L 7 SO 619/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SO 3577/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 619/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Für eine Angemessenheit der Beiträge zu einer Versicherung als Sterbegeldversicherung nach § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII ist dem Grunde nach maßgeblich darauf abzustellen, ob die Erreichung des aus Mitteln der Sozialhilfe zu fördernden Zwecks auch sichergestellt ist. Hierzu ist erforderlich, dass der angesparte Vermögenswert tatsächlich für die Bestattungskosten oder die Grabpflege verwendet wird. Dies ist dann der Fall, wenn der Hilfebedürftige die für die Bestattung vorgesehenen Mittel aus seinem übrigen Vermögen ausgeschieden und mit einer entsprechenden Zweckbindung verbindlich festgelegt hat.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Januar 2021 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Monat Januar 2017 weitere 39,00 EUR, für den Monat Februar 2017 weitere 150,58 EUR, für den Monat Januar 2018 weitere 39,00 EUR und für den Monat Februar 2018 weitere 152,02 EUR Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung von Beiträgen zu einer Sterbegeldversicherung im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) streitig.

Die 1940 geborene Klägerin wohnt in einer einer ihrer Töchter (I) gehörenden Wohnung, für die ihr ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt ist. An diese Tochter zahlt sie Vorauszahlungen auf Heiz- und Nebenkosten in Höhe von monatlich 280,00 EUR (einschließlich 40,00 EUR für eine Garage). Sie bezieht von der Deutschen Rentenversicherung B eine Regelaltersrente (Zahlbetrag ab 1. Juli 2016: 465,79 EUR, ab 1. Januar 2017: 464,75 EUR, ab 1. Juli 2017: 473,59 EUR). Ab dem 1. Dezember 2016 wurde ihr Pflegegeld nach der Pflegestufe II, ab dem 1. Januar 2017 nach Pflegegrad 3 zuerkannt.

Am 6. Dezember 2016 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dazu gab sie an, sie habe bereits im März 2013 einen Antrag stellen wollen. Es sei ihr jedoch schwergefallen, auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Sie habe nun seit dreieinhalb Jahren mit sich gehadert und versucht, über die Runden zu kommen, was ohne die Hilfe ihrer Tochter (I) aber gar nicht möglich gewesen sei. Sie reichte ein entsprechendes Antragsformular ein, auf dem als Tag der Antragstellung der 14. März 2013 angegeben war. Als Einkommen gab sie eine Regelaltersrente in Höhe von 465,79 EUR an; als besondere Belastungen machte sie neben Kosten für eine Hausratversicherung (Jahresbeitrag für die Zeit vom 1. Februar 2017 bis 31. Januar 2018, fällig am 1. Februar 2017: 97,43 EUR, für die Zeit vom 1. Februar 2018 bis 31. Januar 2019, fällig am 1. Februar 2018: 98,87 EUR), eine Haftpflichtversicherung (Jahresbeitrag für 2017, fällig am 1. Januar 2017: 57,85 EUR) und eine Mitgliedschaft im S e.V. (Jahresbeitrag fällig jeweils im Februar: 72,00 EUR) insbesondere Beiträge für eine Sterbegeldversicherung in Höhe von 53,68 EUR monatlich geltend.

Sie legte einen Versicherungsschein über die Versicherung „I1 SterbeGeld“ vor, welcher einen Versicherungsbeginn am 1. September 2015, eine Beitragszahlungsdauer von 10 Jahren und eine Versicherungssumme von 4.000,00 EUR ausweist. Bei Unfalltod werde die doppelte Versicherungssumme gezahlt. Der Beitrag betrage 53,68 EUR monatlich. Der Versicherungsnehmer habe widerruflich für den Todesfall ein Bezugsrecht für I zu 100 Prozent verfügt.

Mit Bescheid vom 18. Januar 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis 31. Dezember 2016 in Höhe von 237,46 EUR monatlich, für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 30. Juni 2017 in Höhe von 244,00 EUR monatlich, für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 in Höhe von 235,16 EUR monatlich und für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2018 in Höhe von 242,86 EUR monatlich. Ab 1. Juli 2018 werde der Beklagte die Leistung zunächst bis zum Erlass eines neuen Bescheides vorläufig als Vorschuss in Höhe des in dem Bescheid genannten Betrages zahlen. Die Beitragshöhe für die Sterbegeldversicherung in Höhe von monatlich 53,68 EUR sei nicht angemessen und könne daher nicht vom Einkommen abgesetzt werden. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte der Beklagte als Bedarf neben dem Regelsatz einen ernährungsbedingen Mehrbedarf in Höhe von 10 Prozent sowie Unterkunftskosten in Höhe von 240,00 EUR. Darauf rechnete er das Renteneinkommen, von dem er jeweils 1/12 der jährlichen Aufwendungen für die Haftpflichtversicherung, die Hausratversicherung sowie den S-Beitrag absetzte, an.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin unter dem 20. Februar 2018 Widerspruch ein. Anspruchsgrundlage des Begehrens auf Berücksichtigung der Sterbegeldversicherung sei § 33 SGB XII. Bei der Klägerin, die vor kurzem das 77. Lebensjahr vollendet habe, sei zu prognostizieren, dass zur Deckung der Bestattungskosten Sozialhilfe benötigt werde, wenn die Beiträge für eine Sterbegeldversicherung nicht übernommen würden. Die Sterbegeldversicherung sei zudem zweckgebunden für die Bestattungskosten bestimmt und sichere den reinen Todesfall ab. Dabei gehe es lediglich um die Hauptkosten einer Bestattung. Die Sterbegeldversicherung sei bereits vor dem Leistungsfall, nämlich im Sommer 2015, abgeschlossen worden. Aufgrund der vorhandenen Mittel könne diese jedoch nicht weitergeführt werden. Dabei sei zu beachten, dass das bisher von der gesetzlichen Krankenversicherung geleistete Sterbegeld weggefallen sei, sodass die Klägerin diese Absicherung habe treffen müssen. Es sei der Vertrag mit dem nach einem Vergleichsportal günstigsten Angebot gewählt worden.

