L 7 SO 3464/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SO 1940/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3464/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Anspruch auf Beihilfen für die Anschaffung eines Lebensmittelvorrats besteht weder in Form einer abweichenden Festsetzung des Regelbedarfs noch in Form einmaliger Bedarfe oder als Hilfe in sonstigen Lebenslagen.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung einmaliger Beihilfen zur Anschaffung eines Gefrierschranks und eines Lebensmittelvorrats.

Der 1951 geborene und alleine wohnende Kläger bezieht eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem derzeitigen monatlichen Zahlbetrag von 550,53 EUR (Bl. 596 elektr. Verw.-Akte) und erhält ergänzend – nach seinem Umzug aus dem Landkreis E in den O – seit dem 1. Juli 2020 laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches (SGB) Zwölftes Buch (XII) von dem Beklagten.

Am 16. Mai 2022 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für 80 l Getränke und 60 kg Lebensmittel als „Kriegsnotvorsorge“ in Höhe von 150 EUR bzw. 250 EUR sowie für die Anschaffung eines Gefrierschrankes in Höhe von 280 EUR. Daneben beantragte er die Gewährung, gegebenenfalls in Naturalien, eines Dreimonatsvorrats an Jodtabletten. Die Bundesregierung und „die tragenden Nazi-Parteien“ befänden sich in einem unerklärten Angriffskrieg gegen die Russische Föderation und die Bundesregierung trage dem Kriegsnotstand Rechnung durch Aufruf an die Bevölkerung, eine Notration zum Überleben anzulegen. Durch Kriegsknappheit erhöhe sich der Wert täglich. Die direkte Unterstützung des „Hitler-K und Nazis Z“ und die Aufrufe zur Unterwerfung des russischen Volkes berechtigten zum Erstschlag der russischen Föderation. Die Bedrohung für den Kläger sei daher konkret und unmittelbar gegeben.

Mit Bescheid vom 31. Mai 2022 lehnte der Beklagte den Antrag vom 16. Mai 2022 ab, da eine Rechtsgrundlage nicht gegeben sei.

Mit am 7. Juni 2022 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben legte der Kläger unter Beifügung u.a. einer „Eidesstattliche[n] Versicherung“ vom 29. Mai 2022 gegen den Bescheid vom 31. Mai 2022 Widerspruch ein. Der Beklagte sei aus Art. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit §§ 31, 73 SGB XII verpflichtet, den Kläger sofort und ohne Abwarten in die Lage zur Selbsthilfe durch Erstausstattung zu versetzten. Er habe bereits zwingend 283 EUR monatlich anzusparen – für Kleidung 30 EUR, für Lebensmittel und Getränke (Bedarf als Kranker) 30 EUR, für Möbel und Hausgeräte (Ersetzung) 30 EUR, für Hygiene 15 EUR, für Strom 20 EUR, für ärztliche Versorgung/Vorsorge und Zuzahlungen (Urologe u.a.) 25 EUR, für jährliche Zuzahlungen B Krankenkasse 5 EUR, für Zahnersatz 28 EUR und für öffentliche Gebühren 15 EUR. Nicht nur zur Kriegsvorsorge, wozu die Bundesregierung die Bevölkerung aufrufe, sei die Bevorratung unverzichtbar zum Erhalt des Lebens und der Gesundheit. Er könne an seinem Wohnort im O, aber auch im nahen Elsass, einen erheblichen Teil täglich benötigter Lebensmittel und Getränke aufgrund von Störungen und dem Kollaps der Lieferketten, der Einstellung des Verkaufes, der unerschwinglichen Verteuerungen und der vorgenommenen Rationierungen nicht mehr erhalten. Eine Bevorratung sei derzeit die einzige Möglichkeit der notwendigen Nahrungssicherstellung.

Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 21. Juni 2022 und diesbezüglicher Stellungnahme des Klägers vom 23. Juni 2022 wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2022 zurück. Maßgeblich für Leistungen für Bedarfe der Wohnungserstausstattung einschließlich Haushaltsgeräten gem. § 31 SGB XII sei der Bedarf, der sich auf die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen beziehe, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichten, wobei nur eine angemessene Ausstattung zu berücksichtigen sei, die den grundlegenden Bedürfnissen genüge und im unteren Segment des Einrichtungsniveaus liege. Für die Lagerung von Lebensmitteln sei nach gängiger Rechtsprechung ein Kühlschrank völlig ausreichend. Auch ein Härtefall liege insoweit bei dem Kläger nicht vor. Ein Anspruch für den geltend gemachten Mehrbedarf durch eine Bevorratung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln bestehe nicht. Mit den Öffnungsklauseln des § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII und § 37 Abs. 1 SGB XII hätten die Leistungsträger ein rechtliches Instrument an die Hand bekommen, um auf besondere Bedarfssituationen reagieren zu können, die als strukturelle Mängel der festgesetzten Regelbedarfe aufträten bzw. in denen ein von den Regelbedarfen zwar umfasster, im Einzelfall aber nicht gedeckter Bedarf auf Darlehensbasis ausgeglichen werden könne. Maßgebend für die Besonderheit einer Bedarfslage sei, dass ein den Grundrechtsbereich tangierender Bedarf ungedeckt bleibe, der im konkreten Einzelfall vom Rechtssystem eigentlich gedeckt werden müsse. Der von dem Kläger geltend gemachte Bedarf sei nicht unausweichlich bzw. unabweisbar. Ausweislich der Mitteilung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe handele es sich bei der empfohlenen Notbevorratung von 10 Tagen nur um unverbindliche Empfehlungen. Mittels des Anlegens eines Notvorrates entstehe gerade kein zusätzlicher Bedarf an Lebensmitteln, sondern lediglich eine Vorverlagerung von Kosten für die Anschaffung von Lebensmitteln, die der Antragsteller sowieso früher oder später hätte kaufen müssen. Eine Versorgungskrise sei nach dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz aufgrund der aktuellen Ereignisse nicht zu erwarten. Mit der Gewährung der Regelbedarfsleistung verfüge der Kläger über die finanziellen Mittel zur Beschaffung der aktuell erforderlichen Lebensmittel und habe im Rahmen der vorrangig einzusetzenden Einsparpotenziale grundsätzlich die Möglichkeit, bei bestehendem Wunsch einen Notvorrat langsam aufzubauen.

Bereits am 7. Juni 2022 beantragte der Kläger des Weiteren die Zahlung einer „Energiepauschale“ von 300 EUR bei dem Beklagten. Der Gesetzgeber habe diesbezüglich die Rentner übersehen, was durch die Sozialhilfe auszugleichen sei. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2022 ab, da es an einer rechtlichen Grundlage mangele. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 30. Juni 2022 wies die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 14. Juli 2022 mit dem Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2022 zurück.

Gegen den Bescheid des Beklagten vom 31. Mai 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2022 hat der Kläger am 5. Juli 2022 bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben – dabei das ursprüngliche Begehr auf einen Vorrat an Jodtabletten außenvorlassend, jedoch die Kosten des vorgesehenen Notvorrats nunmehr mit 500 EUR beziffernd – und gegen den Bescheid vom 28. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2022 am 27. Juli 2022. Die unter den Aktenzeichen S 7 SO 1940/22 und S 7 SO 2151/22 geführten Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 6. September 2022 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Nach Anhörung der Beteiligten – und Zurückweisung zweier klägerseitiger Ablehnungsgesuche gegen die zuständige Kammervorsitzende des SG mit Beschlüssen vom 30. September 2022 (S 16 SF 2586/22 AB) und 22. November 2022 (S 16 SF 2763/22 AB) – hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. November 2022 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfen für einen Gefrierschrank oder für einen „Notvorrat“ an Lebensmitteln und Getränken, obwohl er unstreitig dem Grunde nach leistungsberechtigt im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit nach dem 4. Kapitel des SGB XII sei. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. § 42 Nr. 2 SGB XII würden an Bezieher der Grundsicherung im Alter einmalige Leistungen zur Deckung von Bedarfen für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten gewährt. Allerdings eröffne § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII keinen Anspruch auf sämtliche Einrichtungsgegenstände, die bisher nicht vorhanden seien und die der Betroffene gerne besitzen und nutzen wolle. Umfasst seien vielmehr nur Gegenstände, die für einen einfachen Wohnstandard und eine bescheidene Haushaltsführung unverzichtbar seien. Nach Überzeugung des Gerichts handele es sich bei einem vom Kühlschrank separaten Gefrierschrank speziell zur längerfristigen Einlagerung größerer Lebensmittelvorräte weder unter gewöhnlichen Umständen noch in der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation um einen Haushaltsgegenstand, der zum Minimum eines einfachen, bescheidenen Wohnstandards gehöre. Insbesondere vermöge das Gericht die Sorge des Klägers, dass es in absehbarer Zeit aufgrund des Krieges Russlands gegen die Ukraine zu einer derartigen Verknappung oder Verteuerung von Lebensmitteln auch in Deutschland kommen werde, dass ein Einkaufen in Lebensmittelgeschäften faktisch unmöglich oder finanziell unerschwinglich werde, nicht zu teilen. Das Gericht verkenne nicht, dass das Einfrieren von Lebensmitteln besonders bei kleinen Haushalten wie dem des alleinstehenden Klägers zu einer vorausschauenden und sparsamen Haushaltsführung beitragen könne. Dem dürfe allerdings bei einem Einpersonenhaushalt durch die Nutzung des in der Regel in einen handelsüblichen Kühlschrank integrierten Gefrierfachs Rechnung getragen werden können. Der dem Kläger monatlich gewährte Regelsatz im Rahmen der Grundsicherungsleistungen enthalte nach § 27a Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 42 Nr. 1 SGB XII auch einen Betrag für Lebensmittel und Getränke. Der „Notvorrat“, den der Kläger anlegen wolle, falle daher dem Grunde nach unter den Regelbedarf des § 27a Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Dieser werde in der Regel – und auch im Fall des Klägers bisher – pauschaliert gewährt. Er könne nach § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII jedoch abweichend festgesetzt werden, wenn der Betroffene im Einzelfall einen unausweichlich höheren Bedarf hat als im pauschalierten Regelsatz vorgesehen. Allerdings könne der Kläger im hier vorliegenden Fall keinen erhöhten Regelsatz geltend machen, da der von ihm geltend gemachte Bedarf nicht unausweichlich sei. Die Anlage eines „Notvorrats“ von 80 l Getränken und 60 kg Lebensmitteln sei ein subjektives Anliegen des Klägers, das über die Empfehlungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe weit hinausgehe und im Übrigen eine andere Bedarfslage zur Grundlage habe. Das Bundesamt für Katastrophenschutz empfehle generell die Anlage eines Notvorrats für 10 Tage einschließlich 2 l Getränke pro Person und Tag und nehme dabei Bezug auf Bedarfslagen, in denen die Versorgung mit Lebensmitteln kurzfristig und kurzzeitig nicht erreichbar sei, etwa aufgrund von Naturkatastrophen, aufgrund technischer Defekte oder aufgrund von Krankheit und/oder behördlich angeordneter Quarantäne. Keine Empfehlung – auch nicht von anderen seriösen Institutionen oder Wissenschaftlern – gebe es dagegen für die Anlage eines Vorrats im Hinblick auf einen hypothetischen Zusammenbruch der Versorgungssysteme überhaupt, oder für einen längeren Zeitraum, oder mit dem Ziel, Preiserhöhungen „zuvorzukommen“. Damit möge sich der vom Kläger geltend gemachte Bedarf zwar für ihn persönlich als dringlich darstellen; objektiv gerechtfertigt im Sinne einer individuellen Unausweichlichkeit sei er allerdings nicht. Der vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfohlene Vorrat geringeren Umfangs müsse auch ausdrücklich nicht sofort in vollem Umfang angelegt werden. Das Bundesamt empfehle die sukzessive Anschaffung. Als solche dürfe sie auch für Grundsicherungsbezieher nach dem SGB XII aus der laufenden Regelleistung zu finanzieren sein, soweit gewünscht. Eine Erhöhung der Regelleistung nach § 27a Abs. 4 SGB XII für diesen Zweck komme aber nicht in Betracht. Ein Anspruch aus § 73 SGB XII komme für beide Bedarfe nicht in Betracht, weil § 73 SGB XII nur Leistungen betreffen könne, die nicht dem Grunde nach bereits von einer anderen Leistungsart des SGB XII erfasst seien. Hier seien die gewünschten Leistungen aber gerade dem Grunde nach bereits in § 27a SGB XII (Lebensmittel) bzw. in § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII (Haushaltsgeräte) enthalten. Auch weitere Anspruchsgrundlagen aus dem SGB XII seien nicht ersichtlich. Ob der Kläger einen Anspruch auf die Gewährung von 300 EUR Energiepreispauschale entsprechend dem Steuerentlastungsgesetz 2022 habe oder ob es gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, dass diese bisher nur Erwerbstätigen vorbehalten gewesen sei, müsse das Gericht nicht entscheiden. Aufgrund des Gesetzes zur Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende vom 7. November 2022 (BGBl. I S. 1985) würden ab dem 1. Dezember 2022 auch Altersrentner eine entsprechende Pauschale in Höhe von 300 EUR erhalten. Diese werde über die Rentenversicherungsträger ausgezahlt, so dass der Kläger in Kürze über die entsprechende Leistung verfügen werde. Damit sei das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen den Bescheid vom 28. Juni 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2022 entfallen, denn der Kläger werde in Kürze ohnehin auf einfacherem Weg sein Klageziel erreichen, ohne dass es einer Entscheidung des Gerichts bedürfe.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 8. Dezember 2022 beim SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und diese im Weiteren hinsichtlich der begehrten Energiepreispauschale auf gerichtliche Anfrage und nach zwischenzeitlich erfolgter Auszahlung dieser Leistung seitens der Finanzverwaltung für erledigt erklärt. Zur Begründung trägt er im Übrigen insbesondere vor, dass SG sei von einem „gefälschten“ bzw. „entstellten“ Sachverhalt ausgegangen, die Bindung an Recht und Gesetz sei nicht beachtet worden, was „die nationalsozialistische Ideologie“ des SG wiedergebe. Es ergebe sich auch aus Art. 20 Abs. 4 GG, dass die Darlegung der einzelnen Fälschungen hier entbehrlich sei, da Ungleiches nicht mit Gleichem gleichzustellen sei. Ihm sei der gesetzliche Richter durch eine befangene Richterin entzogen worden. Der Gesetzesbefehl an Richter und Verwaltung laute auf Anspruch auf das Haushaltsgerät Tiefkühler. Dem Gesetzestext und Sinn und Zweck sei keinerlei Einschränkung, insbesondere nicht durch Vertreter des Nationalsozialismus im Richterdienst zu entnehmen. Der Kühlschrank des Klägers habe auch kein Eisfach und das Eisfach würde auch nicht die Dimension haben, um die erforderlichen Lebensmittel haltbar zu machen. Dem Beschwerdeführer stehe ein Recht auf Haltbarmachung der Lebensmittel zu. Die Bevorratung sei dem Haltbarmachen gleich zu stellen. Weder Bevorratung noch Haltbarmachung seien außerhalb § 73 SGB XII geregelt. Das Sozialgericht berufe sich darauf, dass Lebensmittel zum Regelsatz gehörten. Darauf komme es aber nicht an, da die Bevorratung nicht im Regelsatz und seiner Feststellung genannt sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2022 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Mai 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2022 zu verurteilen, an den Kläger eine Beihilfe in Höhe von 280 EUR für die Anschaffung eines Gefrierschranks und eine Beihilfe in Höhe von mindestens 500 EUR für die Anschaffung eines Not- und Überbrückungsvorrats für mindestens drei Wochen zu zahlen,

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 22. November 2022 ist gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht erhoben. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor, da der Kläger Geldleistungen begehrt, deren (Beschwerde-)Wert insgesamt mehr als 750 EUR beträgt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Bei der Ermittlung des Beschwerdewertes sind dabei in subjektiver wie objektiver Klagehäufung geltend gemachte und wirtschaftlich nicht identische Ansprüche gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) zusammenzurechnen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2006 – L 8 AS 4314/05 – juris Rdnr. 18; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, SGG § 144 Rdnr. 16).

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist noch – nachdem der Kläger seinen auf die Gewährung einer Energiepreispauschale gerichteten Antrag für erledigt erklärt hat – der Bescheid des Beklagten vom 31. Mai 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2022 (§ 95 SGG), mit welchem der Beklagte die Gewährung von Beihilfen für die Anschaffung eines Gefrierschranks und eines Not- und Überbrückungsvorrats für mindestens drei Wochen abgelehnt hat, sowie die diesbezügliche erstinstanzliche Entscheidung.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn der Gerichtsbescheid des SG vom 22. November 2022 erweist sich als rechtmäßig. Soweit der Kläger behauptet, ihm sei der gesetzliche Richter entzogen worden, kann er damit bereits deswegen nicht durchdringen, da seine zur diesbezüglichen Begründung herangezogenen Ablehnungsgesuche gegen die Kammervorsitzende der 7. Kammer des SG mit den Beschlüssen vom 30. September 2022 und 22. November 2022 rechtskräftig zurückgewiesen worden sind.

Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) des Klägers zutreffend abgewiesen, denn diese ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Zulässigkeit der Klage steht dabei nicht entgegen, dass der Kläger den für die Anschaffung des von ihm gewünschten Lebensmittelvorrats im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren mit insgesamt 400 EUR, im Klageverfahren jedoch mit 500 EUR beziffert hat, insbesondere fehlt es insoweit nicht an der Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG), da zwischen den Beteiligten die Gewährung einer diesbezüglichen Beihilfe als solches streitig ist und die beklagtenseitige Ablehnung des Antrags des Klägers notwendig auch die Ablehnung eines bis auf die höhere wertmäßige Bezifferung identischen Anspruchs beinhaltet.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfen für die Anschaffung eines Lebensmittelvorrats und eines Gefrierschranks gegen den Beklagten, weder in Form einer abweichenden Festsetzung des Regelbedarfs nach § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 42 Nr. 1 SGB XII, noch als einmalige Bedarfe nach § 31 SGB XII oder als Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem Gerichtsbescheid vom 22. November 2022 gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Eine abweichende Bewertung der Sachlage ergibt sich insbesondere nicht aus der Berufungsbegründung des Klägers, welche sich, neben inhaltlich wenigen tatsächlichen Ausführungen und der Betonung, dass es dem Kläger um die Anlage eines Vorrats im Hinblick auf Lebensmittelverteuerungen und –verknappungen und nicht (mehr) eines Vorrats für den Kriegsfall gehe, im Wesentlichen in der bloßen und ersichtlich substanzlosen Behauptung der Zugehörigkeit u.a. der erstinstanzlich entscheidenden Kammer zu einer verfassungsfeindlichen Ideologie erschöpft.

Ergänzend und klarstellend ist auszuführen, dass die Voraussetzungen für eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes gemäß § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 42 Nr. 1 SGB XII auch deswegen nicht vorliegen, weil der Kläger nicht nur hinsichtlich der begehrten Ausstattung mit einem Gefrierschrank, sondern auch hinsichtlich des Getränke- und Essensvorrats ausdrücklich einen einmaligen Bedarf geltend macht, während § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII nur einmalig anfallende Bedarfe gerade nicht erfasst. Der vom Kläger zur Begründung herangezogenen Lebensmittelverteuerung – unabhängig von der Frage ihres tatsächlichen Ausmaßes – lässt sich auch schon von vorneherein nicht durch eine einmalige Vorratsbeschaffung tauglich entgegenwirken. In tatsächlicher Hinsicht ist weiter anzumerken, dass es aufgrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine – neben bislang in bedeutsameren Umfang lediglich vorübergehenden Verknappungen einzelner Lebensmittel (etwa Speiseöl, Mehl) – zu keinem Zeitpunkt zu dem von dem Kläger behaupteten Kollaps der Lieferketten gekommen ist und auch keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine konkret zu erwartende derartige zukünftige Entwicklung bestehen. Soweit der Kläger auf die im letzten Jahr auch kriegsbedingt gestiegenen Lebensmittelpreise verweist, so lässt daraus ebenfalls kein unabweisbarer Bedarf zur Anlage eines einmaligen Notvorrats ableiten, der schon begriffsnotwendig nicht zur Deckung des allgemeinen laufenden Bedarfs dient, sondern zur Überbrückung einer nicht gegenwärtigen Notlage und damit der Vorwegnahme des zukünftigen Bedarfs zu einem noch unbekannten Zeitraum mit einem noch unbekannten Preis- und auch Grundsicherungsniveau.

Hinsichtlich der begehrten Beihilfe für die Anschaffung eines Gefrierschranks ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kühlschrank des Klägers nach dessen Vortrag über kein Gefrierfach verfüge, im Ergebnis keine andere Bewertung. Denn auch unter Einbeziehung dieses Umstandes ist nicht davon auszugehen, dass das Vorhandensein eines
Gefrierschranks, gemessen an einer den grundlegenden Bedürfnissen genügenden und im unteren Segment des Einrichtungsniveaus liegenden Wohnungsausstattung, für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen erforderlich ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 53/10 R juris Rdnr.19 m.w.N.; Bayerisches LSG, Urteil vom 7. März 2018 – L 11 AS 213/17 juris Rdnr. 15; SG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 16. November 2020 – S 13 AS 364/20 – juris Rdnr. 26 f.). Denn anders als der Kläger annimmt, besteht auch der Anspruch auf Erstaustattung mit Haushaltsgeräten nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII nicht unbeschränkt und lediglich dem Gutdünken des jeweiligen Antragstellers unterworfen, sondern ist vielmehr an den Maßstäben der Erforderlichkeit und Angemessenheit im oben dargestellten Umfang zu messen. Insoweit hat Kläger schon nicht dargetan, dass ihm nach Jahren – jedenfalls nach Zuzug in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten im Jahr 2020 – nun erstmals eine geordnete Haushaltsführung ohne das Vorhandensein eines Gefrierschranks nicht mehr möglich ist, sondern auf – als solches nachvollziehbare, aber insbesondere aus individuellen Ernährungspräferenzen folgende und im Übrigen dem Bereich der Nutzung des Regelbedarfs zuzuordnende – Einsparpotentiale sowie die Möglichkeit der von ihm bevorzugten Art der Haltbarmachung von Lebensmitteln verwiesen. Nichts Anderes folgt, ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, aus dem Bedürfnis des Klägers zu weiterreichender Vorratshaltung für den Krisenfall, da auch insoweit die Anschaffung eines (auch mit höheren laufenden, die verfügbaren Geldmittel des Klägers weiter beschränkenden Haushaltsstromkosten einhergehenden) Gefrierschranks rein tatsächlich nicht erforderlich ist, wie sich aus den von dem Kläger selbst angeführten – völlig unverbindlichen – Empfehlungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 22. März 2018 – L 7 AS 3032/17 – juris Rdnr. 18) ergibt. Denn nach dem diesbezüglichen Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen (7. Auflage, abgerufen am 22. Februar 2023 unter https://www.bbk.bund.de) sollten die für die Vorratshaltung angeschafften Lebensmittel gerade ohne Kühlung längerfristig haltbar sein (ebenda S. 11). Der Kläger hat weiter keinen Anspruch auf die Gewährung von Darlehen zur Tätigung der gewünschten Anschaffungen, da auch die Darlehensgewährung gemäß § 37 Abs. 1 SGB XII ebenso wie § 27a Abs. 4 SGB XII einen unabweisbaren Bedarf voraussetzt, welcher gerade nicht vorliegt. Schließlich ist klarzustellen, dass weder Lebensmittel noch Haushaltsgeräte ihr Wesen im Bedarfssinne – und damit ihre Erfassung durch die Regelungen des § 27a und des § 31 SGB XII – dadurch ändern, dass der Kläger sie mit der Zielsetzung einer weitergehenden Vorratshaltung anschaffen will, weswegen die Verneinung eines diesbezüglichen klägerischen Anspruchs aus § 73 SGB XII durch das SG mangels einer unbenannten, im Übrigen sozialhilferechtlich nicht erfassten Bedarfslage (vgl. Böttiger in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 73 SGB XII – Stand: 30. April 2020 – Rdnr. 22 ff.) nicht zu beanstanden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§§ 160 Abs. Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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