L 4 AS 340/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 1538/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 340/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die ab 1. Mai 2014 geltende KdUH-Richtlinie der Stadt Dessau-Roßlau auf der Grundlage des Methoden- und Ergebnisberichts aus März 2014 in der Fassung der Neuberechnung im Gewichtungsverfahren, Methodenbericht von Oktober 2022 beruht für einen Zweipersonenhaushalt auf einem schlüssigen Konzept.

2. Um die Repräsentativität der erhobenen Daten für ein KdUH-Konzept sicherzustellen, ist der (lokale) Mietwohnungsmarkt wirklichkeitsgetreu abzubilden. Die Datenerhebung muss in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale der Grundgesamtheit möglichst ähnlich sein.

3. Ein KdUH-Konzept ist nicht repräsentativ, wenn institutionelle Vermieter nicht entsprechend ihrem Marktanteil, sondern deutlich überproportional im Verhältnis zu den privaten Vermietern in der Mietwerterhebung vertreten sind. Dieser Mangel kann durch eine gewichtete Neuberechnung - differenziert nach Nettokaltmieten und Betriebskosten - korrigiert werden, in der private Kleinvermieter einerseits und institutionelle Großvermieter andererseits sowie geförderter Wohnraum (sog Sozialwohnungen) nach ihrem tatsächlichen Anteil auf dem Mietwohnungsmarkt berücksichtigt werden.

4. Auch wenn die "Hochrechnung" der Neuvertragsmieten im Konzept mangels Angabe des Referenzwerts (bislang) nicht nachvollziehbar ist, wird das Konzept dadurch nicht unschlüssig. Um sicherzustellen, dass die aus den Bestandsmieten ermittelten Mietpreise es den Grundsicherungsempfängern erlauben, zu den angegebenen Preisen auch tatsächlich Wohnraum anmieten zu können, ist eine Ergebniskontrolle durch Gegenübergestellung der Angebotsmieten möglich.

 

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Der Beklagte hat den Klägerinnen 1/10 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Klägerinnen und Berufungsklägerinnen (im Weiteren: Klägerinnen) begehren im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) weitere Leistungen unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) im Zeitraum von Mai bis September 2015.

 

Die 1965 geborene Klägerin zu 1 und ihre im März 1997 geborene Tochter, die Klägerin zu 2, bezogen vom Beklagten ergänzende SGB II-Leistungen. Sie bewohnten gemeinsam eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 64,4 m2 in einem fernwärmebeheizten Gebäude mit einer Gesamtfläche von über 1.000 m2. Für die Wohnung hatten sie ab August 2014 eine Gesamtmiete von 482,93 € zu zahlen. Zur Kaltmiete von 276,58 € kam eine Betriebskostenvorauszahlung von 142,50 € (Bruttokaltmiete [BKM]: 419,08 €) sowie eine Vorauszahlung für die Heiz- und Warmwasserkosten von 63,85 €.

 

Die Klägerin zu 1 war im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbstätig und bezog einen monatlich gleichbleibenden Lohn von 878,84 € netto. Für die Klägerin zu 2, die die Schule besuchte, wurde Kindergeld von 184 € gezahlt.

 

Die Firma F GmbH (im Weiteren: Firma F) hatte für die Stadt Dessau-Roßlau im Jahr 2014 die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels vorgenommen. Anschließend hatte sie im März 2014 einen Methoden- und Ergebnisbericht erstellt. Auf dieser Grundlage hatte der Stadtrat der Stadt Dessau-Roßlau am 29. April 2014 die mit Wirkung zum 1. Mai 2014 in Kraft getretene Unterkunftsrichtlinie des Beklagten, die "Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt Dessau-Roßlau", beschlossen. Die Angemessenheitsgrenzwerte sind im September 2014 im Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau veröffentlicht worden. Danach war für einen Zweipersonenhaushalt eine Bruttokaltmiete (BKM) von monatlich 326,40 € angemessen.

 

Im Änderungsbescheid vom 29. Oktober 2014 wies der Beklagte die Klägerinnen auf ihre unangemessenen Aufwendungen für die KdUH hin. Dazu führte er unter der Überschrift „Wichtiger Hinweis zu Ihren derzeitigen Unterkunftskosten, Belehrung“ und unter Erläuterung des Wortlauts von § 22 Abs. 1 SGB II aus, die KdUH der Klägerinnen seien unangemessen und könnten nur für einen befristeten Zeitraum als Bedarf berücksichtigt werden. Die Klägerinnen seien verpflichtet, auf eine Reduzierung ihrer Kosten hinzuwirken. Die tatsächlichen Kosten für die BKM von 419,08 € würden den für die Bedarfsgemeinschaft angemessenen Betrag von 326,40 € erheblich übersteigen. Die Unterkunftskosten könnten in Höhe der bisher gezahlten, bereits auf 469,85 € gekappten Kosten nur noch befristet für sechs Monate bis April 2015 übernommen werden.

 

Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerinnen bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2015 Leistungen für den Zeitraum von April bis September 2015 in Höhe von 370,92 € monatlich. Bei den Unterkunftskosten berücksichtige er in allen Monaten eine BKM von 326,40 € sowie Heizkosten von 67,85 €.

 

Ab April 2015 wurde die von den Klägerinnen zu zahlende Kaltmiete um 16 € auf 292,58 € erhöht. Daraus ergab sich – bei geringfügig geänderten Betriebskostenvorauszahlungen von 133, 66 € – eine BKM von nunmehr 426,84 € und eine Gesamtmiete von 490,09 €.

 

Gegen den Bewilligungsbescheid vom 11. März 2015 legte die Klägerin zu 1 am 7. April 2015 Widerspruch ein und führte aus, die KdUH seien falsch berechnet worden. Sie verwies auf die Mieterhöhung.

 

Mit Änderungsbescheid vom 18. Juni 2015 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen für den Monat April 2015 weitere Leistungen von 75,60 €. Für diesen Monat seien die KdUH noch in der bisherigen Höhe zu gewähren gewesen. Die für die Monate Mai und Juni 2015 bewilligten Leistungen ließ der Beklagte unverändert. Ab Juli 2015 berücksichtigte er KdUH in einer Gesamthöhe von 390,25 € (BKM: 326,40 €, HK: 63,85 €). Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2015 führte der Beklagte aus, im April 2015 seien noch die bisherigen KdUH zu gewähren gewesen, im Übrigen sei der Widerspruch unbegründet. Nach Ende der Kostensenkungsfrist von sechs Monaten seien ab Mai 2015 nur noch die angemessenen KdUH von insgesamt 390,25 € anzuerkennen gewesen. Soweit den Klägerinnen in den Monaten Mai und Juni 2015 höhere Leistungen unter Berücksichtigung von insgesamt 394,26 € (+ 4,01 €) gewährt worden seien, bleibe es für die Vergangenheit bei der Überzahlung.

