L 2 SO 63/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SO 4127/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 63/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Zum Rechtsschutzbedürfnis der Berufung einer beigeladenen Krankenkasse, wenn in der Hauptsache der zweitangegangene Rehaträger, hier der Sozialhilfeträger, zu Leistungen nach dem SGB V verurteilt wurde und die beigeladene Krankenkasse insoweit aufgrund der auch ihr gegenüber wirkenden Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils auch zu den Anspruchsvoraussetzungen – hier des § 33 SGB V – mit einem Erstattungsanspruch durch den Sozialhilfeträger rechnen müsste.
2. Ein Therapiedreirad, dass dem Erfolg einer Krankenbehandlung dient, fällt nicht unter die Eingliederungshilfe nach den §§ 54 SGB XII und § 55 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung, sondern stellt ein Hilfsmittel für die Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung im Sinne von § 33 SGB V dar (siehe hierzu BSG Urteil vom 7. Februar 2010 – B 3 KR 5/10 R –, juris)

Die Berufung der Beigeladenen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Darüber hinaus sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

               

Tatbestand


Streitig ist zwischen den Beteiligten die Erstattung der Kosten für ein Therapiedreirad.

Der 1996 geborene Kläger ist aufgrund einer pränatalen Schädigung unklarer Genese erheblich körperlich behindert. Es liegen eine bilaterale Cerebralparese, ein spastischer Knick-Senk-Fuß und eine persistierende Schwäche der Rumpf- und Beinmuskulatur, insbesondere der Wadenmuskulatur und der Kniebeuger, vor. Daneben bestehen weitere neurologische Beeinträchtigungen wie z.B. eine Aphasie. Der Vater des Klägers ist für diesen als gesetzlicher Betreuer bestellt. Der Kläger wohnt im Haushalt seiner Eltern.

Der Kläger ist bei der zum Verfahren beigeladenen T Krankenkasse pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung. Für seine Fortbewegung ist er von Seiten der Beigeladenen mit einem Aktivrollstuhl versorgt. Aktuell kann er ohne Unterstützung nicht frei gehen; mit Unterstützung nur kurze Strecken. Bis zum März 2016 konnte der Kläger kurze Strecken mit Hilfe eines Posterior Walker (Gehhilfe) zurücklegen. Er hat einen dauerhaften Anspruch auf Physiotherapie.

Im März 2016 wurde der Kläger in der S-Klinik in M, Zentrum für Kinder- und Neuroorthopädie, operiert. Indikation hierfür war die extreme Verkürzung der Beinmuskulatur, die durch eine Fasziomyotomie sowie eine Mobilisierung des Sprunggelenks gebessert werden sollte. In den Folgejahren – zuletzt im März 2020 – befand sich der Kläger mehrfach erneut stationär in der S-Klinik zur intensiven konservativen Therapie insbesondere zwecks Verbesserung des Gangbildes (Training der Bauchmuskulatur, der Abduktoren und Hüftstrecker).

B, Hausarzt des Klägers, verschrieb diesem am 18. August 2017 das Hilfsmittel Therapiedreirad „Trix“ der Firma H (Hilfsmittel Nr. 22.51.02.0059). Es handelt sich dabei um ein Liege-Dreirad, das sowohl vom Kläger allein als auch – mit Hilfe einer Tandemfunktion (Trailer-Set) – in Kombination mit dem Fahrrad eines weiteren Familienmitglieds betrieben werden kann. In beiden Varianten wird es (auch) durch die Muskelkraft des Klägers fortbewegt. Es existiert auch ein Modell mit E-Bike/Pedelec-Antrieb. Entsprechend zweier Angebote der Firma Fahrradspezialitäten Freiburg vom 11. August 2017 sollte das Grundmodell 6.896,00 € und das Modell mit Pedelec-(E-Bike-)Antrieb 9.056,00 € kosten. Die Kosten für das Trailer-Set betrugen anteilig daran jeweils 630,00 €.

Am 12. September 2017 beantragten die Eltern beim Beigeladenen für den Kläger das Therapiedreirad „Trix“ als Hilfsmittel aus der Krankenversicherung. Der Kläger sei nach der Operation im März 2016 besonders darauf angewiesen, seine Beinmuskeln zu trainieren, um wieder unabhängig vom Rollstuhl mobil zu sein.

Die Beigeladene leitete den Antrag am 21. September 2017 nach § 14 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an den Beklagten weiter. Der Kläger sei bereits durch den Rollstuhl hinreichend mit Hilfsmitteln versorgt, um seine Mobilität zu gewährleisten. Er könne mit dem Rollstuhl Strecken zurücklegen, die typischerweise im Nahbereich des Wohnumfeldes zu Fuß zurückgelegt würden. Das Therapierad solle dagegen Trainingszwecken dienen und eine gemeinsame Freizeitgestaltung mit den anderen Mitgliedern der Familie ermöglichen. Beides falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der Krankenversicherung, sondern sei der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zuzuordnen. Das Therapierad sei für das notwendige Muskeltraining auch nicht erforderlich. Physiotherapie und die Durchführung entsprechender Übungen in Eigenregie seien vorrangig und ausreichend.

