S 35 AS 1024/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 1024/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
  1. Eine nicht zweckgebundene Corona-Soforthilfe aus Landesmitteln, die nicht nur ausschließlich zur Deckung von Betriebsausgaben eines Unternehmens eingesetzt werden kann, stellt anrechenbares Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II dar, wenn ein Nachweis für die Verwendung nicht zu erbringen ist. Anders als bei einer zweckgebundenen Wirtschaftshilfe für Unternehmen ist sie nicht lediglich von den tatsächlich anfallenden Betriebsausgaben in dem maßgebenden Zeitraum in Abzug zu bringen.

  2. Wird die nicht zweckgebundene Corona-Soforthilfe als „fiktiver Unternehmerlohn“ gezahlt, findet die Vorschrift des § 11 Abs. 3 SGB II zur Berücksichtigung einmaliger Einnahmen keine Anwendung. Der fiktive Unternehmerlohn ist als Betriebseinnahme nach § 3 Abs. 1 S. 1, 2 ALG II-VO im jeweiligen Bewilligungszeitraum bei der Einkommensberechnung nach § 3 Abs. 4 ALG II-VO zu berücksichtigen und vollumfänglich um die nach § 11b Abs. 2, 3 SGB II maßgebenden Freibeträge für erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu bereinigen.

  3. § 67 Abs. 4 S. 2 SGB II steht einer Aufhebung gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X wegen nachträglicher Einkommenserzielung nicht entgegen. Die allgemeinen Vorschriften über die Aufhebung von Verwaltungsakten nach den §§ 45, 48 SGB X bleiben durch § 67 Abs. 4 S. 2 SGB II unberührt. 

Überschrift:

Urteil | Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung und -berechnung – Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit – Aufhebung und Erstattung –

Berücksichtigung einer nicht zweckgebundenen Corona-Soforthilfe als Betriebseinnahme bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit nach § 3 ALG II-VO – fiktiver Unternehmerlohn – maßgebender Zeitraum – Abgrenzung zur einmalige Einnahme nach § 11 Abs. 3 SGB II

 

Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 03.08.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2021 wird insoweit aufgehoben, als dass für die Monate Februar 2021 bis Mai 2021 der zu erstattende Betrag um 266,66 Euro reduziert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 50 %.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Berücksichtigung einer Corona-Überbrückungshilfe bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und der daraus resultierenden Aufhebung und Erstattung von Leistungen für die Zeit vom 01.02.2021 bis 31.05.2021.

Die Klägerin stand in der Vergangenheit im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Sie ist selbstständig und betreibt seit dem 01.09.2001 einen Afro-Shop in C.

Am 14.12.2020 beantragte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Dabei machte jene, in der dem Antrag beigefügten Anlage zur vorläufigen Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Angaben zu dem prognostizierten Betriebsgewinn. Sie prognostizierte Betriebseinnahmen in Höhe von 7323,19 Euro und Betriebsausgaben in Höhe von 6706,93 Euro.

Mit Bewilligungsbescheid vom 25.01.2021 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann vorläufige Leistungen für die Zeit vom 01.12.2020 bis 31.05.2021. Die Bewilligung erfolgte unter Benennung des § 41a Abs.1 S. 1 Nr. 1 SGB II und § 67 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 SGB II vorläufig und für einen Zeitraum von sechs Monaten. Zur Begründung der Vorläufigkeit trug der Beklagte vor, dass die Klägerin Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erziele. Dieses Einkommen könne zunächst nur prognostiziert werden. Der tatsächliche Gewinn könne erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums festgestellt werden. Der Beklagte berücksichtigte bei dem zu prognostizierenden Einkommen aus Selbstständigkeit einen vorläufigen anrechenbaren monatlichen Betriebsgewinn in Höhe von 11,18 Euro.