 

Am 15. Juli 2015 haben die Klägerinnen Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben, mit der sie die Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 490,09 € für die Zeit ab Mai 2015 begehrt haben. Zur Begründung der Klage haben sie ausgeführt: Bei der Leistungsberechnung habe der Beklagte zu Unrecht die starren Angemessenheitsgrenzen des Konzepterstellers aus dem Jahr 2014 zugrunde gelegt. Letztlich habe die Stadt Dessau in unzulässiger Weise die Erstellung lokaler Angemessenheitsgrenzen auf eine externe Beratungsgesellschaft übertragen, ohne deren Beschlussvorschlag selbst inhaltlich zu überprüfen. Das Konzept sei auch inhaltlich falsch. Zum festgelegten Angemessenheitswert seien keine Mietwohnungen auf dem Wohnungsmarkt in Dessau erhältlich. Im Übrigen sei im Fall der Klägerinnen ein Umzugsverlangen unwirtschaftlich, denn damit werde ein erheblicher finanzieller Aufwand betrieben, nur um die Wohnfläche um ca. 4 m2 zu reduzieren. Die Klägerin zu 1 habe bei ihrer Recherche im August 2015 festgestellt, dass es weder bei der WGD noch bei der DWG Wohnungen zum Angemessenheitswert gebe. Dies sei nur dann anders, wenn das Bad kein Fenster aufweise, es sich um unrenovierten Wohnraum handele oder die Lage im Stadtgebiet nicht relevant sei. Sie habe darauf verzichtet, sich diese Negativauskünfte schriftlich bestätigen zu lassen.

 

Mit Urteil vom 23. April 2021 hat das SG die Klage abgewiesen, die Berufung zugelassen und zur Begründung ausgeführt: Die auf die KdUH beschränkte Klage habe keinen Erfolg. Die Klägerinnen hätten keinen Anspruch auf weitere Leistungen für die KdUH, da diese bereits in angemessener Höhe bewilligt worden seien. Das Konzept des Beklagten sei schlüssig und geeignet, die Angemessenheitswerte für die Unterkunftskosten im streitgegenständlichen Zeitraum zu definieren. Die erhobenen Daten seien auch hinsichtlich des Verhältnisses von Groß- zu Kleinvermietern hinreichend repräsentativ. Der Konzeptersteller habe keinen Einfluss auf die Rückläuferquote bei der Befragung der privaten Kleinvermieter. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Datenerhebung im Stadtgebiet Dessau-Roßlau kein angespannter Wohnungsmarkt geherrscht habe. Die deutlich höhere Leerstandsquote von Wohnungen in der Stadt Dessau-Roßlau im Vergleich zum Landes- und Bundesdurchschnitt lasse die Schlussfolgerung zu, dass es offensichtlich mehr Angebot als Nachfrage gebe.

 

Gegen das ihnen am 20. Mai 2021 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 4. Juni 2021 Berufung eingelegt.

 

Am 3. November 2022 hat der Beklagte dem Senat eine Neuberechnung der Mietobergrenzen 2014 der Stadt Dessau-Roßlau, Methodenbericht von Oktober 2022, vorgelegt. In dieser wird nunmehr zwischen privaten und institutionellen Vermietern unterschieden und bei der Berechnung der Richtwerte die Mietwerte der beiden Vermietertypen im Gewichtungsverfahren nach ihrem Marktanteil berücksichtigt. Zudem wurden die Wohnungen aus dem geförderten Wohnungsbestand der institutionellen Vermieter (sog. Sozialwohnungen) ebenfalls nur noch mit ihrem tatsächlichen Anteil am Wohnungsbestand (1,4 %) berücksichtigt. Daraus ergibt sich bei Berücksichtigung des 40 %-Quantils für einen Zweipersonenhaushalt eine angemessene BKM von 336,60 €.

 

Zur Begründung der Berufung haben die Klägerinnen am 8. Februar 2023 vorgetragen: Das Konzept des Beklagten sei unschlüssig. Die Einbeziehung der Mietwerte von Wohnungen, deren letzte Mietänderung länger als vier Jahre zurückliege, sei zu beanstanden, da diese die Situation auf dem Mietwohnungsmarkt zum Erhebungsstichtag nicht widerspiegelten. Eine Ergebniskontrolle anhand der Angebotsmieten sei nicht ausreichend. Einfamilienhäuser seien in die Mietwerterhebung nicht einbezogen worden, obwohl es in den Stadtteilen Rodleben, Haideburg/Süd Ziebigk/West und Alten/West zahlreiche vermietete Einfamilienhäuser gebe. Da der Beklagte insoweit sein Konzept nicht selbst korrigiert habe, sei den Sozialgerichten eine Nachbesserung verwehrt. Wegen der Unschlüssigkeit des Konzeptes sei auf die Werte des qualifizierten Mietspiegels bzw. hilfsweise auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen.

 

In der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und erklärt, er werde für die Monate Mai bis September 2015 weitere Unterkunftskosten von 10,20 €/Mt. berücksichtigen.

 

Die Klägerinnen beantragen,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. April 2021 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheids vom 11. März 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2015 zu verurteilen, den Klägerinnen im Zeitraum von Mai bis September 2015 weitere Leistungen nach dem SGB II für die Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Unterkunftskosten von 490,09 € zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält seine Entscheidung nach dem Teilanerkenntnis für rechtmäßig und verweist auf die übersandten Unterlagen zum Konzept der Stadt Dessau-Roßlau.

 

Auf Nachfrage des Senats im Verfahren L 4 AS 179/19 hat der Beklagte am 26. Januar 2023 klargestellt, im Rahmen der Mietwerterhebung seien aus dem erhobenen Datensatz 508 Neuvertragsmieten (statt 2.597 Datensätze wie im Methodenbericht auf S. 16 ausgeführt) ermittelt worden. Diese seien dann auf den gesamten Mietwohnungsbestand hochgerechnet und mit 2.597 Neuvertragsmieten ausgewiesen worden.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Dokumentation des Senats zum schlüssigen Konzept der Stadt Dessau-Roßlau entsprechend der übersandten Erkenntnismittelliste ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Berufung der Klägerinnen ist nicht erfolgreich.

 

Die Berufung ist form- und fristgerecht nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden und zulässig. Der Senat ist an die Zulassung der Berufung durch das SG im angegriffenen Urteil gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

 

Die Berufung der Klägerinnen ist jedoch unbegründet. Sie haben keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung. Der angegriffene Bescheid des Beklagten ist in der Fassung des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 9. Februar 2023 rechtmäßig und beschwert die Klägerinnen nicht (mehr) im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

 

Streitgegenständlich ist der Bescheid des Beklagten vom 11. März 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2015. Richtige Klageart ist hier die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage.

