das schriftliche Verfahren eingeleitet und verschiedene, konkret bezeichnete Unterlagen angefordert. Die Anforderung der Unterlagen durch den MDK ist nicht zu beanstanden. Insbesondere war sie hinreichend konkret und bewegte sich nicht offensichtlich außerhalb des Prüfgegenstands.

§ 7 Abs 2 Satz 2 PrüfvV 2014 bezieht sich auf die Anforderung von Unterlagen. Unterlagen iSd § 7 Abs 2 PrüfvV 2014 sind Beweismittel zur Begründung des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses. Sie dienen dem Nachweis der Tatsachen, die den behaupteten Vergütungsanspruch des Krankenhauses in der abgerechneten Höhe begründen (BSG 18.05.2021, B 1 KR 32/20 R, SozR 4-2500 § 275 Nr 33; BSG 18.05.2021, B 1 KR 24/20 R, SozR 4 <vorgesehen>). Die Anforderung der Unterlagen hat der MDK zumindest ihrer Art nach konkret zu bestimmen (zB Aufnahmedokumentation, Operationsbericht, Pflegedokumentation) (dazu und zum Folgenden BSG 18.05.2021, B 1 KR 32/20 R, SozR 4-2500 § 275 Nr 33; BSG 18.05.2021, B 1 KR 24/20 R, SozR 4 <vorgesehen>). Dies folgt aus Wortlaut, Regelungssystem und -zweck. Nach dem Wortlaut bestimmt der MDK die Auswahl derjenigen Unterlagen, die er für prüfungsrelevant hält. Die Vorschrift bestimmt dagegen nicht, dass das Krankenhaus aufgrund der Mitteilung der Prüfgegenstände durch den MDK ihm die Unterlagen in Kopie zu übermitteln hat, die es selbst für die Prüfung für erforderlich hält. Nach dem Regelungssystem der §§ 6 und 7 PrüfvV 2014 führt der MDK die Prüfung einschließlich der Beschaffung der Prüfungsunterlagen eigenverantwortlich durch. Er entscheidet selbst, welche konkreten Unterlagen er anfordert, sofern er sich nicht offensichtlich außerhalb des Prüfgegenstands bewegt, den er aber auch in eigener Zuständigkeit erweitern kann (vgl § 6 Abs 3 Satz 3 und 4 PrüfvV 2014). Der MDK bestimmt danach auch die Ermittlungstiefe. Es ist gerade der Zweck der Regelung, dass sich der MDK nicht in jedem einzelnen Prüffall mit sämtlichen Behandlungsunterlagen auseinandersetzen muss, sondern das Prüfverfahren durch die von ihm - auch nach Erfahrungswerten - getroffene Auswahl der Unterlagen straff ausgestalten und effizient am Prüfauftrag ausrichten kann. Das Krankenhaus unterstützt ihn dabei. Das Krankenhaus muss deshalb wissen, welche ihrer Art nach bestimmten Unterlagen der MDK benötigt. Nur die nicht fristgemäße Vorlage ihrer Art nach konkret bezeichneter Unterlagen rechtfertigt die nicht unerhebliche Sanktionsfolge des § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014. Ansonsten müsste das Krankenhaus zur Vermeidung von Rechtsnachteilen dem MDK immer sämtliche Unterlagen zur Verfügung stellen. Dies widerspräche aber gerade dem durch die PrüfvV 2014 intendierten schlanken und gleichwohl effizienten Prüfverfahren.