Die Klägerin reichte am 15.07.2021 einen Bescheid der Bezirksregierung E vom 19.01.2021 über die „Gewährung einer Billigkeitsleistung des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbstständige und Angehörige der Freien Berufe, die infolge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erleiden“ ein. Darin war geregelt, dass diese im Rahmen des Programms „Überbrückungshilfe II NRW“ für den Zeitraum September 2020 bis Dezember 2020 eine Überbrückungshilfe als Zuschuss in Höhe von insgesamt 6289,30 Euro erhielt. Dieser Zuschuss wurde ihr im Januar 2021 ausgezahlt und diente mit einer ausdrücklich bestimmten Laufzeit von vier Monaten dazu, Umsatzrückgänge während der Corona-Krise abzumildern. Die Regelungen der Richtlinien des Landes zur fortgesetzten Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen („Überbrückungshilfe II NRW“) wurden für verbindlich erklärt und Bestandteil des Bescheids. Die Überbrückungshilfe setzte sich aus einem Betrag in Höhe von 2289,30 Euro (Bundesmittel) und einem Betrag in Höhe von 4000,00 Euro (zusätzliche Landesmittel) zusammen. Der auf die Bundesmittel entfallende Anteil der Überbrückungshilfe war nach Ziffer 3, 4 des Bescheids zweckgebunden und diente ausschließlich dazu, für die Monate September 2020 bis Dezember 2020 eine weitergehende Liquiditätshilfe, in Form der auf den jeweiligen Vergleichsmonat bezogenen anteiligen Erstattung von betrieblichen Fixkosten, zu gewähren. Aus den Richtlinien ergab sich dazu ausweislich Ziffer 4 Abs. 1, dass der Antragsteller eine Überbrückungshilfe für im Förderungszeitraum anfallende, vertraglich begründete oder behördlich festgesetzte und nicht einseitig veränderbare, betrieblichen Fixkosten beantragen kann. Ziffer 4 Abs. 5 bestimmte, dass der Antragsteller die Überbrückungshilfe nur zur Deckung der förderungsfähigen Kosten verwenden durfte. Bezüglich zusätzlicher Landesmittel regelten Ziffer 12 des Bescheids und Ziffer 4 Abs. 3 der Richtlinien, dass für diese zusätzlich bewilligte Wirtschaftsförderungsleistung („fiktiver Unternehmerlohn“) aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen („NRW Überbrückungshilfe Plus“) eine Nachweispflicht nicht bestand. Die Wirtschaftsförderungsleistung („fiktiver Unternehmerlohn“) war steuerbar und nach den allgemein steuerrechtlichen Regeln im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen.

Der Beklagte hörte die Klägerin am 15.07.2021 zu einer beabsichtigten Aufhebung aufgrund von Einkommenserzielung an. Zur Begründung trug er vor, dass in dem Zeitraum vom 01.02.2021 bis 31.05.2021 ein Anspruch auf Corona-Hilfen in Gestalt der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ bestanden habe. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei sie in geringerer Höhe hilfebedürftig. Die Entscheidung sei wegen einer Verletzung der Mitteilungspflicht gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 des Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben, weil sie eine Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig mitgeteilt habe. Zudem sei die Entscheidung wegen der Erzielung von Einkommen gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III in Verbindung mit § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II aufzuheben gewesen. Auf ein Verschulden komme es nicht an.

Die Klägerin teilte dem Beklagten auf die Anhörung vom 15.07.2021 am 21.07.2021 mit, dass gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-VO) anrechenbares Einkommen nicht vorliege.

Mit Aufhebungsbescheid vom 03.08.2021 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.02.2021 bis 31.05.2021 in Höhe von monatlich 333,34 Euro – insgesamt 1333,36 Euro – auf und verlangte diese Summe erstattet. Zur Begründung trug er vor, dass im Januar 2021 einmalig ein Betrag in Höhe von 4000,00 Euro als sonstiges Einkommen durch die Gewährung der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ zugeflossen sei. Einmalige Einnahmen seien in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahmen erbracht worden seien, seien sie gemäß § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II im Folgemonat zu berücksichtigen. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung im Monat des Zuflusses, sei die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag gemäß § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II zu berücksichtigen. Durch die Berücksichtigung der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ in Höhe von 4000,00 Euro als einmalige Einnahme in einem Monat würde der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II im Monat Februar 2021 entfallen. Stattdessen sei der Betrag auf einen Zeitraum vom 01.02.2021 bis zum 31.07.2021 aufzuteilen und mit einem monatlichen Teilbetrag in Höhe von 666,67 Euro anzurechnen. Bei der Überbrückungshilfe handle es sich um „fiktiven Unternehmerlohn“. Daher habe eine Anrechnung als einmalige Einnahme zu erfolgen.