 

Die Klägerinnen haben ihre Klage auf die Gewährung höherer KdUH und insoweit in zulässiger Weise auf einen abgrenzbaren Teil der Leistungen begrenzt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 119/10 R, juris Rn. 32 m.w.N.).

 

Die Klägerin zu 1 ist im streitigen Zeitraum Berechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 20. Dezember 2011. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a noch nicht erreicht, hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, ist erwerbsfähig und hilfebedürftig. Die mit ihr in einem Haushalt lebende Klägerin zu 2 gehört als unverheiratetes, volljähriges Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, dem Grunde nach gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ihrer Bedarfsgemeinschaft an. Die Klägerinnen verfügen weder über bedarfsdeckendes Einkommen noch über ein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes anrechenbares Vermögen.

 

Die Klägerinnen haben im streitigen Zeitraum von Mai bis September 2015 lediglich Anspruch auf Berücksichtigung bzw. Übernahme der vom Beklagten im Rahmen eines schlüssigen Konzepts ermittelten angemessenen BKM von monatlich 336,60 € für die Unterkunft (dazu unter 1.) zuzüglich Heizungs- und Warmwasserkosten in tatsächlicher Höhe von 63,85 € monatlich (dazu unter 2.).

 

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung den angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gleichwohl als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf sonstige Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens sechs Monate (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II).

 

Ob die tatsächlichen Aufwendungen der zweiköpfigen Bedarfsgemeinschaft für Unterkunft und Heizung in voller Höhe als Bedarf zu berücksichtigen sind, richtet sich nach deren Angemessenheit. Dafür ist im ersten von zwei größeren Schritten zunächst die abstrakte Angemessenheit und dann in einem zweiten Schritt die konkrete Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen (ständige Rechtsprechung des BSG seit 2006; zuletzt zusammenfassend: Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 19).

 

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen: Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten. Dabei muss das Produkt aus Wohnfläche und -standard eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ("Referenzmiete") ergeben (vgl. zur Produkttheorie zuletzt: BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 20).

 

In einem zweiten Schritt ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit notwendiger Einsparungen einschließlich eines Umzugs, zu prüfen. Abschließend ist zu klären, ob die Leistungsberechtigten eine abstrakt angemessene Wohnung hätten anmieten können (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R, juris Rn. 23).

 

Gesondert ist die Prüfung der Bedarfe für die Heizung vorzunehmen (dazu unter 2.). Dies gilt ungeachtet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) und der nach dem streitigen Zeitraum eingeführten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 10 SGB II (dazu und zum folgenden: BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 11/18 R; Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 40/19 R, juris).

 

Bei der Bestimmung der angemessenen KdUH hat der Beklagte zu Recht auf eine Wohnfläche von 60 m² für einen Zweipersonenhaushalt abgestellt. Denn zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist nach der Rechtsprechung des Senats im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen (RdErl. des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (MRS) vom 23. Februar 1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1281) und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt, RdErl. des MRS vom 23. Februar 1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1285, RdErl. des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr (MWV) vom 10. März 1995, MBl. LSA Nr. 31/1995, S. 1133) zurückzugreifen (vgl. Urteile des Senats vom 27. Januar 2022, u.a. L 4 AS 470/17, juris Rn. 40; ebenso Urteil des 5. Senats vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, juris Rn. 37 f.; BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, B 14 AS 61/12 R, juris Rn. 21). Danach waren Wohnflächen für einen Einpersonenhaushalt bis zu 50 m² und für einen Zweipersonenhaushalt bis zu 60 m² förderfähig.

 

Eine Erhöhung der abstrakt angemessenen Wohnfläche kommt hier nicht in Betracht. Nur objektive Umstände wie z.B. Rollstuhlpflichtigkeit oder die Notwendigkeit der angemessenen Wahrnehmung des Umgangsrechts mit Kindern können eine Abweichung von der als angemessen anzusehenden Wohnfläche rechtfertigen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012, B 4 AS 44/12 R, juris Rn. 14; Urteil vom 16. April 2013, B 14 AS 28/12 R, juris Rn. 29; vgl. § 22b Abs. 3 SGB II zum möglichen Inhalt von Satzungen). Die persönlichen – also subjektiven – Umstände der alleinerziehenden, berufstätigen Klägerin zu 1 mit einem volljährigen Kind rechtfertigten kein beachtliches erhöhtes Raumbedürfnis. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 2012 ausdrücklich klargestellt, wohnraumrechtliche Sonderregelungen, die auf persönliche Lebensverhältnisse des Hilfebedürftigen (z.B. Alleinerziehung) Bezug nehmen, seien bei der Bestimmung der Wohnflächen als Teil der Ermittlung einer abstrakt angemessenen Referenzmiete nicht zu berücksichtigen. Sie könnten allenfalls als Umstände, die eine besondere Bindung an das nähere soziale Umfeld bedingen, die Obliegenheit zur Kostensenkung einschränken (vgl. auch Piepenstock in juris-Praxiskommentar, 5. Auflage 2017, Stand: 12. Januar 2022, Rn. 98). Weitere objektive Umstände sind nicht ersichtlich.

 

 Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle. Dies gilt auch für dessen Konkretisierung durch die Verwaltung (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 17, 25). Allerdings ist die gerichtliche Überprüfung auf eine nachvollziehende Kontrolle im Sinne einer Verfahrenskontrolle beschränkt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, B 14 AS 24/18 R, juris Rn. 26). Die gerichtliche Verpflichtung zur Amtsermittlung ist begrenzt durch die Mitwirkungslast der Beteiligten. Einer eingehenden Überprüfung bestimmter Detailfragen, worunter auch Einzelheiten der Repräsentativität und Validität der dem konkreten Konzept zugrunde gelegten Daten zu fassen sind, bedarf es daher erst dann, wenn fundierte Einwände erhoben werden, die insbesondere über ein Bestreiten der Stimmigkeit bestimmter Daten hinausgehen müssen, oder die auf eine Verletzung der in § 22c SGB II für eine Satzungsregelung enthaltenen Vorgaben zur Datenerhebung, -auswertung und -überprüfung hindeuten (BSG, Urteil vom 5. August 2021, B 4 AS 82/20 R, juris Rn. 34; BSG, Urteil vom 17. September 2020, B 4 AS 22/20 R, juris Rn. 30).

 

Der Beklagte hat die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept ermittelt.

 

Nach der Rechtsprechung des BSG setzt ein Konzept zur Ermittlung der angemessenen BKM ein planmäßiges Vorgehen im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum voraus. Von der Schlüssigkeit (Nachvollziehbarkeit und Folgerichtigkeit) eines Konzepts ist auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09, juris Rn. 19 ff.):

 

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen;

 

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstands der Beobachtung (z.B. welche Art von Wohnungen, ggf. Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße);

 

Angaben über den Beobachtungszeitraum;

 

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen wie z.B. Mietspiegel);

 

Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten;

 

Validität der Datenerhebung;

 

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung;

 

Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert, Kappungsgrenze).

