L 8 AY 7/23

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 AY 58/22
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AY 7/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG erfordert ein pflichtwidriges Verhalten. Dieses kann darin liegen, dass betreffende Ausländer nicht ausreist, obwohl er um leistungsrechtiche Konsequenzen seines Verhaltens wusste. Dafür bedarf es einer Belehrung mit Fristsetung.

 

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20. Januar 2023 aufgehoben, der Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2022 abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2022 bis zum 22. Februar 2022 Grundleistungen nach Bedarfsstufe 1 zu bewilligen.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

T a t b e s t a n d :


Streitig ist, ob der Kläger für die Zeit vom 01.01.2022 bis 22.02.2022 höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beanspruchen kann.

Der Kläger, nach seinen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, reiste erstmals am 25.08.2021 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Das anfänglich angegebene Geburtsjahr 2004 wurde nach Einschaltung des Jugendamts Neu-Ulm auf 2002 korrigiert, weil es sich zur Überzeugung der Kommission zur Überprüfung und Feststellung des Alters um eine volljährige Person handle (Protokoll zur Niederschrift über die Altersangabe vom 31.08.2021). Nach einem anfänglichen Aufenthalt in einer Aufnahmeeinrichtung in Augsburg kam der Kläger Anfang September 2021 in eine Erstaufnahmeeinrichtung (Anker-Einrichtung) im Gebiet des Beklagten. Der Aufenthalt des Klägers wurde räumlich auf die Stadt und den Landkreis S. beschränkt (Aufenthaltsgestattung vom 09.09.2021).

Auf den Antrag vom 10.09.2021 hin bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 10.09.2021 monatsweise und nicht als Dauerleistung, solange sich die Verhältnisse nicht ändern, Leistungen nach dem AsylbLG für die Zeit vom 06.09. bis 30.09.2021 i.H.v. 101,25 EUR und ab Oktober 2021 bis auf Weiteres i.H.v. monatlich 121,50 EUR. Die Bedarfe für Ernährung, Unterkunft und Heizung, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie, Kleidung, Körperpflege- und Hygieneartikel, WLAN, Babyerstausstattung, Kinderwagen und Schulbeihilfe Grundschule würden in der Anker-Einrichtung als Sachleistungen gewährt. Ergänzend zu den Sachleistungen würde Krankenhilfe gewährt. Die Bewilligung bis auf Weiteres stelle keine dauerhafte, in der Höhe unveränderte Bewilligung der Leistung dar. Vielmehr werde lediglich aus Vereinfachungsgründen nicht jeden Monat neu geprüft und durch einen neuen Bescheid bewilligt.

Der Kläger besuchte ab dem 13.09.2021 für das Schuljahr 2021/22 die 10. Klasse einer Berufsschule (Bestätigung der Staatlichen Berufsschule III in S. vom 28.09.2021).

Gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab der Kläger bei seiner Anhörung an (Niederschrift vom 09.09.2021), er sei auf dem Landweg u.a. über Bulgarien und Rumänien am 23.08.2021 nach Deutschland gekommen. Das BAMF stellte betreffend den Kläger in der Datenbank "Eurodac" Treffer am 24.09.2020 in Bulgarien, am 01.03.2021 und 06.08.2021 in Rumänien und am 06.05.2021 in Polen fest (Eurdodac-Ergebnisliste). Bei einer weiteren Anhörung beim BAMF am 08.10.2021 teilte der Kläger noch mit (Niederschrift über die Anhörung am 08.10.2021), er habe in anderen Ländern keine Asylanträge gestellt, ihm seien lediglich Fingerabdrücke abgenommen worden. Er habe eigentlich nach Deutschland gewollt. Wenn er in eines der Länder geschickt werde, werde man ihn verhaften. Er müsse dann etwa 18 Monate ins Gefängnis. Eine Perspektive gebe es dort nicht.

Das BAMF ersuchte sodann Bulgarien, Rumänien und Polen um die Übernahme des Klägers. Bulgarien - dort war als Geburtsdatum des Klägers 1998 registriert - und Polen lehnten das Übernahmeersuchen ab, von rumänischer Seite wurde es akzeptiert (Schreiben des rumänischen Direktorats für Asyl und Integration vom 22.10.2021). Als Fristende für die Überstellung notierte das BAMF zunächst den 22.04.2021 und später den 22.05.2022 (Dublin-Fristvermerke vom 25.10.2021 und 10.11.2021).

Mit Bescheid vom 25.10.2021 lehnte das BAMF den Asylantrag als unzulässig ab, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Rumänien an. Die rumänischen Behörden hätten mit Schreiben vom 22.10.2021 ihre Zuständigkeit erklärt. Der Asylantrag sei unzulässig, da Rumänien aufgrund des dort bereits gestellten und zurückgenommenen Asylantrages zuständig sei. Die weitere Unzulässigkeit des Asylantrags könne auch auf dem erfolglosen Abschluss des früheren Asylverfahrens beruhen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht gegeben seien. Daher werde der Asylantrag in Deutschland nicht materiell geprüft. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass dem Kläger bei einer Überstellung nach Rumänien eine individuelle Gefahr drohe. Überhaupt komme ein zielstaatsbezogenes Überstellungshindernis nur bei systemischen Mängeln des Asylsystems in Betracht. Es sei davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt sei. Die Aufnahmeeinrichtungen entsprächen internationalen Standards, ein Zugang zum Asylsystem wie auch zu materieller, juristischer und medizinischer Versorgung und Unterstützung sei gewährleistet. Es bestünden auch keine systemischen Mängel. Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers sei durch eine Abschiebung nach Rumänien nicht zu erwarten.

Hiergegen erhob der Kläger am 02.11.2021 beim Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg (VG) Klage (Verfahren W 2 K 21.50291) und beantragte einstweiligen Rechtsschutz (Verfahren W 2 S 21.50292). Zur Begründung trug er vor, er wolle nicht nach Rumänien, weil er dort mehrfach körperlich misshandelt worden sei. Die Unterkunft sei verwahrlost gewesen. Außerdem habe er keine ausreichende medizinische Versorgung erhalten. Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das VG mit Beschluss vom 09.11.2021 ab (AsylA 202). Der angefochtene Bescheid stelle sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig dar. Nach den Erkenntnissen aus der Eurodac-Datenbank habe der Kläger am 06.08.2021 in Rumänien einen Asylantrag gestellt. Aufgrund dessen ergebe sich die Zuständigkeit Rumäniens. Es bestünden auch keine hinreichenden Gründe für die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bei einer Rückkehr des Klägers nach Rumänien. Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel des rumänischen Asylsystems bestünden nicht. Auch im Fall einer Zuerkennung internationalen Schutzes in Rumänien wäre der Kläger nicht der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt. Es gebe außerdem keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Situation durch die aktuelle Corona-Krise so gravierend verschlechtert habe. Ferner fehle es an sonstigen außergewöhnlichen Umständen, welche ausnahmsweise die Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt begründen könnten. Insbesondere sei eine besondere Vulnerabilität des Klägers nicht glaubhaft gemacht. Der Vortrag des Klägers, in Rumänien mehrfach körperlich schwer misshandelt worden zu sein, ergebe ebenfalls keine abweichende Bewertung bezüglich der Feststellung, dass keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote bestünden. Dazu führe auch nicht die derzeitige Covid 19-Pandemie. Zwar gelte Rumänien als Hochrisikogebiet und das dortige Gesundheitssystem stoße an seine Grenzen. Dennoch werde der Kläger nicht gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert. Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine Überstellung nach Rumänien wäre auch sonst nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich.

Die Klage wies das VG später mit im Wesentlichen gleicher Begründung ab (Urteil vom 21.12.2021 - W 2 K 21.50291).

Den Bescheid des BAMF vom 25.10.2021 erhielt der Beklagte über die Ausländerbehörde Mitte November 2021. Der Beklagte hörte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 18.11.2021 zu einer beabsichtigten Einschränkung der Leistungen an. Der Kläger sei im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Aus dem Bescheid des BAMF vom 25.10.2021 gehe hervor, dass der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt worden sei. Daher stünden ihm bis zur Ausreise lediglich eingeschränkte Leistungen zu. Eine Äußerung des Klägers erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 09.12.2021 stellte der Beklagte fest, dass der Leistungsanspruch des Klägers nach dem AsylbLG ab dem 01.01.2022 bis zum 30.06.2022 eingeschränkt sei, lehnte den Antrag auf Grundleistungen für diese Zeit ab, hob den Bescheid vom 10.09.2021 ab dem 01.01.2022 auf und bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2022 bis zum 30.06.2022 Sachleistungen nach § 1a Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Der Bedarf an Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege werde in der Anker-Einrichtung sichergestellt. Ergänzend zu den Sachleistungen würde weiterhin Krankenhilfe gewährt. Der Asylantrag des Klägers sei vom BAMF mit Bescheid vom 25.10.2021 als unzulässig abgelehnt worden, weil der EU-Mitgliedsstaat Rumänien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags zuständig sei. Mithin erfülle der Kläger die Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung. Der Bescheid des BAMF entfalte betreffend die Unzulässigkeit des Asylverfahrens in Deutschland Bindungswirkung hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung. Die Anspruchseinschränkung sei auf sechs Monate zu befristen. Es bestehe daher nur mehr Anspruch auf Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Ein Anspruch auf Grundleistungen sei nicht mehr gegeben. Da somit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, werde der Dauerverwaltungsakt (Bescheid) vom 10.09.2021 ab dem 01.01.2022 in vollem Umfang aufgehoben. Besondere Umstände, welche eine weitergehende Gewährung anderer Leistungen rechtfertigen könnten, seien den Akten nicht zu entnehmen.