Die Klägerin legte am 20.08.2021 Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 03.08.2021 ein. Zur Begründung trug sie vor, dass sie mit einer Berücksichtigung der erhaltenen „NRW Überbrückungshilfe Plus“ nicht einverstanden sei. Die Leistung für den Monat Dezember 2020 müsse im Rahmen einer möglichen Endabrechnung wieder zurückgezahlt werden, da sie im Dezember 2020 Leistungen nach dem SGB II erhalten habe. Die Leistungen für den Zeitraum September 2020 bis November 2020 seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen. In diesem Zeitraum habe ein Leistungsbezug nicht vorgelegen.

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin in der Folgezeit mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2021 als unbegründet zurück. Zur Begründung trug er vor, dass sie nach den eingereichten Unterlagen über Einkommen aus Selbstständigkeit verfüge. Die angegebenen Betriebseinnahmen seien in voller Höhe zu berücksichtigen. Die voraussichtlichen Betriebsausgaben könnten nicht in voller Höhe berücksichtigt werden, insbesondere seien Absetzungen bei den angegebenen Raumkosten und den Betriebsausgaben für Telefonkosten vorzunehmen gewesen. Es ergebe sich ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 11,18 Euro monatlich. Ferner seien auch die erhaltenen Landesmittel der Überbrückungshilfe zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 19.01.2021 habe die Klägerin neben Bundesmitteln in Höhe von 2289,30 Euro auch zusätzliche Landesmittel in Höhe von 4000,00 Euro erhalten. Die Zahlung in Höhe von 4000,00 Euro aus Landesmitteln sei als einmalige Einnahme gemäß § 11 Abs. 3 SGB II zu qualifizieren. Es handle sich bei der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ um einen „fiktiven Unternehmerlohn“. Dieser diene auch der Sicherung des Lebensunterhalts und verfolge damit den gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II. Die Überbrückungshilfe sei im Januar 2021 zugeflossen. Der Betrag sei nicht als Betriebseinnahme gemäß § 3 Abs. 1 ALG II-VO zu berücksichtigen, sondern nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II aufzuteilen, da es sich nicht um eine Einnahme aus selbstständiger Tätigkeit handle. Der Wortlaut der Vorschrift fordere eine unmittelbare Zuordnung zur selbstständig ausgeübten Tätigkeit. Dies folge aus der dem SGB II innewohnenden Ausrichtung auf die Erwerbstätigkeit zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit. Einer Berücksichtigung stehe nicht entgegen, dass die Überbrückungshilfe für die Monate September 2020 bis Dezember 2020 erbracht worden sei. Nach § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II gehörten auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht worden seien, zu den einmaligen Einnahmen. Auch stehe eine mögliche Rückzahlungspflicht der Einkommensanrechnung nicht entgegen. Entstehe eine Rückzahlungsverpflichtung erst nach dem Monat des Zuflusses, bleibe es für den Zuflussmonat bei der Berücksichtigung als Einkommen. Die einmalige Einnahme in Höhe von 4000,00 Euro sei ab Februar 2021 anzurechnen gewesen, da im Monat des Zuflusses der einmaligen Einnahmen im Januar 2021 bereits Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahmen erbracht worden seien. Weitere Absetzungen seien nicht vorzunehmen gewesen, da eine Absetzung im Rahmen des Grundfreibetrags bei dem zu prognostizierten Einkommen bereits stattgefunden habe. Die einmalige Einnahme sei auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und vom monatlichen Bedarf abzuziehen. Insoweit ergebe sich für den Zeitraum vom 01.02.2021 bis 31.07.2021 eine Anrechnung in Höhe von 666,67 Euro monatlich. Das anzurechnende monatliche Gesamteinkommen betrage in den Monaten Februar bis Mai 2021 insgesamt (11,18 Euro + 666,67 Euro =) 677,85 Euro. Es ergebe sich ausgehend vom bisher bewilligten Anspruch in Höhe von 590,72 Euro und dem tatsächlich bestehenden Anspruch in Höhe von 257,38 Euro eine Differenz in Höhe von 333,34 Euro monatlich. Einer Änderung der Leistungen gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X stehe dabei auch der Vorläufigkeitsvermerk der ursprünglich erfolgten Leistungsbewilligung nicht entgegen. Soweit abweichend zu dem ursprünglich angenommenen Einkommen weiteres Einkommen erzielt werde, sei eine rückwirkende Änderung der Bewilligung auch zulasten der Klägerin möglich, auch wenn in Anwendung des § 67 Abs. 4 S. 2 SGB II eine abschließende Entscheidung für Bewilligungszeiträume, die bis zum 31.03.2021 begonnen haben, nur auf Antrag des Leistungsberechtigten getroffen werde.