 

Der kommunale Träger ist im Rahmen seiner Methodenfreiheit verpflichtet, die gewählte Methode und die Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen, damit geprüft werden kann, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt hat und schließlich, ob er sich in den Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb des gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09 u.a., juris Rn. 143; BSG, Urteile vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R u.a., juris Rn. 25; Luik in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 22 Rn. 122 mit weiteren Erläuterungen).

 

Der Methoden- und Ergebnisbericht der Firma F aus März 2014 beruht – nach der Gewichtung der ermittelten Richtwerte (Neuberechnung der Mietobergrenzen 2014 der Stadt Dessau-Roßlau, Methodenbericht Oktober 2022) – für den hier streitigen Zeitraum auf einem schlüssigen Konzept. Er bildet eine geeignete Entscheidungsgrundlage und ist im gerichtlichen Verfahren nicht fundiert infrage gestellt worden. Der Beklagte hat die Beanstandung des ursprünglichen Konzepts aus dem Jahr 2014 durch die Nachberechnung im Oktober 2022 ausgeräumt. Die zur Ermittlung der angemessenen Kosten gewählten Methoden sind plausibel. Ein Verstoß gegen die vom BSG geforderten Grund-sätze ist nicht erkennbar.

 

Zunächst hat der Beklagte den maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum seines Zuständigkeitsbereichs, der Stadt Dessau-Roßlau, in nicht zu beanstandender Weise bestimmt.

 

Der Vergleichsraum ist ein ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/18 R, juris Rn. 20 ff.). Während das BSG in früheren Entscheidungen als Ausgangspunkt für die Bildung des Vergleichsraums eher den   Wohnort der leistungsberechtigten Person(en) gewählt hat, geht es nunmehr unter Verweis auf die gesetzgeberische Vorgabe in § 22b Abs. 1 Satz 4 SGB II vom Zuständigkeitsgebiet des Jobcenters aus. Dieser Raum ist ggf. unter Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveau in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen (vgl. BSG, Urteile vom 30. Januar 2019, B 14 AS 41/18 R u.a., juris Rn. 23). Dass der Beklagte das gesamte Stadtgebiet der kreisfreien Stadt Dessau-Roßlau als einen Vergleichsraum ansieht, begegnet keinen Bedenken. Die Stadt Dessau-Roßlau gliedert sich in zwei Stadtteile (ehemalige Stadt Dessau und ehemalige Stadt Roßlau) und zugleich in 25 Stadtbezirke (unter Einbeziehung der eingemeindeten kleineren Ortschaften wie z.B. Mildensee, Großkühnau u.a.).

 

Auch wurden die Daten mittels Zufallsauswahl über das gesamte Stadtgebiet berücksichtigt. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte nur Daten aus bestimmten, günstigen Wohngegenden erhoben hätte, liegen nicht vor. Den Unterlagen lässt sich entnehmen, dass sowohl Daten aus den Innenstadtteilen (Dessau Nord, Dessau Mitte, Dessau Süd sowie Roßlau) als auch aus nahezu allen Randbezirken mit ländlicherem Charakter einbezogen wurden.

 

Den Gegenstand der Untersuchung hat der Konzeptersteller im Einzelnen nachvollziehbar definiert. Die Wahl der BKM als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung ist nicht zu beanstanden (BSG, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, juris Rn. 31). Zudem ist es zulässig, bei der Auswertung der Bestandsmieten Wohnraum, der keinen Aufschluss über das maßgebliche Wohnungsmarktsegment und/oder die örtlichen Gegebenheiten gibt, auszuschließen. Es wurden keine Wohnungen mit Substandard (ohne Bad und/oder Sammelheizung) einbezogen. Die Herausnahme der Substandardwohnungen rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass Leistungsberechtigte darauf nicht verwiesen werden dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 65/09 R, juris Rn. 31). Ebenfalls nicht in die Datenerhebung aufgenommen wurden Mietwohnungen in Einfamilienhäusern, Wohnungen in Heimen und Anstalten, möblierte oder teilmöblierte Wohnungen (Ausnahme Einbauküche oder Einbauschränke), gewerbliche oder teilgewerblich genutzte Wohnungen (mit Gewerbemietvertrag), Werks-, Dienst- oder Hausmeisterwohnungen sowie Untermietverhältnisse. Die Herausnahme von Mietwohnungen in Einfamilienhäusern begegnet keinen Bedenken, da diese lediglich einen Anteil von 2,7 % des Mietwohnungsmarkts ausmachen und somit nicht prägend für diesen sind.

 

Soweit in die Datenauswertung auch Wohnungen mit einer Größe von weniger als 35 m² eingeflossen sind, ist dies nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Solche Wohnungen weisen zwar im Vergleich zu größeren Wohnungen einen höheren Mietpreis pro m² auf, so dass sich hier ggf. eine Verzerrung zugunsten der Leistungsbezieher ergeben kann. Auch wenn die Leistungsbezieher grundsätzlich nicht auf solche kleinen Wohnungen verwiesen werden können, sind sie nach Auffassung des Senats jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn sie unter Beachtung der regionalen Verhältnisse im Vergleichsraum für den Wohnungsmarkt üblich bzw. prägend sind. Im Stadtgebiet Dessau-Roßlau gibt es eine Vielzahl von Wohnungen mit einer Größe von 32 m², 27 m² oder 24 m². Es handelt sich hierbei um Einraumwohnungen, die in Plattenbauweise überwiegend in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts errichtet worden sind. Da dieser Wohnungstyp in Dessau-Roßlau verbreitet ist, prägt er auch den örtlichen Wohnungsmarkt und ist in die Erhebung zur realitätsgerechten Abbildung einzubeziehen (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 19. Dezember 2013, L 7 AS 637/12, juris Rn. 156).Die Grundentscheidung des Konzepterstellers bzw. des Beklagten über die Einbeziehung solcher Wohnungen ist zu respektieren. Anhaltspunkte für Willkür oder die Gefahr der Verfälschung der Datengrundlage bzw. des Ergebnisses sind nicht ersichtlich und im Übrigen auch nicht substantiiert vorgetragen worden.

 

Die Art und Weise der Datenerhebung ist hinreichend deutlich dargestellt worden und stößt ebenfalls nicht auf Bedenken. Der Konzeptersteller hat im Rahmen einer Datenerhebung zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels für die Stadt Dessau-Roßlau durch Zufallsauswahl aus der Grundgesamtheit aller mietspiegelrelevanten Wohnungen einen Datenbestand von 2.387 Mieten ermittelt, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder geändert wurde. Diese Daten hat er dem Konzept zugrunde gelegt. Durch den Rückgriff auf die Daten aus dem Mietspiegel wurde erreicht, dass eine erhebliche Anzahl aktuell zu zahlender Mieten in die Datenerhebung einfließen konnte (vgl. zur Verwendung von Mietspiegeldaten BSG, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12, juris Rn. 30). Darüber hinaus hat die Firma F weitere Daten einbezogen, die über den Zeitraum von vier Jahren hinausreichten. Dadurch wurde der Datenbestand auf insgesamt 4.940 Mietdaten erweitert.