Zwecks einer zunächst für den 19.01.2022 und später für den 02.03.2022 geplanten Flugüberstellung wurde dem Kläger unter dem 16.12.2021 ein Laissez-Passer ausgestellt. Die Ausländerbehörde informierte den Kläger dabei auch darüber, dass er eine Abschiebung durch freiwillige Ausreise verhindern könne (Schreiben vom 22.12.2021 - AuslA 203). Die Überstellung scheiterte letztlich, weil nach Auskunft des BAMF die rumänischen Behörden aufgrund der Situation in der Ukraine ab dem 01.03.2022 keine Überstellungen im Dublin-Verfahren mehr annähmen (Schreiben des BAMF vom 28.02.2022). In der Folge entschied das BAMF im nationalen Verfahren. Mit Bescheid vom 25.11.2022 lehnte es den Asylantrag des Klägers ab, stellte aber ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistan fest. Außerdem hob das BAMF mit Bescheid vom 30.11.2022 seinen Bescheid vom 25.10.2021 wegen des Übergangs der Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auf. Inzwischen wurde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Gegen den Bescheid des Beklagten vom 09.12.2021 legte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten bereits am 28.12.2021 Widerspruch ein (Schriftsatz vom 28.12.2021). Die Regelung über die Anspruchseinschränkung sei aus verfassungsrechtlichen Gründen dahin einzuschränken, dass ein pflichtwidriges Verhalten vorliegen müsse. Das sei nicht der Fall. Die Einreise nach Deutschland sei nicht pflichtwidrig. Zudem sei ihm nie mitgeteilt worden, dass er in Deutschland nicht Asyl beantragen dürfe und als Rechtsfolge nur eingeschränkte Sozialleistungen erhalte.

Ebenfalls am 28.12.2021 beantragte der Kläger zudem beim Sozialgericht Würzburg (SG) einstweiligen Rechtsschutz (Verfahren S 9 AY 186/21 ER) mit dem Ziel, für die Zeit vom 01.01.2022 bis 30.06.2022 vorläufig Grundleistungen nach Bedarfsstufe 1 zu erhalten.

Das SG lehnte die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab, weil keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anspruchseinschränkung bestünden (Beschluss vom 20.10.2021). Auf die nachfolgende Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) ordnete der Senat mit Beschluss vom 19.04.2022 (L 8 AY 26/22 B ER) unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28.12.2021 gegen den Bescheid vom 09.12.2021 an. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei unzulässig, soweit erstmalig Leistungen der Bedarfsstufe 1 begehrt würden. Im Übrigen sei der Antrag zulässig und begründet. Die Anspruchseinschränkung erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Es sei stets ein bestimmtes, vorwerfbares Verhalten zu fordern. Dieses liege hier nicht vor. Der Kläger sei nicht darauf aufmerksam gemacht worden, dass von ihm eine freiwillige Ausreise erwartet werde, um im zuständigen Mitgliedsstaat am Asylverfahren mitzuwirken.

Ab dem 23.02.2022 wurde der Kläger dem Landkreis M zugewiesen (Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 15.02.2022).

Die Regierung von Unterfranken wies den Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 09.12.2021 daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2022 zurück und stellte das Widerspruchsverfahren für die Zeit ab dem 23.02.2022 ein. Der Widerspruch sei zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger seien mit Bescheid vom 10.09.2021 Leistungen im Wege eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung gewährt worden. Dieser sei ab dem 01.01.2022 zu Recht aufgehoben worden, nachdem das BAMF vollziehbar den Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt habe. Die Entscheidung des BAMF habe Tatbestandswirkung bezüglich der Unzulässigkeit. Es sei die Abschiebung nach Rumänien angeordnet worden. Damit hätten die Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung vorgelegen. Die Vorschrift setze zudem kein Fehlverhalten des Leistungsberechtigten voraus. Umfasst seien die Fälle einer irregulären Sekundärmigration, wobei die Leistungseinschränkung allein an den Umstand der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland anknüpfe, ohne dass es auf die Beweggründe für die Weiterreise ankomme. Angeknüpft werde nur an das formale Kriterium der anderweitigen Zuständigkeit. Eine Weiterreise nach Deutschland solle unattraktiv gemacht werden. Unionsrechtlich sei zudem kein Anspruch auf Aufrechterhaltung eines bestimmten Niveaus von grundsicherungs- und migrationssozialrechtlichen Basisleistungen begründet. Mit den abgesenkten Leistungen würden die Leistungssätze auch nicht allgemein niedrig gehalten. Ohnedies liege ein vorwerfbares Verhalten des Klägers mit der Einreise selbst vor. Anerkannt sei, dass Leistungseinschränkungen an die Einreise selbst geknüpft werden könnten, wenn diese trotz anderweitiger Zuständigkeit erfolgt sei und dafür kein rechtfertigender Grund vorliege. Hinweise für einen rechtfertigenden Grund bei Einreise gebe es vorliegend nicht. Der gewährte Leistungsumfang entspreche den gesetzlichen Vorgaben, ebenso die Dauer der Einschränkung. Für den Zeitraum vom 23.02.2022 bis 30.06.2022 sei der Beklagte jedoch nicht mehr für die Leistungsbewilligung zuständig, da der Kläger dem Landkreis M zugewiesen worden sei. Damit habe sich der Bescheid erledigt und das Widerspruchsverfahren sei für die Zeit ab dem 23.02.2022 einzustellen gewesen.

Dagegen hat der Kläger beim SG Klage erhoben. Die Regelung über die Anspruchseinschränkung sei evident verfassungswidrig, da sie das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletze. Die den Anspruch begründende Menschenwürde stehe allen zu und gehe selbst durch ein vermeintlich "unwürdiges" Verhalten nicht verloren. Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstrecke sich als einheitliche Gewährleistung sowohl auf die Sicherung der physischen Existenz als auch die Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Es widerspräche dem nicht relativierbaren Gebot der Unantastbarkeit, wenn nur ein Minimum unterhalb dessen gesichert würde, was der Gesetzgeber bereits als Minimum normiert habe. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe für die streitgegenständliche Norm konkretisiert, dass eine generalisierende Einschränkung von vornherein unzulässig sei. Eine Praxis, wonach soziokulturelle Bedarfe allgemein als entbehrlich angesehen würden, wäre auch mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar. Nach der aktuellen Regelung zur Anspruchseinschränkung erhielten die Betroffenen nur Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Damit seien Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse zwingend ausgeschlossen. Somit liege eben jene generalisierende Einschränkung vor, wonach soziokulturelle Bedarfe allgemein als entbehrlich angesehen würden. Zwar könnten staatliche Leistungen zur Existenzsicherung an Mitwirkungspflichten gebunden werden, die darauf abzielten, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden, soweit sie verhältnismäßig seien. Migrationspolitische Erwägungen könnten allerdings von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards rechtfertigen. Die Anspruchseinschränkung verfolge kein legitimes Ziel im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Mit der Regelung sollten schon keine asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten durchgesetzt werden. Es gehe dem Gesetzgeber offenkundig allein um die repressive Sanktionierung eines Verhaltens der Betroffenen im Einzelfall, das abschreckende Wirkung auf andere entfalten und die Betroffenen zur freiwilligen Ausreise drängen solle. Dies diene jedoch nicht dem Ziel, Bedürftigkeit zu vermeiden oder zu überwinden. Darüber hinaus sei die Leistungsminderung nicht verhältnismäßig, denn den Betroffenen sei es nicht möglich, sie durch eigenes zumutbares Verhalten abzuwenden und die existenzsichernde Leistung wieder zu erlangen. Außerdem fehlten Erkenntnisse zur Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit des Konzepts der Anspruchseinschränkungen. Ferner seien die starre Sanktionsdauer von sechs Monaten und die Beschränkung der Leistungen auf solche zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege verfassungswidrig. Die Leistungshöhe betrage lediglich etwa 50% der Grundleistungen und 40% der Analogleistungen. Darüber hinaus längen die Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchseinschränkung nicht vor. Zwar sei der Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden. Es sei jedoch eine teleologische Reduktion der Vorschrift dahin vorzunehmen, dass dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Die Einreise nach Deutschland stelle jedoch kein pflichtwidriges Verhalten dar. Vielmehr stelle die sog. Dublin III-Verordnung für Fälle der asylrechtlichen Zuständigkeit anderer EU-Mitgliedstaaten ein geregeltes Aufnahme- bzw. Wiederaufnahme- und Überstellungsverfahren bereit. Werde die Überstellung nicht in der gesetzlichen Frist (in der Regel sechs Monate) durchgeführt, sei der zuständige Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme verpflichtet und die Zuständigkeit gehe auf den ersuchenden Mitgliedsstaat über. Unklar sei auch, ob in Rumänien überhaupt Asyl beantragt worden sei. Würde man in der Weiterwanderung keinen bloßen Anwendungsfall der Dublin III-Verordnung sehen, sondern ein pflichtwidriges Verhalten, könnten Grund- oder Analogleistungen nur mehr Asylsuchende erhalten, die auf dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland eingereist seien. Ein pflichtwidriges Verhalten scheide bereits deshalb aus, weil nie mitgeteilt worden sei, dass Asyl nicht in der Bundesrepublik Deutschland beantragen werden dürfe, weil ein anderer EU-Mitgliedstaat für den Asylantrag zuständig sei. Jedenfalls sei keine Belehrung dahin erfolgt, dass während des Verfahrens in Deutschland nur eingeschränkte Sozialleistungen erbracht würden. Außerdem dürfe eine Überstellung nach Rumänien nicht durchgeführt werden, weil dort die ernsthafte Gefahr bestehe, dass er seine elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigen könne. Schließlich sei die Anspruchseinschränkung auf eine dauerhafte Leistungsabsenkung angelegt, die erst mit einer Anerkennung im Asylverfahren ende. In den allermeisten Fällen schließe sich an das Dublin-Verfahren ein nationales Asylverfahren an. Nur in jedem vierten Verfahren, in dem eine Zustimmung eines anderen EU-Mitgliedstaats zur Überstellung vorgelegen habe, habe auch tatsächlich eine Überstellung stattgefunden. Eine dauerhafte Absenkung unter das soziokulturelle Existenzminimum sei jedoch mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar. Jedenfalls verliere die Anspruchseinschränkung mit der Aufhebung des "Dublin-Bescheides" jede inhaltliche Rechtfertigung. Aus den gesetzlichen Regelungen ergebe sich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Bestand einer Leistungseinschränkung von einer vollziehbaren und damit wirksamen Abschiebungsandrohung abhängig sei. Unabhängig davon sei im Bereich der Existenzsicherung in jeder Hinsicht eine restriktive Auslegung unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten. Hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Leistungen verstoße es gegen das Gleichheitsgebot, wenn Leistungsberechtigte in Gemeinschaftsunterkünften Grundleistungen nur nach Bedarfsstufe 2 erhielten. Eine normerhaltende Auslegung komme allenfalls im Wege der Reduktion in Betracht, indem als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" gefordert werde. Ferner sei eine Differenzierung nur möglich, sofern der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen signifikant von dem anderer Bedürftiger abweiche und dies in einem transparenten Verfahren belegt werden könne. Der Gesetzgeber habe aber keine Ermittlungen zum spezifischen Bedarf angestellt. Der Bedarf weiche auch nicht signifikant ab. Als Grund für die Leistungsreduzierung werde eine "Solidarisierung in der Gemeinschaftsunterbringung" behauptet. Dass diese Herleitung verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genüge, sei offensichtlich. Personen, die gemeinsam untergebracht seien, profitierten nicht von Einspareffekten. Leistungen i.H.v. nur 90% des existenzsichernden Umfangs seien evident unzureichend. Ein plausibler Beleg für die Annahme, dass Leistungsberechtigte gemeinsam wirtschafteten wie Partner einer Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor.