Die Anforderung der Unterlagen nach § 7 Abs 2 Satz 2 PrüfvV 2014 durch den MDK mit Schreiben vom 22.12.2016 war hinreichend konkret. Insbesondere hat der MDK ausdrücklich einen Krankenhausentlassungsbericht sowie Operationsberichte angefordert. Dabei war es Sache des MDK zu bestimmen, welche Unterlagen er zur Beurteilung des Prüffalles „benötigt“ und für prüfungsrelevant hält. Darüber entscheidet der MDK eigenverantwortlich. Der Klägerin oblag es nicht, aufgrund der Mitteilung der Prüfgegenstände durch den MDK (Schreiben vom 22.12.2016) selbst die Unterlagen zu bestimmen, die sie als Krankenhaus für die Prüfung des MDK für erforderlich hielt. Daher geht der Einwand der Klägerin ins Leere, die Unterlagenanforderung seitens des MDK sei rechtwidrig erfolgt. Weiterhin bewegte sich der MDK mit der Anforderung der Unterlagen gemäß Schreiben vom 20.12.2016 nicht offensichtlich außerhalb des Prüfgegenstands. Die Beklagte hatte der Klägerin
mit Schreiben vom 20.12.2016 (Eingang bei der Klägerin am 23.12.2016) und damit rechtzeitig (§ 275 Abs 1c Satz 2 SGB V aF, § 4 PrüfvV 2014) eine „Teilprüfung der Abrechnung (bestimmte Diagnosen, bestimmte Prozeduren, etc.)“ angezeigt. Der MDK zeigte der Klägerin mit Schreiben vom 22.12.2016 (Eingang bei der Klägerin 28.12.2016), gleichfalls innerhalb der der 6-Wochen-Frist (§ 275 Abs 1c Satz 2 SGB V aF, § 4 PrüfvV 2014), die Prüfung an, übermittelte die Fragen der Beklagten („Ist die DRG korrekt? Ist/sind die Nebendiagnosen (ND) korrekt?“) und forderte ausdrücklich einen ausführlichen Krankenhausentlassungsbericht und Operationsberichte an. Dabei ist die Auslegung des Prüfauftrags bzw der Prüfanzeige der Krankenkasse bzw des MDK nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen vorzunehmen (vgl zB BSG 30.07.2019, B 1 KR 31/18 R, BSGE 129, 1; BSG 25.10.2016, B 1 KR 22/16 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 7; ferner LSG Baden-Württemberg 17.04.2018, L 11 KR 936/17). Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen (vgl auch zum Folgenden zB Bundesgerichtshof <BGH> 16.10.2012, X ZR 37/12, BGHZ 195, 126 mwN). Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen, bei deren Verständnis regelmäßig auch der Verkehrsschutz und der Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers maßgeblich sind, so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste. In Anwendung dieser Grundsätze sind der Prüfauftrag der Beklagten und die Prüfanzeige des MDK dahingehend auszulegen, dass der Prüfgegenstand vorliegend auch die Kodierung der DRG umfasste. Die vom MDK übermittelten Fragen der Beklagten, die ausweislich ihrer Gliederung unabhängig nebeneinanderstehen, machten deutlich, dass eine Überprüfung der von der Klägerin in Rechnung gestellten DRG E05A angestrebt wurde, was auch zwanglos für einen objektiven Erklärungsempfänger aus dem maßgeblichen Verkehrskreis (Krankenhäuser iSd § 108 SGB V) erkennbar war. Durch die zweiten Prüffrage („Ist/sind die Nebendiagnosen (ND) korrekt?“) wurde der Prüfauftrag der Beklagten nicht offensichtlich auf eine Prüfung der abgerechneten Nebendiagnosen begrenzt. Der MDK hat den Prüfauftrag entsprechend der ersten Prüffrage („Ist die DRG korrekt?“) auf die Prüfung der DRG bezogen und die entsprechenden abrechnungsrelevanten Daten geprüft. Dieser Prüfumfang war auch für die Klägerin zwanglos aus der Formulierung der beiden Prüffragen sowie der vom MDK dazu angeforderten Unterlagen (ausführlicher Krankenhausentlassungsbericht, Tageskurve(n), Pflegedokumentation(en), Operationsbericht(e), falls operative Eingriffe durchgeführt wurden, Interventionsprotokoll(e), falls Intervention durchgeführt wurden, Laborbefund(e), Antibiogramm und Mikrobiologie, Anamnese, Befunde bei Aufnahme, körperlicher Untersuchungsbefund bei Aufnahme, Nachweise zu Nebendiagnosen, Überwachungsbogen, falls eine Überwachung durchgeführt wurde), die auf eine eingehende Prüfung des abgerechneten Behandlungsgeschehens hindeuten, erkennbar. Es war Sache der Klägerin, die Unterlagenanforderung des MDK zu beachten, die dort klar und unmissverständlich benannten Unterlagen sorgfältig zusammenzustellen und innerhalb der 4-Wochen-Frist des § 7 Abs 2 Satz 3 PrüfvV 2014 dem MDK zu übermitteln. Dies hat die Klägerin schuldhaft unterlassen. Nach ihrem Vorbringen, an dessen Richtigkeit der Senat keinen Zweifel hegt, hat sie es bei der Zusammenstellung der Unterlagen übersehen, dass die Unterlagen für den zweiten Aufenthalt mitgesandt werden müssen, und lediglich die Unterlagen betreffend den ersten stationären Aufenthalt (25.10.2016 bis 31.10.2016) an den MDK übersandt. Demzufolge hatte die Klägerin insbesondere weder den Entlassungsbericht für den zweiten Aufenthalt (06.11.2016 bis 17.11.2016) noch den Operationsbericht vom 07.11.2016 dem MDK übermittelt und damit ihre Obliegenheit iSd § 7 Abs 2 Satz 3 PrüfvV 2014 verletzt. Der Operationsbericht vom 07.11.2016 ging bei der Beklagten erstmalig am 21.07.2017 ein, den Histologiebefund vom 14.11.2018 übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 23.03.2018 sowie den Entlassungsbericht für den zweiten Aufenthalt (06.11.2016 bis 17.11.2016) legte sie erst mit Klageschrift vom 12.06.2019 vor. Dies steht auch in Einklang mit den im Gutachten des MDK vom 04.07.2017 aufgeführten Unterlagen. Dort ist insbesondere vermerkt, dass dem MDK neben den Daten nach § 301 SGB V ein ausführlicher Krankenhausentlassungsbericht für den ersten Aufenthalt vom 25.10.2016 bis zum 31.10.2016, eine Anamnese, ein Aufnahmebefund, ein Überwachungsbogen und Interventionsprotokolle vorlagen. Der MDK wies ausdrücklich darauf hin, dass Unterlagen für den zweiten stationären Aufenthalt ab 06.11.2016 nicht vorlagen.    