Mit Bescheid vom 23. August 2018 bewilligte der Beklagte die Leistungen für die Zeit ab 1. Juli 2018 weiter.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar handele es sich bei der bei der I1 Lebensversicherung a.G abgeschlossenen Versicherung um eine reine Sterbegeldversicherung, deren Beiträge grundsätzlich im Rahmen des § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII vom Einkommen abzusetzen seien. Allerdings seien die Beiträge nicht angemessen. Der Versicherungsbeginn sei zwar vor der Stellung des Antrags auf Sozialhilfe gewesen. Die Klägerin sei jedoch schon zu dieser Zeit bedürftig gewesen. Problematisch sei, dass die Versicherung mit einer Beitragszahlungsdauer von 10 Jahren bei einem monatlichen Beitrag von 53,68 EUR geschlossen worden sei. Angesichts der bei 88 Jahren liegenden Lebenserwartung seien die Zahlungen rein statistisch bis zum Ende der Beitragsdauer zu erbringen. Ab Beginn der Sozialhilfegewährung im Dezember 2016 würde ein Aufwand für die Beitragszahlung in Höhe von 5.636,40 EUR entstehen. Da die Versicherungssumme bei 4.000 EUR liege, würde mehr eingezahlt, als im Todesfall ausgezahlt werden würde. Insgesamt würden bis zum Ablauf der Beitragszahlungen 6.441,60 EUR einbezahlt. Die Beitragshöhe sei damit nicht angemessen. Damit könnten die Beiträge weder vom Einkommen abgesetzt noch als Bedarf anerkannt werden.

Gegen den am 19. Oktober 2018 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 7. November 2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie den Vortrag im Widerspruchsverfahren wiederholt und zusätzlich geltend gemacht, dass im Rahmen der Besprechung des Sachverhalts in einem Telefonat am 23. März 2017 das Bestehen eines Härtefalls geltend gemacht worden sei, weil bei einer Kündigung mehr als die Hälfte der bisher eingezahlten Beiträge verloren gingen, worauf dann ausdrücklich bestätigt worden sei, dass bei Feststellung der Bedürftigkeit diese Beiträge zur Sterbegeldversicherung als Ausgaben berücksichtigt und übernommen würden. Unter dem Aspekt der überlangen und nicht erklärbaren Bearbeitungszeit bis zur Bescheiderteilung ein Jahr später wiege dieser Umstand besonders schwer und solle bei Prüfung der Gesamtumstände berücksichtigt werden. Die Nichtberücksichtigung der Sterbegeldversicherung stelle nämlich somit eine besondere Härte dar und es könne nicht verlangt werden, diesen Vertrag rückabzuwickeln und die Hälfte der Beiträge zu verlieren.