Die Eltern des Klägers legten der Beklagten einen Arztbericht des Schularztes und gleichzeitig Chefarztes der S-Klinik P vom 4. Dezember 2017 vor, in dem dieser ausführte, dass die Muskelschwäche und die drohende Rezidivverkürzung der Faszienstrukturen problematisch sei, was eventuell wieder in einer operativen Maßnahme münden könne. Es sei notwendig, die Bein- und Rumpfmuskulatur wie auch die Armmuskulatur weiter zu trainieren mit der Zielsetzung der Vermeidung von erneuten Faszienverkürzungen. Dies sei sicherlich durch ein regelmäßiges Bewegungstraining möglich. P befürwortete den Einsatz des Therapierads „Trix“ von der Firma H mit Tandemfunktion zur gemeinsamen Nutzung mit dem Vater des Klägers. Sinn und Zweck dieser Maßnahme sei zum einen sicherlich die Teilhabe im Alltag, zum anderen aber auch die Kräftigung der Muskulatur und ein Elastizitätstraining der Faszien, damit diese sich nicht wieder verkürzten und damit eine erneute Operation verhindert werden könne.

Mit Bescheid vom 26. März 2018 lehnte der Beklagte die beantragte Leistung ab. Sie könne nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII gewährt werden, da der Kläger durch die Nutzung des Rollstuhls im Alltagsleben (Familie, Schule und häuslicher Nahbereich) bereits hinreichend mobil sei. Die zusätzliche Versorgung mit dem Therapierad sei für dieses Ziel nicht notwendig. Auch eine Leistung nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung komme nicht in Betracht, denn das notwendige Muskeltraining könne auch im Rahmen der Physiotherapie inklusive Übung in Eigenregie erreicht werden.

Hiergegen erhob der Vater/Betreuer des Klägers am 23. April 2018 Widerspruch. Der Kläger absolviere bereits wöchentlich zwei Einheiten beim Physiotherapeuten sowie täglich ein bis zwei weitere Einheiten in Eigenregie mit Unterstützung der Eltern. Dies reiche allerdings nicht aus, um den Erfolg der Operation im Jahre 2016 nachhaltig zu sichern. Zusätzliches Training sei unbedingt erforderlich und durch den Gebrauch des Therapierades besonders gut möglich. Ferner helfe das Therapierad auch bei der Integration des Klägers in die (Familien-)Gemeinschaft, da es Ausflüge etc. ermögliche, die aktuell mit dem Rollstuhl nicht oder nur sehr eingeschränkt durchführbar seien. Dies werde umso wichtiger, wenn der Kläger Mitte 2018 den Schulbesuch beende und die dortige soziale Integration in die Schul- und Klassengemeinschaft wegfalle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Gewährung eines Therapierads als Hilfsmittel der Eingliederungshilfe scheide aus, weil das Therapierad nicht notwendig bzw. nicht das einzig zur Verfügung stehende Mittel sei, um das Grundbedürfnis des Klägers nach selbstständiger Mobilität zwecks Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu befriedigen. Die Leistungsgewährung nach § 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) scheide aufgrund des Vorrangs der Physiotherapie aus.

Bis zum Ende des Schuljahres 2017/18 besuchte der Kläger die E-Schule (staatliche Schule für Körperbehinderte) in E1. Seit September 2018 ist er in der Förder- und Betreuungsgruppe der A-Werkstätten und Wohneinrichtungen (ASW+W gGmbH) in O, einer Werkstatt für behinderte Menschen, beschäftigt.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Betreuer des Klägers am 13. September 2018 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, welche er im Wesentlichen wie den Widerspruch begründet hat.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 1. April 2020 hat das SG die T Krankenkasse nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers.
Der Hausarzt B hat in seiner Auskunft vom 14. Juli 2020 angegeben, dass es sich bei dem Therapierad um die Trainingsmethode für den Kläger handele, die dieser am ehesten annehme. Es sei möglich, dass bei fehlendem Training eine Verschlechterung der Spastik eintrete und sich Fehlhaltungen und Kontrakturen einstellten. Der Einsatz des Therapierads unterstütze die Physiotherapie in den Bereichen Kraft und Ausdauer und setze die Therapieempfehlungen der S-Klinik um.

P hat in seiner Auskunft vom 4. August 2020 die regelmäßigen Therapieaufenthalte des Klägers in der S-Klinik bestätigt. Die Verwendung des Therapiedreirads sei erforderlich, um die Mobilität des Klägers im Nahbereich seiner Wohnung zu sichern, die ansonsten nicht gegeben wäre. Ferner habe der Einsatz des Therapierads auch einen positiven Einfluss auf die soziale Integration des Klägers. Regelmäßiges Training, wie es das Therapierad erbringe, sei erforderlich, um eine künftige (Wieder-)Verschlechterung der Muskelschwäche zu verhindern. Insofern sei die Verwendung des Therapierads für die Sicherung des Behandlungserfolgs notwendig. Die physiotherapeutische Behandlung sei zusätzlich erforderlich, aber nicht ausreichend. Es liege neben multiplen Diagnosen auch eine ausgeprägte allgemeine Muskelschwäche im Bereich des Rumpfes, des Beckens und der Beine vor. Die sonst durchgeführte Therapie solle im entsprechenden Ausmaß beibehalten werden.

Mit Schreiben vom 12. November 2020 hat der Betreuer des Klägers mitgeteilt, dass das Therapierad von ihm mittlerweile bestellt worden und einstweilen aus Eigenmitteln vorfinanziert worden sei. Es werde vom Kläger im Umfang von mindestens einer Stunde täglich verwendet. Es handele sich bei dem angeschafften Rad um die aktuelle Basisversion ohne Tandemfunktion. Die Rechnung der Firma F vom 12. September 2020 betrage 8.780,00 € abzüglich einer nicht notwendigen Fahrradtasche für 100,00 €. Es werde die Kostenübernahme in Höhe von 8.680,00 € begehrt.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2021 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 26. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2018 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger die Kosten für die Beschaffung des Therapiedreirads H „Trix“ in Höhe von 5.138,00 € zu erstatten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei überwiegend begründet. Der Kläger habe einen Anspruch auf Gewährung eines Hilfsmittels in Form des Therapiedreirads H „Trix“ gegen den Beklagten als zweitangegangenen Leistungsträger gehabt und daher nunmehr nach der Sachbeschaffung des Hilfsmittels im Herbst 2020 einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch. Der Anspruch ergäbe sich nicht aus den Vorschriften über die Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII; er ergäbe sich aus den Vorschriften über die gesetzliche Krankenversicherung. Die begehrte Leistung könne der Kläger nicht aus den Mitteln der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII erhalten. Der Kläger sei unstreitig als wesentlich behindert im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII anzusehen und gehöre daher zum Personenkreis der Eingliederungshilfeberechtigten. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung gehörten zu den möglichen Leistungen der Eingliederungshilfe auch die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung, die dem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen und sichern sollten. Dazu gehörten insbesondere die Hilfsmittel im Rahmen der medizinischen Rehabilitation nach § 31 SGB IX, aber auch sonstige Hilfen zur Teilhabe am kulturellen und gemeinschaftlichen Leben. Die hier begehrte Leistung lasse sich allerdings weder unter die Hilfen zur Teilhabe am kulturellen und gemeinschaftlichen Leben fassen noch als Hilfsmittel der medizinischen Rehabilitation im Rahmen der Eingliederungshilfe qualifizieren. Denn die entsprechende Hilfe müsse in beiden Fällen geeignet und auch erforderlich sein, um das Integrationsziel – hier ein Mindestmaß an eigenständiger Mobilität – zu erreichen. Das Therapierad im vorliegenden Fall sei dafür zwar geeignet, aber nicht erforderlich, um das Grundbedürfnis des Klägers, eine selbstständige Existenz wahrzunehmen, zu decken. Die Alltagsmobilität des Klägers sei auch ohne das Therapierad in angemessenem Umfang gewährleistet (gewesen). Insbesondere sei das Rad nicht notwendig, damit der Kläger seine Schule erreichen könne bzw. jetzt einen Arbeitsplatz. Die Mobilität im Nahbereich der Wohnung sei durch die Versorgung mit einem Aktivrollstuhl gewährleistet. Zwar würde das Therapierad dem Kläger eine selbstständige Erweiterung seines Mobilitätsradius ermöglichen. Insbesondere sei diesbezüglich auf erweiterte Freizeitmöglichkeiten für die gesamte Familie verwiesen worden. Allerdings sei davon auszugehen, dass es sich insoweit um eine zwar wünschenswerte und attraktive Erweiterung der bestehenden Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten des Klägers handeln würde, das notwendige Minimum an Mobilität zum Zweck der sozialen Teilhabe aber gleichwohl bereits durch die vorhandenen Hilfsmittel gedeckt sei. Insbesondere seien keine konkreten zwingenden Teilhabebedürfnisse genannt worden, die nicht anders befriedigt werden könnten. Auch gehe aus den medizinischen Unterlagen hervor, dass die Nutzung des Therapierads für Zwecke der sozialen Indikation des Klägers in das Leben der Gemeinschaft gegenüber den medizinischen/physiotherapeutischen Trainingsaspekten im Hintergrund stehe. Insbesondere P habe zwar den Teilhabeaspekt in seiner Auskunft vom 4. August 2020 als positiven Nebeneffekt erwähnt, sähe den Schwerpunkt der Nutzung allerdings im medizinisch-therapeutischen Bereich. B habe in seiner Auskunft vom 14. Juli 2020 den Teilhabeaspekt gar nicht erwähnt.
Der Erstattungsanspruch des Klägers ergäbe sich aber aus den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Kläger habe einen Anspruch gegen den Beklagten – als zweitangegangenen Leistungsträger nach § 14 Abs. 2 SGB IX – auf Versorgung mit dem Therapiedreirad H „Trix“ gehabt, denn es handele sich um ein Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 SGB V, das seiner Art und Funktion nach zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung des Klägers geeignet und notwendig sei. Rechtsgrundlage eines Kostenerstattungsanspruchs sei § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.V.m. § 18 Abs. 6 SGB IX, der den leistenden Rehabilitationsträger zur Erstattung einer vom Leistungsberechtigten selbst beschafften erforderlichen Leistung u.a. dann verpflichte, wenn ersterer diese – nach den Vorschriften des jeweils anzuwendenden Leistungsrechts – zu Unrecht abgelehnt habe. Lediglich der Höhe nach sei der geltend gemachte Kostenersatz nach unten zu korrigieren. Der Beklagte habe die Versorgung des Klägers mit dem streitgegenständlichen Therapiedreirad nach § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.V.m.§ 18 Abs. 6 SGB IX zu Unrecht abgelehnt. Versicherte hätten nach § 33 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen seien. Ein Anspruch auf Versorgung bestehe nur, soweit das begehrte Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei und das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Darüber hinausgehende Leistungen dürfe die Krankenversicherung (und damit auch der hier Beklagte, der nach den Vorschriften des SGB V agieren müsse) gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen. Hiervon ausgehend hätte der Beklagte die Versorgung mit dem begehrten Therapiedreirad nicht ablehnen dürfen, weil es als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung erforderlich sei. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe die Voraussetzungen der Versorgung mit einem Therapiedreirad als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung dahingehend konkretisiert, dass entweder das Therapiedreirad zwingend erforderlich sein müsse, damit der Versicherte sich in der eigenen Wohnung bzw. im Nahbereich seiner Wohnung fortbewegen könne, um so seine üblichen Alltagsgeschäfte zu erledigen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 3. Alternative SGB V), oder ohne den Einsatz eines Therapiedreirads eine über die bestehende Funktionseinschränkung hinausgehende, nicht mehr behebbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei natürlichem Verlauf in absehbarer Zeit und mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten würde (§ 33 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative SGB V), oder der Einsatz des Therapiedreirades zur Sicherung des Erfolgs der  Krankenbehandlung diene (§ 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V) und ebenso wirksame, aber wirtschaftlich günstigere Alternativen nicht zur Verfügung stünden, das Training mit dem Therapiedreirad also ein  im Rahmen der Krankenbehandlung erforderliches Hilfsmittel zur Mobilisation des Versicherten darstelle. Voraussetzung hierfür sei, dass das Therapiedreirad spezifisch im Rahmen einer ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werde, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Davon sei regelmäßig dann auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der Physiotherapie habe und die durch das Therapiedreirad unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördere oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen könne.
Nach Überzeugung des Gerichts lägen die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 3. Alternative SGB V nicht vor. Insoweit werde auf die Ausführungen zum bereits durch den Aktivrollstuhl gesicherten Mindestmaßes an Mobilität Bezug genommen. Nach Überzeugung des Gerichts seien aber die gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V genannten Voraussetzungen erfüllt. Das Therapierad sei notwendig zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung des Klägers und wirtschaftlichere Alternativen seien nicht ersichtlich. Grundsätzlich fielen Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. Allgemeine Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Gesundheit, also auch allgemeine sportliche Betätigung, genügten diesen Anforderungen nicht, selbst wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung durchgeführt würden. Dies gelte sowohl für behinderte als auch nicht behinderte Versicherte. Gleichwohl könnten Sachmittel zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation – wie hier das Therapiedreirad – in besonderen Einzelfällen Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V sein, wenn sie spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt würden, um zu deren Erfolg beizutragen. Ein spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung bestehe nur bei Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die eigentliche Krankenbehandlung als erforderlich anzusehen sind. Davon sei bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung – wie hier beim Therapiedreirad – dann auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der Physiotherapie habe, die durch das Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich förderten oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen könne und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten als wirtschaftlich darstelle. So liege es im vorliegenden Fall. Das Therapierad diene nicht nur zur allgemeinen sportlichen Betätigung des Klägers mit dem Ziel der Steigerung seiner körperlichen Kraft und Ausdauer. Der Kläger habe einen dauerhaften Anspruch auf Physiotherapie. Gleichwohl habe B dem Kläger zusätzlich das Therapierad verordnet, da es sich laut seiner Auskunft nicht nur um die Trainingsform handele, die dem Kläger und seinen individuellen Fähigkeiten und seiner Motivation am ehesten gerecht würden, sondern die auch zur gezielten Unterstützung der bereits regelmäßig durchgeführten Physiotherapie notwendig sei. Hierbei stütze sich B auf die Empfehlungen der S-Klinik, in der der Kläger seit mindestens 2016 regelmäßig behandelt werde. Dementsprechend habe P in seiner Auskunft vom 4. August 2020 bestätigt, dass die Physiotherapie nicht ausreiche, um das Behandlungsziel – deutliche Stärkung der Bein- und Rumpfmuskulatur – nachhaltig zu erreichen bzw. zu sichern. Dies werde auch vom Vater und Betreuer des Klägers glaubhaft so geschildert. Die Nutzung des Therapierades, die nach dem Vortrag des Vaters und Betreuers des Klägers seit seiner Anschaffung auch regelmäßig erfolge, stehe damit in einem spezifischen Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung in Form der dauerhaften Ergänzung zur Physiotherapie. Ob die Behandlungsfrequenz der Physiotherapie dadurch gesenkt werden könne oder nicht, sei nicht bekannt. B halte dies für möglich. P gehe eher davon aus, dass beide Formen der Mobilisation nebeneinander notwendig seien. Letztlich sei dies nicht ausschlaggebend, da eine wesentliche Förderung der Physiotherapiemaßnahmen durch das zusätzliche Radtraining ausreiche. Der Einsatz des Therapiedreirades stelle sich hier daher als Teil des ärztlich verantworteten therapeutischen Gesamtkonzepts dar, indem das Hilfsmittel neben weiteren therapeutischen Maßnahmen, wie der Physiotherapie zum Zwecke der Mobilisation und Verbesserung des Gangbildes, zur Minderung von Spastiken sowie zur Förderung des ansonsten gefährdeten Erhalts der Gehfähigkeit notwendig sei, da sich die Physiotherapie alleine – nachvollziehbar aufgrund der komplexen und erheblichen Behinderung des Klägers – als nicht ausreichend erwiesen habe. Wirtschaftlichere Alternativen seien nicht ersichtlich. Insbesondere scheide der Verweis auf die vergleichsweise wirtschaftlichere intensivierte Wahrnehmung der Physiotherapie aus, weil dies gerade nicht ausreichend sei. Im bisherigen Schriftverkehr zwischen den Beteiligten scheine sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene stets davon ausgegangen zu sein, dass der Kläger das Therapierad anstatt intensiver Physiotherapie nutzen wolle. In diesem Fall würde sich die Frage der Wirtschaftlichkeit des begehrten Hilfsmittels stellen. Als Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme stehe aber zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich nicht um Therapiealternativen handele, sondern um ein zweigleisiges therapeutisches Konzept, das erst in Summe den Erfolg der Krankenbehandlung nachhaltig sichern könne. Ein genereller Vorrang krankengymnastischer Leistungen gegenüber der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung nach § 33 SGB V bestehe im Übrigen nicht. Das Therapiedreirad sei auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens von der Sachleistungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen. Fahrräder in Form eines üblichen Zweirades seien allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Damit sei das vom Kläger beschaffte Therapiedreirad allerdings nicht vergleichbar. Es handele sich nach den Produktinformationen des Herstellers um Spezialanfertigungen für behinderte junge Menschen, die jeweils individuell an die körperlichen Bedürfnisse der Betroffenen angepasst würden. Ein Leistungsausschluss nach § 34 SGB V liege ebenfalls nicht vor. Da der Beklagte verkannt habe, dass die beantragte Leistung die Voraussetzungen des § 33 SGB V erfülle und der Kläger daraufhin das Hilfsmittel zwischenzeitlich selbst beschafft habe, stehe diesem dem Grunde nach ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.V.m. § 18 Abs. 6 SGB IX zu. Der geltend gemachte Anspruch bestehe allerdings nicht in der vom Kläger zuletzt geltend gemachten Höhe von 8.680,00 €, sondern lediglich in geringerem Umfang, sodass der Klage nur teilweise stattzugeben gewesen sei. Im Ergebnis verbleibe ein erstattungsfähiger Anschaffungsbetrag von 5.138,00 €.

Gegen den der Beigeladenen gegen Empfangsbekenntnis am 27. Dezember 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 4. Januar 2022 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und vorgetragen, die Berufung sei zulässig, da eine Beschwer vorliege. Der Gerichtsbescheid entfalte volles Präjudiz in einem möglichen folgenden Erstattungsverfahren. Ein Anspruch nach § 33 SGB V bestehe nicht. Ein Therapiedreirad sei grundsätzlich kein Hilfsmittel, welches von der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren sei. Das BSG habe für Therapieräder entschieden, dass diese nicht erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, weil eine regelmäßige Krankengymnastik nicht mehr ausreiche, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebte Verbesserung der körperlichen und seelischen Verfassung eines behinderten Menschen erreichen könne, einschließlich der Stärkung der Muskulatur, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl. Der Sicherung eines Erfolges einer Krankenbehandlung diene ein sächliches Mittel dann, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werde, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dabei komme nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung im Sinne von § 27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stünden und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen seien. Diese Voraussetzungen lägen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie habe und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich förderten oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen könne. Die von der Rechtsprechung geforderte Einbindung in ein ärztlich begleitetes Therapiekonzept sei vorliegend nicht erkennbar. Ein Therapieplan sei nicht vorgelegt worden. Sie gehe davon aus, dass ein solcher nicht existiere. Es sei nicht vorgetragen worden, dass der Einsatz des Therapiedreirades Teil eines ärztlich verantworteten komplexen therapeutischen krankheitsbezogenen Vorgehens sei, indem das Hilfsmittel neben weiteren therapeutischen Maßnahmen wie einer regelmäßigen Krankengymnastik eingesetzt werde und dies von den behandelnden Ärzten bei der Planung von Intensität und Häufigkeit der Krankengymnastik als weiteres Therapieelement berücksichtigt werde. Aus den Befundberichten ergebe sich nur, dass die Nutzung des Therapierades „am besten angenommen werde“. Von B sei nicht ausgeführt worden, dass eine medizinische Notwendigkeit gegeben sei. Wichtig scheine, dass regelmäßig trainiert werde. Es werde aber nicht ausgeführt, was regelmäßig in diesem Zusammenhang bedeute. Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine wirtschaftliche Alternative nicht existieren solle. Warum reiche ein Tischfahrrad“, welches sogar witterungsunabhängig genutzt werden könne, nicht aus? Warum der Verweis auf eine intensivierte Wahrnehmung der Physiotherapie ausscheide, sei nicht nachvollziehbar.

Die Beigeladene beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Dezember 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. In dem von der Beigeladenen in Bezug genommenen Urteil vom BSG werde im Ergebnis der Anspruch auf Versorgungmit einem Therapiedreirad bejaht. Voraussetzung für den Anspruch auf Versorgung sei demnach ein spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V. Die Beigeladene leite aus dieser Entscheidung ab, das Hilfsmittel müsse in einem Therapieplan aufgeführt sein. Die Beigeladene gehe davon aus, ein solcher Therapieplan existiere nicht. Das BSG stelle aber nicht darauf ab, dass das Therapiedreirad selbst Teil des Therapieplans sein müsse. Das sei auch in der besagten Entscheidung nach den Feststellungen der vorangegangenen Instanzen nicht der Fall gewesen. Es komme stattdessen darauf an, dass das Hilfsmittel in einem engen Zusammenhang zu einem Therapieplan stehe. Das Therapiefahrrad müsse insoweit noch nicht einmal formell ärztlich verschrieben werden, was allerdings vorliegend geschehen sei. Erforderlich, aber auch ausreichend sei statt dessen ein enger Zusammenhang mit einem Therapieplan. P habe in seiner Auskunft vom 4. August 2020 bestätigt, dass die Physiotherapie nicht ausreiche, um das Behandlungsziel – deutliche Stärkung der Bein- und Rumpfmuskulatur – nachhaltig zu erreichen bzw. zu sichern. Schon im Arztbrief vom 4. Dezember 2017 habe P ausgeführt, Sinn und Zweck dieser Maßnahme sei u.a. eine Kräftigung der Muskulatur und Elastizitätstraining der Faszien, damit sich diese nicht wieder verkürzten und dass durch diese Maßnahme eine erneute Operation verhindert werden solle. B gebe in seiner Stellungnahme vom 14. Juli 2020 eine mögliche Reduktion der Krankengymnastik an. Der Kläger könne auch nicht auf einen Heimtrainer verwiesen werden.

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 12. Juli 2022 (Kl. und Beigel.) sowie vom 25. Juli 2022 (Bekl.) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.





Entscheidungsgründe

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Berufung der Beigeladenen hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Insbesondere fehlt es der Beigeladenen auch nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Berufung, auch wenn durch den Gerichtsbescheid des SG der Beklagte zur Kostenerstattung gegenüber dem Kläger verurteilt worden ist, denn sie ist durch den Gerichtsbescheid des SG vom 21. Dezember 2021 beschwert. Eine Beschwer liegt für einen Beigeladenen bei materieller Beschwer vor, ohne Rücksicht darauf, ob der Beigeladene Anträge in der Vorinstanz gestellt hat. Beschwert ist ein Beigeladener, wenn er geltend machen kann, dass er aufgrund der Bindungswirkung der angefochtenen Entscheidung nach § 141 SGG unmittelbar ihn seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Aufl., 2020, vor § 143 Rn. 8 m.w.N.). Dies ist deshalb zu bejahen, weil vorliegend aufgrund des Gerichtsbescheids des SG ein Erstattungsanspruch gemäß § 16 Abs. 1 SGB IX des Beklagten gegen die Beigeladene in Betracht kommt. Hat danach ein leistender Rehabilitationsträger nach § 14 Abs. 2 Satz 4 Leistungen erbracht, für die ein anderer Rehabilitationsträger insgesamt zuständig ist, erstattet der zuständige Rehabilitationsträger die Aufwendungen des leistenden Rehabilitationsträgers nach den für den leistenden Rehabilitationsträger geltenden Rechtsvorschriften. Diese Vorschrift räumt dem zweitangegangenen Rehabilitationsträger – vorliegend der Beklagte – gegenüber dem materiell-rechtlich originär zuständigen Träger einen spezialgesetzlichen Anspruch ein, der die allgemeinen Erstattungsansprüche der §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verdrängt (vgl. nur BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 36 Rn. 11). Ob die Beigeladene der im Sinne des § 16 Abs. 1 SGB IX für die Rehabilitationsleistung „Therapiedreirad“ eigentlich zuständige Rehabilitationsträger ist, wäre in einem nachfolgenden Erstattungsstreit zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen auf der Grundlage des § 16 Abs. 1 SGB IX wegen der (eingetretenen) Rechtskraftwirkung (§ 141 SGG) des Gerichtsbescheids des SG vom 21. Dezember 2021 nicht mehr zu prüfen. Diese würde nicht nur die Frage der Zuständigkeit der Beigeladenen erfassen, sondern auch die Anspruchsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 SGB V. All dies wäre zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen bindend im Sinne einer Präjudiziabilität festgestellt (vgl. dazu Keller, a.a.O., § 141 Rn. 6d). Insoweit würde die Rechtskraft des Gerichtsbescheids des SG nicht nur gegenüber dem Kläger und dem Beklagten wirken, sondern auch gegenüber der Beigeladenen. Es wäre dann bereits rechtskräftig über die Verpflichtung des Beklagten zur Leistungserbringung (Kostenerstattung bezüglich des selbst angeschafften Therapiedreirades) als  zweitangegangener Rehabilitationsträger statt der eigentlich zuständigen Beigeladenen entschieden, soweit es die materiell-rechtliche Verpflichtung der Beigeladenen beträfe, und damit nicht nur als Vorfrage für die Entscheidung des SG, sondern als zentrale Frage beantwortet, ob und von wem die nach materiellem Recht vom Beklagten gewährte Leistung wegen des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX im Innen- und im Außenverhältnis zu erbringen ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 12/12 R -,  veröffentlicht in juris).

Die Berufung der Beigeladenen ist jedoch unbegründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid des Beklagten vom 26. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2018 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt sowie, dass der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die „Selbstbeschaffung“ des Therapiedreirades H „Trix“ (in Höhe von 5.138,00 €) hat. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass der Kläger gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V einen Anspruch auf die Versorgung mit einem Therapiedreirad als Hilfsmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung hatte und dass als Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch des Klägers § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V i.V.m. § 18 Abs. 6 SGB IX heranzuziehen ist, weil der Kläger gegen den Beklagten – als zweitangegangenen Leistungsträger nach § 14 Abs. 2 SGB IX – einen Anspruch auf Versorgung mit dem Therapiedreirad H „Trix“ nach § 33 Abs. 1 SGB V hatte. Der Senat sieht daher zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab und weist die Berufung der Beigeladenen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend wird mit Blick auf die Berufungsbegründung der Beigeladenen noch folgendes ausgeführt:
Das BSG (Urteil vom 7. Februar 2010 – B 3 KR 5/10 R -, veröffentlicht in juris) hat die Voraussetzungen der Versorgung mit einem Therapiedreirad als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung dahingehend konkretisiert, dass der Einsatz des Therapiedreirades der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dienen muss (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V) und ebenso wirksame, aber wirtschaftlich günstigere Alternativen nicht zur Verfügung stehen, das Training mit dem Therapiedreirad also ein im Rahmen  der Krankenbehandlung erforderliches Hilfsmittel der Mobilisation des Versicherten darstellt. Voraussetzung hierfür ist, dass das Therapiedreirad spezifisch im Rahmen einer ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Ein spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung besteht nur bei den Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und wie die eigentliche Krankenbehandlung als erforderlich anzusehen sind. Davon ist bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung wie vorliegend beim Therapiedreirad dann auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der Physiotherapie hat, die durch das Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten als wirtschaftlich darstellt.

Vorliegend hat der Kläger einen dauerhaften Anspruch auf Maßnahmen der Physiotherapie; diesen Anspruch erfüllt die Beigeladene kontinuierlich (vgl. z.B. Bescheid der Beigeladenen vom 6. November 2018). Die Behandlung des Klägers ausgehend von der Diagnose einer pränatalen  Schädigung unklarer Genese mit dem Vorliegen einer bilateralen Cerebralparese, eines spastischen Knick-Senk-Fußes und einer persistierenden Schwäche der Rumpf- und Beinmuskulatur seitens seines Hausarztes B und insbesondere seitens der S-Klinik in M - dort mit einer Operation am 22. März 2016 (eine perkutane Fasziotomie der Wadenmuskulatur auf zwei Etagen beidseits sowie der medialen Kniebeugemuskulatur beidseits) - und den dort vorgenommenen kontinuierlichen – jedes Jahr – konservativen Therapien gerade bezüglich der ausgeprägten allgemeinen Muskelschwäche des Klägers im Bereich des Rumpfes, des Beckens und der Beine sowie der diesbezüglich durchgeführten permanenten Physiotherapie seit Jahren beruht auf einem ärztlichen Therapieplan. Die Maßnahme zur körperlichen Mobilisation, nämlich die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad, steht auch in einem engen therapeutischen Zusammenhang mit diesen auf der Grundlage des ärztlichen Therapieplans durchgeführten seit Jahren erfolgenden Behandlungen des Klägers und sie ist auch für die eigentliche Krankenbehandlung erforderlich. Dies folgt aus den sachverständigen Zeugenauskünften von B vom 14. Juli 2020 und insbesondere von P (S-Klinik) vom 4. August 2020 sowie aus seinem Arztbericht vom 4. Dezember 2017, welcher das regelmäßige Training mit dem Therapiedreirad für erforderlich hält, um eine künftige (Wieder-)Verschlechterung der Muskelschwäche zu verhindern. Er hat ausgeführt, dass, wenn die schwache Muskulatur im Bereich der Beine und des Rumpfes, aber auch der Arme nicht entsprechend regelmäßig trainiert würde, es zu einer deutlichen und wahrscheinlich nicht mehr behebbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers kommen würde, insbesondere eine erneute Faszienverkürzung eintreten würde. Er hält den Einsatz eines Therapiedreirades ausdrücklich als zusätzliches Training der ausgeprägten Muskelschwäche im Bereich des Rumpfes, des Beckens und der Beine und der Arme für erforderlich. Parallel dazu muss seiner ärztlichen Ansicht nach die physiotherapeutische Behandlung zusätzlich und regelmäßig fortgeführt werden.

Wenn die Beigeladene mit der Berufungsbegründung vorbringt, dass es jedenfalls an einem ärztlichen Therapieplan fehle, dessen integraler Bestandteil das Hilfsmittel „Therapierad“ sei, wobei „das Hilfsmittel neben weiteren therapeutischen Maßnahmen wie einer regelmäßigen Krankengymnastik eingesetzt werde und dies von den behandelnden Ärzten bei der Planung von Intensität und Häufigkeit der Krankengymnastik als weiteres Therapieelement berücksichtigt werde“, verkennt sie die gesetzlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf die Gewährung eines Hilfsmittels zur Mobilisation gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGB V in seiner Ausgestaltung durch das BSG. In seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2010 (B 3 KR 5/10 R), mit der das BSG einen Anspruch des dortigen Versicherten auf ein Therapiedreirad bejaht hat, geht das BSG offensichtlich nicht davon aus, dass das Therapierad selbst Bestandteil des ärztlichen Therapieplans sein muss. Dies schon deshalb, weil nach den vom BSG zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen eine ärztliche Verordnung des Therapierades nicht erfolgt war. Vorliegend ist hingegen eine ärztliche Verordnung des Therapierades seitens B am 18. Oktober 2017 erfolgt. „Ausreichend“ ist, dass das Therapiedreirad in einem engen, spezifischen Zusammenhang mit der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung durch ärztlich und ärztlich angeleitete Leistungserbringer (Physiotherapeut) steht. Hiervon ist unzweifelhaft nach den bereits angeführten sachverständigen Zeugenauskünften – insbesondere der von P – auszugehen. Nur in der Kombination des regelmäßigen Trainings mit dem Therapiedreirad und der kontinuierlich durchgeführten Krankengymnastik hält er eine ausreichende Therapie mit Blick auf die ausgeprägte Schwäche der Muskulatur des Klägers an Rumpf, Beinen und Armen für gegeben.

Die Versorgung des Klägers mit dem Therapiedreirad H „Trix“ ist zum Zwecke der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung auch erforderlich im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, denn ebenso wirksame, aber wirtschaftlich günstigere Alternativen als das Training mit dem Dreirad stehen nicht zur Verfügung. Insbesondere kann der Kläger diesbezüglich nicht auf die Alternative eines „Tischfahrrades“ (Heimtrainer) verwiesen werden, denn das Training mit dem Therapiedreirad unterstützt und fördert u.a. auch den Gleichgewichtssinn des Klägers insbesondere durch die Notwendigkeit zur Koordination von gleichzeitigem Treten und Lenken in einer Weise, wie es durch einen statischen Heimtrainer nicht erreicht werden kann. Sollte das Training mit dem Dreirad durch eine höher frequentierte Krankengymnastik ersetzt werden können, stünde dies der Erforderlichkeit der Versorgung mit dem Therapiedreirad ebenfalls nicht entgegen. Denn angesichts der für das Dreirad lediglich einmaligen Anschaffungskosten – diesbezüglich ist von den durch das SG zutreffend berechneten Anschaffungskosten in Höhe von 5.138,00 € auszugehen – und voraussichtlicher Nutzbarkeit von vielen Jahren ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Erhöhung der Krankengymnastikfrequenz (Stundenanzahl) jedenfalls wirtschaftlich nicht günstiger wäre. Schon nach der eigenen Berechnung der Beigeladenen, welche sie im Klageverfahren vorgelegt hat, wäre bei den von ihr angesetzten 33,52 € für eine Krankengymnastikstunde und den als „Vergleich“ heranzuziehenden 5.138,00 € als Anschaffungskosten für das Therapiedreirad bei 153 Krankengymnastikbehandlungen eine wirtschaftliche „Gleichstellung“ herbeigeführt. Dies wäre nach der Berechnung der Beigeladenen in zeitlicher Hinsicht schon nach 6,375 Jahren erreicht. Selbst dann, wenn die zu vergleichenden Kosten – wofür nach den vorherigen Ausführungen wenig spricht – in der Summierung über Jahre gleich hoch wären, hätte dann der Wunsch des Klägers wegen des ihm nach § 33 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und § 9 Abs. 1 SGB IX eröffneten Wahlrechts bei gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Alternativen Vorrang. Im Übrigen ist an der Stelle zu wiederholen, dass ein genereller Vorrang krankengymnastischer Leistungen als Heilmittel (§ 32 SGB V) gegenüber der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung nicht besteht (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 23).

Nach alldem hatte die Berufung der Beigeladenen keinen Erfolg und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.


 

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