L 7 AS 559/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 45 AS 440/20
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 559/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Einem Anspruch auf Auszahlung des Beitragszuschusses nach § 26 Abs 1 S 1 und Abs 3 S 1 SGB II unmittelbar an die Leistungsberechtigte steht § 26 Abs 5 S 1 SGB II entgegen. Die mit der Überweisung des Beitragszuschusses unmittelbar an das Krankenversicherungsunternehmen verbundene Offenlegung des Sozialleistungsbezugs ist zumindest dann von einem legitimen Gemeinwohlinteresse gedeckt, wenn das Ziel, durch den Beitragszuschuss einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz als Bestandteil des nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährenden Existenzminimums zu sichern, nur zu erreichen ist, wenn bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen das Risiko der Krankheit versicherte Leistungsberechtigte von ihrem Anspruch auf Wechsel in den Basistarif Gebrauch machen und gleichzeitig dem Versicherungsunternehmen gegenüber ihre Hilfebedürftigkeit nachweisen, um eine Beitragsverminderung nach § 152 Abs 4 HalbS 1 VAG zu erreichen.

 

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. August 2020 wird zurückgewiesen.

II. Die Klage auf Kostenerstattung iHv ... Euro zzgl 5 % Zinsen wird abgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist im Wesentlichen, ob die Klägerin und Berufungsklägerin (in der Folge: Klägerin) im Zeitraum 9.6.2018 bis 31.7.2019 gegen den Beklagten und Berufungsbeklagten (in der Folge: Beklagter) Anspruch auf die Zahlung eines Zuschusses zum Beitrag zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unmittelbar an sich selbst hat.

Die ... geborene Klägerin lebte im streitigen Zeitraum allein in einem (möblierten) Apartment zur Langzeitvermietung zu monatlichen Kosten iHv ... Euro für Juni 2018, ... Euro im Juli 2018 und ab August 2018 iHv ... Euro monatlich.

Nachdem die Klägerin ihre eigene Wohnung einige Jahre zuvor verkauft hatte, waren ihre Möbel, persönlichen Gegenstände sowie Unterlagen eingelagert. Hierdurch entstanden ihr monatliche Kosten iHv ... Euro.

Der Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 27.7.2018, dass die tatsächliche Bruttokaltmiete iHv ... Euro die aus seiner Sicht angemessenen Kosten iHv 657 Euro monatlich um ... Euro überschreite. Unangemessene Kosten könnten nur so lange als Bedarf anerkannt werden, wie es nicht möglich oder nicht zumutbar sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Kosten für die Unterkunft auf einen angemessenen Betrag zu senken. Die Klägerin werde gebeten, sich ab sofort intensiv und dauerhaft um die Senkung ihrer Unterkunftskosten zu bemühen. Entsprechende Nachweise seien ab August 2018 jeden Monat unaufgefordert einzureichen. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Klägerin erscheine es zumutbar, mindestens acht Nachweise monatlich zu erbringen. Weiter habe die Klägerin eine Sozialwohnung zu beantragen. Sofern berechtigte (zB gesundheitliche) Gründe vorlägen, durch die es der Klägerin nicht möglich bzw nicht zumutbar sei, eine Senkung der Unterkunftskosten innerhalb der nächsten sechs Monate herbeizuführen, möge die Klägerin dies bis 31.8.2018 schriftlich unter Vorlage entsprechender Nachweise mitteilen. Soweit die Klägerin den Aufforderungen des Beklagten nicht nachkomme, würden ab 1.2.2019 Leistungen für Unterkunft nur noch in Höhe der angemessenen Bruttokaltmiete von 657 Euro zzgl der Heiz- und Warmwasserkosten als Bedarf anerkannt.

Während der Klägerin im streitigen Zeitraum Einnahmen nicht zuflossen, verfügte sie ausweislich der Antragsunterlagen über Bargeld iHv ... Euro, Guthaben auf einem Girokonto ...sowie einem Kreditkartenkonto ... Die Klägerin besaß weiter einen Lebensversicherungsvertrag mit einem garantierten Rückkaufswert iHv ... Euro und einer Schlussüberschussbeteiligung aus der Hauptversicherung iHv jeweils ... Euro abzüglich einer Vorauszahlung iHv ... Euro, so dass das Versicherungsunternehmen zum 31.5.2018 als vorhandenen Wert eine Gesamtsumme iHv ... Euro bestätigte. Die Klägerin tätigte rückwirkend zum 1.6.2018 einen Teilrückkauf iHv ... Euro, der am 20.6.2018 zu einer entsprechenden Gutschrift auf ihrem Girokonto führte.

Die Klägerin ist bzw war im streitigen Zeitraum gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen unter anderem im Rahmen eines Versicherungsvertrages, der der Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 des VVG genügt, bzw gegen das Risiko Pflegebedürftigkeit bei einem privaten Versicherungsunternehmen in Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 23 SGB XI versichert. Hierdurch entstanden ihr im streitigen Zeitraum monatliche Kosten iHv ... Euro (Heilkostenvollversicherung zzgl Zusatzversicherung) bzw ... Euro (ab 1.1.2019: ... Euro). Hierzu gab die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Vorsprache beim Beklagten am 27.7.2018 an, mit einer direkten Überweisung des Beitragszuschusses an das Versicherungsunternehmen einverstanden zu sein, sobald ihr von dort die Bestätigung vorliegt, dass sie unabhängig von den Zahlungen des Beklagten in ihrem Tarif bleiben könne. Der Beklagte dürfe Zahlungen an das Versicherungsunternehmen erst vornehmen, wenn eine entsprechende schriftliche "Überweisungsfreigabe" durch die Klägerin erfolgt sei. Die Klägerin bestätigte den Erhalt des Merkblatts "Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen der Kranken- und Pflegeversicherung (§ 26 SGB II)" (vgl Bl 41 der Beklagtenakte) sowie dass sie über ihr Wechselrecht in den Basistarif informiert worden sei. Sie bestätigte außerdem darüber informiert worden zu sein, dass sie als privat kranken- und pflegeversicherte Person den Beitragsanteil, der über dem halbierten Beitrag im Basistarif liegt, selbst tragen müsse, wenn sie von der Möglichkeit eines Wechsels in den Basistarif keinen Gebrauch mache.