 

Hinzugenommen wurden weitere 406 Daten für Sozialwohnungen, also Wohnungen, deren Miethöchstgrenze gesetzlich festgelegt wurde. Als Datengrundlage für das Konzept des Beklagten sind demnach zunächst reine Bestandsmieten erhoben worden. Nach Bereinigung der Daten um 425 Fälle, die fehlende oder unplausible Daten enthielten, nicht erhebungsrelevant waren (Eigentümer, Untermieter) oder nicht den Mindestanforderungen an eine Wohnungsausstattung (ohne Bad, WC und/oder Sammelheizung) entsprachen, sind 4.921 Mieten in die Auswertung eingeflossen.

 

Die Datenerhebung der Bestandsmieten ist zum Stichtag 31. Juli 2013 (Methoden- und Ergebnisbericht S. 5) im gesamten Stadtgebiet erfolgt.

 

Die Einbeziehung von Mieten, die älter als vier Jahre sind, ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Zwar liegen diesen Mieten häufig langjährige Mietverhältnisse zugrunde, ohne dass die Miete zwischenzeitlich an die aktuelle Marktlage angepasst worden wäre. Dies kann dazu führen, dass es teilweise nicht möglich sein wird, Wohnungen zu den Bestandsmieten neu anzumieten. In die Datenauswertung des Beklagten sind allerdings nicht nur Neuvertrags- und Bestandsmieten eingeflossen. Zusätzlich hat der Konzeptersteller auch eine Ergebniskontrolle anhand von ermittelten Angebotsmieten vorgenommen (siehe dazu unter j).

 

Auch war der Umfang der erhobenen Daten ausreichend repräsentativ. Insgesamt sind für die Mietwerterhebung des Beklagten bei einem Mietwohnungsbestand von 37.817 in der Stadt Dessau-Roßlau (einschließlich Leerstand von 7.337 gemäß Zensus 2011) 4.921 Mietwohnungen und damit 13 % des Gesamtbestands an Mietwohnungen erfasst worden. Der Senat erachtet diese Datengrundlage als ausreichend für eine statistische Ableitung von Angemessenheitswerten.

 

Allerdings waren die in das Verfahren eingeführten Daten anfänglich nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt in der Stadt Dessau-Roßlau zuverlässig abzubilden, da ein erheblicher Teil des Mietwohnungsmarkts unzureichend und ein anderer Teil überproportional berücksichtigt worden war. Die Repräsentativität der Daten war damit nicht gegeben. Nach Auffassung des Senats ist die Datenerhebung des Beklagten nach der Gewichtung im Oktober 2022 nunmehr repräsentativ, da sie die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum zuverlässig abbildet.

 

Die Repräsentativität ist eine Eigenschaft von Datenerhebungen, die es ermöglicht, aus einer kleineren Stichprobe Aussagen über eine wesentlich größere Gesamtmenge zu treffen. Voraussetzung dafür ist, dass die Teilerhebung in der Verteilung aller interessierenden Merkmale der Gesamtmasse entspricht, das heißt, ein zwar verkleinertes, aber sonst wirklichkeitsgetreues Abbild darstellt (vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder, Marktforschung: Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, 12. Auflage 2009, S. 50). Die Stichprobe/Erhebung muss in ihrer Zusammensetzung und in der Struktur der relevanten Merkmale der Grundgesamtheit möglichst ähnlich sein. Konkret bedeutet dies im Rahmen der Prüfung der Schlüssigkeit der Ermittlung der angemessenen Referenzmiete, dass ein breites Spektrum der Mietwohnungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts in die Datenerhebung Eingang gefunden haben muss. Eine Stichprobenauswertung kann nur dann als repräsentativ bezeichnet werden, wenn alle wesentlichen Teilgruppen der Grundgesamtheit entsprechend ihrem Anteil in der Stichprobe enthalten sind (vgl. BSG, Urteil vom 5. August 2021, B 4 AS 82/20 R, juris Rn. 40; BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R, juris Rn. 33) bzw. bei der Auswertung entsprechend gewichtet werden.

 

Hier genügte es nach Auffassung des Senats nicht, private Vermieter in nur sehr geringem Umfang zu berücksichtigen. Nach dem Zensus 2011 standen von den 52.475 Wohnungen in Wohngebäuden insgesamt 27.436 im Eigentum von Privatpersonen (20.742) und Gemeinschaften von Wohnungseigentümern (6.694) und 25.039 im Eigentum von Genossenschaften (9.185), kommunalen Wohnungsunternehmen (12.294), privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen (2.200) oder sonstigen als größeren Unternehmen anzusehenden Vermietern (1.360). Ein direkter Bezug allein zu den 30.480 vermieteten Wohnungen lässt sich nicht herstellen, da sich aus dem Zensus 2011 nicht ableiten lässt, welcher Vermietergruppe die leerstehenden Wohnungen zuzuordnen sind.

 

Im Rahmen der Neuberechnung der Mietobergrenzen hat der Konzeptersteller aus den Daten des Zensus 2011, den Informationen der Stadtverwaltung zum geförderten Wohnungsbestand 2014 und den Angaben der drei großen institutionellen Vermieter (Wohnungsgenossenschaft Dessau eG, Wohnungsverein Dessau eG und Dessauer Wohnungsbaugesellschaft mbH) zum verwalteten Wohnungsbestand 2014 die strukturelle Verteilung innerhalb der Stadt Dessau-Roßlau ermittelt und in Tabelle 2.1 des Methodenberichts Oktober 2022 dargestellt. Demnach seien 53,8 % des Wohnungsbestands von privaten Vermietern, 44,8 % von institutionellen Vermietern und 1,4 % von institutionellen Vermietern mit Förderung (sog. Sozialwohnungen) vermietet.

 

Im Rahmen der Datenauswertung zur Festlegung der Angemessenheitsgrenze wurden nach Bereinigung 4.921 Mietdaten ausgewertet. Hiervon stammten nach Angaben des Konzepterstellers lediglich 282 Daten (nach Datenbereinigung) aus der Kleinvermieterbefragung (5,7 %). Dagegen konnten 4.233 bereinigte Datensätze den institutionellen Vermietern (86 %) zugeordnet werden. Bei 406 Wohnungen handelte es sich um sog. Sozialwohnungen (8,3 %).

