L 9 KR 558/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 22 KR 88/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 9 KR 558/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Sozialversicherungspflicht - Prokurist - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit - Teilbescheid - Teilregelung - Auslegung eines Verwaltungsaktes

     
   
 

 

      1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Mai 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
         
      2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens für beide Instanzen.
         
      3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

      1. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 56.870,04 € festgesetzt.

 

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten um die Sozialversicherungspflicht aufgrund Beschäftigung des zu 1. beigeladenen Gesellschafters als Prokuristen der klagenden GmbH (im Folgenden: Beigeladener) und eine Nachforderung von Renten-, Arbeitsförderungs- und Umlagebeiträgen in Höhe von 56.870,04 € für die Beschäftigung in der Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2013.

 

Die Klägerin wurde durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 19.12.2000 mit Sitz in Z....  gegründet und am 05.03.2001 unter HRB Nr. 17646 in das Handelsregister des Amtsgerichts Y…. eingetragen. Am 16.01.2017 verlegte die Klägerin ihren Sitz nach A.... (Amtsgericht W....). Gegenstand des Unternehmens ist eine internationale Spedition und damit in Zusammenhang stehende Waren- und sonstige Geschäfte, sowie Fahrzeughandel und Vermietungen sowie Verwaltungen, die keiner gesonderten Erlaubnis bedürfen. Von dem Stammkapital der Klägerin im Nennwert von 25.000 € hielten der 1968 geborenen Beigeladene und die 1977 geborene V....  je 50%. Mit Kaufvertrag vom 28.01.2002 erwarb der 1957 geborene U....  von V....  den Geschäftsanteil im Nennwert von 12.500 €.


Der Gesellschaftsvertrag vom 19.12.2000 enthielt unter anderem folgende Regelungen:

„Das Gesellschaftskapital wird von den Gesellschaftern übernommen mit je 12.500 €.

 

Die Gesellschafter und Geschäftsführer können durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, der die Bedingungen geregelt, von der Verpflichtung entbunden werden, nicht in Wettbewerb zur Gesellschaft zu treten.

 

Die Gesellschaft wird auf unbestimmte Zeit errichtet.

 

Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.

 

Die Gesellschafterversammlung kann auch bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer Alleinvertretungsbefugnis erteilen. Sie kann Geschäftsführer von der Beschränkung des § 181 BGB befreien.

Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. …“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages wird auf Bl. 143-145 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

 

Geschäftsführer der Klägerin waren der 1972 geborene T....  von der Gründung bis 22.12.2008, U....  vom 12.11.2003 bis 28.11.2016 und ab 08.02.2018, der 1983 geborene S....  vom 28.11.2016 bis 02.07.2018. Der Beigeladene hatte vom 22.12.2008 bis zu seiner Bestellung als Geschäftsführer am 18.02.2020 Einzelprokura mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen abgeschlossene Prokuristen-Anstellungsvertrag vom 01.10.2008 enthielt u.a. folgende Regelungen:

„§ 1 Vertragsdauer, Kündigung

  1. Der Anstellungsvertrag gilt ab 1.10.2008.
  2. Er kann jederzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos gekündigt werden.
  3. Jede Partei kann ihn jeweils zum Schluss eines Geschäftsvierteljahres mit einer Frist von sechs Monaten kündigen. Diese Frist entfällt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes.
  4. Wichtiger Grund ist auch das Ausscheiden des Prokuristen als Gesellschafter der GmbH bzw. seine Abberufung als Prokurist. …

§ 2 Aufgaben

  1. Der Prokurist ist allein geschäftsführungsberechtigt und allein vertretungsberechtigt. Ihm obliegt die gesamte Leitung der Gesellschaft. Er nimmt die Stelle des Arbeitgebers im Sinne des Arbeit- und Sozialrechtes ein. Er bestimmt die gesamte innerbetriebliche Organisation.
  2. Der Prokurist wird sein Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns führen und die ihm durch Gesetz und Vertrag übertragenen Obliegenheiten genau erfüllen. Die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ist ausgeschlossen.
  3. An eine feste Arbeitszeit ist der Prokurist nicht gebunden. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt mindestens 40 Stunden.
  4. Im Innenverhältnis zur Gesellschaft ist der Prokurist an den Gesellschaftsvertrag sowie die Geschäftsordnung gebunden und hat den Weisungen der Gesellschafter Folge zu leisten.

 

§ 3 Urlaub/Überstunden

  1. Der Prokurist erhält jährlich einen Urlaub von 40 Arbeitstagen. …

§ 4 Vergütung

  1. Der Prokurist erhält für seine Tätigkeit
    • ein festes Gehalt von monatlich 11.500,00 € brutto, dass jeweils zum Monatsende zu bezahlen ist.
    • Weihnachtsgeld …
    • Urlaubsgeld …
  2. Die Altersversorgung des Prokuristen wird durch eine Pensionszusage, Direktversicherung oder durch Anschluss an Unterstützungskasse, Pensionsfond oder Pensionskasse o.ä. abgesichert. …

§ 4a Erfolgsvergütung

Neben den laufenden Bezügen erhält der Prokurist eine Erfolgsbeteiligung, die nach dem Gewinn bemessen wird und vier Wochen nach Feststellung des Jahresabschlusses fällig wird. …

§ 5 Sonstige Leistungen

  1. Bei Geschäftsreisen hat der Prokurist Anspruch auf Ersatz seiner entstandenen Spesen. …

3. Soweit keine Sozialversicherungspflicht besteht, hat der Prokurist auf eigene Kosten selber Vorsorge für den Krankheitsfall zu treffen.