Mit Urteil vom 12. Januar 2021 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18. Januar 2018 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2018 dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin in gesetzlicher Höhe Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2016 bis 30. Juni 2018 unter leistungserhöhender Absetzung ihrer Aufwendungen für Beiträge zur Sterbegeldversicherung von monatlich 53,68 EUR zu gewähren. Die Klägerin könne die Absetzung der Aufwendungen für Beitrage zur Sterbeversicherung vom Einkommen verlangen, weil diese dem Grund und der Höhe nach angemessen seien. Die Prävalenz bestimmter privater Versicherungsformen stelle keinen verlässlichen Anhaltspunkt für die Beantwortung der Frage dar, ob es sich bei ihr generell um eine dem Grunde nach angemessene private Versicherung im Sinne des § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII handele. Der Träger der Sozialhilfe sei vielmehr verpflichtet, einen einzelfallbezogenen und konkreten Prüfungsmaßstab anzulegen, welcher einer uneingeschränkten inhaltlichen Kontrolle der nachgeschalteten Sozialgerichtsbarkeit unterliege. Der hiermit unweigerlich verbundene Amtsermittlungs-, Rechtsprüfungs- bzw. Entscheidungsbegründungsaufwand rechtfertige für sich alleine genommen gerade nicht eine wortlautwidrige Auslegung des gesetzlichen Vorbehalts der einzelfallbezogenen Angemessenheit. Die zur Begründung der gegenteiligen Rechtsauffassung – das heiße, das maßgebliche Abstellen auf die Verbreitung einer Versicherungsform unter den Beziehern von Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze – bemühten „Praktikabilitätsgründe“ vermögen nicht zu überzeugen. Ein pauschaler Verweis auf nicht näher benannte „Praktikabilitätsgründe“ rechtfertige keine Abweichung der Rechtsprechung vom kodifizierten Willen des Gesetzgebers. Wer als Leser eines der Argumente „Prozessökonomie“, „Pragmatismus“ oder „Praktikabilität“ vor den Latz geknallt bekomme, sollte hellhörig werden, denn wer auf sie rekurriere, dürfte schlichtweg überlastet sein. Darüber hinaus spreche für die sozialhilferechtliche Absetzbarkeit von Beiträgen zur privaten Sterbeversicherung, dass hierdurch das in Art. 14 Grundgesetz (GG) garantierte Erbrecht verfassungskonform konkretisiert werde. Ferner spreche für die Angemessenheit der Sterbeversicherung der Klägerin, dass der Versicherungsfall – ihr Tod – mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit eintreten werde, weil er so sicher sei wie sonst nichts in ihrem Leben. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung sei einzustellen, dass sich im Falle der Kündigung oder Ruhendstellung der Versicherung der Verkehrswert der aufgrund der bereits geleisteten Beiträge erworbenen Anwartschaftsrechte mehr als halbieren würde. Schließlich spreche die derzeitige Hilfebedürftigkeit der Klägerin für eine leistungserhöhende Absetzung der Beiträge zur Sterbegeldversicherung, weil diese zur Entlastung des Beklagten führen werde, sobald die Kosten für Beerdigung der Klägerin anfallen würden. Eine Unangemessenheit der Beiträge für eine Sterbegeldversicherung folge nicht allein aus dem Umstand, dass in dem denkbaren Fall eines Todes erst nach dem Erreichen der Höchstbeitragszeit eine wesentlich niedrigere Versicherungssumme ausgezahlt würde, als in diesem Eventualverlauf insgesamt zuvor an Beiträgen eingezahlt worden sein würde. Selbst in dem versicherungswirtschaftlich für das Versicherungsunternehmen bestmöglichen Fall des Ablebens erst nach Erreichen der Beitragshöchstdauer würde der Reingewinn des Versicherungsunternehmens nicht in der Höhe der Differenz der Beitragseinnahmen abzüglich der Versicherungssumme (2.441,60 EUR) bestehen, weil dem Versicherungsunternehmen laufende Betriebskosten entstünden, welche gewinnmindernd wirkten. Unter deren Berücksichtigung amortisiere sich für den Versicherer der Abschluss der streitbefangenen Sterbegeldversicherung womöglich nicht einmal in dem für ihn bestmöglichen Fall der zehnjährigen Beitragsentrichtung. Hierfür spreche insbesondere, dass der von der Klägerin abgeschlossene Vertrag in einem Internetvergleichsportal das günstigste Angebot darstelle. Dies deute darauf hin, dass es sich um ein sog. „Lockvogelangebot“ handeln könnte. Bei dem vorliegenden Vertragsinhalt werde sich die Zwischensumme der laufend entrichteten Beiträge erst nach 75 Monatszahlungen auf über 4.000 EUR akkumulieren. Falls der Versicherungsfall bis dahin eintreten sollte, hätte die Klägerin demnach eine für sie wirtschaftlich günstige „Wette“ über ihre Restlebensdauer abgeschlossen und der Sterbegeldversicherer mit dem hier streitbefangenen Vertrag (erst recht) Verluste erwirtschaftet. Indessen vermögen Versicherungsnehmer:innen bei Verträgen über gesundheitliche Sterberisiken kraft ihres überlegenen Wissens über ihren tatsächlichen (und nicht nur aufgrund des sich aus der Gesamtheit der sie betreffenden medizinischen Unterlagen anscheinshalber ergebenden) Gesundheitszustandes vergleichsweise besser prognostizieren, ob ihnen ein vergleichsweise langes Restleben vergönnt sei, als dies beispielsweise der Sterbegeldversicherer der Klägerin vermöge.

Gegen das ihm am 21. Januar 2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19. Februar 2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Ob eine private Versicherung dem Grunde nach angemessen sei, richte sich nach den üblichen Lebensgewohnheiten unterer Bevölkerungsschichten. Es sei angemessen, nicht alle Lebensrisiken abzusichern, sondern einen Mindeststandard. Das Bundessozialgericht (BSG) nehme in ständiger Rechtsprechung an, dass aus Praktikabilitätserwägungen von einer Üblichkeit auszugehen sei, wenn mehr als 50 Prozent der Haushalte knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze eine entsprechende Versicherung abschlössen, was bei einer Sterbegeldversicherung nicht der Fall sei, sodass sie schon dem Grunde nach unangemessen sei. Der Höhe nach seien solche Beiträge angemessen, die eine vernünftig und vorausschauend planende Person ohne überzogenes Sicherheitsbedürfnis für sinnvoll und tragbar erachten würde. Allein die Tatsache, dass die Beiträge, gerechnet auf die gesamte Vertragslaufzeit, die Versicherungssumme überstiegen, reiche für eine Unangemessenheit aus. Im vorliegenden Fall gehe das Verhältnis zwischen den eingezahlten Beiträgen und der Versicherungssumme zudem weit auseinander. Das Risiko liege hier deutlich bei der Versicherungsnehmerin. Auch sei bei insgesamt über 5.600 EUR höheren Grundsicherungsleistungen eine Angemessenheit nicht mit einer finanziellen Entlastung des Beklagten zu begründen. Der Betrag liege bei der Summe, die im Rahmen der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII als erforderlich berücksichtigt werde. Im Übrigen fielen diese Kosten möglicherweise nicht an, soweit Verpflichteten die Kostentragung zugemutet werden könne. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, dass das Angebot im Vergleichsportal tatsächlich das günstigste gewesen sei. Schließlich habe die Klägerin eine zusätzliche Leistung bei Unfalltod vereinbart, die keine Bedeutung mehr für die grundlegende Daseinsvorsorge und eine würdige Bestattung habe. Die Versicherung diene damit nicht mehr nur dem Zweck, Mittel für die Bestattungskosten und damit für einen fürsorgerisch relevanten Bedarf zur Verfügung zu stellen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Januar 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,


die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Soweit der Beklagte nunmehr die Unangemessenheit der Versicherung auf die zusätzliche Leistung bei Unfalltod stütze, sei dies nicht überzeugend. Die Leistung bei Unfalltod sei nicht zusätzlich vereinbart worden, sondern sei von der Versicherung mit umfasst. Das Risiko eines Unfalltodes abzusichern, sei auch nicht der Grund für den Abschluss der Sterbegeldversicherung der damals 75 Jahre alten und pflegebedürftigen Klägerin gewesen, sondern um die Kosten der Bestattung, also das Risiko eines normalen Sterbefalles abzusichern. Es sei auch sehr unwahrscheinlich, dass eine 81jährige pflegebedürftige Frau einen Unfall erleide.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt (Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 7. Juni 2021; Schreiben des Beklagten vom 11. Juni 2021).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung, weil zwischen den Beteiligten jedenfalls laufende Leistungen nach dem SGB XII für mehr als ein Jahr im Streit stehen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 18. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen unter Absetzung von Beiträgen für eine Sterbegeldversicherung abgelehnt hat. Zwar hat die Klägerin im Widerspruchs- und im Klageverfahren ausschließlich die Berücksichtigung der streitigen Versicherungsbeiträge in Höhe von 53,68 EUR geltend gemacht. Allerdings ist die Beklagte nicht befugt, über die Übernahme oder Berücksichtigung einzelner Berechnungselemente isoliert zu entscheiden. Vielmehr handelt es sich bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung um einen einheitlichen Anspruch, so dass grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen sind. Ein Rechtsstreit über die Höhe der Leistungen erfasst daher grundsätzlich die gesamte Grundsicherungsleistung (BSG, Urteil vom 16. Oktober 2007 – B 8/9b SO 2/06 R – SozR 4‑3500 § 28). Die Übernahme bzw. Berücksichtigung der Beiträge zur Sterbegeldversicherung stellt keinen eigenständig abgrenzbaren Streitgegenstand dar, der zum alleinigen Inhalt eines Rechtsstreits gemacht werden könnte (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 26. August 2008 – B 8/9b SO 10/06 R – BSGE 101, 217, juris Rdnr. 12 ff.; BSG, BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 8/08 RBSGE 103, 181, juris Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 15. November 2012 – B 8 SO 3/11 R – juris Rdnr. 11), sondern steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit den für die von dem Bescheid vom 18. Januar 2018 geregelten Bedarfsmonaten Dezember 2016 bis Juni 2018, in dem die Beiträge jeweils fällig geworden sind, bewilligten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Denn der in erster Linie maßgebliche rechtliche Anknüpfungspunkt für das Begehren der Klägerin ist § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII, wonach von dem bedarfsmindernd zu berücksichtigenden Einkommen (§§ 19 Abs. 2 Satz 1, 41 Abs. 1 Satz 1, 82 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch XII) – vorliegend ihre Altersrente – u.a. Beiträge zu privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, im Fälligkeitsmonat (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2019 – B 8 SO 10/18 R – SozR 4-3500 § 74 Nr. 3, juris Rdnr. 23, Geiger in LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 82 Rdnr. 78; Schlette in Hauck/Noftz, § 82 SGB XII Rdnr. 83a; Schmidt in jurisPK-SGB XII, § 82 Rdnr. 84; Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 82 Rdnr. 89) abzusetzen sind. Die Entscheidung, ob die Aufwendungen der Klägerin für die Sterbegeldversicherungen als Absetzbetrag einkommensmindernd berücksichtigt werden können, kann nicht isoliert getroffen werden. Die Frage, ob die streitigen Versicherungsprämien von dem laufenden Einkommen der Klägerin abzusetzen sind und in welcher Höhe der Klägerin Grundsicherungsleistungen zustehen, hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid geprüft. Dass die Klägerin sich – zumindest im Widerspruchsverfahren – für ihr Begehren auf die Vorschrift des § 33 Abs. 2 SGB XII stützt und die Versicherungsbeiträge als zusätzlichen Bedarf geltend macht, ist nicht dahingehend zu verstehen, dass – sofern es sich überhaupt um einen gesonderten abtrennbaren Streitgegenstand handelt – sie ihr Begehren auf die Geltendmachung als Bedarf beschränkt hat. Denn ihr geht es ersichtlich um eine anspruchserhöhende Berücksichtigung der Beiträge zur Sterbegeldversicherung, wobei eine Absetzung von vorhandenem Einkommen nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII einer Berücksichtigung als Bedarf nach § 33 Abs. 2 SGB XII vorgeht (vgl. § 33 Abs. 2 letzter Teilsatz SGB XII).

Nicht zu entscheiden hat der Senat über den Leistungsanspruch für die Zeit ab 1. Juli 2018. Unabhängig von der Frage, ob der Bescheid vom 23. August 2018, mit dem der Beklagte Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis 30. Juni 2019 weiterbewilligt hat, analog § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist (so BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 14/15 R – juris Rdnr. 11; a.A. BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 7/20 R – SozR 4‑1500 § 86 Nr. 5, juris Rdnr. 20 [jedenfalls für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende]; h.M. der Lit. z.B. Jüttner in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 86 Rdnr. 3; Becker in BeckOGK, Stand 1. August 2022, SGG § 86 Rdnr. 14; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86 Rdnr. 2a; Binder in LPK‑SGG, 6. Auflage 2021, § 86 Rdnr. 3), hat das SG der Klägerin höhere Grundsicherungsleistungen lediglich für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis 30. Juni 2018 zugesprochen, wogegen diese keine Berufung eingelegt hat, sodass die Zeit über den 30. Juni 2018 hinaus nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.

Die Berufung des Beklagten ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat lediglich für die Monate Januar und Februar 2017 sowie Januar und Februar 2018 einen Anspruch auf höhere Leistungen als vom Beklagten bewilligt.

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII (in der Fassung vom 24. März 2011, BGBl. I, 453) ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Nach § 41 SGB XII (in der Fassung vom 21. Dezember 2015, BGBl. I, 2557) haben insbesondere Personen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind und das 65. Lebensjahr vollendet haben, auf Antrag Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, wenn sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 SGB XII bestreiten können, wobei nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (in der ab 1. Januar 2016 geltenden Fassung) für den Einsatz des Einkommens die §§ 82 bis 84 SGB XII und für den Einsatz des Vermögens die §§ 90 und 91 SGB XII anzuwenden sind.

Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor. Sie ist 1940 geboren und hat die für sie maßgebliche Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat sie im Inland. Sie ist auch hilfebedürftig, da sie notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen bestreiten kann.

Die Klägerin hat einen monatlichen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe des Regelsatzes gemäß der Regelbedarfsstufe 1 (404,00 EUR für Dezember 2016, 409,00 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017, 416,00 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2018; § 42 Nr. 1 i.V.m. der Anlage zu § 28 SGB XII), eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs (40,40 EUR für Dezember 2016, 40,90 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017, 41,60 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2018; § 42 Nr. 2 i.V.m. § 30 Abs. 5 SGB XII) sowie der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (240,00 EUR für Heiz-‑und Nebenkostenvorauszahlungen ohne Berücksichtigung der Kosten für eine Garage; § 42 Nr. 4 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII [in der Fassung vom 21. Dezember 2015] bzw. § 42 Nr. 4 lit. a) i.V.m. § 42a Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII [in der Fassung vom 22. Dezember 2016, BGBl. I, 3159]. In dieser Höhe wurden die Unterkunftsbedarfe vom Beklagten im angefochtenen Bescheid berücksichtigt. Die Beiträge zur Sterbegeldversicherung sind jedenfalls nicht als Bedarf für die Vorsorge zu berücksichtigen. Nach § 33 Abs. 2 SGB XII kommt einer Berücksichtigung von Aufwendungen zur Erlangung eines Anspruchs auf ein angemessenes Sterbegeld nur in Betracht, wenn eine Absetzung vom Einkommen nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII nicht möglich ist. Da die Klägerin jedoch über ausreichend Einkommen verfügt, um die von ihr aufzubringenden Versicherungsbeiträge abzudecken, scheidet eine Anerkennung als Bedarf aus. Darüber hinaus wurden Bedarfe von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Über gemäß § 90 SGB XII einzusetzendes Vermögen verfügt die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht.

Über Einkommen verfügt die Klägerin im streitigen Zeitraum ausschließlich in Gestalt ihrer Regelaltersrente. Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Als Einkommen gilt all das, was jemand in Form von Geld oder Geldeswert in der Bedarfszeit dazu erhält. Für die Frage, ob Einkommen vorliegt, spielt es zunächst keine Rolle, welcher Art die Einnahmen sind, woher sie stammen, ob sie einen Rechtsgrund haben, wie sie geleistet wurden (einmalig oder laufend, regelmäßig oder unregelmäßig und unter welcher Bezeichnung bzw. Form) und ob und inwieweit die Einnahmen nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) steuerpflichtig wären (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 – B 8 SO 12/11 RBSGE 113, 86 – juris Rdnr. 14; Urteil vom 9. Juni 2011 – B 8 SO 20/08 RBSGE 108, 241 – juris Rdnr. 14; vgl. ferner § 1 Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII [DV-§ 82 SGB XII]). Die Regelaltersrente der Klägerin ist damit als Einkommen zu berücksichtigen.


Gemäß § 82 Abs. 2 SGB XII sind von dem Einkommen abzusetzen
1. auf das Einkommen entrichtete Steuern,
2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten,
4. 
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
5. 
das Arbeitsförderungsgeld und Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgelts im Sinne von § 43 Satz 4 des Neunten Buches.

Entgegen der Auffassung des SG sind die Beiträge zur Sterbegeldversicherung in Höhe von monatlich 53,68 EUR nicht vom Einkommen der Klägerin abzusetzen. Denn die entsprechende Versicherung der Klägerin ist schon dem Grunde nach nicht angemessen.

Da die fraglichen Beitragszahlungen zu der Sterbegeldversicherung nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, kommt eine Absetzbarkeit nur in Betracht, wenn die Beiträge nach Grund und Höhe angemessen sind, was vorliegend nicht der Fall ist. Bei dem Begriff der „Angemessenheit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Senatsurteil vom 17. Dezember 2015 – L 7 SO 1475/15 – juris Rdnr. 27; Geiger, in: Bieritz-Harder, SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 82 Rdnr. 83; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: August 2022, § 82 Rdnr. 90). Versicherungsbeiträge sind „dem Grunde nach“ angemessen, wenn sie einen der gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbaren Schutz gewährleisten oder den Vorkehrungen gegen Risiken entsprechen, die von in ähnlichen Lebensverhältnissen lebenden Personen üblicherweise getroffen werden. Die Voraussetzung liegt insbesondere dann vor, wenn ein im Zeitpunkt der Fälligkeit voraussichtlich bestehender Bedarf anderenfalls durch den Sozialhilfeträger gedeckt werden müsste (Oberverwaltungsgericht [OVG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. November 1979 – VIII A 80/78 – juris Rdnr. 12). Das BSG hat generell bei der Frage der Angemessenheit von Versicherungsbeiträgen im existenzsichernden Bereich sowohl darauf abgestellt, für welche Lebensrisiken (Grund) und in welchem Umfang (Höhe) Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze üblicherweise Vorsorgeaufwendungen zu tätigen pflegen, als auch darauf, welche individuellen Lebensverhältnisse die Situation des Hilfebedürftigen prägen (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 13/08 RBSGE 104, 207; BSG; Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 139/10 R – FEVS 63, 198). Aus Praktikabilitätsgründen hat das BSG die Üblichkeit dann angenommen, wenn mehr als 50 Prozent der Haushalte knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze eine entsprechende Versicherung abschließen (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 13/08 RBSGE 104, 207; ebenso LSG Bayern, Urteil vom 20. Juni 2017 – L 8 SO 8/13 – juris). Ohne Belang für die Beurteilung der Angemessenheit ist dagegen, ob die fragliche Versicherung vor oder nach Eintreten des Sozialhilfefalls abgeschlossen worden ist (Giere in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 82 Rdnr. 94). Ergänzend zur Ermittlung der Angemessenheit heranzuziehen ist der Zweck der Vorschrift. Die Einnahmen sollten nur um solche Aufwendungen zu mindern sein, die unvermeidbar bzw. notwendig sind oder zumindest auch den Zielen der Sozialhilfe entsprechen, weil jede Absetzung von Einnahmen mittelbar eine Erhöhung der zu gewährenden Hilfe bedeutet. (Schmidt in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand: 13. August 2018, § 82 Rdnr. 74; LSG Bayern, Urteil vom 20. Juni 2017 – L 8 SO 8/13 – juris Rdnr. 92).

Danach besteht grundsätzlich keine Angemessenheit dem Grunde nach für Beiträge für eine Lebensversicherung, die der Kapitalbildung dient, unabhängig davon, ob sie auf den Erlebens- oder Todesfall abgeschlossen ist, denn es kann nicht Aufgabe der Sozialhilfe sein, eine Kapitalansammlung zu finanzieren (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 14. Oktober 1988 – 5 C 48/85FEVS 38, 45). Entsprechend ist eine Sterbegeldversicherung nicht angemessen, wenn noch keine Wahrscheinlichkeit besteht, dass für den gleichen Zweck ein sozialhilferechtlicher Bedarf entstehen wird oder wenn über die Beerdigungskosten hinaus weitere Leistungen bezogen werden sollen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2002 – 5 C 43/01BVerwGE 116, 342). Bei der Sterbegeldversicherung ist zudem zu berücksichtigen, dass es letztlich nicht um die Abdeckung eines eigenen Risikos des Hilfeempfängers geht, sondern die Versicherung indirekt der Kapitalbildung für die zur Tragung der Bestattungskosten verpflichteten Erben dient (OLG Koblenz, Beschluss vom 22. August 2018 – 13 WF 638/18 – juris; (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2002 – 5 C 43/01 – BVerwGE 116, 342, juris Rdnr. 13). Andererseits können die Beiträge zu einer Sterbegeldversicherung gemäß § 33 Abs. 2 SGB XII einen sozialhilferechtlichen Bedarf darstellen, und jene Vorschrift enthält zudem einen ausdrücklichen Bezug auf § 82 Abs. 2 Nr. 3 („soweit sie nicht nach § 82 Abs. 2 Nummer 3 vom Einkommen abgesetzt werden“). Dem ist die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen, dass Aufwendungen für eine Sterbegeldversicherung für ältere Menschen zweckmäßig sind und insbesondere auch, dass der Gesetzgeber die Aufwendungen für eine Sterbegeldversicherung im Grundsatz für absetzungsfähig hält (Schlette in Hauck/Noftz SGB XII, § 82 Rdnr. 91; Hohm in Schellhorn, SGB XII, 20. Auflage 2020, § 82 Rdnr. 62; Giere in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 82 Rdnr. 94).