Der Beklagte hat erwidert, das soziokulturelle Existenzminimum könne - anders als das physische in zulässiger Weise beschränkt werden. In den sog. Dublin-Fällen erscheine zudem eine Kürzung der Geldleistungen umso mehr gerechtfertigt, als dies gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen würde. Ein anderer EU-Mitgliedsstaat sei für das Asylverfahren zuständig, so dass der weitere Bezug von Geldleistungen in Deutschland eine ungerechtfertigte Besserstellung wäre. Ein Anspruch auf Leistungen nach der Bedarfsstufe 1 bestehe nicht, denn der Kläger sei in einer Sammelunterkunft untergebracht gewesen.

Das SG hat mit Urteil vom 20.01.2023 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Klage sei nur teilweise zulässig. Soweit der Kläger höhere Leistungen begehre, als mit Bescheid vom 10.09.2021 ursprünglich bewilligt, bestehe keine Klagebefugnis. Die ursprüngliche Leistungsbewilligung sei bestandskräftig geworden und damit bindend. Soweit der nachfolgende Bescheid vom 09.12.2021 rechtswidrig sei, müsse er aufgehoben werden mit der Folge, dass die Bewilligung aus dem Bescheid vom 10.09.2021 wiederauflebe. Ein Überprüfungsantrag sei insofern nicht gestellt worden. Soweit der Kläger die Leistungsabsenkung angreife, sei die Klage zulässig, jedoch nicht begründet. Die Einschränkung des Leistungsanspruchs sei rechtmäßig erfolgt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür seien erfüllt. Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zur Anspruchseinschränkung bestünden nicht. Es gehe insbesondere nicht um sozialrechtliche Mitwirkungspflichten von Personen, deren Existenzminimum ausschließlich durch die Bundesrepublik Deutschland zu gewähren sei, sondern um ausländerrechtliche Pflichten. Der Kläger habe aufgrund des ablehnenden Asylbescheids keine Bleibeperspektive. Ein anderer Mitgliedsstaat der EU sei verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen und das Existenzminimum sicherzustellen. Hier durch die Absenkung des Leistungsniveaus Ausreiseanreize zu setzen, sei ein legitimes Ziel. Auch eine einschränkende Auslegung dahin gehend, dass über den Wortlaut hinaus eine konkrete Pflichtverletzung erforderlich sei, sei nicht geboten. Gemäß dem klaren Wortlaut der Norm sei es kein Tatbestandsmerkmal, dass der Kläger vor der Absenkung der Leistungen auf die Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise hingewiesen worden sei. Ein Erfordernis, dies als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu verlangen, sei ebenfalls nicht zu erkennen. Allen Asylbewerbern sei wohlbekannt, dass eine freiwillige Ausreise aus dem Bundesgebiet möglich sei. Dass der Kläger das Bundesgebiet zu verlassen habe, ergebe sich hinreichend aus dem Bescheid des BAMF. Dem Kläger seid daher bekannt gewesen, dass eine Ausreise von ihm erwartet werde. Ein gesonderter Hinweis darauf, dass die Leistungseinschränkung durch Ausreise abgewendet werden könne, sei nicht notwendig, da sich dies aus der Sache selbst ergebe. Jedem Asylbewerber sei bekannt, dass bei einer Ausreise der Leistungsbezug ende. Die Abschiebungsanordnung sei seit dem 09.11.2021 vollziehbar gewesen. Im Übrigen verletze der Kläger seine ausländerrechtlichen Pflichten, wenn er trotz bestehender Ausreisepflicht sich nicht in den Staat begebe, in dem das Asylverfahren durchzuführen sei. Damit wäre die geforderte Pflichtverletzung auch gegeben. Das Gericht habe zudem keine Bedenken, dass dem Kläger in Rumänien eine menschenunwürdige Behandlung drohe und deshalb eine Ausreise dorthin unzumutbar wäre. Ohnehin sei es nicht der Auffassung, dass diese Prüfung erforderlich sei. Ob und inwieweit eine Überstellung bzw. Ausreise zumutbar sei, überprüften die Verwaltungsbehörden und Gerichte im Asylverfahren. Soweit dort eine vollziehbare Ausreisepflicht angeordnet sei, sei die Sozialbehörde nicht berufen, diese zu konterkarieren. Die ausländerrechtlichen Entscheidungen hätten insoweit Tatbestandswirkung. Vorliegend sei die Zumutbarkeit einer Ausreise nach Rumänien vom BAMF geprüft und Ausreise und Abschiebung seien als zumutbar erachtet worden. Diese sei vom VG weder aufgehoben noch geändert worden. Der vom Beklagten gewährte Leistungsumfang entspreche dem im Gesetz geregelten Umfang. Weitere Bedarfe seien nicht geltend gemacht worden. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Absenkung des Leistungsniveaus habe das Gericht nicht. Eine Absenkung bezüglich des soziokulturellen Existenzminimums sei möglich. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, uneingeschränkt Leistungen zu gewähren. Dies sei in Fällen, wie dem vorliegenden, durch die gesetzgeberische Zielsetzung gedeckt, einem Verhalten entgegenzuwirken, bei dem im Widerspruch zum europäischen Asylsystem trotz bereits anderweitig laufenden Asylverfahrens in Deutschland Sozialleistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts in Anspruch genommen würden. Dem Kläger drohe keine Obdachlosigkeit und die Nahrungs- und Gesundheitsversorgung sei sichergestellt. Der Beklagte habe die Leistungskürzung außerdem auf die im Gesetz vorgesehenen sechs Monate begrenzt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz werde gewahrt. Dass letztlich wegen der Umverteilung des Klägers die Leistungskürzung nur vom 01.01.2022 bis 22.02.2022 durchgeführt worden sei, streite nicht zugunsten des Klägers. Nachdem die Leistungseinschränkung greife, sei nicht mehr entscheidungserheblich, ob dem Kläger Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 oder 2 zustünden. Er habe nämlich schon keinen Anspruch auf Grundleistungen. Die Berufung gegen dieses Urteil werde zugelassen, weil das Urteil von der Rechtsprechung des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) abweiche.

Hiergegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt. Zur Begründung ist im Wesentlichen der erstinstanzliche Vortrag wiederholt worden.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20.01.2023 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 09.12.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2022 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2022 bis zum 22.02.2022 Grundleistungen nach Bedarfsstufe 1 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen einschließlich des Verfahrens L 8 AY 26/22 B ER Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Insbesondere ist die Zulassung der Berufung durch das SG - für das LSG bindend (§ 144 Abs. 3 SGG) - erfolgt. Diese war erforderlich, weil - maßgeblich ist der Zeitpunkt der Berufungseinlegung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 19) - keine Leistungen für mehr als 12 Monate (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) betroffen sind und der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 285,46 EUR zu bemessen ist (dazu unten), somit 750 EUR nicht überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Zulassung ist auch wirksam erfolgt; sie ist im Tenor ausgesprochen worden.

Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Kläger hat für die Zeit vom 01.01.2022 bis 22.02.2022 Anspruch auf Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 ohne Anspruchseinschränkung. Das SG hat daher zu Unrecht die Klage abgewiesen; soweit entgegenstehend, ist der Bescheid des Beklagten vom 09.12.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2022 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, für den Zeitraum vom 01.01.2022 bis 22.02.2022 Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 ohne Anspruchseinschränkung zu erhalten. Das ergibt sich eindeutig aus dem in der mündlichen Verhandlung vom anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers gestellten Antrag. In diesem Umfang war das Begehren auch bereits erstinstanzlich geltend gemacht worden. Obschon die Klage (allein) damit begründet wird, dass dem Kläger Leistungen nach § 3 AsylbLG ohne Anspruchseinschränkung und nach Bedarfsstufe 1 zustünden, umfasst das klägerische Begehren die Höhe der Leistungen unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt (vgl. BSG, Urteil vom 26.02.2013 - B 7 AY 6/11 R - juris). Sein Rechtsschutzziel kann der Kläger mittels kombinierter Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG) verfolgen, die auch im Höhenstreit auf ein Grundurteil gerichtet sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2021 - B 7 AY 2/20 R - juris). Eine reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) genügt vorliegend nicht, denn für den streitigen Zeitraum lag mit dem Bescheid vom 10.09.2021 zwar eine (zukunftsoffene) Leistungsbewilligung (Grundleistungen nach Bedarfsstufe 2) vor, das klägerische Begehren geht aber über den Umfang der früheren Leistungsbewilligung hinaus. Daher bedürfte es einer Verurteilung des Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen (vgl. Beschluss des Senats vom 17.09.2018 - L 8 AY 13/18 B ER - juris). Die Klage richtet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 09.12.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2021. Soweit der Beklagte mit dem Bescheid vom 09.12.2021 zunächst eine Anspruchseinschränkung für die Zeit bis 30.06.2022 verfügt hat, hat sich diese Regelung für die Zeit ab dem 23.02.2022 durch die Zuweisung des Klägers in das Gebiet eines anderen Trägers der Leistungen nach dem AsylbLG und den dadurch eingetretenen Wechsel der Zuständigkeit auf andere Weise erledigt i.S.d. Art. 43 Abs. 2 des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG).
Mit diesem Inhalt ist die Klage zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage hinsichtlich des Begehrens nach Leistungen im Umfang der Bedarfsstufe 1 nicht entgegen, dass mit dem Bescheid vom 10.09.2021 dem Kläger für die Zeit ab dem 10.09.2021 bis auf Weiteres, also zukunftsoffen, nur Grundleistungen der Bedarfsstufe 2 gewährt worden waren und diese Regelung mangels Anfechtung bestandskräftig geworden ist (§ 77 SGG). Mit dem Bescheid vom 09.12.2021 hat der Beklagte - ursprünglich - für die Zeit von Januar bis Juni 2022 eine neue Regelung zur Leistungsbewilligung getroffen. Bei Anfechtung der neuen Leistungsbewilligung, wie hier durch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.12.2021, kann der Betreffende daher auch höhere Leistungen als zuvor bewilligt geltend machen und muss sein Begehren nicht beschränken. Er könnte nämlich, wenn es keinen neuen Bescheid über die Leistungsbewilligung gäbe, auch im Wege der Korrektur nach den §§ 44 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) vorgehen. Insofern ist kein Grund für eine Begrenzung auf die bisherige Leistungshöhe gegeben.

Die Klage ist auch in der Sache begründet. Dem Kläger steht für den noch streitigen Zeitraum vom 01.01.2022 bis 22.02.2022 der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen in Höhe von Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 zu.