 

Es war daher im Sinne der Schlüssigkeit des Konzepts zu beanstanden, dass die institutionellen Vermieter nicht entsprechend ihrem Marktanteil, sondern deutlich überproportional gegenüber den privaten Vermietern in der Erhebung vertreten waren. Dies resultierte aus dem unterschiedlichen Rücklauf der Fragebogen. Während institutionellen Vermieter auf Daten aus Bestandsdateien zurückgreifen konnten und der Konzeptersteller so einen Rücklauf von 94,3 % der versandten Fragebögen (4.317 von 4.579) verzeichnen konnte, erfolgte bei den privaten (Klein-)Vermietern lediglich ein Rücklauf von 11,8 % (623 von 5.274). Damit war nach Auffassung des Senats die tatsächliche Situation auf dem Mietwohnungsmarkt durch die Erhebung nicht oder nur verzerrt abgebildet. Bei diesem Stand des Konzepts war Repräsentativität nicht gegeben.

 

Dem ist der Konzeptersteller in seiner Stellungnahme vom 3. November 2022 gefolgt und hat eine gewichtete Neuberechnung (Methodenbericht Oktober 2022) – differenziert nach Nettokaltmieten und Betriebskosten – vorgelegt, in der zwischen privaten und institutionellen Vermietern unterschieden wird. Die Firma F hat die Marktanteile der privaten und institutionellen Vermieter wie oben beschreiben berechnet und als Gewichtungsfaktor bei den gesondert berechneten Richtwerten der Nettokaltmiete der privaten und institutionellen Vermieter eingesetzt (Neuberechnung der Mietobergrenzen, Methodenbericht Oktober 2022, S. 3).

 

Nach Auffassung des Senats ist der methodische Fehler bei der Datenerhebung und Datenauswertung, der zur mangelnden Repräsentativität der Ergebnisse geführt hatte, durch die Anwendung des Gewichtungsverfahrens bei der Neuberechnung von Oktober 2022 korrigiert worden. Die Nachbesserung eines Konzepts durch eine Gewichtung der erhobenen Daten, die auch das BSG als Problemlösung bereits angedeutet hat (vgl. Urteil vom 5. August 2021, B 4 AS 82/20 R, juris Rn. 42), ist eine allgemein anerkannte Methode, um bei einer Mietspiegelerstellung Repräsentativität im Sinne einer verzerrungsfreien Stichprobe herzustellen (z.B. Börstinghaus/Clar 2. Auflage 2013, 6. Teil II. Rn. 542 und V.1. Rn. 57. 9 ff., vgl. auch Urteile des Senats vom 27. Januar 2022, u.a. L 4 AS 470/17, juris Rn. 77). Die Gewichtung gleicht die anfänglich unzureichende Datenerhebung bei privaten Vermietern in der Datenauswertung aus. Konkrete Einwendungen dagegen sind von den Beteiligten auch nicht erhoben worden.

 

Nach der nunmehr vorgenommenen Gewichtung bestehen keine Bedenken mehr, auch sog. Sozialwohnungen (geförderten Wohnraum) in die Abbildung des Mietwohnungsmarkts einzubeziehen. Zwar können solche Wohnungen nur mit gesonderter Berechtigung bezogen werden. Leistungsberechtigte nach dem SGB II haben jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, einen hierfür erforderlichen Wohnberechtigungsschein zu erwerben, so dass sie ihnen zur Verfügung stehen. Der Senat hatte anfangs insbesondere bzgl. des ursprünglichen Anteils solcher Wohnungen im Verhältnis zu den erhobenen Mietdaten Bedenken (406 von 4.921) und diese dem Beklagten auch mit Schreiben vom 3. Mai 2022 mitgeteilt. Im Rahmen der Neuberechnung der Mietobergrenzen hat der Beklagte bzw. Konzeptersteller diese Wohnungen nunmehr jedoch nur noch entsprechend ihrem tatsächlichen Anteil am Mietwohnungsmarkt mit 1,4 % berücksichtigt (vgl. Neuberechnung der Mietobergrenzen, Methodenbericht Oktober 2022, S. 3). Bezogen auf den Gesamtbestand der ausgewerteten Daten fallen diese Mietwerte somit nicht mehr ins Gewicht.

 

Den abstrakt angemessenen Wert für einfachen Wohnungsstandard hat der Beklagte nach Auffassung des Senats nachvollziehbar festgelegt. Da die Mietdaten nicht nur im unteren Wohnungsmarktsegment, sondern über alle Wohnungsbestände mit einfachem, mittlerem und gehobenem Wohnungsstandard erhoben wurden, hat der Konzeptersteller eine plausible Ableitung für das untere Wohnungsmarktsegment vorgenommen.

 

Er hat im Rahmen einer Bedarfsabschätzung ermittelt, dass von insgesamt 45.200 Haushalten ca. 5.200 Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und ca. 900 Haushalte, die Sozialhilfe beziehen, im Stadtgebiet Dessau-Roßlau existierten. Weiterhin gebe es ca. 1.400 Wohngeldbezieher. Die Firma F ist davon ausgegangen, dass jeder Fall auch einen Haushalt darstelle, der eine Wohnung nachfrage. Dem wurden ein Zuschlag von 10 % aller Haushalte für die Haushalte mit niedrigem Einkommen und ein Sicherheitsaufschlag von 5 % aller Haushalte hinzugerechnet. Demnach fragten 14.280 Haushalte preiswerten Wohnraum nach (Anteil von 31,6 %).

 

Für die Festlegung der abstrakt angemessenen Kaltmiete hat sich der Beklagte nach dem Stadtratsbeschluss vom 29. April 2014 unter Berücksichtigung eines weiteren Sicherheitszuschlags auf den Schwellenwert des 40 %-Quantils entschieden. Das bedeutet, dass 40 % aller erhobenen Mieten unterhalb des ermittelten Grenzwerts liegen. Dies ist nicht zu beanstanden, denn die Bestimmung des Grenzwerts beruht auf einem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren und auf der Grundlage repräsentativer Daten. Schlüssige Einwände hiergegen haben die Klägerinnen nicht vorgebracht. Im Rahmen der Neuberechnung der Mietobergrenzen im Wege der Gewichtung hat sich der Beklagte zur Festlegung der Angemessenheitswerte konsequenterweise ebenfalls am 40 %-Quantil orientiert. Diese Vorgehensweise ist von der Methodenfreiheit des Grundsicherungsträgers gedeckt und daher nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R, juris Rn. 27).

 

Anhaltspunkte dafür, dass anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze nicht eingehalten wurden, sind nicht ersichtlich. Für die Auswertung der Bestandsmieten sind die Mietdaten auf die Nettokaltmiete pro m² umgerechnet und den Wohnungsgrößenklassen in einem Tabellenraster zugeordnet worden. Diese Vorgehensweise ist methodisch nicht zu beanstanden. Insgesamt konnten für jedes Tabellenfeld der relevanten Wohnungsgrößen für Ein- bis Fünfpersonenhaushalte im Vergleichsraum mindestens 50 Mietwerte ausgewertet werden (Tabelle 3.2, Methoden- und Ergebnisbericht, S. 12). Für einen Zweipersonenhaushalt hat sich eine Nettokaltmiete von 4,31 € pro m² ergeben.