Die Klägerin hat am 06.12.2021 Klage erhoben.

Sie trägt vor, dass die angerechnete Überbrückungshilfe nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Aus § 1 Abs. 1 Nr. 14 der ALG II-VO ergebe sich, dass die erhaltenen Hilfen nicht zu berücksichtigen seien. Zudem seien die Leistungen zweckgebunden für vier Monate bewilligt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 03.08.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2021 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt er erneut vor, dass es sich bei den gemäß Ziffer 4 Abs. 3 der „Überbrückungshilfe II NRW“ bewilligten Leistungen um zusätzliche Landesmittel handle. Hierbei handle es sich um einen „fiktiven Unternehmerlohn“, welcher in Höhe von monatlich 1000,00 Euro für vier Monate gewährt worden sei. Es liege zu berücksichtigendes Einkommen vor. Dieses sei gemäß § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II auf sechs Monate (Februar 2021 bis Juli 2021) aufzuteilen. Die Zahlung in Höhe von 4000,00 Euro diene nicht der Unterstützung der Selbstständigkeit, sondern stelle eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts des Unternehmers dar. Aus der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ könnten Ausgaben für die private Lebensführung und auch Beiträge für die Krankenversicherung und die private Altersvorsorge bestritten werden. Es handle sich nicht um eine Corona-Soforthilfe des Bundes; die Landesmittel seien als einmalige Einnahme zu berücksichtigen und nicht nur bei etwaigen Betriebsausgaben abzusetzen.

Einen Rückforderungsbescheid für die im Rahmen der „Überbrückungshilfe II NRW“ bewilligten Leistungen hat die Bezirksregierung E bisher nicht erlassen. Leistungen sind bisher nur für ein vorheriges Soforthilfeprogramm („NRW Soforthilfe 2020“) teilweise zurückgefordert worden. Einen Antrag auf endgültige Festsetzung gemäß § 67 Abs. 4 S. 2 SGB II hat die Klägerin nicht gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes und bezüglich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf teilweise Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 03.08.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2021 in Höhe von 266,66 Euro.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG gerichtet auf die Aufhebung des streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids statthaft und im Übrigen zulässig.

Die Klage hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.

Die Klägerin ist durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 03.08.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2022 in Höhe von 266,66 Euro beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist insoweit rechtswidrig. Im Übrigen ist die Entscheidung rechtmäßig.

Der Bescheid ist zunächst nicht wegen eines Anhörungsmangels formell rechtswidrig. Der Beklagte hat die Klägerin am 15.07.2021 vor Erlass der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung ordnungsgemäß gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört.

Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung ist materiell weitgehend rechtmäßig. Sie findet hinsichtlich der Aufhebung in Höhe von 1066,70 Euro ihre Grundlage in §§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 3 S. 1 SGB III in Verbindung mit § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X. Die Festsetzung der Erstattungsforderung findet ihre Grundlage in § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Zahlung der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ jedoch nicht als sonstiges Einkommen anzurechnen, sondern im Rahmen des nach § 3 Abs. 1 - 4 ALG II-VO zu bildenden Gesamteinkommens aus selbstständiger Tätigkeit zu berücksichtigen.

Die Voraussetzungen liegen für die Aufhebung in Höhe von 1066,70 Euro für die Monate Februar 2021 bis Mai 2021 vor. In Höhe von 266,66 Euro liegen sie nicht vor. Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III in Verbindung mit § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X. Danach ist ein anfänglich rechtmäßiger Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, welches zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Es handelt sich insoweit im SGB II um einen gebundenen Anspruch.