Für die vorliegend geltend gemachten Geldleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG ist der Beklagte örtlich gemäß § 10a Abs. 1 AsylbLG zuständig, da der Kläger von Anfang September 2021 bis zum 22.02.2022 dem Beklagten zugewiesen war und dort in einer Anker-Einrichtung untergebracht war, in der er auch tatsächlich wohnte. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten als örtlicher Träger für die Gewährung von Grundleistungen folgt aus § 10 Satz 1 AsylbLG i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 2 und § 14 Abs. 1 Satz 2 der (bayer.) Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl - in der Fassung vom 16.08.2016, GVBl S. 258). Auch wenn der Beklagte im übertragenen Wirkungskreis tätig geworden ist (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 DVAsyl) und Kostenträger letztlich der Freistaat Bayern ist (§ 12 Abs. 1 DVAsyl), welcher den Landkreisen und kreisfreien Städten die aufgewandten Kosten erstattet (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Aufnahmegesetzes - AufnG), ist dennoch der Beklagte passiv legitimiert, denn er handelt auch im übertragenen Wirkungskreis nicht als staatliche Behörde (Art. 4 und 6 der bayer. Landkreisordnung). Einer Beiladung des Freistaats Bayern bedurfte es jedoch nicht, da kein unmittelbarer Eingriff in dessen Rechtssphäre stattfindet (vgl. Urteil des Senats vom 11.12.2020 - L 8 AY 32/20 - juris; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 75 Rn. 10).
Einen Anspruch auf sog. Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG i.V.m. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) hatte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Dies richtet sich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes vom 15.08.2019, BGBl. I, 1294). Demnach ist abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Der Kläger war im Zeitraum vom 01.01.2022 bis 22.02.2022 leistungsberechtigt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes vom 15.08.2019, BGBl. I, 1294). Die Bestandskraft der Ablehnung des Asylantrages als unzulässig durch den Bescheid des BAMF vom 25.10.2021 ist zwar erst am 11.02.2022 eingetreten, nachdem das die Klage abweisende Urteil des VG vom 21.12.2021 (W 2 K 21.50291) rechtskräftig geworden war. Allerdings war die im Bescheid vom 25.10.2021 verfügte Abschiebungsanordnung bereits aufgrund des Beschlusses des VG vom 09.11.2021 (W 1 S 21.50292) vollziehbar, da dieser unanfechtbar war (§ 80 des Asylgesetzes - AsylG). Damit war die Gestattung des Aufenthalts des Klägers zur Durchführung des Asylverfahrens (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG) erloschen, § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AsylG. Insofern kommt es auch nicht auf eine Statusentscheidung der Asyl- oder Ausländerbehörde an, sondern dies ergibt sich von Gesetzes wegen (vgl. Frerichs in jurisPK-SGB XII, AsylbLG § 1, Stand: 19.12.2022, Rn. 78). Mithin erfüllte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG. Ebenso wenig die des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG, denn als Folgeantrag in diesem Sinn zählt allein ein weiterer Antrag i.S.d. 71 AsylG, also ein weiterer in Deutschland (beim BAMF) gestellter Asylantrag. Auch ein Zweitantrag i.S.d. § 71a AsylbLG lag nicht vor, denn durch die Rücknahme des in Rumänien gestellten Asylantrages wurde das dortige (erste) Asylverfahren nicht erfolglos abgeschlossen, weil es an einer (bestandskräftigen) asylrechtlichen Entscheidung fehlt (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.02.2023 - 1 LA 88/22; BayVGH, Beschluss vom 26.01.2023 - 6 AS 22.31155 - beide nach juris). Ein Anspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbLG scheitert aber im hier interessierenden Zeitraum vom 01.01.2022 bis zum 22.02.2022 daran, dass der Kläger, ausgehend von seiner erstmaligen Einreise nach Deutschland am 25.08.2021 - ein früherer Zeitpunkt ist für den Senat allein aufgrund der Angabe des Klägers (23.08.2021) nicht belegt -, die Voraussetzung einer 18monatigen Wartezeit noch nicht erfüllte.
Der Anspruch des Klägers folgt aber aus § 3 Abs. 1 AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes vom 10.12.2021, BGBl. I, 5162). Demnach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf). Wie gezeigt, war der Kläger im streitigen Zeitraum (allein) leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG. Es gibt zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er über einzusetzendes Einkommen oder Vermögen (§ 7 AsylbLG) verfügte. Auch Umstände für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nach § 1 Abs. 2 bis 4, § 11 Abs. 2 und 2a AsylbLG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere greift hier § 1 Abs. 4 AsylbLG nicht ein, denn der Kläger hat sich zwar vor seiner Einreise nach Deutschland in Bulgarien, Rumänien und Polen aufgehalten. Von keinem der Staaten wurde ihm aber internationaler Schutz gewährt. Weder hat der Kläger das angegeben noch lässt sich dies den Asylakten bzw. dem Bescheid des BAMF vom 25.10.2021 entnehmen.
Dem Anspruch auf Grundleistungen aus § 3 Abs. 1 AsylbLG steht nicht eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AsylbLG (in der seit 01.09.2019 geltenden Fassung des Gesetzes vom 13.08.2019, BGBl. I, 1290, bzw. vom 15.08.2019, BGBl. I, 1294) entgegen.
Der Beklagte hat formell rechtmäßig eine Anspruchseinschränkung im Bescheid vom 09.12.2021 verfügt. Insbesondere ist der Kläger zuvor vom Beklagten mit Schreiben vom 18.11.2021 ordnungsgemäß angehört worden (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG), auch wenn er sich dazu nicht geäußert hat. Der Senat nimmt ferner die Zuständigkeit des Beklagten für die Anspruchseinschränkung an, obwohl zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids vom 09.12.2021 eine ausdrückliche (landesrechtliche) Regelung zur Zuständigkeit bei einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG fehlte. Das AsylbLG selbst legt die sachliche Zuständigkeit im Einzelnen nicht fest, sondern ermächtigt hierzu die Landesregierungen bzw. die von ihnen beauftragten obersten Landesbehörden (§ 10 AsylbLG). Die dazu in Bayern erlassene DVAsyl enthält aber erst seit dem 01.03.2022 mit dem neu gefassten § 19 DVAsyl eine Zuständigkeitsregelung für Fälle des § 1a AsylbLG. Allerdings geht der Senat davon aus, dass sich die Zuständigkeit des Beklagten als örtlicher Träger (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 DVAsyl) für die Einschränkung der allein betroffenen Geldleistungen damit begründen lässt, dass sie sich quasi als das Gegenstück zur Zuständigkeit für die nicht eingeschränkte Leistung, hier Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, ergibt, für die der Beklagte zuständig war. Nach diesem Prinzip legt seit März 2022 nunmehr auch § 19 DVAsyl die Zuständigkeiten fest (vgl. Beschluss des Senats vom 11.04.2022 - L 8 AY 34/22 B ER - juris).
Zudem hat der Beklagte im Bescheid vom 09.12.2021 ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger die Voraussetzungen einer Leistungseinschränkung erfüllte. Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG erfordert jedoch nach Ansicht des Senats ohnehin keinen separaten, feststellenden Verwaltungsakt, denn nach dem Wortlaut des § 1a AsylbLG ("... werden nur noch Leistungen ...gewährt" bzw. "... erhalten nur Leistungen ...") tritt die Folge der Anspruchseinschränkung von Gesetzes wegen ein (vgl. Urteil des Senats vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 und Beschluss des Senats vom 11.11.2016 - L 8 AY 29/16 B ER - alle nach juris; a.A. BayLSG, Beschluss vom 01.03.2018 - L 18 AY 2/18 B ER - juris; Groth in jurisPK-SGB XII, Stand: 15.04.2021, § 11 AsylbLG Rn. 92). Etwas anderes lässt sich auch aus § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG nicht ableiten. Daraus geht allein hervor, dass zur leistungsrechtlichen Umsetzung noch ein Verwaltungsakt erforderlich ist, der gegebenenfalls eine Aufhebungs- oder Rücknahmeentscheidung enthält (vgl. Groth, a.a.O., Rn. 93).
Der Bescheid vom 09.12.2021 ist auch in hinreichender Weise inhaltlich bestimmt. Die von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG statuierte Anforderung der inhaltlichen Bestimmtheit eines Verwaltungsakts bedeutet ebenso wie bei § 33 SGB X, dass der Adressat des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers in der Lage sein muss, das von ihm Geforderte zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2020 - B 8 SO 2/19 R; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.05.2019 - L 7 AY 1161/19 ER-B - alle nach juris). Das war hier der Fall, denn der Kläger konnte bereits aus den Verfügungssätzen des Bescheids vom 09.12.2021 ohne Weiteres erkennen, dass eine Anspruchseinschränkung festgestellt wurde und für welchen Zeitraum ihm in welchem Umfang Leistungen bewilligt wurden. Ebenso ergab sich eindeutig, dass die mit Bescheid vom 10.09.2021 erfolgte (höhere) Leistungsbewilligung aufgehoben wurde und daher keinen Bestand mehr haben sollte.
Die verfügte Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG erweist sich aber in materieller Hinsicht als rechtswidrig.
Der Anspruchseinschränkung steht nicht entgegen, dass gemäß Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (RL 2013/32/EU) Antragstellern auf internationalen Schutz - dazu zählte der Kläger aufgrund seines beim BAMF gestellten Asylantrages (Art. 2 Buchstabe b RL 2013/32/EU) - während des Rechtsbehelfsverfahrens der Verbleib in dem betreffenden EU-Mitgliedsstaat gestattet ist. Das Verfahren gegen den Bescheid des BAMF vom 25.10.2021 wurde zwar erst am 11.02.2022 abgeschlossen (siehe oben), jedoch erlaubt Art. 46 Abs. 6 RL 2013/32/EU für den Fall der Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig wegen der Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaates, wie vorliegend, eine gerichtliche Entscheidung darüber, ob der betreffende Ausländer in dem Mitgliedsstaat verbleiben darf. Eine solche, den weiteren Verbleib des Klägers ablehnende Entscheidung lag für den streitigen Zeitraum mit dem Beschluss des VG vom 09.11.2021 vor. Der Kläger konnte sich daher nicht mehr auf Art. 46 Abs. 5 RL 2013/32/EU berufen.