 

Zur Festlegung der BKM, die nach der Rechtsprechung des BSG in die Ermittlung des abstrakt angemessenen Quadratmeterpreises einzubeziehen ist (vgl. u.a. Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, juris Rn. 33, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, juris Rn. 31 m.w.N.), waren neben der Nettokaltmiete noch die Betriebskosten (inkl. Wasser- und Abwasserkosten) zu ermitteln. Hierfür hat der Konzeptersteller aus den erhobenen Mietdaten die kalten Betriebskostenvorauszahlungen nach Wohnungsgrößenklassen getrennt und jeweils den arithmetischen Mittelwert festgelegt. Diese Vorgehensweise ist methodisch nicht zu beanstanden, denn sie ist unter Einhaltung mathematisch-statistischer Grundsätze erfolgt. Auch sind die kalten Betriebskosten nicht wie die Heizkosten gesondert auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Deshalb ist es zulässig, beim Fehlen statistischer Daten zur Bestimmung der Betriebskosten gerade im unteren Wohnsegment auf die Durchschnittswerte aus den jeweiligen Mietverhältnissen zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R, juris Rn. 34; BSG, Urteil vom 22. August 2012, B 14 AS 13/12 R, juris Rn. 27).

 

Es wurde auch eine genügende Anzahl von Betriebskostenwerten erhoben. Nach den Angaben des Konzepterstellers im Methoden- und Ergebnisbericht 2014 wurden zu allen ermittelten Mietdaten auch die aktuellen Betriebskostenvorauszahlungen erhoben, von denen – nach Bereinigung – letztlich 2.620 Werte in die Berechnung eingegangen sind.

 

Die anfänglich ermittelten Werte haben sich durch die Durchführung des Gewichtungsverfahrens (Neuberechnung der Mietobergrenzen der Stadt Dessau-Roßlau, Methodenbericht Oktober 2022) nochmals geändert, weil der Konzeptersteller auch die kalten Betriebskosten nach den Vermietertypen getrennt berechnet und anschließend gewichtet hat. Dabei hat sich ergeben, dass die kalten Betriebskosten bei den Wohnungen der privaten Vermieter in der Regel geringer sind als bei den Wohnungen der institutionellen Vermieter. Dies Vorgehensweise mit Gewichtung der erhobenen Daten zu den kalten Betriebskosten ist nicht zu beanstanden (vgl. Urteile des Senats vom 27. Januar 2022, u.a. L 4 AS 470/17, juris Rn. 82). Denn auch diese Unterschiede kennzeichnen die tatsächliche Lage auf dem Mietwohnungsmarkt im Vergleichsraum. Für einen Zweipersonenhaushalt haben sich durchschnittliche Betriebskosten von 1,30 €/m² ergeben.

 

Die so ermittelte abstrakte Referenzmiete (BKM) betrug 336,60 € ([4,31 € + 1,30 €] x 60 m²).

 

In einem nächsten Schritt ist dieser Referenzmietwert sowohl den Neuvertragsmieten als auch dem tatsächlichen Angebot auf dem Mietwohnungsmarkt gegenübergestellt worden.

 

Die sich aus der Berechnung ergebenden Richtwerte wurden anhand der erhobenen Angebots- und Neuvertragsmieten darauf überprüft, ob ein ausreichender Anteil des Angebots auf dem Wohnungsmarkt im jeweiligen Größensegment zu dem ermittelten Richtwert angemietet werden kann. Hierfür wurden Angebotsmieten des Quartals Juli bis September 2013 aus folgenden Quellen erhoben: einschlägige Websites im Internet (z.B. ImmoScout 24), überregionale Tageszeitungen (FAZ, Welt etc.) und lokale Medien wie Mitteldeutsche Zeitung, Wochenspiegel und Supersonntag, vgl. Methoden- und Ergebnisbericht S. 18. Hieraus sind – für die gesamte Stadt Dessau-Roßlau – nach Daten- und Dublettenbereinigung 169 Mietangebote ermittelt und der ermittelten Referenzmiete zur Kontrolle gegenübergestellt worden.

 

Zur Bestimmung der konkreten Angemessenheit hat die Firma F zudem aus den Bestandsmieten als Neuvertragsmieten alle bis zu einem Jahr vor dem Erhebungsstichtag (also im Zeitraum August 2012 bis Juli 2013) tatsächlich realisierten Mietverträge ermittelt (Methoden- und Ergebnisbericht S. 16). Hieraus ergaben sich laut Stellungnahme des Beklagten vom 26. Januar 2023 508 Neuvertragsmietwerte. Diese sind laut Aussage des Konzepterstellers auf den gesamten Wohnungsmietbestand hochgerechnet und der ermittelten Referenzmiete gegenübergestellt worden. Für den Senat ist nicht nachvollziehbar, warum und auf welcher Grundlage die ermittelten 508 Neuvertragsmieten auf 2.597 „hochgerechnet“ wurden. Ein nachvollziehbarer Referenzwert hierzu findet sich weder in den Methodenberichten von 2014 oder 2022 noch in der Stellungnahme des Beklagten vom 26. Januar 2023. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte die Sitzungsvertreterin des Beklagten diesen Zwischenschritt nicht erklären. Da die Hochrechnung der Neuvertragsmieten aus diesem Grund bislang für den Senat nicht nachvollziehbar ist, kann auf diese Werte als Kontrollwerte nicht zurückgegriffen werden. Zwar wäre eine Kontrolle des ermittelten Referenzmietwerts anhand der Neuvertrags- und der Angebotsmieten wünschenswert, denn diese beiden Werte erlauben eine zuverlässige Aussage darüber, ob zu dem ermittelten Referenzmietwert tatsächlich Wohnraum zur Verfügung stand. Dabei kann der Wert der Neuvertragsmieten sogar wirklichkeitsnäher sein, denn zu diesen Preisen sind Mietverhältnisse letztlich tatsächlich abgeschlossen worden.