4. Wenn Sozialversicherungspflicht aus diesem Vertrag gegeben ist, übernimmt die Gesellschaft die Arbeitgeber-Anteile zur Sozialversicherung. …

§ 6 Befreiung von § 181 BGB

      Der Prokurist ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

§ 7 Geschäfte, die der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen

  1. Der Prokurist hat seine ganze Arbeitskraft sowie alle Erfahrungen und Kenntnisse unter Berücksichtigung des § 8a dem Dienst in der Gesellschaft zu widmen.

§ 8 Nebentätigkeit/Wettbewerbsverbot

  1. Der Prokurist hat der Gesellschaft jederzeit zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen, wenn und soweit das Wohl der Gesellschaft dies erfordert. …

§ 10 Krankheit

      Im Falle der Erkrankung oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung des
      Prokuristen wird das Gehalt gemäß § 4 für die Dauer von zwölf Monaten fortgezahlt.
      …“

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Prokuristen-Anstellungsvertrages vom 01.10.2008 wird auf Bl. 122-126 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag von U....  vom 01.10.2008 enthielt die identischen Regelungen (Bl. 152-156 der Verwaltungsakte).


Am 17.09.2014 führte die Beklagte durch Frau R....  eine Betriebsprüfung durch. Der Beigeladene und die Klägerin sollten unter dem Geschäftszeichen einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafters/Geschäftsführers einer GmbH ausfüllen. Unter dem 26.09.2014 faxte der Steuerberater Q....  an die Betriebsprüferin: „….die noch fehlenden Unterlagen sind bei der LS GmbH bereits angefordert. Die zuständige Sachbearbeiterin ist allerdings noch bis zum 13.10.2014 in Urlaub. Sollte sich in der Zwischenzeit etwas ergeben, werden Sie von unserem Büro hören….“ (Bl. 41 der Verwaltungsakte).

 

Unter dem 17.11.2014 mailte U....  als Geschäftsführer der Klägerin der Betriebsprüferin unter dem Betreff „Ihr Zeichen “: „…bedingt durch die falschen Fragebogen, die uns zunächst vorlagen, und Krankheit verzögert sich die Beantwortung Ihrer Fragebogen. Wir hoffen auf Ihr Verständnis und werden Ihnen diese in den nächsten Tagen zukommen lassen…“ (Bl. 25 der Verwaltungsakte).

 

Mit Bescheid vom 21.11.2014 teilte die Beklagte der Klägerin unter dem Aktenzeichen und der Überschrift „Bescheid - Betriebsnummer: 05581054 - Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV, durchgeführt am 17.09.2014 von Frau R.... “ u.a. mit: „ … die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung beträgt insgesamt 336,47 €. … Die stichprobenweise durchgeführte Prüfung hat folgende Feststellungen ergeben: … Hinsichtlich der Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status des als Prokurist beschäftigten Herrn D.... erhalten Sie gesondert Nachricht. ….“ Wegen der weiteren Einzelheiten des Bescheids vom 21.11.2014 wird auf Bl. 157-159 der Gerichtsakte Bezug genommen.

 

Mit Schriftsätzen vom 09.01.2015 und 27.04.2015 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den am 07.01.2015 ausgefüllten Feststellungsbogen nebst Gesellschafts- (Gründungs-)vertrag vom 19.12.2000, Kaufvertrag vom 28.01.2002, Gesellschafterbeschluss zur Prokuraerteilung vom 23.09.2008, Anstellungsverträge des Beigeladenen und U...., Aufstellung der Bürgschaften des Beigeladenen und Auszüge aus dessen Lohnkonten 2010 und 2011.

 

Nach Anhörung der Klägerin vom 20.04.2015 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 25.06.2015 unter dem Aktenzeichen und der Überschrift „Bescheid - Betriebsnummer: 05581054 - Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV, durchgeführt am 17.09.2014 von Frau R....  – Sozialversicherungsrechtliche Feststellung nach § 7 SGB IV“ fest: Bei dem Beigeladenen habe als Fuhrparkleiter und seit dem 02.10.2008 als Prokurist ein abhängiges und dem Grunde nach sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden. Die für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 ergebenden Nachforderungen zur Sozialversicherung betrügen insgesamt 56.870,04 € (Beiträge zur Rentenversicherung, Arbeitsförderung und Umlagen). Mit einer Kapitalbeteiligung von 50 % hätten mitarbeitende Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion - im Gegensatz zu Gesellschafter-Geschäftsführern - keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Nur mitarbeitende Mehrheitsgesellschafter seien in der Lage, Einzelanweisungen der Geschäftsführung im Bedarfsfall jederzeit zu verhindern. Der Beigeladene verfüge nicht über die erforderliche Rechtsmacht, maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft auszuüben und seine Tätigkeit im Wesentlichen frei von Weisungen der Geschäftsführung zu gestalten. Anders als in dem Anstellungsvertrag unter § 2 Ziff. 1 ausgeführt, sei er, da er nicht als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen sei, nicht geschäftsführungsberechtigt (§ 35 GmbHG). Zwar habe der Beigeladene eigenes Kapital in den Dienst der GmbH gestellt und sei durch die vereinbarte Tantieme indirekt am Erfolg der Gesellschaft beteiligt (beides Indizien für eine selbstständige Tätigkeit). Jedoch garantiere ihm im Gegenzug sein Prokuristen-Anstellungsvertrag u.a. monatlich festgezahlte Bezüge, Urlaubs- und Weihnachtsgeld (§ 4) sowie eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von zwölf Monaten (§ 10), was wiederum für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche. Über eine konkrete Verlustbeteiligung bei Misserfolgen sei nichts vereinbart worden. Durch die Gestaltung identischer Anstellungsverträge mit lediglich unterschiedlichen Tätigkeitsbezeichnungen habe zwar der Eindruck erweckt werden sollen, dass der Beigeladene und der Geschäftsführer gleichberechtigte Partner seien. Beide Tätigkeiten unterlägen aber anderen gesetzlichen Vorgaben. Auch wenn dem Beigeladenen mit Erteilung der Einzelprokura umfangreiche Rechte zugebilligt worden seien, unterliege er letztlich als Angestellter der GmbH den Weisungen des Geschäftsführers. Eine bloße Schönwetter-Selbstständigkeit, die nur solange gelte, wie keine Konflikte aufträten, gebe es nicht. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Die Feststellungen beruhten auf den Ergebnissen der durchgeführten Betriebsprüfung. In der Anlage des Bescheides erfolgte die Berechnung der Beiträge nach § 28p Abs. 1 SGB IV.