Offen bleiben kann, ob § 1a Abs. 7 AsylbLG mit Blick auf Art. 17 Abs. 1 und 5 Satz 1 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (RL 2013/33/EU) nicht angewandt werden kann. Demnach haben die Mitgliedstaaten Antragstellern auf internationalen Schutz materielle Leistungen (Art. 2 Buchstabe g RL 2013/33/EU) zur Verfügung zu stellen. Deren Umfang bemisst sich auf der Grundlage eines Leistungsniveaus wie bei eigenen Staatsangehörigen (Art. 17 Abs. 5 Satz 1 RL 2013/33/EU). Zwar räumt Art. 17 Abs. 5 Satz 2 RL 2013/33/EU den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, Antragstellern auf internationalen Schutz eine weniger günstige Behandlung als eigenen Staatsangehörigen zuteil werden zu lassen. Die Leistungen müssen aber einem angemessenen Lebensstandard entsprechen (Art. 17 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Dass eingeschränkte Leistungen nach § 1a AsylbLG diesem - anhand des Unionsrechts zu beurteilenden - Standard genügen, kann angezweifelt werden (vgl. HessLSG, Beschluss vom 20.09.2021 - L 4 AY 26/21 B ER; siehe aber auch Urteil des Senats vom 29.04.2021 - L 8 AY 122/20 - alle nach juris). Allerdings erlaubt Art. 20 Abs. 1 Buchstabe c RL 2013/33/EU, dass die Antragstellern auf internationalen Schutz gewährten Leistungen eingeschränkt werden können, wenn ein Folgeantrag gestellt wird. Insofern erscheint die der hier verfügten Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG zugrunde liegende Fallgestaltung, bei der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, unionsrechtlich zulässig (vgl. Cantzler, AsylbLG, § 1a Rn. 98). Als Folgeantrag i.S.d. Art. 2 Buchstabe q RL 2013/32/EU kann der in Deutschland beim BAMF im August bzw. September 2021 gestellte Asylantrag angesehen werden. Anders als nach § 71 AsylG (siehe oben) zählen nach Art. 2 Buchstabe q RL 2103/32/EU neben durch bestandskräftige Entscheidung beendeten Asylverfahren auch solche, die durch Rücknahme des Antrags beendete worden sind. Vorliegend hatte der Kläger vor der Asylantragstellung in Deutschland bereits einen Antrag auf internationalen Schutz in Rumänien gestellt und wieder zurückgenommen. Das steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund einer entsprechenden Mitteilung der rumänischen Behörden im Asylverfahren (Schreiben des rumänischen Direktorats für Asyl und Integration vom 22.10.2021). Angesichts dessen vermag die Behauptung des Klägers, er habe keinen Asylantrag gestellt bzw. sich darum nicht weiter gekümmert, nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die rumänischen Behörden eine Asylantragstellung fälschlicherweise behaupten sollten. Insofern ist auch zu sehen, dass der Kläger unterschiedliche Altersangaben gemacht hat. Während er in Bulgarien mit dem Geburtsdatum 1998 registriert wurde, hat er in Deutschland zunächst 2004 angegeben. Offenbar war dies getragen von dem Bestreben, hierdurch eine günstigere Behandlung zu erhalten. Es liegt nahe, dass es sich hinsichtlich der abgestrittenen Asylantragstellung in Rumänien ebenso verhält. Insofern geht der Senat auch davon aus, dass der Kläger bei Ankunft in Deutschland nicht minderjährig war. Dies folgt auch aus der Beurteilung durch die Kommission zur Überprüfung und Feststellung des Alters. Diese kam zu der Überzeugung, dass es sich beim Kläger um eine volljährige Person handle (Protokoll zur Niederschrift über die Altersangabe vom 31.08.2021). Angesichts des in Bulgarien angegeben Geburtsdatums 1998, spricht in den Augen des Senats nichts für das vom Kläger hierzulande angegebene Geburtsdatum 2004.
Die streitige Anspruchseinschränkung scheitert ferner nicht an Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (RL 2011/95/EU). Danach haben Personen, denen internationaler Schutz erteilt worden ist (Art. 2 Buchstabe b RL 2011/95/EU), die notwendigen Sozialleistungen wie Staatsangehörige des Mitgliedsstaates zu erhalten. Zu diesem Personenkreis gehörte der Kläger jedoch nicht, weil ihm kein internationaler Schutz zuerkannt worden war.
Allerdings liegen bereits die Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung nach dem deutschen Recht hier nicht vor. Nach § 1a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde und für die eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG angeordnet wurde, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist, nur mehr Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG. Dies gilt nicht, sofern ein Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet hat (§ 1a Abs. 7 Satz 2 AsylbLG), was hier nicht der Fall war. Die Vorschrift des § 1a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylbLG wiederum bestimmt, dass kein Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG besteht und nur noch Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt werden. Nur soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, können auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gewährt werden (§ 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG).
Die (geschriebenen) Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG erfüllte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum. Wie schon dargelegt, war der Kläger leistungsberechtigt. Außerdem hat das BAMF mit Bescheid vom 25.10.2021 den Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung des Klägers nach Rumänien gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnet, weil Rumänien aufgrund des früheren dort gestellten (und zurückgenommenen) Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Dublin III-VO) für das weitere Asylverfahren des Klägers zuständig ist.
Jedoch ist im Wege einer teleologisch-systematischen Reduktion der Vorschrift als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal außerdem zu fordern, dass ein pflichtwidriges Verhalten des betreffenden Leistungsberechtigten gegeben ist. Dies wiederum beinhaltet in der vorliegenden Konstellation, dass mit Fristsetzung auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zur Vermeidung leistungsrechtlicher Konsequenzen hingewiesen wird.
Die teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (BVerfG, Beschluss vom 15.10.2004 - 2 BvR 1316/04; BVerfG, Beschluss vom 07.04.1997 - 1 BvL 11/96; BVerfG, Beschluss vom 14.03.2011 - 1 BvL 13/07 - alle nach juris). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Beschluss vom 07.04.1997 - 1 BvL 11/96; BSG, Urteil vom 18.08.2011 - B 10 EG 7/10 R - alle nach juris). Bei einem nach wortlautgetreuer Auslegung drohenden Grundrechtsverstoß kann eine zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung der Norm entgegen deren Wortlaut sogar geboten sein (vgl. BSG, Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R; BSG, Urteil vom 04.12.2014 - B 2 U 18/13 R; BSG, Urteil vom 15.12.2016 - B 5 RE 2/16 R - alle nach juris). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Eine Norm ist nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung vereinbare Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - juris). Es ist also zu beachten, dass im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/10 - juris).
Rein seinem Wortlaut nach wird eine Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG allein aus dem Grund vorgenommen, dass der leistungsberechtigte Ausländer einem europäischen Asylregime unterworfen ist; über das Verweilen im Bundesgebiet hinaus ist kein weiteres pflichtwidriges Verhalten erforderlich (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 19/20984, S. 8). Die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG knüpft weder an eine durch bestimmte äußere Umstände geänderte Bedarfslage noch an ein ausländerrechtlich missbilligtes Verhalten, sondern an die Rechtsfolge einer ausländer- bzw. asylrechtlichen Entscheidung an. Berücksichtigt man die Tatbestandswirkung einer bindenden ausländerrechtlichen Entscheidung für die Sozialleistungsbehörden - auf das ausländerrechtlich ausdrücklich mitbedachte Vorgehen, nämlich eines Antrags nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), nimmt die Norm Bezug - geht der Senat davon aus, dass eine Leistungseinschränkung verfassungsrechtlich noch zulässig sein kann (vgl. Beschluss des Senats vom 18.01.2022 - L 8 AY 103/21 B ER - juris; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 90; i.E. ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.03.2020 - L 20 AY 48/19 B ER - juris).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 sowie Beschlüsse vom 20.12.2022 - L 8 AY 131/22 B ER und vom 28.10.2022 - L 8 AY 66/22 B ER - alle nach juris) gebieten jedoch das Grundrecht auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der verglichen mit anderen existenzsichernden Leistungssystemen deutlich reduzierten Leistungen des AsylbLG eine restriktive Auslegung aller Tatbestände des § 1a AsylbLG (vgl. Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 7; Cantzler, a.a.O. Rn. 9; Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl., § 1a AsylbLG Rn. 10). Überdies verlangt auch Art. 20 Abs. 5 Satz 1 RL 2013/33/EU ausdrücklich, dass Entscheidungen über die Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten Leistungen (Art. 2 Buchstabe g RL 2013/33/EU) unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu treffen sind. Nach dem Urteil des BVerfG vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris) können migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell höheres Leistungsniveau zu vermeiden, von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren (vgl. BVerfG vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris). Soweit § 1a Abs. 7 AsylbLG - jedenfalls dem Wortlaut nach - eine Anspruchseinschränkung ohne Anknüpfung an ein Fehlverhalten vorsieht, widerspricht dies dem bisherigen Sanktionssystem sowohl im AsylbLG als auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und der Sozialhilfe (SGB XII), wonach die Kürzung von Leistungen stets ein bestimmtes, vorwerfbares Verhalten oder Unterlassen des Leistungsberechtigten zur Voraussetzung hat. Dann hat es der Leistungsberechtigte selbst in der Hand, eine Leistungskürzung zu vermeiden bzw. zu beenden (vgl. zu § 1a Abs. 4 AsylbLG: Urteil des Senats vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 - juris). Mit Blick hierauf fordert der Senat im Wege der normerhaltenden, teleologischen Reduktion, dass auch bei einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist (vgl. Beschlüsse vom 20.12.2022 - L 8 AY 131/22 B ER, vom 11.04.2022 - L 8 AY 34/22 B ER, vom 15.03.2022 - L 8 AY 7/22 B ER und vom 18.01.2022 - L 8 AY 103/21 B ER - alle nach juris; vgl. auch Oppermann in jurisPK-SGB XII, § 1a AsylbLG, Stand: 25.07.2022, Rn. 150). Dass der Gesetzgeber - entgegen der Ansicht des Beklagten und des SG - ebenfalls davon ausging, dass bei einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG ein pflichtwidriges Verhalten vorliegen muss, lässt sich zudem der Gesetzesbegründung zu § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG (BT-Drs. 18/8615, S. 42) entnehmen (vgl. Groth in jurisPK-SGB XII, Stand: 15.04.2021, § 11 AsylbLG Rn. 92). Dort heißt es, dass § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG Entscheidungen betrifft, durch die eine "Pflichtverletzung" festgestellt wird.