Hinsichtlich des erst am 21.07.2017 vorgelegten Operationsberichts vom 07.11.2016 sowie des mit der Klageschrift vom 12.06.2019 übersandten Entlassungsbericht für den zweiten Aufenthalt (06.11.2016 bis 17.11.2016), mithin jeweils außerhalb der 4-Wochen-Frist, die mit Zugang der Unterlagenanforderung des MDK bei der Klägerin am 28.12.2016 begann und 25.01.2017 endete (vgl § 188 Abs 2 BGB), ist die Klägerin nach § 7 Abs 2 Satz 4 PrüfvV 2014 präkludiert. Der Senat darf diese Unterlagen nicht berücksichtigen. Der Inhalt präkludierter Unterlagen darf auch nicht unter Umgehung der Präklusionsregelung etwa durch ersetzende Zeugenaussagen in das Verfahren eingeführt werden. Auch unter Ausschöpfen der gebotenen Aufklärung lässt sich daher nicht feststellen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die OPS-Prozedur 5-324.b1 (einfache Lobektomie und Bilobektomie der Lunge: Lobektomie mit radikaler Lymphadenektomie, offen chirurgisch, ohne bronchoplastische oder angioplastische Erweiterung) mit dem OP-Datum 07.11.2016 vorlagen und der - sodann im Grouping angesteuerten - Fallpauschale E05A erfüllt waren. Die geht zu Lasten der Klägerin, die dafür die objektive Beweislast trägt (BSG 18.05.2021, B 1 KR 24/20 R, SozR 4 <vorgesehen>).

Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin, der
Sachbearbeiter der Beklagten habe in Aussicht gestellt, dass er die OPS-Prozedur anerkenne, wenn der Operationsbericht per Fax nachgereicht werde, und nach Übersendung des Operationsberichts die Prozedur telefonisch akzeptiert. Dieses Vorbringen hat die Klägerin im Berufungsverfahren zu Recht nicht mehr wiederholt und aufrechterhalten (vgl Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 11.02.2021), weil dieses im eklatanten Widerspruch zum Akteninhalt steht. Die Mitarbeiter der Beklagten haben zeitnah zu dem Abrechnungsvorgang die Inhalte der Telefongespräche mit der Medizincontrollerin der Klägerin in Aktenvermerken schriftlich festgehalten. Diese geben nicht ansatzweise einen Hinweis darauf, dass der Mitarbeiter der Beklagten A eine Äußerung entsprechend der Behauptung der Klägerin getätigt haben könnte. Zudem wäre auch zu erwarten gewesen, dass die Klägerin selbst den Inhalt der behaupteten Absprache zeitnah schriftlich fixiert und unverzüglich unter konkreter Bezugnahme auf eine solche Vereinbarung die fehlenden Unterlagen übersendet. Dies ist nicht geschehen. Demgegenüber hat sich die Klägerin darauf beschränkt, den Operationsbericht vom 07.11.2016 ohne weiteres Anschreiben am 21.07.2017 per Fax der Beklagten zu übersenden. Unabhängig davon, dass das Vorbringen der Klägerin insoweit weder schlüssig noch nachvollziehbar ist, steht die materielle Präklusion nicht zur Disposition der Beteiligten. Die Krankenkasse und die Gerichte dürfen präkludierte Unterlagen bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigen (BSG 18.05.2021, B 1 KR 32/20 R, SozR 4-2500 § 275 Nr 33; BSG 18.05.2021, B 1 KR 24/20 R, SozR 4 <vorgesehen>). Die Verletzung des § 7 Abs 2 Satz 3 PrüfvV 2014 hat zur Folge, dass die Klägerin ihre Vergütungsforderung nicht auf der Grundlage präkludierter Unterlagen durchsetzen kann. Daran ändert eine vermeintliche Zusage, dass die OPS-Prozedur anerkannt werde, wenn der Operationsbericht nachgereicht werde, nichts.

Schließlich war die Beklagte zur Aufrechnung nach § 9 PrüfvV 2014 berechtigt. Danach kann die Krankenkasse einen nach Beendigung des Vorverfahrens einvernehmlich als bestehend festgestellten oder nach § 8 PrüfvV 2014 fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufrechnen. Dabei sind der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen (§ 9 Satz 2 PrüfvV 2014). Da keine zwischen den Beteiligten einvernehmliche Beendigung des Vorverfahrens erfolgte, ist die fristgerecht erfolgte Mitteilung eines Erstattungsanspruchs nach § 8 PrüfvV 2014 erforderlich. Nach § 8 Satz 1 PrüfvV 2014 hat die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen. Wenn die Leistung nicht in vollem Umfange wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, sind die wesentlichen Gründe darzulegen (§ 8 Satz 2 PrüfvV 2014). Die Mitteilungen haben innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Abs 3 PrüfvV 2014 zu erfolgen, wobei diese Regelung als Ausschlussfrist wirkt (§ 8 Satz 3 und 4 PrüfvV 2014).
           
Das Prüfverfahren war durch Mitteilung der abschließenden Entscheidung der Beklagten vom 06.07.2017 abgeschlossen. Aus einer Entscheidung iSd § 8 PrüfvV 2014 muss klar zum Ausdruck kommen, dass die Krankenkasse die Prüfung als abgeschlossen ansieht und auf den weiteren Lauf der für die abschließende Entscheidung geltenden 9-Monats-Frist verzichtet (BSG 10.11.2021, B 1 KR 36/20 R, SozR 4 <vorgesehen>). Nicht ausreichend ist hierfür für sich genommen etwa die Übersendung eines im Prüfverfahren nach der PrüfvV eingeholten MDK-Gutachtens oder die Zahlung auf eine im Prüfverfahren korrigierte Rechnung des Krankenhauses (BSG 10.11.2021, B 1 KR 36/20 R, SozR 4 <vorgesehen>). Diese Voraussetzungen erfüllt das Schreiben der Beklagten vom 06.07.2017. In diesem wurden der Erstattungsanspruch mit 10.780,49 € beziffert, die Abrechnung der DRG E05A sowie der OPS-Prozedur 5-324.b1 beanstandet sowie die abzurechnende DRG E71C benannt und die Aufrechnung des Erstattungsanspruchs mit unstreitigen Leistungsansprüchen erklärt. Hinsichtlich der Einzelheiten verwies die Beklagte auf das ihrem Schreiben beigefügte MDK-Gutachten. Die 9-Monats-Frist des § 8 Satz 3 PrüfvV 2014 war zum Zeitpunkt der Mitteilung der abschließenden Entscheidung der Beklagten vom 06.07.2017 sowie der darin enthaltenen Aufrechnungserklärung noch nicht abgelaufen. Die Aufrechnung erfolgte am 07.07.2017 und damit gleichfalls innerhalb der Frist von 9 Monaten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 HS. 1 SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.


 

Rechtskraft
Aus
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