Einer Aufhebung der (vorläufigen) Bewilligung gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X steht zunächst nicht die Vorläufigkeit der ursprünglichen Leistungsbewilligung entgegen. Nach Maßgabe des § 67 Abs. 4 S. 2 SGB II ergeht zwar eine abschließende Entscheidung bei einer vorläufigen Leistung gemäß § 41a Abs. 1 SGB II, die bis zum 31.03.2021 begonnen hat, nur auf Antrag der leistungsberechtigten Person. Damit entfällt auch die Befugnis des Jobcenters, über den Leistungsanspruch von Amts wegen abschließend zu entscheiden. Unberührt bleiben durch § 67 Abs. 4 S. 2 SGB II jedoch die allgemeinen Vorschriften über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§§ 45, 48 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 2 und 3 SGB III) und über die Erstattung von Leistungen (§ 50 SGB X). Wird die vorläufige Bewilligungsentscheidung wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse rechtswidrig, bleibt eine Aufhebung auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraums möglich, selbst wenn ein Antrag auf endgültige Festsetzung nicht gestellt wird. Geht nach Ablauf des Bewilligungszeitraums eine Mitteilung über Änderungen im Bewilligungszeitraum ein, muss der SGB II-Träger verständig prüfen, ob die Anzeige als Antrag auf abschließende Bewilligung im Sinne des § 67 Abs. 4 S. 2 SGB II zu werten ist oder der Anzeigende nur die Veränderung bekanntgeben will. Letzterenfalls kann die Änderung punktuell über §§ 45, 48 SGB X korrigiert werden (Geiger/Thie in: Münder/Geiger, SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende, SGB II § 67 Rn. 42).

Der Beklagte hat die Höhe des der Klägerin zustehenden Bedarfs zutreffend ermittelt. Er hat den Regelbedarf von monatlich 401,00 Euro in 2021 und die anteilig angefallenen Kosten der Unterkunft in Höhe von (118,59 Euro + 10,00 Euro + 57,50 Euro =) 186,09 Euro zuzüglich eines Mehrbedarfes für die Warmwassererzeugung in Höhe von 9,22 Euro berücksichtigt. Damit errechnen sich Leistungsansprüche der Klägerin in Höhe von 596,31 Euro monatlich.

Entgegen der Auffassung des Beklagten war bei der Einkommensanrechnung dann jedoch nicht, neben dem von ihm errechneten anrechenbaren Einkommen aus Selbstständigkeit in Höhe von monatlich 11,18 Euro, ein weiteres sonstiges Einkommen aus der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ in Höhe von 666,67 Euro monatlich – als nicht mehr zu bereinigende aufgeteilte einmalige Einnahme nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II – zu berücksichtigen. Nach Überzeugung der Kammer war die „NRW Überbrückungshilfe Plus“ im maßgebenden Bewilligungszeitraum gemäß § 3 Abs. 1 ALG II-VO bei den Betriebseinnahmen zu berücksichtigen. Dies hat zur Folge, dass zwar eine Erhöhung der Betriebseinnahmen bei gleichbleibenden Betriebsausgaben im streitgegenständlichen Zeitraum stattfindet, das dann gemäß § 3 Abs. 1 - 4 ALG II-VO aus den Betriebseinnahmen nach § 3 Abs. 1 ALG II-VO und den Betriebsausgaben zu berechnende monatliche (Gesamt-) Einkommen aus Selbstständigkeit jedoch vollumfänglich um die nach § 11b SGB II zu gewährenden Freibeträge abzusetzen ist.

Die im Januar 2021 zugeflossene „NRW Überbrückungshilfe Plus“ war nach Überzeugung der Kammer im streitgegenständlichen Zeitraum nicht als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen und als einmalige Einnahme auf die Monate Februar 2021 bis Juli 2021 aufzuteilen. Die Überbrückungshilfe stellt eine Betriebseinnahme im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 ALG II-VO dar, die gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 ALG II-VO im jeweiligen Bewilligungszeitraum zu berücksichtigen ist, in dem sie zugeflossen ist.