 

In ihrem Widerspruch vom 22.07.2015 verwies die Klägerin auf die Gleichberechtigung von Geschäftsführer und Beigeladenem. Nach dem Prokuristen-Anstellungsvertrag sei die Dienstaufsicht über den Beigeladenen der Gesellschafterversammlung übertragen und dem Geschäftsführer damit entzogen worden. Dem Beigeladenen als 50%igem Mitgesellschafter könnten keine Weisungen erteilt werden. Als solcher trage er das Gewinn- und Verlustrisiko der Klägerin mit. Er hafte darüber hinaus durch Darlehen und selbstschuldnerische Bürgschaften noch persönlich für die Verbindlichkeiten der Klägerin und habe dadurch ein erhebliches wirtschaftliches Verlustrisiko zugunsten der Klägerin übernommen, welches über dasjenige eines Arbeitnehmers weit hinaus gehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Da der Beigeladene nur mit 50 % am Stammkapital der Klägerin beteiligt sei, könne er Weisungen des Geschäftsführers nicht verhindern. Ein Prokurist habe nicht dieselbe Stellung wie ein Geschäftsführer einer GmbH. Dem Prokuristen seien bestimmte Rechtshandlungen wie höchstpersönliche Geschäfte, das Stellen eines Insolvenzantrages, Veräußerung und Belastung von Grundstücken nicht möglich. Insoweit unterliege der Beigeladene bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Prokurist einem Weisungsrecht des Geschäftsführers bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit. Mangels Berufung zum Geschäftsführer könne der Beigeladene den Geschäftsbetrieb nicht maßgeblich mitbestimmen. Er könne insoweit allenfalls im passiven Sinn ihm nicht genehme Beschlüsse abwenden, nicht aber -mangels vorhandener geschäftsführender Gestaltungsmacht- die Gesellschaft aktiv maßgeblich beeinflussen. Der Anstellungsvertrag enthalte arbeitsvertraglich typische Regelungen. Die Übernahme eines arbeitnehmeruntypischen Risikos der Inanspruchnahme aus einer freiwillig eingegangenen selbstschuldnerischen Bürgschaft rechtfertige für sich allein betrachtet grundsätzlich nicht das Vorliegen eines Unternehmerrisikos (mit Verweis auf BSG, Beschluss vom 21.01.2009 - B 12 KR 15/07 B -).

 

Am 29.02.2016 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Leipzig erhoben und ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt.

 

Mit Urteil vom 22.05.2017 (der Beklagten zugestellt am 13.07.2017) hat das SG der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten vom 25.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2016 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Die Tätigkeit des Beigeladenen als Prokurist sei keine abhängige und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Vielmehr sei der Beigeladene wie ein Unternehmer mit typischen Freiheiten und Risiken beschäftigt und dem Geschäftsführer der Klägerin gegenüber wegen seiner hälftigen Mitbeteiligung gleichberechtigt. Zwar enthalte der Prokuristen-Anstellungsvertrag arbeitnehmertypische Regelungen. Auch spreche die buchhalterische Behandlung der Lohnaufwendungen für eine abhängige Anstellung. Letzteres sei aber hauptsächlich durch steuerliche Motive bestimmt. Aufgrund seiner hälftigen Beteiligung am Stammkapital der Klägerin sei der Beigeladene rechtlich in der Lage, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Da der Prokuristen-Anstellungsvertrag nur durch die Gesellschafterversammlung geändert werden dürfe, sei dessen Änderung gegen den Willen des Beigeladenen ausgeschlossen. Der Beigeladene bestimme den Geschäftsbetrieb der Klägerin auch tatsächlich maßgeblich mit und treffe dabei fortwährend unabhängige weisungsfreie Entscheidungen. Der Geschäftsführer sei für die Buchhaltung und Repräsentation der Klägerin nach außen zuständig, während der Beigeladene das Tagesgeschäft einschließlich Anschaffungen von Betriebsmitteln und Einstellung von Personal verantworte. Die beiden arbeiteten arbeitsteilig zusammen. Der Beigeladene trage durch seine hälftige Beteiligung am Stammkapital auch ein erhebliches, für eine fremdbestimmte Beschäftigung untypisches unternehmerisches Risiko. Verstärkt werde diese Koppelung des wirtschaftlichen Erfolgs und Misserfolgs der Klägerin mit dem des Beigeladenen auch durch die von diesem übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaften zugunsten der Klägerin, deren Rahmen mehrere Jahresbezüge aus seiner Prokuristentätigkeit überschreite. Der Beigeladene habe sich hierdurch wirtschaftlich derart eng an die Geschäftsentwicklung der Klägerin gebunden, dass seine wirtschaftliche Lage insgesamt und unmittelbar von der Situation der Klägerin abhänge.