Darüber hinaus kann das Erfordernis eines pflichtwidrigen Verhalts auch aus der Systematik des § 1a AsylbLG hergeleitet werden. Die einzelnen Einschränkungstatbestände, so auch § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG, verweisen alle auf § 1a Abs. 1 AsylbLG. Dort wird in Satz 1 die an die fehlende Ausreise anknüpfende Anspruchseinschränkung davon abhängig gemacht, dass die Ausreise aus Gründen, welche die Leistungsberechtigten nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden kann. Zwar wird überwiegend angenommen, dass es sich um eine Rechtsfolgenverweisung handelt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.05.2019 - L 7 AY 1161/19 ER-B - juris; BT-Drs. 19/10047, S. 31, spricht von einheitlichen Rechtsfolgen). Bereits der Blick auf den oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmen spricht aber dafür, das in § 1a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG normierte Erfordernis eines pflichtwidrigen Verhaltens quasi als Generalklausel zu interpretieren. Bei denjenigen Tatbeständen des § 1a AsylbLG, die - wie § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG - keine auf den jeweiligen Tatbestand ausgerichtete spezielle Ausprägung des pflichtwidriges Verhalten ausdrücklich aufführen, ist dann - mangels einer vorrangigen Spezialregelung - auf die Generalklausel für pflichtwidriges Verhalten in § 1a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG abzustellen. Das Erfordernis, dass eine Anspruchseinschränkung stets nur bei einer Pflichtverletzung angenommen werden kann, wird zudem durch § 14 Abs. 2 AsylbLG unterstrichen. Diese Norm schreibt ausdrücklich vor, dass für eine fortgesetzte Anspruchseinschränkung auch eine fortbestehende Pflichtverletzung vorliegen muss. Aus dieser Formulierung folgt nicht nur, dass bei einer fortgesetzten Anspruchseinschränkung eine Pflichtverletzung gegeben sein muss, sondern ebenso, dass eine Pflichtverletzung bereits bei der erstmaligen Anspruchseinschränkung vorliegen muss. Ansonsten könnte das Gesetz nicht vom Fortbestehen sprechen. Dafür, dass dieses Erfordernis entgegen dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 AsylbLG nur auf diejenigen Tatbestände des § 1 AsylbLG anzuwenden ist, die ausdrücklich eine Pflichtverletzung vorsehen, gibt es wiederum keinerlei Anhalt im Gesetz. Auch wenn es denkbar wäre, dass wegen der mit fortschreitender Dauer einer Anspruchseinschränkung zunehmenden Auswirkungen auf den Betroffenen bei einer fortgesetzten Anspruchseinschränkung ein zusätzliches Merkmal gefordert wird, findet sich dafür ebenfalls keinerlei Anhaltspunkt. Wenngleich § 14 Abs. 2 AsylbLG bereits vor der Einfügung des hier im Streit stehenden § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG geschaffen worden ist, sah der Gesetzgeber anlässlich der Einführung dieser Norm und weiterer Einschränkungstatbestände keine Veranlassung zur Änderung des § 14 Abs. 2 AsylbLG. Bei einer rein am Wortlaut orientierten Anwendung des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG lässt sich daher nicht begründet, wie von den ebenfalls geschriebenen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 AsylbLG abgesehen werden kann.
Für das Erfordernis einer Pflichtverletzung spricht auch, dass ansonsten ein Wertungswiderspruch innerhalb des § 1a AsylbLG auftreten würde. Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG hängt nach dem Wortlaut der Vorschrift davon ab, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von den Leistungsberechtigten selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können. Dagegen statuiert § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG ein solches Erfordernis dem Wortlaut nach für den Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG nicht. Gerade betreffend die somit von beiden Fallgruppen einer Anspruchseinschränkung erfassten Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, also vollziehbar ausreisepflichten Ausländern, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, ist keine Grundlage für ein Absehen vom Erfordernis einer konkreten Pflichtverletzung ersichtlich. In beiden Fallgestaltungen sind die betreffenden Ausländer vollziehbar verpflichtet, aus dem Bundesgebiet auszureisen. Im Fall der Abschiebungsandrohung ging bei Asylbewerbern dem in der Regel eine materielle Prüfung des gestellten Asylantrages voraus, während bei der von § 1a Abs. 7 Satz AsylbLG erfassten Ablehnung des Asylantrages als unzulässig diese gerade nicht stattgefunden hat. Dann trotz reduzierter bzw. fehlender inhaltlicher Prüfung auch noch leistungsrechtlich geringere Anforderungen an den Eingriff in die Mittel zur Sicherstellung des Lebensunterhalts zu setzen, erscheint dem Senat nicht gerechtfertigt. Soweit dies damit begründet wird, dass nach dem europarechtlichen Asylregime ein anderer EU-Mitgliedsstaat für die Behandlung des Asylverfahrens zuständig ist, erscheint dies allein als Differenzierungskriterium nicht ausreichend. Denn faktisch besteht der Unterschied für die betroffenen Leistungsberechtigten nur darin, ob sie in einen anderen EU-Mitgliedsstaat oder in ein Drittland ausreisen müssen. Zudem ist es nicht zwingend, dass eine Abschiebungsandrohung ohne (wesentliche) inhaltliche Prüfung des Asylgesuchs ergeht (siehe § 29 Abs. 1, § 29a und § 30 AsylG). Auch für diese Fälle verzichtet der Gesetzgeber aber in § 1a AsylbLG nicht auf das Erfordernis einer Pflichtverletzung.
In der Zusammenschau, auch mit der oben erwähnten Einführung von § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG, geht der Senat deshalb davon aus, dass der Gesetzgeber trotz des Wortlauts von § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG nichts daran ändern wollte, dass eine Pflichtverletzung zur Verwirklichung einer Anspruchseinschränkung erforderlich ist. Daher ist eine Ergänzung des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG um das Erfordernis einer Pflichtverletzung vorzunehmen.
An einer solchen Pflichtverletzung fehlt es aber im Fall des Klägers. Dabei verlangt eine Pflichtverletzung bzw. ein pflichtwidriges Verhalten, dass den Leistungsberechtigten ein persönliches (im Sinne von eigenes) Fehlverhalten trifft (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris). Ferner muss dessen Kausalität für die Handlung, an welche der jeweilige Einschränkungstatbestand anknüpft, gegeben sein. Für den hier inmitten stehenden § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG bedeutet dies, dass die Ursächlichkeit in Bezug auf ein Verweilen im Bundesgebiet bestehen muss. Letztlich ist nämlich Zweck der Norm die Verhinderung der Inanspruchnahme von Sozialleistungen in Deutschland aufgrund der asylrechtlichen Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaats.
Demnach kann ein für § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG genügendes pflichtwidriges Verhalten noch nicht in der Einreise nach Deutschland gesehen werden. Es lässt sich schon im Ansatz nicht sagen, dass jede Einreise eines Ausländers, der bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat internationalen Schutz beantragt hat, unerlaubt und daher pflichtwidrig ist. Die Einreise in das Bundesgebiet kann jedenfalls deshalb nicht als pflichtwidrig angesehen werden, weil es sich dabei um ein Verhalten handelt, das nicht mehr revidierbar ist und daher grundsätzlich nicht geeignet sein kann, eine Anspruchseinschränkung zu begründen. Aus dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) und der einfach-gesetzlichen Vorschrift des § 14 Abs. 2 AsylbLG, der wie gezeigt auch für die erstmalige Anspruchseinschränkung eine Pflichtverletzung verlangt, ergibt sich, dass ein nicht mehr änderbares, zurückliegendes Fehlverhalten eine Anspruchseinschränkung von vornherein nicht rechtfertigen kann (vgl. Oppermann in jurisPK-SGB XII, § 1a AsylbLG, Stand: 02.11.2022, Rn. 88 und für fortgesetzte Anspruchseinschränkung: § 14 AsylbLG, Stand: 25.10.2021, Rn. 19). Demzufolge kann die Einreise des Klägers nicht als eine für § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG ausreichende Pflichtverletzung angesehen werden. Hinzu kommt, dass nicht nachgewiesen ist, dass der Kläger wusste, dass er nicht ohne Weiteres nach Deutschland einreisen durfte, nachdem er seinen in Rumänien gestellten Asylantrag zurückgenommen hatte. Angesichts der Rücknahme ist vielmehr anzunehmen, dass er davon ausging, eine Zuständigkeit eine anderen EU-Landes bestünde gerade nicht. Dafür sprechen auch seine Angaben gegenüber dem BAMF dahin, dass er nach Deutschland weiterwandern wollte und gerade in keinem anderen EU-Mitgliedsstaat einen Antrag beabsichtigt habe. Denkbar wäre auch, bei der Beurteilung, ob ein Fehlverhalten gegeben ist, darauf abzustellen, ob für die Einreise nach Deutschland ein rechtfertigender Grund vorliegt (so Siefert, a.a.O., Rn. 54). Dabei kann etwa berücksichtigt werden, dass existenzielle Bedürfnisse im bisherigen Aufenthaltsland nicht sichergestellt waren oder dass die Einreise der Familienzusammenführung diente. Derartiges kann im Fall des Klägers angenommen werden, denn der Kläger hat beim BAMF deutlich die (aus seiner Sicht) unzureichende Existenzsicherung geschildert. Somit fehlt es am Nachweis der erforderlichen persönlichen Vorwerfbarkeit in Bezug auf die Einreise in das Bundesgebiet.
Gleiches gilt hinsichtlich des Verbleibs des Klägers im Bundesgebiet während der Zeit vom 01.01.2022 bis 22.02.2022. Für die Annahme eines pflichtwidrigen Verhaltens kann es genügen, dass ein Ausländer trotz Kenntnis der asylrechtlichen Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaates nicht freiwillig in diesen Staat zurückkehrt, sondern in Deutschland bleibt. Unschädlich ist insofern, ob ein Aufenthaltsrecht in Deutschland besteht. Das Innehaben eines Aufenthaltsrechts beseitigt nicht den Umstand der durch das europarechtliche Asylregime begründeten vorrangigen Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaates, die auch die Zuständigkeit für die Existenzsicherung umfasst (siehe Art. 29 Abs. 1 RL 2011/95/EU und auch Art. 17 RL 2013/33/EU). Diese europarechtlich angelegte Zuständigkeitsaufteilung würde ihre praktische Wirksamkeit verlieren, bliebe sie insofern völlig unberücksichtigt (vgl. Urteil des Senats vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 - juris).