Daraus kann jedoch nicht auf eine Absetzbarkeit der von der Klägerin gezahlten Beiträge geschlossen werden. Soweit das SG unter Verweis auf Art. 14 GG eine Angemessenheit der Beiträge aus dem Erbrecht herleiten will, kann dem nicht gefolgt werden. Der Klägerin ist es unbenommen, von der Verwertung für ihren Lebensunterhalt ausgenommenes Vermögen zu vererben. Aus Art. 14 GG kann jedoch nicht das Recht hergeleitet werden, aus Mitteln der Sozialhilfe vererbbares Vermögen anzusparen. Auch die Befürchtung des SG, wegen der Verpflichtung zur Bestattung würde eine Erbschaft ausgeschlagen, wodurch es das Erbrecht beeinträchtigt sieht, trägt nicht, weil mit der Ausschlagung der Erbschaft nicht eine aufgrund anderer Rechtsvorschriften bestehende Bestattungspflicht entfällt. Dass der Versicherungsfall in jedem Fall eintreten wird, ist ebenfalls nicht geeignet, die Angemessenheit der fraglichen Versicherungsbeiträge zu begründen, weil völlig ungewiss ist, ob bei Eintritt des Versicherungsfalles ein sozialhilferechtlicher Bedarf bestehen wird. Ein sozialhilferechtlicher Bedarf der Klägerin selbst ist nach deren Tod ausgeschlossen. Ob die Bestattungspflichtigen, auf deren Hilfebedürftigkeit es für einen Anspruch nach § 74 SGB XII ankommt, voraussichtlich hilfebedürftig sein werden, kann vorab nicht beurteilt werden. Jedenfalls kann dies nicht dadurch unterstellt werden, dass die Töchter der Klägerin diese nicht mehr finanziell unterstützen. Auch mit der Annahme, die leistungserhöhende Absetzung der Beiträge werde aufgrund der derzeitigen Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu einer Entlastung des Sozialhilfeträgers führen, sobald Beerdigungskosten anfallen, geht das SG daher fehl. Ebenso wenig rechtfertigt die Überlegung, dass der Klägerin bei Kündigung oder Beitragsfreistellung ein Vermögensverlust drohen könnte, ihr Mittel der Sozialhilfe zur Verfügung zu stellen, um weiteres Vermögen anzusparen. Zudem ist angesichts der Tatsache, dass sich bei maximaler Beitragsdauer von 10 Jahren die Versicherungssumme (4.000,00 EUR) auf 62,1 Prozent der dann gezahlten Beiträge (6.441,60 EUR) belaufen wird, bei Beitragsfreistellung während der Beitragszahlungsdauer eine Versicherungssumme in Höhe von 50 Prozent der gezahlten Beiträge erhalten bleibt, eine Unzumutbarkeit einer Beitragsfreistellung nicht nachvollziehbar. Vielmehr wird sich der vom SG angeführte Vermögensverlust in „gut vierstelliger Größenordnung“ gerade schon bei Fortführung der Beitragszahlung bis zum Ende der Beitragszahlungsdauer realisieren.

Vielmehr ist für eine Angemessenheit einer Versicherung als Sterbegeldversicherung dem Grunde nach – ausgehend von einer ausweislich der Entscheidung des Gesetzgebers gewollten grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit einer Sterbegeldversicherung – maßgeblich darauf abzustellen, ob die Erreichung des aus Mitteln der Sozialhilfe zu fördernden Zwecks auch sichergestellt ist.

Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung, die Ansparung eines angemessenen Sterbegeldes zu fördern, wobei die Anerkennung als Bedarf nach der bis 30. Juni 2017 geltenden Rechtslage noch im Ermessen des Sozialhilfeträgers stand (vgl. § 33 Abs. 2 SGB XII in der Fassung vom 12. April 2012), muss – vor dem Hintergrund, dass eine Kapitalbildung aus Mitteln der Sozialhilfe für andere als mit dem Sterbegeld verfolgte Zwecke nicht Aufgabe der Sozialhilfe und damit nicht angemessen ist – sowohl für die Berücksichtigung als Vorsorgebedarf nach § 33 Abs. 2 SGB XII als auch für die Absetzung vom Einkommen als angemessene Versicherung, ein zweckentsprechender Einsatz des geförderten Sterbegeldes als Voraussetzung gefordert werden. Insoweit kann nichts anderes gelten als für die Beurteilung, ob ein Vermögen unter Härtefallgesichtspunkten von der Verwertung ausgeschlossen ist, da nur die Bildung eines solchen Vermögens gefördert werden kann, welches sodann auch vor einer Verwertung geschützt ist. Das verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst das Recht, über die eigene Bestattung zu bestimmen. Daher ist der Wunsch der Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, sozialhilferechtlich schützenswert, weshalb ihnen daher die Mittel zu belassen sind, die sie für eine angemessene Bestattung und angemessene Grabpflege zurückgelegt haben, und daher Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege als Schonvermögen im Sinne der Härtefallregelung nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII anzusehen ist (BSG, Urteil vom 18. Mai 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – juris Rdnr. 22 unter Anschluss an BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 – 5 C 84.02 – juris Rdnr. 22). Aufgrund derselben Erwägungen ist ein Sterbegeld, welches für eine angemessene Bestattung und eine angemessene Grabpflege vorgesehen ist, vor einer Verwertung für den Lebensunterhalt geschützt. Sterbegeld dient der Deckung der Bestattungskosten; die Sterbegeldversicherung ist eine Vorsorge in Form von Sparverträgen für den Todesfall, um aus ihr die Bestattungskosten decken zu können (Wrackmeyer-Schoene in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 33 Rdnr. 22). Insgesamt ist eine Privilegierung nach alledem nur dann gerechtfertigt, wenn sichergestellt ist, dass der angesparte Vermögenswert tatsächlich für die Bestattungskosten oder die Grabpflege verwendet wird. Der Hilfebedürftige muss also seinen Wunsch, für eine angemessene Bestattung vorzusorgen, dadurch verwirklichen, dass er bereits zu Lebzeiten eine entsprechende Vermögensdisposition trifft und ihm dieser Vermögenswert somit nicht mehr zur freien Verfügung steht. Nur wenn der Hilfebedürftige die für die Bestattung vorgesehenen Mittel aus seinem übrigen Vermögen ausgeschieden und mit einer entsprechenden Zweckbindung verbindlich festgelegt hat, stellt der Einsatz dieser Mittel für den Lebensunterhalt für ihn eine unzumutbare Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII dar (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 30. April 2014 – XII ZB 632/13 –juris Rdnr. 15; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2022 – L 2 SO 126/20 – juris) und ist eine Förderung durch Übernahme der Beiträge als Bedarf oder deren Absetzung vom Einkommen gerechtfertigt.

Die streitige Versicherung der Klägerin stellt keine (schützenswerte) Sterbegeldversicherung in diesem Sinne dar, weil die erforderliche Zweckbindung nicht feststellbar ist. Lediglich die Bezeichnung der Versicherung als „SterbeGeld“ und die Angabe der Klägerin im Widerspruchsverfahren, die Versicherung sei für die Bestattungskosten bestimmt, sprechen für eine subjektive Absicht der Klägerin, für ihre Bestattung vorzusorgen. Jedoch hat sie hinsichtlich der Versicherung keine Disposition derart getroffen, dass ihr das ersparte Vermögen anderweitig nicht mehr zur Verfügung steht. Denn der Klägerin bleibt nicht nur die Möglichkeit, die Versicherung jederzeit zum Rückkaufswert aufzulösen und das Kapital anderweitig zu verwenden. Vielmehr ist auch für die Zeit nach dem Tode der Klägerin durch die gewählte Vertragsgestaltung nicht sichergestellt, dass die ausgezahlte Versicherungsleistung für Bestattungskosten oder für die Grabpflege verwendet wird. Die Klägerin hat für den Fall ihres Todes ihre Tochter I als Bezugsberechtigte bestimmt. Dieser fließt die Versicherungssumme als Teil ihres eigenen Vermögens zu, ohne dass ihr eine Verpflichtung auferlegt worden ist, mit diesem Kapital die Bestattungskosten der Klägerin zu bestreiten (so zu einem entsprechenden Fall BGH, Beschluss vom 30. April 2014 – XII ZB 632/13 – juris Rdnr. 16). Hinzu kommt, dass mit der Versicherung für den Fall des Unfalltodes die doppelte Versicherungssumme (8.000,00 EUR) vereinbart ist. Da aber nicht ersichtlich ist, dass sich bei Unfalltod die angemessenen Bestattungskosten erhöhen und gar verdoppeln, ist die Versicherung nicht auf die reine Absicherung der Bestattungskosten beschränkt, sondern geht darüber hinaus, ohne dass bestimmbar ist, inwieweit die Aufwendungen für die Versicherung auf die reine Absicherung der Bestattungskosten reduziert werden können.

Nachdem die so bezeichnete Sterbegeldversicherung der Klägerin keine angemessene Versicherung im Sinne des § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII darstellt, sind die Beiträge in Höhe von 53,68 EUR nicht vom Einkommen der Klägerin abzusetzen.

Etwas anderes gilt für die private Haftpflichtversicherung, die dem Grunde nach – und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte vorliegend auch der Höhe nach – angemessen ist (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 5 C 8/02BVerwGE 118, 211). Gleiches gilt für die Hausratversicherung (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 26. September 2016 – L 8 SO 295/14 – juris). Ebenfalls ist der Beitrag für die Mitgliedschaft beim S vom Einkommen abzusetzen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 – 5 C 29/91 – juris; LSG Niedersachsen-Bremen L 8 SO 343/11 – juris). Zwar hat der Beklagte entsprechende Beiträge bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens abgesetzt, jedoch monatlich jeweils mit einem Zwölftel berücksichtigt. Dafür fehlt es allerdings an einer rechtlichen Grundlage. Vielmehr hat die Absetzung im Monat der Fälligkeit zu erfolgen (s.o.). Demnach hat die Klägerin in den Monaten Januar 2017 und Januar 2018 Anspruch auf jeweils weitere 39,00 EUR (57,85 EUR für die Privathaftpflichtversicherung abzüglich bereits berücksichtigter Absetzbeträge in Höhe von 18,85 EUR), im Monat Februar 2017 auf weitere 150,58 EUR (97,34 EUR für die Hausratversicherung, 72,00 EUR S-Beitrag abzüglich bereits berücksichtigter Absetzbeträge in Höhe von 18,85 EUR) sowie für den Monat Februar 2018 auf weitere 152,02 EUR (98,87 EUR für die Hausratversicherung, 72,00 EUR S-Beitrag abzüglich bereits berücksichtigter Absetzbeträge in Höhe von 18,85 EUR).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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