 

Gleichwohl lässt dieser Mangel das Konzept als Ganzes nicht unschlüssig erscheinen. Vielmehr verlangt die Rechtsprechung lediglich einen Abgleich mit den Angebotsmieten, um älteren Bestandsmieten einen Kontrollwert gegenüberzustellen. Durch diese Gegenüberstellung wird sichergestellt, dass die ermittelten Mietpreise es den Grundsicherungsempfängern erlauben, zu den angegebenen Preisen auch tatsächlich Wohnraum anmieten zu können (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b 18/06 R, juris Rn. 22 und Urteil vom 3. September 2020, B 14 AS 34/19 R, juris Rn. 27). Von den für einen Haushalt mit zwei Person erhobenen 40 Angebotsmieten waren zehn zu dem Referenzmietwert anmietbar (vgl. Methoden- und Ergebnisbericht, S. 21). Da hier 25 % der Angebotsmieten nach ihrem Produktwert aus Wohnfläche und Quadratmeterpreis innerhalb des Referenzmietwerts gelegen haben, ist es nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden, dass der Konzeptersteller keine weitere Korrektur des bereits ermittelten Referenzmietwerts vorgenommen hat. Denn diese Daten bestätigen, dass angemessener Wohnraum auch in ausreichendem Maße anmietbar war. Zudem ist der Anteil der Angebotsmieten noch mit dem um 10,20 € niedrigeren Referenzmietwert vor der Gewichtung ermittelt worden, so dass davon ausgegangen werden kann, dass tatsächlich noch mehr Angebotsmieten innerhalb der Mietobergrenze gelegen haben. Darüber hinaus wird auch nur ein Teil des Wohnungsangebots über Internetportale und die Presse angeboten bzw. zu den dort angebotenen Preisen tatsächlich realisiert.

 

Nachdem der Stadtrat der Stadt Dessau-Roßlau am 29. April 2014 die "Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und SGB XII für die Stadt Dessau-Roßlau" beschlossen hatte, galt diese für den Zeitraum vom 1. Mai 2014 bis zum 30. April 2016. Für einen Zweipersonenhaushalt ergibt sich eine maximal angemessene BKM von 347,37 € für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 30. April 2018.

 

Die Klägerinnen haben daher keinen Anspruch auf die Berücksichtigung der tatsächlichen BKM in Höhe von 426,84 €. Der Leistungsbewilligung war nur die angemessene BKM von 336,60 € zugrunde zu legen.

 

Der Beklagte war auch berechtigt, ab Mai 2015 die Unterkunftskosten weiter abzusenken, denn die den Klägerinnen eingeräumte Übergangsfrist von sechs Monaten war nach der erneuten Kostensenkungsaufforderung vom 29. Oktober 2014 abgelaufen. Mit dieser hatte der Beklagte die Klägerinnen darüber informiert, dass ihre BKM (damals, vor der Erhöhung der Kaltmiete, von 419,08 €) unangemessen sei. Die Kostensenkungsaufforderung ist inhaltlich nicht zu beanstanden. Notwendig ist nur die Benennung des aus Sicht des Beklagten für angemessen gehaltenen Höchstmietpreises (BSG, Urteil vom 1. Juni 2010, B 4 AS 78/09 R, juris Rn 15). Es ist also nicht entscheidend, ob der genannte Höchstpreis nach einem schlüssigen Konzept ermittelt wurde. Ab Mai 2015 hat der Beklagte dann die BKM auf den ab Mai 2014 geltenden Angemessenheitswert abgesenkt.

 

Die berücksichtigte BKM ist für die Klägerinnen auch konkret angemessen gewesen, denn es kann nicht festgestellt werden, dass es ihnen nicht möglich oder zuzumuten war, durch einen Wohnungswechsel, durch Untervermieten oder auf sonstige Weise die Aufwendungen für die KdUH zu senken. Die Darlegungslast für eine fehlende Möglichkeit und/oder die Unzumutbarkeit der geforderten Kostensenkung liegt zunächst beim Leistungsberechtigten. Nur bei schlüssiger Darlegung vergeblicher Suchaktivitäten liegt die Beweislast für eine zumutbare Kostensenkung bei der Behörde. Es müssen daher stets Einwände zur Unmöglichkeit eines Wohnungswechsels vorgebracht werden (BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 4 AS 43/06 R, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 13. April 2011, B 14 AS 32/09 R, juris Rn. 13). Die Klägerinnen haben keine durchgreifenden Gründe für eine Unzumutbarkeit der Kostensenkung oder eine Unmöglichkeit eines Umzugs geltend gemacht. Die vorgetragenen Bemühungen der Klägerin zu 1 um eine andere Wohnung erfolgten erst im August 2015, mithin erst mehr als drei Monate nach Ablauf der sechsmonatigen Übergangsfrist, und sind nicht konkretisiert oder belegt. Die Ausführungen legen nahe, dass die Klägerinnen besondere Anforderungen an eine Wohnung stellten (saniert, Bad mit Fenster, konkrete Lage im Stadtgebiet), die sich zum Angemessenheitswert nicht (alle) realisieren ließen. Die persönlichen Umstände der Alleinerziehung, der Berufstätigkeit der Klägerin zu 1 und der Schulbesuch der Klägerin zu 2 lassen keinen Zusammenhang zur Unzumutbarkeit eines Umzugs erkennen.

 

2.         Zu der angemessenen BKM von 336,60 € sind noch Heizkosten in Höhe von 63,85 € zu berücksichtigen. Diese sind angemessen und vom Beklagten in tatsächlicher Höhe übernommen worden. Auch Heizkosten werden nach § 22 Abs. 1 SGB II nur dann in tatsächlicher Höhe übernommen, wenn diese angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG ist regelmäßig dann von unangemessen hohen Heizkosten auszugehen, wenn ein bestimmter Grenzwert des von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Bundesweiten Heizspiegel" überschritten wird (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 36/08 R juris Rn. 21; Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 70/08 R, juris Rn. 19). Ein Indiz für unangemessene Heizkosten liegt dann vor, wenn die tatsächlichen Heizkosten die Obergrenze aus dem Produkt des Werts für extrem hohe Heizkosten mit der angemessenen Wohnfläche (in Quadratmetern) überschreiten. Dabei ist auf den jeweiligen bundesweiten Heizspiegel abzustellen, der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013, B 14 AS 60/12 R, juris Rn. 25).

 

Dies ist der Grenzwert des zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorliegenden bundesweiten Heizspiegels 2014 (Abrechnungsjahr 2013). Denn der Heizspiegel für 2015 lag bei Erlass des Widerspruchsbescheids im Juni 2015, der letzten Behördenentscheidung des Beklagten zu den KdUH im streitigen Zeitraum, noch nicht vor. Danach errechnen sich für die mit Fernwärme beheizte Wohnung der Klägerinnen angemessene Heizkosten von monatlich maximal 102 € (20,40 € mal 60 m² geteilt durch zwölf Abschlagsmonate). Auf den Heizspiegel zum Zeitpunkt des Teilanerkenntnisses ist nicht abzustellen, da dieser nicht das Abrechnungsjahr des streitigen Zeitraums umfasst.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt das anteilige Obsiegen der Klägerinnen durch das angenommene Teilanerkenntnis. Hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens verbleibt es bei der dort getroffenen Kostenentscheidung.

 

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Der Senat ist den Grundsätzen zum schlüssigen Konzept gefolgt, die das BSG in seiner Rechtsprechung zu den KdUH und zum Vergleichsraum entwickelt hat.

Rechtskraft
Aus
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