Vorliegend ist aber die Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Klägers auch hinsichtlich des Verbleibens nicht zu bejahen. Zum einen ist der Kläger nämlich nicht unter Fristsetzung darauf hingewiesen worden, dass er eine Einschränkung seiner Leistungen durch freiwillige Ausreise abwenden kann. Obgleich ihm aufgrund des Hinweises im Bescheid des BAMF vom 25.10.2021 hätte bekannt sein können, dass er freiwillig aus Deutschland ausreisen kann, beinhaltet dies noch nicht das Wissen darum, dass er diese Möglichkeit wahrnehmen müsste, wenn er nicht leistungsrechtliche Folgen gewärtigen will. Auch ein fahrlässiges Nichtwissen lag nicht vor, so dass es nicht darauf ankommt, ob für eine Pflichtverletzung im Rahmen des § 1a AsylbLG Vorsatz erforderlich ist oder auch Fahrlässigkeit genügt (in diese Richtung wohl BSG, Urteil vom Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris). Aus dem Bestehen einer Ausreisemöglichkeit musste und konnte der Kläger nicht ohne weiteres Konsequenzen für den Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG ableiten. Dazu hätte es vielmehr eines entsprechenden behördlichen Hinweises bedurft (vgl. Beschluss des Senats vom 28.10.2022 - L 8 AY 66/22 B ER - juris). Das BSG hat in der Vergangenheit offen gelassen, ob es für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG einer Belehrung bedarf oder eine bloße Anhörung genügt (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris). Gerade angesichts des grundrechtlich geschützten Bereichs, in den mit der Einschränkung der Leistungen auf den Umfang nach § 1a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG eingegriffen wird, ist nach Ansicht des Senats eine Anhörung mit bloßem Hinweis auf die Schutzgewährung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat, wie sie der Beklagte vorgenommen hat (Schreiben vom 18.11.2021), ungenügend. Ebenso spricht der Blick auf § 1 Abs. 4 AsylbLG dafür, einen konkreten Hinweis auf die Möglichkeit vorauszusetzen, durch Ausreise eine Anspruchseinschränkung zu vermeiden. § 1 Abs. 4 AsylbLG sieht einen Leistungsausschluss für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG vor, denen internationaler Schutz von einem anderen Staat gewährt wurde. Diese sind über mögliche Überbrückungs- und Härtefallleistungen zu belehren (§ 1 Abs. 4 Satz 3 AsylbLG). Wenn vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, denen in einem anderen Staat internationaler Schutz gewährt wurde, über Leistungen belehrt werden müssen, die trotz grundsätzlichen Ausschlusses von Leistungen noch infrage kommen, ist nicht ersichtlich, weshalb nicht anderen, ebenfalls vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, denen kein Schutzstatus zuerkannt wurde, dagegen nicht über Möglichkeiten zur Vermeidung einer Anspruchseinschränkung aufgeklärt werden müssen. Letztlich handelt es sich nämlich nur um einen graduellen Unterschied bei der Höhe der zu erwartenden Leistungen. Im Übrigen stehen in beiden Fällen die betreffenden Personen vor der Wahl, in einen anderen EU-Mitgliedsstaat zurückzukehren oder beim Verbleib in Deutschland leistungsrechtliche Konsequenzen zu tragen.
Eine derartige Belehrung hat weder der Beklagte noch sonst eine Stelle dem Kläger erteilt. Eine Kenntnis darüber, dass er durch (freiwillige) Ausreise bzw. Rückkehr nach Rumänien die Einschränkung seiner existenzsichernden Leistungen vermeiden können, ist dem Kläger vor Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums nicht vermittelt worden. Dass der Hinweis im Bescheid des BAMF vom 25.10.2021 auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise, zudem unter dem unklaren Vorbehalt der Abstimmung mit allen beteiligten Behörden, vom Kläger nicht in Verbindung mit ihren sozialleistungsrechtlichen Ansprüchen gesetzt werden konnte, wurde bereits erläutert. Auch aus dem Anhörungsschreiben vom 18.11.2021 konnte und musste der Kläger dies nicht entnehmen. Dort ist nämlich nur ausgeführt worden, dass eine Anspruchseinschränkung beabsichtigt sei, weil das BAMF den Asylantrag als unzulässig abgelehnt habe. Damit musste beim Kläger der Eindruck entstehen, die Anspruchseinschränkung sei mehr oder minder unausweichlich, nachdem sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz betreffend die Entscheidung des BAMF bereits abgelehnt worden war. Obwohl die ablehnende Entscheidung des BAMF darauf beruhte, dass ein anderer EU-Mitgliedsstaat für Asylanträge des Klägers als zuständig angesehen wurde, wurde dem Kläger nicht der Zusammenhang zwischen der asylrechtlichen Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland und dem Sozialleistungsbezug vor Augen geführt. Aufgrund des Nebeneinanders von Asyl- und Leistungsrecht, verdeutlicht in der Trennung der behördlichen Zuständigkeiten, und der Unerfahrenheit mit den hiesigen Rechtsvorschriften musste der Kläger das auch nicht selbst erkennen.
Außerdem wurde dem Kläger keine Frist zur Ausreise gesetzt, um die eine drohende Anspruchseinschränkung zu vermeiden. Der Senat leitet aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw. dem Gebot der Verhältnismäßigkeit behördlichen Handelns (Art. 1 und 20 Abs. 3 GG) für eine letztlich auf die Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates bezogene Anspruchseinschränkung ab, dass dem betreffenden Leistungsberechtigten nach Belehrung zu den leistungsrechtlichen Konsequenzen noch Gelegenheit bleiben muss, die Sach- und Rechtslage zu überdenken und gegebenenfalls sein pflichtwidriges Verhalten zu ändern. Es kann dabei dahin stehen, ob man sich bei der dafür einzuräumenden Frist an § 34a AsylG orientiert oder ob nicht eher die üblicherweise für Anhörungen als angemessen angesehene Frist von 14 Tagen (vgl. BSG, Urteil vom 05.10.1995 - 2 RU 11/94 - juris) anzuwenden ist. Der Klägerin wurde keinerlei Frist gesetzt. Eine Nachholung der Fristsetzung kommt vorliegend naturgemäß nicht mehr in Betracht, denn der Zeitraum der streitigen Anspruchseinschränkung (01.01.2022 bis 22.02.2022) ist längst vollständig abgelaufen. Eine Fristsetzung war hier auch nicht entbehrlich, weil der Kläger jederzeit hätten ausreisen könnten. Wie oben dargelegt, fehlte es an dem Wissen bzw. der Kenntnismöglichkeit um die Verknüpfung des Leistungsbezugs mit der asylrechtlichen Lage.
Somit kommt es nicht mehr darauf an, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 AsylbLG nicht aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist entfallen sind (vgl. Beschluss des Senats vom 08.09.2022 - L 8 AY 65/22 B ER - juris). Im Fall des Klägers lief die Überstellungsfrist nämlich erst mit dem 22.05.2022, folglich nach dem streitigen Zeitraum, ab (siehe den Dublin-Fristvermerk des BAMF vom 10.11.2021).
Ebenso kann hier offen bleiben, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen eine (weitere) teleologische Reduktion des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG dahingehend geboten ist, dass dem betreffenden Ausländer eine Rückkehr in den nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedsstaat der EU rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar sein muss, weil er andernfalls keine Möglichkeit hätte, sich der Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG durch ein zumutbares Verhalten - nämlich der Ausreise in das betreffende Land - zu entziehen. Der Senat geht für den vorliegenden Fall allerdings davon aus, dass dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum eine Rückkehr nach Rumänien möglich und zumutbar gewesen ist. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Die Vermutung kann widerlegt werden. Dafür genügen jedoch nicht schon einzelne einschlägige Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten. Vielmehr sind dafür systemische, allgemeine oder bestimmte Personengruppe betreffende Schwachstellen erforderlich, die etwa zur Folge hätten, dass eine Person sich in extreme materielle Not begeben würde und ihre elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigen könnte, so dass die Situation einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.01.2022 - 1 B 93.21, m.w.N., und Urteil vom 19.03.2014 - 10 B 6.14; Urteil des Senats vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 - alle nach juris). Von diesen Voraussetzungen ist angesichts der Feststellung im Bescheid des BAMF vom 25.10.2021 sowie den Entscheidungen des VG vom 09.11.2021 (W 1 S 21.50292) und 21.12.2021 (W 1 K 21.50291), in der sich dieses ausführlich mit dem Vorbringen des Klägers auseinandergesetzt hat auszugehen (zur Bindungswirkung: BSG, Urteil vom 27.02.2019 - B 7 AY 1/17 R - juris).
Ferner bestand kein Aufenthaltsrecht des Klägers aufgrund des Besuchs der 10. Klasse der Berufsschule ab dem 13.09.2022, das eine Überstellung hindern würde. Aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2011 kann der Kläger ein Aufenthaltsrecht nicht herleiten, weil er kein Familienangehöriger eines freizügigkeitsberechtigen Unionsbürgers ist. Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs gemäß § 16a Abs. 2 oder § 16f Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) besaß der Kläger nicht. Da er die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 1 AufenthG, namentlich die Sicherung des Lebensunterhalts und die Klärung der Identität, ohnedies nicht erfüllte, bestand hierauf auch kein Anspruch.
Mithin liegen die Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor.
Andere Tatbestände des § 1a AsylbLG sind ebenfalls nicht erfüllt. Entweder kommen diese schon nicht infrage, weil sie nur für andere Gruppen von Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG gelten oder ihre Voraussetzungen sind offenkundig nicht gegeben. Insbesondere besteht keine Grundlage für die Annahme, dass der Kläger asyl- oder ausländerrechtliche Mitwirkungspflichten verletzt hätte (§ 1a Abs. 5 AsylbLG). Derartige Mitwirkungshandlungen wurden vom Kläger nicht verlangt. Er hat sich auch nicht nach Deutschland begeben, um hier Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten (§ 1a Abs. 2 AsylbLG). Insofern muss der Wille, Sozialleistungen zu beziehen, im Zeitpunkt der Einreise vorhanden und prägend für den Einreiseentschluss gewesen sein; ein lediglich billigendes Inkaufnehmen genügt nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.6.1992 - 5 C 22/87 - juris, zur Vorgängerregelung in § 120 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG; Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 24). Ein solch prägender Wille ist im Fall des Klägers nicht feststellbar. Nach seinen Angaben im Asylverfahren gegenüber dem BAMF ist er nach Deutschland gereist, weil er hoffte, hier Asyl zu erhalten. Zudem beurteilte er die Unterbringung, Versorgung und Existenzsicherung gerade in Rumänien als völlig unzureichend. Angesichts dessen ist nicht zu erkennen, dass der Kläger mit der Einreise nach Deutschland vornehmlich den Bezug von Sozialleistungen in Deutschland anstrebte.
Der Kläger hat demnach im Zeitraum vom 01.01.2022 bis 22.02.2022 dem Grunde nach Anspruch auf Grundleistungen.
Der Anspruch auf Grundleistungen besteht auch in Höhe der Bedarfsstufe 1 (§ 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG), obwohl der Kläger im streitigen Zeitraum in einer Anker-Einrichtung im Gebiet des Beklagten untergebracht war.
Der Senat hat bereits für die gleich gelagerte Situation eines Anspruchs auf sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG entscheiden (Urteil vom 29.04.2021 - L 8 AY 122/20 - juris), dass als ungeschriebene Voraussetzung ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" gegeben sein muss und nicht nur das bloße gemeinsame Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft bzw. