S 17 SO 191/19 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 SO 191/19 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 91/20 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt zu erbringen 

-    für die Antragstellerin zu 1) für die Monate Oktober bis Dezember 2019 in Höhe von 626,64 € monatlich, für die Monate Januar bis März 2020 in Höhe von 637,52 € monatlich und von April bis Juni 2020 in Höhe von 687,52 € monatlich; 

-    für den Antragsteller zu 2) für die Monate Oktober bis Dezember 2019 in Höhe von 402 € monatlich, für Januar in Höhe von 408 €, für Februar in Höhe von 458 € sowie für März bis Juni 2020 in Höhe von 408 € monatlich;

-    für den Antragsteller zu 3) für die Monate Oktober bis Dezember 2019 in Höhe von 190,00 € monatlich, für Januar 2020 in Höhe von 196 €, für Februar 2020 in Höhe von 246 € sowie von März bis Juni 2020 in Höhe von 196 € monatlich und

-    für den Antragsteller zu 4) für die Monate Oktober bis Dezember 2019 in Höhe von 422 € monatlich, für Januar 2020 in Höhe von 428 €, für Februar 2020 in Höhe von 478 € sowie für März bis Juni 2020 in Höhe von 428 € monatlich.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
 

Gründe:

Der Antrag, 

den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorrangig nach dem SGB XII einstweilig ab dem 21. Oktober 2019 zu bewilligen,

ist unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 (1 BvL 1/20) zulässig und teilweise begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit kein Fall nach § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung <ZPO>). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2011, B 9 VG 15/10 B, juris, Rdnr. 6).

Ausgehend davon haben die Antragsteller unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 (1 BvL 1/20) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat zu § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII in seiner Entscheidung über den Vorlagebeschluss des erkennenden Gerichts ausgeführt: „Ob es darüber hinaus hätte darlegen müssen, inwiefern nicht im Einzelfall konkrete Bindungen an das Bundesgebiet – im Fall der Antragstellerin zu 1) etwa wegen ihres schwerbehinderten Sohnes, der in Deutschland in einer Werkstatt für behinderte Menschen betreut wird – angesichts fehlender Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht die Annahme einer besonderen Härte rechtfertigen können, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.“ (Beschluss vom 26. Februar 2020, 1 BvL 1/20, Rdnr. 19) Das Gericht versteht den Hinweis dahingehend, dass es sich bei dieser Frage um einen noch zu ermittelnden und zu prüfenden Sachverhalt handelt und das nicht denknotwendig ausgeschlossen ist, dass ein Härtefall vorliegen könnte. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen ist den Antragstellern zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Hinblick auf die andernfalls ggf. drohende Grundrechtsverletzung einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren.

Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund aber lediglich hinsichtlich der Regelleistungen glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Höhe der tenorierten Leistungen wird auf die Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 14. Januar 2020 Bezug genommen. Bezüglich der Kosten der Unterkunft besteht kein Anordnungsgrund, da durch die Übernahme der (ggf. anteiligen) Mietrückstände für die Antragsteller die Sicherung der gegenwärtigen Wohnung nicht mehr erreicht werden kann, da der Vermieter nicht bereit ist, auf die Zwangsräumung zu verzichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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