Auf den Antrag der Klägerin vom 28.6.2018 gewährte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig für die Zeit von Juni 2018 bis Januar 2019 und lehnte gleichzeitig den Antrag für die Zeit vom 1. bis 8.6.2018 wegen übersteigenden Vermögens ab. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Vermögensberechnung sei bei einer Bewilligung ab 1.6.2018 der 31.5.2018. Da die Daten über den halbierten Basistarif der privaten Krankenversicherung noch nicht vorlägen, würden die Leistungen zunächst nur vorläufig bewilligt. Auch stehe die Freigabe der Klägerin noch aus, dass die Krankenversicherungsbeiträge direkt, in der nach Vorlage bewilligten Höhe, an die Krankenkasse überwiesen werden dürften. Diese sei nach Auffassung der Klägerin abzuwarten, damit die Krankenversicherung die Klägerin nicht automatisch in den Basistarif einstufe. Bei den Kosten der Einlagerung der Möbel der Klägerin handele es sich weder um einen unabweisbaren Bedarf noch um einen solchen für Unterkunft. Die Möbel seien bereits seit ... eingelagert, so dass eine Übernahme durch den Beklagten nicht in Betracht käme. Im Übrigen berücksichtigte der Beklagte bei der Leistungsberechnung die Unterkunftskosten der Klägerin vollständig und rechnete Einkommen und Vermögen (ab 9.6.2018) nicht an (Bescheid vom 13.8.2018, hinsichtlich der Anpassung des Regelbedarfs geändert für Januar 2019 durch Bescheid vom 24.11.2019).

Gegen die Ablehnung der Leistungen für die Zeit vom 1. bis 8.6.2018 erhob die Klägerin Widerspruch. Von ihrem Vermögen seien ihre laufenden Verpflichtungen gegenüber der privaten Krankenversicherung abzuziehen, so dass verwertbares Vermögen über dem Freibetrag nicht vorliege. Mit einem weiteren Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung der Übernahme der Kosten der Möbeleinlagerung. Gleichzeitig wies die Klägerin darauf hin, ihre Krankenversicherung nach Bearbeitung ihres Widerspruchs über ihren Leistungsbezug informieren zu wollen. Das Datum des Beginns des Leistungsbezugs sei für eine rechtsverbindliche Vereinbarung mit der Krankenversicherung erforderlich.

Im Rahmen ihres Weiterbewilligungsantrags beantragte die Klägerin die Übernahme ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten für die Zeit ab 1.2.2019. Hierzu führte die Klägerin ua aus, bis einschließlich September 2018 viel Zeit auf die Lösung der Krankenversicherungsproblematik verwendet und hierbei weit über 100 Anrufe getätigt zu haben. Nachdem jede Zahlung des Sozialamtes an das private Krankenversicherungsunternehmen zu einer automatischen Zwangsumstufung in den Basistarif führen würde, verzichte sie auf die beantragten Zuschüsse. Dies sei die einzige Möglichkeit, ihren Versicherungsvertrag zu erhalten. Gleichzeitig bat die Klägerin zu prüfen, ob unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von der Direktzahlung der Zuschüsse durch den Beklagten an das Krankenversicherungsunternehmen gemacht werden könnten, zB indem sie in Vorleistung gehe und nur bereits bezahlte Beiträge erstattet würden. Falls eine Lösung gefunden würde, wäre noch die Höhe des Beitragszuschusses zu klären.

Der Beklagte bewilligte vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Februar bis Juli 2019. Dabei berücksichtigte er neben dem Regelbedarf die aus seiner Sicht angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung iHv vom 660 Euro ("Grundmiete"). Einkommen und Vermögen wurden bei der Leistungsberechnung nicht berücksichtigt (Bescheid vom 16.1.2019).

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Absenkung ihrer Unterkunftskosten um ... Euro monatlich und die fehlende Berücksichtigung der Kosten für die Einlagerung ihrer Möbel. Kosten für Heizung und Warmwasser seien unberücksichtigt geblieben.

Hierauf bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2019 zusätzliche Leistungen für Heizung iHv 29,10 Euro monatlich (Änderungsbescheid vom 31.1.2019). Für den Monat Juli 2019 bewilligte der Beklagte weitere Leistungen iHv 29,95 Euro (Kosten einer Schufa-Auskunft; Änderungsbescheid vom 5.7.2019).

Unter dem 31.10.2019 setzte der Beklagte die der Klägerin für die Zeit vom 1.6.2018 bis 31.1.2019 und für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2019 (Bl 379) vorläufig bewilligten Leistungen endgültig fest. Eine Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 1. bis 8.6.2018, für die Kosten der Möbeleinlagerung, für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe für die Zeit ab 1.2.2019 sowie eines Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung erfolgte (weiterhin) nicht.

Die Klägerin erhob gegen die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 unter verschiedenen Gesichtspunkten Widerspruch "als Teilwiderspruch", ua gegen die Ablehnung, den Zuschuss zu den Beiträgen zu privaten Kranken- und Pflegeversicherung an sie selbst auszuzahlen.