Bei der hier streitigen „NRW Überbrückungshilfe Plus“ handelt es sich wertungsmäßig um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II. Zwar wird in der Rechtsprechung in Ansehen der Vorschrift des § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II befürwortet, zweckgebundene Billigkeitsleistungen und Überbrückungshilfen nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II, sondern als eine von den Betriebsausgaben abzusetzende Position zu berücksichtigen (Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.09.2021 – L 18 AS 884/21 – Rn. 18 f.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 26.01.2021 – L 8 AS 748/20 B ER – Rn. 23 ff.; Sozialgericht (SG) Hamburg, Beschluss vom 19.10.2020 – S 13 AS 2583/20 ER – Rn. 21; SG Leipzig, Beschluss v. 27.05.2020 – S 24 AS 817/20 ER – Rn. 24 ff.; SG Berlin, Urteil vom 4. Juli 2022 – S 123 AS 8864/20 – Rn. 25). Dabei wird insbesondere angeführt, dass gemäß § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen seien, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienten und die Corona-Soforthilfe ausdrücklich nur die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz und die Überbrückung von Liquiditätsengpässen, nicht aber die Kosten des privaten Lebensunterhalts bezwecke (vgl. SG Berlin, a.a.O. Rn. 25, m.w.N.). Einer solchen Auslegung steht im konkreten Fall aber entgegen, dass nach Ziffer 12 des Bescheids über die Gewährung der „Überbrückungshilfe II NRW“ in Verbindung mit Ziffer 4 Abs. 3 der Richtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen zur Gewährung der „Überbrückungshilfe II NRW“ mit der durch Landesmittel finanzierten  „NRW Überbrückungshilfe Plus“ gerade keine zweckgebundene Beihilfe, sondern ein nicht zweckgebundener – zur freien Verwendung gewährter – sogenannter „fiktiver Unternehmerlohn“ vorliegt. Der Gesetzgeber geht bereits dem Wortlaut der Regelung nach von einer Anrechenbarkeit als Einkommen im Monat des Zuflusses aus, wenn er von einem „fiktiven Unternehmerlohn“ spricht. Auch gibt das zuständige Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen unter Ziffer 1.1. der Liste der häufigen Fragen und Antworten (FAQ) an, dass zwar das Bundesprogramm der Überbrückungshilfe auch in der zweiten Phase vorsehe, dass Kosten des privaten Lebensunterhalts, wie private Wohnkosten, Krankenversicherungsbeiträge sowie Beiträge zur privaten Altersvorsorge nicht abgedeckt werden. Durch die „NRW Überbrückungshilfe Plus“ sollen dadurch entstehende Probleme für Selbstständige jedoch abgemildert werden. Es handle sich um eine branchenübergreifende Wirtschaftsförderungsleistung („fiktiver Unternehmenslohn“) in Gestalt einer zusätzlichen Förderung in Höhe von 1000,00 Euro pro Monat für maximal 4 Monate (maximal 4000,00 Euro) im Zeitraum September bis Dezember 2020 aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen. Ausweislich Ziffer 1.6 der FAQ könne die Zahlung für die Ausgaben für die private Lebensführung wie z.B. private Mieten, Lebensmittel, Beiträge für die Krankenversicherung oder private Altersvorsorge verwendet werden. Ein Nachweis für die Verwendung ist nicht zu erbringen. Dabei führt das Ministerium unter Ziffer 1.12 zu der Frage, ob parallel zur „NRW Überbrückungshilfe Plus“ Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II), Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung parallel bezogen werden kann aus, dass Zahlungen aus dem Zusatzprogramm bedarfsmindernd in dem „Zuflussmonat“ auf die Leistungen nach dem SGB II und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) anzurechnen seien (sog. „Zuflussprinzip“, vgl. § 11 SGB II bzw. § 82 SGB XII). Das sei selbst dann der Fall, wenn die Auszahlung aus dem Zusatzprogramm erst im Januar 2021 oder später erfolgt sei und die Antragsteller für die Monate September 2020 bis Dezember 2020 keine Leistung nach dem SGB II oder dem SGB XII in Anspruch genommen haben.

Einer Einordnung der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ als Einnahme aus selbstständiger Tätigkeit stehen dabei die Vorschriften des § 1 Abs. 1 Nr. 14 ALG II-VO und des § 3 Abs. 1a ALG II-VO im konkreten Fall nicht entgegen. Zwar sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 14 ALG II-VO – neben den in § 11a SGB II genannten Einnahmen – die pauschalierten Betriebskostenzuschüsse, die aufgrund des Förderelements „Neustarthilfe“ des Bundesprogramms „Überbrückungshilfe III“ gezahlt werden, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. § 3 Abs. 1a ALG II-VO ergänzt diese Regelung bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit dahingehend, dass abweichend von § 3 Abs. 1 S. 2 ALG-VO die pauschalierten Betriebskostenzuschüsse auch nicht zu den Betriebseinnahmen zählen. Ausweislich des Wortlauts der Vorschriften beziehen sich §§ 1 Abs. 1 Nr. 14, 3 Abs. 1a ALG II-VO jedoch ausdrücklich nur auf das Bundesprogramm der „Überbrückungshilfe III“ und nicht auf als Billigkeitsleistung gezahlte zusätzliche Landesförderungsmittel im Rahmen der „Überbrückungshilfe II“ und der „NRW Überbrückungshilfe Plus“. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, vorherige Überbrückungshilfen des Bundes und auch zusätzlich gewährte Landeszuschüsse der Länder nicht von einer Anrechenbarkeit auszunehmen. Zudem beschränkt der Gesetzgeber die Nichtberücksichtigung ausweislich des Wortlauts gerade auf „pauschalierte Betriebskostenzuschüsse“. Die „NRW Überbrückungshilfe Plus“ dient jedoch auch der Bestreitung der privaten Lebensführung und stellt damit seinem Sinn und Zweck nach keinen pauschalierten (zweckgebundenen) Betriebskostenzuschuss dar.

Entgegen der Auffassung des Beklagten waren die im Januar 2021 an die Klägerin bewilligten und ausgezahlten Leistungen der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ dabei nicht als einmalige Einnahme gemäß § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen. Zwar ist in § 11 Abs. 3 S. 1 SGB II geregelt, dass einmalige Einnahmen in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen sind. Zu den einmaligen Einnahmen gehören nach § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden. Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie nach § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen.

Dahinstehen kann im konkreten Fall, inwieweit die ausdrücklich auf einen Zeitraum von vier Monaten (September 2020 bis Dezember 2020) beschränkten Billigkeitsleistungen, ihrer ausdrücklichen Zweckbestimmung nach – entgegen des Wortlauts des § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II – im Rahmen einer für die Belange der Corona-Soforthilfe passgenauen Antwort auf einen verkürzten Zeitraum von nur vier Monaten anzurechnen sind (vgl. auch SG Berlin, Urteil vom 4. Juli 2022 – S 123 AS 8864/20 – Rn. 30; a.A. wohl Sächsisches LSG, Beschluss vom 26. Januar 2021 – L 8 AS 748/20 B ER – Rn. 33), da der Beklagte lediglich einen Betrag in Höhe von 4000,00 Euro/6 Monate =) 666,67 Euro monatlich bei der Leistungsbewilligung berücksichtigte und eine Aufteilung auf vier Monate im konkreten Fall – durch das auch im Klageverfahren durch das erkennende Gericht zu beachtende Verböserungsverbot (Verbot der reformatio in peius) – ausgeschlossen ist, d.h. eine Verschlechterung der Rechtsposition der Betroffenen im Klageverfahren nicht stattzufinden hat.

Nach Überzeugung der Kammer gebietet die ausdrückliche Bezeichnung der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ durch den Gesetzgeber als „fiktiven Unternehmerlohn“ jedenfalls die Einkommensberechnung nach § 3 der ALG II-VO für die Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft. Der Gesetzgeber geht dem Wortlaut nach von einer „Fiktion“ als Einkommen aus selbstständiger Arbeit aus. Diese gesetzgeberische Einordnung wird bestätigt durch Ziffer 1.1 und Ziffer 1.7. der herausgegebenen FAQ, wonach er davon ausgeht, dass die zusätzlich gewährten Leistungen aus Landesmitteln als Betriebseinnahmen versteuert werden müssen. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1, 2 ALG II-VO ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im (maßgebenden) Bewilligungszeitraum nach § 41 Abs. 3 SGB II tatsächlich zufließen. Nach § 41 Abs. 3 S. 1 SGB II ist über den Anspruch auf Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Regel für ein Jahr zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll gemäß § 41 Abs. 3 S. 2 SGB II insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird (§ 41a) oder die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung unangemessen sind. Gemäß § 67 Abs. 1, 4 S. 1 SGB II ist über den Anspruch auf Leistungen, für Bewilligungszeiträume die in der Zeit vom 01.03.2020 bis 31.03.2022 begonnen haben, sofern über die Leistungen nach § 41a Abs. 1 S. 1 vorläufig zu entscheiden ist, abweichend von § 41 Abs. 3 S. 1 und 2 SGB II für sechs Monate zu entscheiden.