 

Am 24.07.2017 hat die Beklagte Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der Prokurist sei als leitender Angestellter mit besonderen Handlungsvollmachten abhängig beschäftigt. Er besitze keine Geschäftsführungsbefugnis, sondern sei dem Geschäftsführer der Klägerin weisungsunterworfen und könne Entscheidungen gegen den Willen der Geschäftsführung nicht durchsetzen. Der Prokuristen-Anstellungsvertrag vom 01.10.2008 enthalte arbeitnehmertypische Regelungen hinsichtlich der Mindestarbeitszeit von 40 Wochenstunden (§ 2 Abs. 3), einer monatlich fixen erfolgsunabhängigen Vergütung zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld (§ 4), eines Urlaubsanspruchs (§ 3 Ziff. 1), eines Anspruchs auf Gehaltsfortzahlung bei Krankheit (§ 10) und auf Aufwendungsersatz (§ 5 Ziff. 1) sowie hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeiten (§ 1 Ziff. 2-4). Auch dies spreche für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. § 28p SGB IV sei Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid. Nach dem Wortlaut und Inhalt des Bescheides vom 21.11.2014 habe die Klägerin dessen Regelungsgehalt ausgehend von dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont nur so verstehen können und müssen, dass die Betriebsprüfung mit Bekanntgabe des Bescheides noch nicht beendet worden sei und noch ein weiterer Bescheid oder eine weitere Mitteilung hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen erfolgen werde. Vor diesem Hintergrund sei es auch unschädlich, dass der Bescheid vom 21.11.2014 nicht als Teilbescheid bezeichnet worden sei. Dies würde implizieren, dass ein zweiter Verwaltungsakt zwingend sei. Wäre die im Rahmen der Betriebsführung durchgeführte sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen jedoch ohne Feststellungen geblieben, dann hätte die Beklagte der Klägerin nur eine Prüfmitteilung ohne Regelungscharakter zukommen lassen. Begrenzt werde eine weitere Betriebsprüfung für denselben Zeitraum lediglich durch den Eintritt der Verjährung gemäß § 25 SGB IV und die Reichweite der Bestandskraft und Bindungswirkung eines früheren Betriebsprüfungsbescheides (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2015 – B 12 R 7/14 R).

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Mai 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Beigeladene sei selbstständig tätig. Nach dessen Anstellungsvertrag stehe dem Geschäftsführer kein Weisungsrecht zu. Dieses übe nur die Gesellschafterversammlung aus. Der Beklagte habe keinen Anspruch auf die Statusfeststellung des Beigeladenen aus § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, da sie die Betriebsprüfung mit Bescheid vom 21.11.2014 abgeschlossen und ein davon getrennt geführtes Statusfeststellungsverfahren eingeleitet habe. Denn der Bescheid vom 21.11.2014 sei weder in seiner Bezeichnung (Bescheid, nicht Teilbescheid) noch in seinem Tenor („die Beitragsforderung beträgt insgesamt…“) eine unvollständige Entscheidung gewesen, die nur einen Teil der Betriebsprüfung abgeschlossen habe. Nur der Tenor des Bescheids sei bestimmend und erwachse in Bestandskraft. Die Beklagte habe ausdrücklich mitgeteilt, dass die versicherungsrechtliche Beurteilung in einem gesonderten Verfahren erfolgen werde, und explizit auf eine gesonderte Nachricht verwiesen. Die Statusprüfung sei ohne Hinweis auf die bereits getroffene Betriebsprüfungsentscheidung erfolgt. Da der Bescheid vom 21.11.2014 bestandskräftig geworden sei, habe eine Korrektur nur über §§ 44 ff. SGB X erfolgen können, was die Beklagte unterlassen habe. Eine erneute Betriebsprüfung erfordere gemäß § 7 Abs. 1 BVV eine erneute Ankündigung, welche hier nicht erfolgt sei.

 

Das LSG hat die Handelsregisterbände des Amtsgerichts W....  und den Sonderband des Amtsgerichts Y…. HRB 17646 zur Einsichtnahme beigezogen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats, die beigezogenen Akten des SG, die Verwaltungsakte der Beklagten und die beigezogenen Handelsregisterbände Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben und die Selbstständigkeit des zu 1 beigeladenen Prokuristen festgestellt. Der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1, 2 SGG).

 

Rechtsgrundlage für die Feststellung der Versicherungspflicht und der Beitragsforderung ist § 28p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV (in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.07.2014). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Sie erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (Satz 5). § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) stellt die Umlagen zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gleich (BSG Urteil vom 10. Dezember 2019 - B 12 R 9/18 R - BSGE 129, 247 = SozR 4-2500 § 223 Nr. 3, juris, Rn. 12). Ausgehend von den zu § 7 SGB IV geltenden Maßstäben war der Beigeladene als Prokurist der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum abhängig beschäftigt und unterlag aufgrund Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Er war als Gesellschafter mit einem Anteil von 50% am Stammkapital und Prokurist nicht in der Lage, seine Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen. Aufgrund dieser hatte er im streitgegenständlichen Zeitraum keine Rechtsmacht, gegen ihn gerichtete Weisungen des Geschäftsführers verhindern zu können. Der Nachforderung steht nicht der Bescheid vom 21.11.2014 entgegen. Die Beklagte hat zu Recht die geforderten Beiträge festgesetzt.