Der Beklagte verwarf die Widersprüche gegen die endgültige Festsetzung von Leistungen für die Zeit von Juni 2018 bis Juli 2019 als unzulässig. Die endgültigen Festsetzungen hätten die vorläufigen Bescheide vom 13.8.2018, geändert durch den Bescheid vom 24.11.2018, sowie vom 16.1.2019, geändert durch den Bescheid vom 31.1.2019, ersetzt und seien Gegenstand der bereits anhängigen Widerspruchsverfahren gegen die vorläufigen Bewilligungen geworden. Über diese würde in den dortigen Widerspruchsverfahren entschieden. Die weiteren Widersprüche gegen die Bescheide vom 31.10.2019 seien deshalb unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 20.2.2020).

Schließlich wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die vorläufigen Bewilligungen für die Zeit von Juni 2018 bis Januar 2019 bzw für die Zeit von Februar bis Juli 2019 - nach Erlass der endgültigen Bewilligungsbescheide vom 31.10.2019 - zurück. Die Klägerin habe in der Zeit vom 1. bis 8.6.2018 keinen Leistungsanspruch, da ihr in dieser Zeit Vermögen iHv ... Euro zur Verfügung gestanden habe. Die Rückstände bei der Krankenversicherung seien nicht abzusetzen, da Schulden bei der Berechnung des Vermögens iS des SGB II grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Nach Abzug der zu berücksichtigenden Freibeträge verbleibe ein anzurechnendes Vermögen iHv ... Euro. Hieraus habe die Klägerin ihren Bedarf in der Zeit vom 1. bis zum 8.6.2018 decken können. Bei der Bedarfsberechnung hätten die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unberücksichtigt zu bleiben, da die Klägerin auf diese mit Schreiben vom 8.1.2019 ausdrücklich verzichtet habe. Auch die Höhe der (ab 9.6.2018) bewilligten Leistungen sei nicht zu beanstanden (Widerspruchsbescheid vom 20.2.2020).

Am 12.3.2020 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München "bzgl Teilwiderspruch" gegen die Bescheide vom 31.10.2019 für die Zeit vom 1.6.2018 bis 31.7.2019 wegen der Ablehnung des Beklagten, den Zuschuss zu den Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung an die Klägerin auszubezahlen, erhoben. In Anlage beigefügt war ua der Widerspruchsbescheid vom 20.2.2020, mit dem die Widersprüche der Klägerin gegen die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 als unzulässig verworfen worden waren.

Das Sozialgericht hat die Klage nach entsprechender Anhörung der Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Der Beklagte habe die Widersprüche gegen die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 zu Recht als unzulässig verworfen. Die Bescheide vom 31.10.2019 würden vollumfänglich im Verfahren S 45 AS 450/20 überprüft (Gerichtsbescheid vom 13.8.2020).

Mit ihrer am 11.9.2020 erhobenen Berufung hat sich die Klägerin zunächst gegen die Vermischung der Themen gewandt. Sie habe mit der Klage einen Antrag gestellt und ihre Klageschrift hierauf fokussiert. Sie lehne es ab, weitere Themen einzubeziehen und mit Dingen zu vermischen. Auf einen rechtlichen Hinweis im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 26.7.2021 bzw der Niederschrift hierzu hat die Klägerin letztlich dem Antrag zugestimmt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.8.2020 - S 45 AS 440/20 und die Bescheide des Beklagten vom 31.10.2019 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2020 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum 9.6.2018 bis 31.7.2019 weitere Leistungen in Höhe des jeweils maßgeblichen "halben" Basistarifs sowie des Beitrags zur Pflegeversicherung zu gewähren und diese unmittelbar an die Klägerin auszuzahlen.

Sie verwehre sich gegen die Unterstellung des Beklagten, die Auszahlung des Beitragszuschusses an die Klägerin berge die Gefahr einer zweckentfremdeten Verwendung der Leistung. Sie habe über Monate den Beitrag zur Pflegeversicherung aus ihrem Schonvermögen finanziert.

Die Überweisung des Beitragszuschusses unmittelbar an das private Krankenversicherungsunternehmen bedeute eine Offenlegung ihres Sozialleistungsbezugs. Aufgrund der Digitalisierung wäre ihre BG-Nummer dort für immer gespeichert und für alle Mitarbeiter des privaten Versicherungsunternehmens sichtbar. Dies verstoße gegen (europäisches) Datenschutzrecht. Die Klägerin sei als Versicherungsnehmerin für die Beitragszahlung verantwortlich.

Die Überweisung eines Zuschusses durch Dritte wäre ein unerlaubter Eingriff in ein privates Vertragsverhältnis und ein Verstoß gegen das Prinzip der Vertragsfreiheit. Jede Überweisung seitens des Beklagten würde zum sofortigen Vertragsverlust führen. Für das private Versicherungsunternehmen wäre eine Überweisung der Beweis von Hilfebedürftigkeit. Das private Versicherungsunternehmen würde diesen Beweis sofort ausnutzen und eine Zwangseinstufung in den Basistarif vornehmen. Ihr seit ... bestehender Vertrag wäre dann irreversibel verloren. Dem entsprechend sei es ihr - trotz einer Vielzahl schriftlicher Anfragen und telefonischer Nachfragen - nicht gelungen, von ihrer Krankenversicherung eine schriftliche Bestätigung zu erhalten, dass sie auch für den Fall ihrer Hilfebedürftigkeit in dem von ihr gewählten Tarif verbleiben könne und nicht in den Basistarif umgestuft werde.

Im Merkblatt der Bundesagentur werde darauf hingewiesen, dass man in seinem Tarif verbleiben könne. Man könne sich frei entscheiden. Im Falle eines Tarifwechsels sei man für die Konsequenzen selbst verantwortlich. Sie, die Klägerin, habe sich für einen Verbleib in ihrem Tarif entschieden, auch weil ihr - anders als im Rahmen der pandemiebedingten Sonderregelung - eine Rückkehr vom Basistarif in den von ihr bereits ... gewählten Tarif nicht möglich wäre. Ein dauerhafter Wechsel in den Basistarif sei ihr, auch aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters, nicht zuzumuten. Deshalb müsse der Beitragszuschuss an sie selbst ausgezahlt werden.

Die vom Beklagten für die Auszahlung des Beitragszuschusses unmittelbar an das Versicherungsunternehmen in Bezug genommene gesetzliche Verpflichtung beziehe sich ausschließlich auf Versicherungsverhältnisse in der gesetzlichen Krankenversicherung und entfalte keine Wirkung für Versicherte in einem privaten Versicherungsverhältnis.

       ...

Der Beklagte hat dem im Schreiben der Klägerin vom 21.3.2022 formulierten Begehren widersprochen und im Übrigen beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verwendung der BG-Nummer verstoße nicht gegen das Sozialgeheimnis (bezugnehmend auf das Urteil des Senats vom 17.6.2013 - L 7 AS 48/13). Weiter sei zu berücksichtigen, dass als Überweisungsträger die Bundesagentur für Arbeit und nicht das Jobcenter angegeben werde. Schließlich sei - anders als bei Überweisungen an den Vermieter - die Überweisung des Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung unmittelbar an das Versicherungsunternehmen in § 26 Abs 5 S 2 SGB II gesetzliche zwingend vorgeschrieben. Die direkte Überweisung an das Versicherungsunternehmen habe nach Auffassung des Beklagten schließlich keinen Einfluss auf das Versicherungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und der Krankenkasse und bewirke keine Änderung des Versicherungsvertrages.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (Schriftsatz des Beklagten vom 25.3.2022, Erklärung der Klägerin vom 31.3.2022).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten verwiesen, auch soweit diese vom Beklagten und vom Sozialgericht München beigezogen worden sind.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Klageerweiterung ist unzulässig. Der Senat konnte den Rechtsstreit nach § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten dem zugestimmt haben.

1. Streitig ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13.8.2020, mit dem die Klagen gegen die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2020 abgewiesen worden sind, soweit dort für den Zeitraum 9.6.2018 bis 31.7.2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit Ausnahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, insbesondere die Zahlung eines Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung an die Klägerin, abgelehnt worden sind. Eine entsprechende Beschränkung des Streitgegenstandes ist sowohl zeitlich als auch inhaltlich (vgl zur Abtrennbarkeit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuletzt BSG, Urteil vom 21.7.2021 - B 14 AS 31/20 R -, Rn 15 mwN; zur fehlenden Abtrennbarkeit des Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung als isolierten Streitgegenstand vgl BSG, Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R -, Rn 12 mwN) zulässig. Insoweit hatte die Klägerin schließlich gegen die vorläufigen Bewilligungen vom 13.8.2018 (Zeitraum 9.6.2018 bis 31.1.2019) und vom 16.1.2019 (Februar bis Juli 2019) keinen Widerspruch erhoben. Die gegen die vorläufigen Bewilligungen erhobenen (Teil-) Widersprüche bezogen sich lediglich auf Leistungen für den Zeitraum 1. bis 8.6.2018 sowie die Übernahme der Lagerkosten für den Zeitraum 9.6.2018 bis 31.1.2019 und die vollständige Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für das von der Klägerin bewohnte Apartment sowie die Kosten der Einlagerung ihres Hausstandes vom 1.2. bis 31.7.2019. Die Widersprüche bezogen sich damit für die Zeit ab 9.6.2018 ausschließlich auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Im Übrigen, das heißt, hinsichtlich des Regelbedarfs und des Beitragszuschusses nach § 26 SGB II wurden die vorläufigen Bewilligungsentscheidungen vom 13.8.2018 und vom 16.1.2019 für den Zeitraum 9.6.2018 bis 31.7.2019 bestandskräftig. Fehlt es aber insoweit zum Zeitpunkt der endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 an einem laufenden Widerspruchsverfahren, konnten insoweit, also insbesondere hinsichtlich des Beitragszuschusses, die Bescheide vom 31.10.2019 nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werden. Damit war der (Teil-) Widerspruch der Klägerin gegen die endgültigen Festsetzungen vom 31.10.2019 hinsichtlich (der Auszahlung) des Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung bzw gerichtet auf höhere Leistungen mit Ausnahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zulässig. Die Geltendmachung dieses Bedarfs war für den genannten Zeitraum zulässiger Streitgegenstand im Verfahren S 45 AS 440/20. Ihr stand insbesondere nicht die Rechtshängigkeit im Verfahren S 45 AS 450/20 (Klage gegen die endgültige Festsetzung, die die vorläufigen Bewilligungen ersetzten, bzw den weiteren Widerspruchsbescheid vom 20.2.2020, nunmehr rechtshängig im Berufungsverfahren L 7 AS 460/20) entgegen.

Soweit die Klägerin zuletzt zur Meldung ihres Leistungsbezugs durch den Beklagten an den zuständigen Rentenversicherungsträger bzw die hieraus aus ihrer Sicht zu befürchtenden nachteiligen Konsequenzen vorträgt, sucht sie lediglich die Dringlichkeit einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren bzw über ihre Leistungsklage deutlich zu machen (vgl Schreiben der Klägerin vom 26.1.2022) und macht insbesondere kein neues Begehren geltend. Insoweit ist ein entsprechendes Verfahren vor dem Sozialgericht München rechtshängig (Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.12.2021).

Streitig ist weiter die erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachte ...

2. Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da das Sozialgericht die auf Auszahlung des Beitragszuschusses gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) gegen die Bescheide vom 31.10.2019 im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Dabei kann dahinstehen, ob bzw ab wann die Klägerin im streitigen Zeitraum letztlich leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 S 1 SGB II war, insbesondere das zumindest am 1.6.2018 bestehende Vermögen ihrer Hilfebedürftigkeit entgegenstand (vgl hierzu das Urteil des Senats vom selben Tag im Verfahren L 7 AS 560/20). Es kann letztlich auch dahinstehen, in welcher Höhe der Klägerin dem Grunde nach ein Beitragszuschuss nach § 26 SGB II zustand. Denn zumindest hat die Klägerin keinen Anspruch auf die von ihr vorliegend allein verlangte Auszahlung des Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung an sich selbst.

a) Allerdings steht dem nicht bereits ein von der Klägerin erklärter Verzicht nach § 46 Abs 1 SGB I entgegen.

aa) Die Klägerin verfügt über einen bereits seit ... bestehenden Vertrag mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen über eine Heilkostenversicherung, eine Zusatzversicherung und eine Pflegeversicherung. Sie geht davon aus, dass das private Krankenversicherungsunternehmen für den Fall, dass der Beklagte den Beitragszuschuss unmittelbar an das Krankenversicherungsunternehmen überweisen würde, den seit ... bestehenden Vertrag automatisch, das heißt ohne Einverständnis der Klägerin, in einen Vertrag im Basistarif umstellen würde, dass also das private Krankenversicherungsunternehmen die insoweit (aus Sicht der Klägerin) unzulängliche gesetzliche Regelung ausnutzen würde, um sich einseitig von dem langfristig bestehenden Vertrag mit der Klägerin zu lösen. Vor diesem Hintergrund waren die Beteiligten auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin zunächst übereingekommen, dass der Beitragszuschuss im Rahmen der vorläufigen Bewilligung unberücksichtigt bleiben solle.

Mit Schreiben vom 8.1.2019, das sowohl den Erst- als auch den Weiterbewilligungsantrag betreffen sollte, erklärte die Klägerin: "Ich verzichte auf die beantragten Zuschüsse. Dies ist die einzige Möglichkeit, meinen Versicherungsvertrag zu erhalten. Überprüfung: Ihrerseits wurde mitgeteilt, dass Zuschüsse stets direkt an Versicherung zu zahlen sind. Bitte prüfen Sie, ob unter bestimmten Voraussetzungen, Ausnahmen gemacht werden können, z. B.: wenn der Versicherungsnehmer in Vorleistung geht und die ihm theoretisch zustehenden Zuschüsse selbst bezahlt und die Überweisungen an das Versicherungsunternehmen per Nachweis belegt. Falls Sie eine Lösung finden, müßte noch die Höhe des Zuschusses geprüft werden. Falls Sie keine Lösung finden, da Ausnahmen nicht zulässig sind, verzichte ich hiermit auf alle mir zustehenden Zuschüsse, sowohl zur Pflege- als auch zur Krankenversicherung."

Im Rahmen ihres Widerspruchs vom 22.11.2019 gegen die abschließende Entscheidung über die Leistungen für den Zeitraum Juni 2018 bis Januar 2019 bzw Februar bis Juli 2019 (Bescheide vom 31.10.2019) nahm die Klägerin auf den in ihrem Schreiben vom 8.1.2019 erklärten Verzicht Bezug und erklärte, dass dieser unverändert bestehen bleibe. Der Verzicht betreffe die Direktzahlung des Zuschusses zum Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung, da jegliche Zahlung durch den Beklagten an das private Versicherungsunternehmen zur Zwangsumstufung führe. Gleichzeitig beantragte die Klägerin erneut, dass der Beitragszuschuss unmittelbar an sie gezahlt werde. Für die Zeit ab 1.6.2018 werde ein Zuschuss zur Krankenversicherung iHv 345,15 Euro und zur Pflegeversicherung iHv 34,90 Euro bzw iHv 49,91 Euro ab Januar 2019 beantragt.

bb) Es kann dahinstehen, ob die Erklärung der Klägerin bereits im Hinblick auf die Bedingungsfeindlichkeit (vgl BGH, Urteil vom 15.6.1960 - V ZR 191/58 -, Rn 16 sowie Urteil vom 21.3.1986 - V ZR 23/85 -, Rn 16 mwN, jeweils zitiert nach juris) der Verzichtserklärung als einseitiger, rechtsgestaltender, empfangsbedürftiger öffentlich-rechtlicher Willenserklärung (Rolfs in Hauck/Noftz, SGB, 12/19, § 46 Rn 14 mwN) keinen wirksamen Verzicht iS des § 46 Abs 1 SGB I enthalten können, oder ob es sich bei den von der Klägerin formulierten Bedingungen um solche handelt, die für den Beklagten keine untragbare Ungewissheit über den neuen Rechtszustand schaffen, wie dies zB bei Rechtsbedingungen der Fall wäre (vgl BGH, Urteil vom 21.3.1986 - V ZR 23/85 -, Rn 16 zitiert nach juris). Denn die Erklärungen der Klägerin können unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes nicht als Verzicht auf den Beitragszuschuss nach § 26 SGB II gewertet werden. Der Klägerin ging es im Verwaltungs- und Vorverfahren jederzeit vorrangig darum, einen Beitragszuschuss an sich selbst ausbezahlt zu erhalten. Insoweit hatte sie ausdrücklich darum gebeten, die (rechtlichen) Möglichkeiten einer ausnahmsweisen Auszahlung an sie als Leistungsberechtigte in Form der Erstattung einer von ihr vorgenommenen Beitragsbezahlung zu prüfen. Dem ist gerade nicht zu entnehmen, dass die Klägerin auf jeglichen Beitragszuschuss iS des § 46 Abs 1 SGB I verzichten wollte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Klägerin an dem ihr als Leistungsberechtigten zustehenden Anspruch festhalten und dessen Auszahlung an sich selbst geltend machen wollte. Sie lehnte nicht jeglichen Beitragszuschuss, sondern lediglich dessen Auszahlung unmittelbar an das Versicherungsunternehmen ab.

b) Allerdings besteht kein Anspruch, der die Leistungsklage der Klägerin stützt.

aa) Für Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen im Rahmen von Versicherungsverträgen, die der Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) genügen, versichert sind, wird für die Dauer des Leistungsbezugs ein Zuschuss zum Beitrag geleistet; der Zuschuss ist begrenzt auf die Höhe des nach § 152 Abs 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) halbierten Beitrags für den Basistarif in der privaten Krankenversicherung, den Hilfebedürftige zu leisten haben (§ 26 Abs 1 S 1 und 2 SGB II in der Fassung vom 26.7.2016). Für Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II, die gegen das Risiko Pflegebedürftigkeit bei einem privaten Versicherungsunternehmen in Erfüllung ihrer Versicherungspflicht nach § 23 SGB XI versichert sind, wird für die Dauer des Leistungsbezugs ein Zuschuss zum Beitrag geleistet; der Zuschuss ist begrenzt auf die Hälfte des Höchstbeitrags in der sozialen Pflegeversicherung (§ 26 Abs 3 S 1 SGB II in der Fassung vom 26.7.2016). Der Zuschuss nach Absatz 1 Satz 1 und nach Absatz 3 Satz 1 ist an das private Versicherungsunternehmen zu zahlen, bei dem die leistungsberechtigte Person versichert ist (§ 26 Abs 5 S 1 SGB II in der Fassung vom 26.7.2016).

bb) Der Anspruch der Klägerin auf den streitigen Beitragszuschuss in Bezug auf die Krankenversicherung richtet sich nach § 26 Abs 1 S 1 SGB II, nachdem die Klägerin im streitigen Zeitraum Arbeitslosengeld II bezog und gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert war. Die von der Klägerin bereits in ... abgeschlossene Heilkostenvollversicherung genügt der Versicherungspflicht nach § 193 Abs 3 VVG (vgl § 193 Abs 3 S 3 VVG in der Fassung vom 1.4.2015). Der Anspruch der Klägerin auf den streitigen Beitragszuschuss in Bezug auf die Pflegeversicherung richtet sich nach § 26 Abs 3 S 1 SGB II.

Auf dieser Grundlage ist der streitige Zuschuss an das private Versicherungsunternehmen, bei dem die Klägerin versichert ist, zu zahlen (§ 26 Abs 5 S 1 SGB II).

Das heißt, dass die Klägerin zwar Inhaberin des Anspruchs nach § 26 Abs 1 S 1 und Abs 3 S 1 SGB II ist, eine Zahlung des Zuschusses allerdings lediglich an das private Versicherungsunternehmen verlangen kann (vgl Beschluss des Senats vom 10.11.2016 - L 7 AS 612/16 B ER; Bittner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 26 (Stand: 22.07.2021) Rn 62; Rolfs, NZS 2019, 206, 210). Die in § 26 Abs 5 S 1 SGB II enthaltene Regelung ist zwingend und steht insbesondere nicht im Ermessen des Leistungsträgers (Rolfs, aaO). Für eine Auszahlung des Zuschusses nach § 26 Abs 1 S 1, Abs 3 S 1 SGB II an die Klägerin besteht hingegen keine Grundlage, so dass die allein auf Auszahlung des Beitragszuschusses gerichtete Leistungsklage ohne Erfolg bleiben muss.

cc) Die hiergegen von der Klägerin erhobenen Bedenken überzeugen letztlich nicht. Insbesondere ist die mit der Überweisung an das Versicherungsunternehmen verbundene (Sozial-) Datenübermittlung datenschutzrechtlich zulässig.

(1.) Insoweit kann damit dahinstehen, ob mit der Überweisung des Beklagten an das Versicherungsunternehmen (vgl Stellungnahme des Beklagten vom 30.8.2021 mit Anlage, hinsichtlich des überweisenden Trägers korrigiert durch das Schreiben vom 28.10.2021, wonach als überweisende Stelle die Bundesagentur für Arbeit Service-Haus ersichtlich ist: im Überweisungsbetreff erscheinen der Name und die BG-Nummer der Leistungsberechtigten sowie die Daten des Versicherungsvertrages) übermittelte BG-Nummer der Klägerin als Sozialdatum iS des § 35 SGB X zu werten ist (dies bereits verneinend Urteil des Senats vom 17.6.2013 - L 7 AS 48/13 -, Rn 24 ff zitiert nach juris).

(2.) Die Befugnis zur Sozialdatenübermittlung ergibt sich aus Art 6 Abs 1 Buchst c, e iVm Abs 2, Abs 3 S 1 Buchst b, S 2 DSGVO iVm § 69 Abs 1 Nr 1 SGB X, § 50 Abs 4 S 1, § 40 Abs 1 S 1 SGB II. Danach ist die Datenübermittlung als Teil der Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt bzw die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem für die Verarbeitung Verantwortlichen übertragen wurde (Art 6 Abs 1 S 1 Buchst c und e DSGVO). In Konkretisierung dessen (vgl Art 6 Abs 2, Abs 3 S 1 Buchst b DSGVO) ist die Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie für die Erfüllung einer Aufgabe der übermittelnden Stelle nach dem Sozialgesetzbuch erforderlich ist (§ 69 Abs 1 Nr 1 SGB X).