In dem streitbefangenen Zeitraum waren die im Januar 2021 zugeflossenen 4000,00 Euro bei den anerkannten Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben entsprechend zu berücksichtigen. Bei den Ausgaben war zu berücksichtigen, dass die Klägerin höhere als die von dem Beklagten herangezogenen Ausgaben für die Raum- und Telefonkosten im Klageverfahren weder vorgetragen noch nachgewiesen hat und die Betriebsausgaben entsprechend um 29,87 Euro im Monat Dezember und jeweils 2,55 Euro in den Monaten Januar 2021 bis Mai 2021 (Telefonkosten) und in den Monaten Januar 2021 bis Mai 2021 um jeweils 5,00 Euro (Raumkosten) abzusetzen gewesen sind. Es ergibt sich folgendes anzurechnendes Einkommen:

Monat

Betriebseinnahmen

Betriebsausgaben

Dezember 2021

723,19 Euro

1067,06 Euro

Januar 2021

400,00 Euro +

4000,00 Euro

864,45 Euro

Februar 2021

1000,00 Euro

864,45 Euro

März 2021

1500,00 Euro

1114,45 Euro

April 2021

1700,00 Euro

1264,45 Euro

Mai 2021

2000,00 Euro

1464,45 Euro

Summe:

11323,19 Euro

6639,31 Euro

Es ergibt sich ein Einkommen aus Selbstständigkeit im Bewilligungszeitraum in Höhe von:

11323,19 Euro

- 6639, 31 Euro

4683,88 Euro

Bei einem Bewilligungszeitraum von sechs Monaten ergibt sich ein monatliches Einkommen in Höhe von (4683,88 Euro / 6 Monate=) 780,65 Euro.

Davon waren der Grundfreibetrag von 100,00 Euro nach §11b Abs. 2 S. 1 SGB II und der Freibetrag nach § 11b Abs. 3 S. 1, S. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von weiteren 136,13 Euro abzusetzen. Damit ergab sich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 544,52 Euro monatlich. Ausgehend von einem monatlichen Gewinn in Höhe von nunmehr noch 544,52 Euro, war die Aufhebungsentscheidung für die vier aufgehobenen Monate um ((666,67 + 11,18 Euro) – 544,52) * 4 Monate =) 533,32 Euro insgesamt – nach erfolgter Verteilung nach der Bedarfsanteilsmethode – um (533,32 / 2 Personen =) 266,66 Euro zu reduzieren.

Dahinstehen kann, inwieweit die weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 3 SGB X vorlagen. Insoweit kam auch hier eine hinausgehende Berücksichtigung nicht in Betracht, da sich die für die Klägerin nachteilige Veränderung der Verhältnisse auf den oben genannten Betrag beschränkt.

Die festgesetzte Erstattungsforderung ist in Höhe der fehlerhaften Aufhebung rechtswidrig. Lediglich soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen nach § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X zu erstatten. Im Übrigen findet eine Erstattung nicht statt. Es handelt sich um einen gebundenen Anspruch. Der Behörde steht kein Ermessen zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt im Rahmen der gefundenen Quote auch eine fehlerhafte Beratung des Beklagten im Verwaltungsverfahren, die Anlass zur Widerspruchs- und Klageerhebung gegeben hat.

Die Berufung war hier für den Beklagten trotz einer Beschwer von weniger als 750,00 Euro zuzulassen, da die entscheidungserhebliche Frage, inwieweit Überbrückungshilfen bei Selbstständigen anzurechnendes Einkommen oder eine von den Betriebsausgaben abzuziehende Absetzungspositionen darstellen, gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der rechtlichen Einordnung von Überbrückungshilfen hat über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung für eine Mehrzahl von Fällen. Bezogen auf die rechtliche Einordnung bei der Gewährung „fiktiven Unternehmerlohns“ handelt es sich um eine in der Rechtsprechung noch ungeklärte Rechtsfrage.

Rechtskraft
Aus
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