 

Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Der Beigeladene war in seiner Tätigkeit als Prokurist bei der Klägerin abhängig beschäftigt.

 

Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSG, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 R 8/19 R –, juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 - B 12 R 15/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 54)

 

Diese Abgrenzungsmaßstäbe gelten grundsätzlich sowohl für die Geschäftsführer einer GmbH (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 - B 12 R 18/18 R - juris Rn. 14 f; BSG, Urteil vom 08. Juli 2020 - B 12 R 2/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 52, juris Rn. 13 f) als auch für in einer GmbH angestellte Gesellschafter (BSG, Urteil vom 12. Mai 2020 - B 12 KR 30/19 R - BSGE 130, 123 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 47, juris Rn. 30 ff mwN). Allerdings ist ein GmbH-Gesellschafter, der in der Gesellschaft angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, regelmäßig abhängig beschäftigt. Er besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben. Das Weisungsrecht gegenüber den Angestellten der GmbH obliegt - sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist - nicht der Gesellschafterversammlung, sondern ist Teil der laufenden gewöhnlichen Geschäftsführung. Erst wenn Gesellschafter kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Position letztlich auch die Leitungsmacht gegenüber der Geschäftsführung haben, unterliegen sie nicht mehr deren Weisungsrecht (stRspr; BSG, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 R 8/19 R –, juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 12. Mai 2020 - B 12 KR 30/19 R - BSGE 130, 123 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 47, juris Rn. 32 mwN).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffe-nen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustel-len haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschlie-ßen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umstän-den als Scheingeschäft im Sinne des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtig-keit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hier-durch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffe-nen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuord-nung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 18. No-vember 2015 – B 12 KR 16/13 R –, BSGE 120, 99-113, SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, juris Rn. 17 mwN; BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn. 14).

 

Nach diesen Maßstäben war der Beigeladene im streitigen Zeitraum in Bezug auf seine Tätigkeit als Prokurist abhängig und sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

 

Zum einen ist der seiner Tätigkeit zugrundeliegende "Prokuristen-Anstellungsvertrag" (im Folgenden: P-AV) durch typische Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses geprägt. Vereinbart war eine "wöchentliche Arbeitszeit von mindestens 40 Stunden“ (§ 2 Ziff. 3 P-AV), ein festes Monatsgehalt von 11.500 € brutto, Weihnachts- und Urlaubsgeld (§ 4 Ziff. 1 P-AV), ein Jahresurlaub von 40 Arbeitstagen (§ 3 Ziff. 1 P-AV), Lohnfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall (§§ 3, 10 P-AV) und Absicherung der Altersversorgung (§ 4 Ziff. 2 P-AV). Darüber hinaus waren dem Beigeladenen Spesen (Reisekosten; Verpflegungsmehraufwendungen) zu erstatten (§ 5 Ziff. 1 P-AV). Das Gehalt des Beigeladenen wurde als Betriebsausgabe der Klägerin verbucht und Lohnsteuer abgeführt. In Ausübung seiner Tätigkeit war er in die betriebliche Organisation der Klägerin eingegliedert.

 

Zum anderen hat ein GmbH-Gesellschafter, der - wie der Beigeladene - von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder auch nur abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag sind die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (BSG, Urteil vom 11. November 2015, B 12 R 2/14, a.a.O., Rn. 37; Urteil vom 19. August 2015, B 12 KR 9/14 R, juris Rn. 28; jeweils m.w.N.; BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 34/00 R – juris Rn. 15). Allein der Geschäftsführer führt die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der Gesellschaft gehörte. Trotz seiner hälftigen Beteiligung am Stammkapital blieb die Position des Beigeladenen innerhalb des Unternehmens deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung des bis zum 28.11.2016 allein bestellten Geschäftsführers U....  zurück. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin sieht weder eine Einschränkung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführung (vgl. §§ 35, 37 GmbHG) noch ihres Weisungsrechts gegenüber Angestellten der Gesellschaft vor. Insbesondere ist nach dem Gesellschaftsvertrag der Gesellschafterversammlung nicht das Weisungsrecht gegenüber dem Beigeladenen im Allgemeinen oder für bestimmte Einzelfälle vorbehalten (§ 45 Abs. 2, § 46 GmbHG) (BSG, Urteil vom 12. Mai 2020 - B 12 KR 30/19 R - BSGE 130, 123 = SozR 4-2400 § 7 Nr 47, Rn. 33 mwN). Der Beigeladene war damit weder in der Lage, diese Zuständigkeitsverteilung zu ändern, noch konnte er im Einzelfall eine Weisung des Geschäftsführers an sich verhindern. Wegen der für einen Beschluss der Gesellschafterversammlung notwendigen Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter (§ 47 Abs. 1 GmbHG) konnte er keinen eine Weisung abwendenden Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeiführen. Bei gegensätzlicher Stimmabgabe führte sein Stimmrecht zur Stimmengleichheit und damit zu einer Patt-Situation. Allein die bloße Möglichkeit, einen Gesellschafterbeschluss zu verhindern, schließt die Dienstaufsicht der Geschäftsführung über die Angestellten nicht aus (BSG, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 R 8/19 R –, Rn. 14, juris). Somit war der Beigeladene rechtlich an die Weisungen des bis zum 28.11.2016 allein bestellten Geschäftsführers U....  gebunden und nicht in die Lage, Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall zu verhindern. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, BSGE 111, 257-268, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, juris Rn. 24 ff.)

 

Auch der Prokuristen-Anstellungsvertrag vom 01.10.2008 hat die rechtliche Weisungsgebundenheit des Beigeladenen nicht entfallen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind Regelungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags nicht geeignet, die gesellschaftsrechtlich verankerte Rechtsmacht in sozialversicherungsrechtlich relevanter Art zu verändern. Das gilt für Stimmbindungsvereinbarungen (BSG, Urteil vom 7. August 2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49 Rn. 22) ebenso wie für im Geschäftsführervertrag vereinbarte Vetorechte (BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 28 Rn. 26), (notarielle) Treuhandvereinbarungen (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2019 - B 12 KR 9/18 R - BSGE 129, 254 = SozR 4-2500 § 7 Nr. 46, Rn. 17 ff; BSG, Urteile vom 12. Mai 2020 - B 12 KR 30/19 R - BSGE 130, 123 = SozR 4-2400 § 7 Nr 47, Rn. 18 ff, - B 12 R 5/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 50 Rn. 16 ff und - B 12 R 11/19 R - juris Rn. 17 ff), die Ausübung von Beteiligungsrechten in Tochtergesellschaften (BSG, Urteile vom 08. Juli 2020 - B 12 R 26/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 51 Rn. 16, - B 12 R 4/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 53 Rn. 19, - B 12 R 1/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 48 Rn. 23, - B 12 R 2/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 52 Rn. 20 und - B 12 R 6/19 R - juris Rn. 16) und Gesellschafterbeschlüsse herrschender Unternehmen (BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 - B 12 R 18/18 R - juris Rn. 21 ff). Im vorliegenden Fall enthält der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Bestimmungen. Ein umfassendes Zustimmungserfordernis der Gesellschafterversammlung für jegliche Weisungen der Geschäftsführung an den beigeladenen Gesellschafter fehlt sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch in § 46 GmbHG. Nur dadurch könnte aber der Beigeladene Weisungen der Geschäftsführung an sich kraft seiner Gesellschafterstellung verhindern (BSG, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 R 8/19 R – juris, Rn. 17). Außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffene Regelungen - hier der Prokuristen-Anstellungsvertrag vom 01.10.2008 - vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag und GmbHG ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben (zuletzt: BSG, Urteil vom 14. März 2018, B 12 KR 13/17 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 35 m.w.N.).

 

Die dem Beigeladenen erteilte, notariell beglaubigte Prokura änderte die Rechtsmachtverhältnisse nicht. Durch die Erteilung der Prokura ist der Beigeladene zum rechtsgeschäftlichen Vertreter der GmbH bestellt worden (§§ 48 ff. HGB). Der Umfang einer wirksam erteilten Prokura umfasst alle Arten gerichtlicher und außergerichtlicher Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 Abs. 1 HGB), mit Ausnahme der Veräußerung und der Belastung von Grundstücken (§ 49 Abs. 2 HGB). Der Prokurist bleibt als rechtsgeschäftlicher Vertreter von vornherein in den gegenständlichen Rahmen des § 49 HGB eingebunden (vgl. Altmeppen, 10. Aufl. 2021, GmbHG, § 35 Rn. 74). Die Prokura ist eine Vertretungsmacht für Verkehrsgeschäfte im Außenverhältnis, umfasst aber nicht das Organisationsrecht des Unternehmens (Wagner/Wöstmann in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 49 HGB, Rn. 5), insbesondere räumte sie dem Beigeladenen keine besondere Stellung im Hinblick auf das Weisungsrecht der Geschäftsführung ein (BSG, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 R 8/19 R –, Rn. 18, juris; BGH, Urteil vom 18. Oktober 1976 – II ZR 9/75 –, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 01. Februar 1999 – II ZR 276/97 –, Rn. 10 - 13, juris; Altmeppen, 10. Aufl. 2021, GmbHG § 35 Rn. 71). Vielmehr unterlag der Beigeladene im Innenverhältnis den Weisungen des Geschäftsführers (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11-). Dem Prokuristen darf insbesondere keine Vetoposition zukommen (vgl. Altmeppen, 10. Aufl. 2021, GmbHG § 35 Rn. 71; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 35 GmbHG, Rn. 39; OLG München, Beschluss vom 25. Juli 2017 - 31 Wx 194/17-, juris Rn. 9; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Dezember 2010 – 2 W 150/10 –, juris Rn.17). Der Geschäftsführer hat zudem nicht nur die Vertretungsmacht, sondern auch die Befugnis im Innenverhältnis, ohne dass es dafür eines Gesellschafterbeschlusses nach § 46 Nr. 7 GmbHG bedarf, die dem Beigeladenen erteilte Prokura jederzeit ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrundeliegende Rechtsgeschäft (hier: Prokuristen-Anstellungsvertrag) gegen dessen Willen zu widerrufen (§ 52 Abs. 1 HGB) (Wagner/Wöstmann in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 52 HGB, Rn. 3). Denn - mangels Regelung in der Satzung - ist nur die Bestellung des Prokuristen, nicht aber den Widerruf der Prokura unter den Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafter gestellt (§ 46 Nr. 7 GmbHG) (Altmeppen, 10. Aufl. 2021, GmbHG § 46 Rn. 73, Wagner/Wöstmann in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 52 HGB, Rn. 11). Damit war dem Beigeladenen keine derart weitgehende Rechtsmacht eingeräumt, die es ihm erlaubt hätte, jegliche Weisungen durch den Geschäftsführer zu verhindern (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Dezember 2019 –B 12 KR 34/19 B – juris, Rn 8; BSG, Urteile vom 29.06.2016 –– B 12 R 5/14 R – juris Rn. 39, und vom 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R – juris Rn. 22).

 

Die selbstschuldnerischen Bürgschaften begründen kein - über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinausgehendes - "typisches Unternehmerrisiko" des Beigeladenen und sind nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten und eines etwaigen Unternehmerrisikos als Indiz für eine Selbstständigkeit zu werten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris Rn. 26 ff.). Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (vgl. zu einem – im Ergebnis nicht ausreichenden – der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG, Urteil vom 08. August 1990 – 11 RAr 77/89 – juris Rn. 32). Jedoch begründeten diese Bürgschaften kein mit der Tätigkeit des Beigeladenen - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaften für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich waren. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw. des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, BSGE 111, 257-268, SozR 4-2400 § 7 Nr.17, Rn. 29; z. B. im Unterschied dazu: Bürgschaftsanordnung und Haftungsübernahme eines Bezirksstellenleiters des Süd-Lottos: BSG, Urteil vom 01. Dezember 1977 – 12/3/12 RK 39/74 –, BSGE 45, 199-206, SozR 2200 § 1227 Nr. 8, Rn. 24).

 

Ebenso genügt die Gewährung einer Tantieme als solche nicht, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R –, BSGE 111, 257-268, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rn. 28; BSG, Urteil vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 R – beide juris). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl. BSG, Urteil vom 08. August 1990 – 11 RAr 77/89 – juris Rn. 33 m.w.N.). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme auch an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 02. Juni 1982 – 12 RK 4/82 – und vom 28. April 1982 – 12 RK 12/80 –, beide juris), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbständigen Dienstverhältnis gering. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Klägerin, einer GmbH, aus.


Das für die Selbstständigkeit angeführte Argument, der geschäftliche (Miss-)Erfolg der Klägerin wirke sich unmittelbar auf den Beigeladenen aus, weil ihm das Unternehmen zur Hälfte gehöre, ist im Rahmen der Gesamtabwägung kein ausschlaggebendes Indiz. Denn die Haftung des GmbH-Gesellschafters beschränkt sich grundsätzlich auf die Einlage (§ 13 Abs. 1 GmbHG) (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 13 GmbHG, Rn. 5). Eine Nachschusspflicht gemäß § 26ff GmbHG ist im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen, sodass ein geschäftlicher Misserfolg der Klägerin daher in der Regel nur zum Ausbleiben von Gewinnausschüttungen führt. Daraus lässt sich kein Unternehmerrisiko für den Beigeladenen begründen. Denn der Kläger setzt seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr ein, hierfür keine Gegenleistung zu erhalten. Vielmehr sichert ihm der Anstellungsvertrag als Gegenleistung für seine Tätigkeit unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Klägerin ein Anspruch auf ein festes Monatsgehalt zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen. Die finanziellen Risiken und Chancen durch seine hälftige Beteiligung an der Klägerin wirken sich somit nicht anders aus als die Beteiligung an einer beliebigen anderen GmbH.

 

Der streitgegenständlichen Beitragsnachforderung steht auch nicht die aus der Bestandskraft abgeleitete Bindungswirkung des Betriebsprüfungsbescheids vom 21.11.2014 (§ 77 SGG) entgegen. Der Bescheid vom 21.11.2014 entfaltet für den vorliegenden Rechtsstreit keine solche Bindungswirkung. Der in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.01.2016 geregelte Sachverhalt ist vom Regelungsgehalt des Bescheids vom 21.11.2014 nicht erfasst. Daher bedurfte es nicht dessen Aufhebung gemäß §§ 44 ff SGB X vor Erlass des angefochtenen Bescheides (vgl. dazu Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 45 SGB X, Stand: 03.01.2022, Rn. 33). Mit dem Bescheid vom 21.11.2014 wurden die personenbezogenen Beiträge für gezahlte Mehrarbeitsvergütungen und Zuschüsse für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zweier anderer Arbeitnehmer (P....  und O.... ) nachgefordert. Auf die nur stichprobenweise durchgeführte Prüfung iSv § 11 Abs. 1 BVV und die noch nicht abgeschlossene Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen wurde ausdrücklich hingewiesen.

 

Die Betriebsprüfung als solche ist nur eine Stichprobenprüfung und schließt deshalb andere Entscheidungen betreffend nicht von der Stichprobe erfasste Beschäftigte nicht aus (vgl. Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 45 SGB X, Stand: 03.01.2022, Rn. 34). § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV beinhaltet das Recht und die Pflicht, die Betriebsprüfung durch einen Verwaltungsakt zu beenden, der den Bestimmtheitsanforderungen genügt und Gegenstand sowie Ergebnis der Prüfung angibt (BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R –, BSGE 129, 95-106, SozR 4-2400 § 7 Nr 43, Rn. 33, juris). Die betriebsprüfenden Rentenversicherungsträger sind bei der Definition des Gegenstands einer Betriebsprüfung grundsätzlich frei (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 BVV). Die Betriebsprüfung kann sich auch auf GmbH-Gesellschafter als Prokuristen erstrecken, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt ist (zwingend auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH-Gesellschafter: vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R –, BSGE 129, 95-106, SozR 4-2400 § 7 Nr 43, juris Rn. 35). Andernfalls bliebe die Schutzwirkung einer Betriebsprüfung hinter der eines (obligatorischen) Statusfeststellungsverfahrens zurück, was der grundsätzlichen Gleichwertigkeit dieser Verfahren nicht angemessen wäre (§ 7a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB IV; dazu BSG, Urteil vom 4. September 2018 - B 12 KR 11/17 R - BSGE 126, 235 = SozR 4-2400 § 7a Nr. 10, Rn. 12 f mwN; BSG, Urteil vom 16. Juli 2019 - B 12 KR 6/18 R, beide juris) .

 

Die Betriebsprüfung ist aber erst dann abgeschlossen, wenn dem Rentenversicherungsträger alle notwendigen Unterlagen und Dokumente, die er für die Prüfung angefordert hat, vorliegen und er die Informationen hat, die ihn in die Lage versetzen, eine Prüfmitteilung oder Bescheid zu erlassen. Das bedeutet, dass der Abschluss der Prüfung nicht gleichgesetzt werden kann mit Beendigung der Prüfung vor Ort beim Arbeitgeber oder Abrechnungsstellen nach § 28p Abs. 6 SGB IV (Scheer in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 28p SGB IV, Stand: 02.05.2022, Rn. 226 mwN). Wird im Rahmen einer Betriebsprüfung eine versicherungsrechtliche Beurteilung eines Mitarbeiters vorgenommen - wie das vorliegend der Fall war -, kann dies dazu führen, dass eine Trennung von der übrigen Prüfung stattfindet. In diesen Fällen können zwei Bescheide ergehen, einer zu den übrigen Feststellungen (hier: Bescheid vom 21.11.2014) und einer zu der versicherungsrechtlichen Beurteilung (hier: Bescheid vom 25.06.2015). Werden diese nicht zeitgleich an den Arbeitgeber versandt, muss in dem ersten Bescheid zum Ausdruck gebracht werden, dass die Prüfung noch nicht abgeschlossen ist und nur eine Teilregelung erfolgt, weil z.B. weitere Ermittlungen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung notwendig sind und eine Entscheidung darüber in einem gesonderten Bescheid vorgenommen wird (vgl. Scheer in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 28p SGB IV, Stand: 02.05.2022, Rn. 226 mwN). Dies ist hier erfolgt. Für die Auslegung eines Verwaltungsaktes kommt es über den bloßen Wortlaut hinaus auf den objektiven Sinngehalt des Verwaltungsakts an, also darauf, wie der Empfänger dessen Inhalt (Verfügungssatz und Begründung) bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen konnte und musste. Die Auslegung geht aus vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der alle Begleitumstände und Zusammenhänge (Vorgeschichte, Anträge, Begleitschreiben, Situation des Adressaten, genannte Rechtsnormen, auch Interesse der Behörde) berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. Zur Auslegung von Verwaltungsakten kann auf den gesamten Inhalt des Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R –, SozR 4-1300 § 45 Nr. 19, juris Rn. 16 – 27 mwN). Zwar hat die Beklagte den Bescheid vom 21.11.2014 nicht ausdrücklich mit der Überschrift „Teilbescheid“ oder „Teilregelung“ versehen. Jedoch hat sich für die Klägerin als objektive Empfängerin aus dem Inhalt der Begründung des Bescheides, den weiteren ihr übersandten Unterlagen (Feststellungsbogen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafters einer GmbH und dazu angeforderte Anlagen, Hinweise zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung), dem durchgehend verwandten Verfahrensaktenzeichen, derselben Überschrift „Bescheid - Betriebsnummer: 05581054 - Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV, durchgeführt am 17.09.2014 von Frau R.... “ und den bekannten Umständen unzweideutig ergeben, dass es sich um ein und denselben Betriebsprüfungsvorgang gehandelt hat, der sich nicht auf Nachforderungen in Bezug auf die beiden Arbeitnehmer beschränkt hat und mit dem Erlass des Bescheides vom 21.10.2014 noch nicht abgeschlossen war, sondern damit nur eine Teilregelung erfolgt ist. Weitere Ermittlungen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung des Prokuristen (Beigeladenen) waren notwendig, worüber die Beklagte in dem Bescheid vom 21.11.2014 auch eine gesonderte Entscheidung ankündigte. Schließlich weisen auch die Begleitumstände darauf hin, dass sich die Klägerin über das noch laufende, keineswegs abgeschlossene Betriebsprüfungsverfahren durchaus bewusst war. So hat der Steuerberater der Klägerin am 17.09.2014 und der Geschäftsführer der Klägerin am 17.11.2014 die Verzögerung der Mitwirkung in Bezug auf das Ausfüllen des Feststellungsbogens zur statusrechtlichen Beurteilung des Beigeladenen entschuldigt und die alsbaldige Erledigung angekündigt.

 

Auch die Beitragsfestsetzung ist nicht zu beanstanden. Arbeitgeber haben für versicherungspflichtig Beschäftigte den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen (§ 28d Satz 1 und 2, § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl I 3710). Der Beitragsbemessung liegt in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde (§ 162 Nr. 1 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754; § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V; § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378, und des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23.12.2014, BGBl I 2462; § 342 SGB III). Darüber hinaus haben die Arbeitgeber die Mittel zur Durchführung der U1- und U2-Verfahren durch gesonderte Umlagen aufzubringen, die sich nach dem Entgelt richten, nach dem die Beiträge zur GRV für die im Betrieb Beschäftigten bemessen werden (§ 1 Abs. 1 und 2 Satz 1 AAG). Dass die Beklagte die Beiträge und Umlagen fehlerhaft berechnet hätte, ist weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

 

II.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.

 

 

III.

 

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG), da sich die Entscheidung in die umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zur Statusbeurteilung einreiht und hier keine rechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären war.

 

 

IV.

 

Der Streitwert war nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 GKG in Höhe der streitigen Beitragsforderung festzusetzen.

 

 

 

 

 

 

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