Der Beklagte erfüllt mit der Überweisung des Beitragszuschusses seine Aufgabe nach § 26 Abs 5 S 1 SGB II, nachdem danach die entsprechende Leistungsgewährung für den Leistungsberechtigten an das Versicherungsunternehmen zu erfolgen hat. Dem steht nicht entgegen, dass das Versicherungsunternehmen der Überweisung entnehmen kann, dass die anweisende Stelle die Bundesagentur für Arbeit ist und durch die BG-Nummer ggf ein Rückschluss auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II möglich ist. Insbesondere erfüllen auch diese Daten die Anforderung der Erforderlichkeit iS des Art 6 Abs 1 S 1 Buchst c und e DSGVO bzw § 69 Abs 1 S 1 SGB X. Bei der streitgegenständlichen Überweisung an (private) Versicherungsunternehmen handelt es sich um einen Teil der beim Vollzug des SGB II monatlich auszuführenden Leistungsgewährungen. Bei einer derartigen Massenverwaltung muss die zuständige Behörde eindeutige Kennzahlen und eine Behördenbezeichnung verwenden, um nachvollziehbar zu machen, ob die Leistung in jedem Einzelfall erbracht wurde (Bieresborn in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 69 Rn 16). Nach § 51a SGB II wird jeder Person, die Leistungen nach dem SGB II bezieht, eine Kundennummer bzw eine BG-Nummer zugeteilt, die nach S 2 als Identifikationsmerkmal und den Zwecken nach § 51b Abs 3 SGB II dient. Diese dürfen schließlich nach § 51b Abs 3 Nr 1 SGB II für die Leistungsgewährung verarbeitet und genutzt werden. Dies muss insbesondere im Hinblick darauf gelten, dass die BG-Nummer keine erkennbaren Informationen zum einzelnen Leistungsempfänger enthalten (vgl Urteil des Senats vom 17.6.2013 - L 7 AS 48/13 -, Rn 26 zitiert nach juris). Die Bedenken der Klägerin gegen den Schutz ihrer Sozialdaten durch das bzw beim Versicherungsunternehmen sind im Hinblick auf § 78 SGB X nicht begründet.

(3.) Soweit die Anordnung der Leistungsauszahlung an das Versicherungsunternehmen in § 26 Abs 5 S 1 SGB II bisweilen als "verfassungsrechtlich nicht in sämtlichen Fallgestaltungen unbedenklich" angesehen wird (vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB, 05/14, § 26 SGB II noch zum (inhaltlich identischen) § 26 Abs 4 SGB II aF; zweifelnd wohl auch Breitkreuz in BeckOK SozR, § 26 SGB II Rn 8 sowie Felix in SGb 2019, 709, 716), ist dies zumindest für die vorliegende Konstellation nicht nachzuvollziehen.

Zweck des in § 26 SGB II geregelten Beitragszuschusses ist die Sicherung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes als Bestandteil des nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährenden Existenzminimums (vgl BT-Drucks 17/7991 S 15). Durch die in § 26 SGBG II geregelte Zuschusszahlung soll sichergestellt werden, dass auch privat krankenversicherte Bezieherinnen von Arbeitslosengeld II die Kosten für eine angemessene Kranken- und Pflegeversicherung zahlen können. Dabei knüpft die Begrenzung des Beitragszuschusses der Höhe nach auf (maximal) die Hälfte des Beitrags im Basistarif (vgl § 26 Abs 1 HalbS 2 SGB II) an die Regelungen an, mit denen der Gesetzgeber dem der privaten Krankenversicherung zugewiesenen Personenkreis, zu dem im streitigen Zeitraum die Klägerin gehörte, einen ausreichenden und bezahlbaren Krankenversicherungsschutz gewährleisten will. Danach haben die betroffenen Personen einen Anspruch auf den Abschluss eines Vertrages im Basistarif, der Versicherungsschutz im Pflichtumfang der gesetzlichen Krankenversicherung garantiert und der bezahlbar ist, weil die Prämienhöhe im Basistarif auf den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt ist und sich im Fall der Hilfebedürftigkeit iS des SGB II oder des SGB XII reduziert (vgl noch zu § 12 Abs 1c S 4 bis 6 VAG in der Fassung vom 23.11.2007 BVerfG, Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 ua -, Rn 171 zitiert nach juris). So sieht die nunmehr in § 152 VAG in der vorliegend maßgeblichen Fassung vom 26.7.2016 enthaltene Regelung vor, dass der Beitrag zum Basistarif (...) den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen darf (§ 152 Abs 3 S 1 VAG). Besteht Hilfebedürftigkeit iS des SGB II oder des SGB XII (...) vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit (...) um die Hälfte (§ 152 Abs 4 HalbS 1 VAG). Die Hilfebedürftigkeit ist vom zuständigen Träger nach dem SGB II oder dem SGB XII auf Antrag des Versicherten zu bescheinigen (§ 152 Abs 4 HalbS 2 VAG). Das Ziel, durch den Beitragszuschuss nach § 26 Abs 1 S 1 SGB II einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz als Bestandteil des nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährenden Existenzminimums zu sichern, ist damit regelmäßig, insbesondere aber im vorliegenden Fall, nur zu erreichen, wenn bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen das Risiko der Krankheit versicherte Leistungsberechtigte von ihrem Anspruch auf Wechsel in den Basistarif (vgl § 193 Abs 5 VVG) Gebrauch machen und gleichzeitig dem Versicherungsunternehmen gegenüber ihre Hilfebedürftigkeit und damit ihre Leistungsberechtigung nach dem SGB II/SGB XII nachweisen. Geht das Gesetz damit aber davon aus, dass die Hilfebedürftigkeit iS des SGB II bzw der damit regelmäßig verbundene Leistungsbezug nach dem SGB II bereits in diesem Zusammenhang von der versicherten Person gegenüber dem Versicherungsunternehmen offenzulegen ist, erhielte dieses durch die Zahlung des Zuschusses durch den SGB II-Leistungsträger bzw die Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der bestehenden Leistungsberechtigung seines Versicherungsnehmers bzw dessen Sozialleistungsbezugs keine neuen Erkenntnisse.

Die in der dargelegten Konstellation der unmittelbaren Auszahlung an das Versicherungsunternehmen vorgelagerte gesetzlich geregelte Verpflichtung, für die Beitragsminderung im Basistarif die Leistungsberechtigung nach dem SGB II offenzulegen bzw durch den zuständigen SGB II-Leistungsträger bestätigen zu lassen, greift nicht unverhältnismäßig in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Die (zunächst in § 12 Abs 1c Satz 6 VAG und nunmehr in § 152 Abs 4 VAG) geregelte Beitragsverminderung bei Hilfebedürftigkeit zielt zusammen mit der Einführung der Versicherungspflicht und dem Kontrahierungszwang in der privaten Krankenversicherung darauf ab, dem der privaten Krankenversicherung zugewiesenen Personenkreis einen ausreichenden und bezahlbaren Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten (vgl BVerfG, Urteil vom 10.6.2009 - 1 BvR 706/08 ua -, Rn 172 zitiert nach juris) und verfolgt damit ein legitimes Gemeinwohlinteresse (vgl BVerfG, aaO, Rn 181). Es ist nicht ersichtlich, wie dieses Ziel ohne die Offenlegung der Voraussetzungen für die Beitragsminderung bei Hilfebedürftigkeit durch die Leistungsberechtigten zu erreichen sein sollte.

(4.) Hiergegen steht schließlich nicht, dass die dargelegten Regelungen zur Sicherstellung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes als Bestandteil des nach dem Sozialstaatsprinzip zu gewährleistenden Existenzminimums regelmäßig, insbesondere aber wohl im vorliegenden Fall, von einem Wechsel der Leistungsberechtigten in den Basistarif ausgehen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein entsprechender Wechsel der Klägerin insbesondere im Hinblick auf eine damit ggf ausgeschlossene Rückkehr in ihren seit ... bestehenden Tarif unzumutbar wäre. Denn die Leistungen im Basistarif der privaten Krankenversicherung entsprechen denen der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 152 Abs 1 S 1 VAG), die die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung absichert (vgl BSG, Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R -, Rn 24).

(5.) Wenngleich damit das gesetzliche Regelungskonzept eines "bezahlbaren Basistarifs" davon ausgeht, dass zumindest Leistungsberechtigte, die die in ihrem Tarif geschuldeten Beiträge auf der Grundlage der nach dem SGB II zur Verfügung stehenden Mittel (dem Zuschuss nach § 26 SGB II, Absetzungen nach § 11b Abs 1 S 1 SGB II sowie im geringen Umfang ggf ergänzt durch Umschichtungen aus dem Regelbedarf) nicht aufbringen können, in den Basistarif wechseln, um von der dort eintretenden Beitragsminderung profitieren zu können, besteht - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - keine Verpflichtung der Leistungsberechtigten in den Basistarif zu wechseln. Gleichzeitig besteht keine Möglichkeit für das Versicherungsunternehmen, eine außerhalb des Basistarifs bestehende Heilkostenversicherung in den Basistarif "umzustufen". Für die diesbezüglichen Befürchtungen der Klägerin findet sich keine rechtliche Grundlage. Zwar steht den Parteien eines Versicherungsvertrages grds ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 Abs 1 S 1 BGB zu (vgl BGH, Urteil vom 7.12.2011 - IV ZR 50/11 -, Rn 8 mwN). Allerdings bestimmt der zum 1.1.2009 durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes vom 23.11.2007 (BGBl I S 2631) neu gefasste § 206 Abs 1 S 1 VVG, dass jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs 3 S 1 VVG erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen ist. Der Anwendungsbereich der Regelung erstreckt sich auf den von der Klägerin abgeschlossenen privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag, da nach § 193 Abs. 3 S 3 VVG alle vor dem 1. April 2007 abgeschlossenen Krankheitskostenversicherungsverträge unter die Definition der Pflichtversicherung fallen (vgl BGH, Urteil vom 7.12.2011 - IV ZR 50/11 -, Rn 8 mwN). Kann das Versicherungsunternehmen damit die mit der Klägerin in ... geschlossene Krankheitskostenversicherung grds nicht, insbesondere aber nicht wegen Beitragsschulden oder Hilfebedürftigkeit bzw Sozialleistungsbezug nach dem SGB II kündigen, scheidet jede Vertragsänderung, insbesondere aber eine "Umstufung" in einen anderen Tarif/den Basistarif gegen den Willen der Klägerin aus.

3. Auch sonst sind Umstände, die - unabhängig von den vorliegend nicht streitigen Bedarfen für Unterkunft und Heizung, zu denen insbesondere die Kosten der Einlagerung gehören (vgl BSG, Beschluss vom 13.2.2019 - B 14 AS 220/18 B; Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R -, Rn 11) - einen gegenüber den vom Beklagten mit den Bescheiden vom 31.10.2019 endgültig festgesetzten Leistungen höheren Leistungsanspruch begründen könnten, weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, so dass das Sozialgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat und die Berufung ohne Erfolg bleiben muss.

4. Die Klageerweiterung im Schriftsatz der Klägerin vom 21.3.2022 ist unzulässig.

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

 

Rechtskraft
Aus
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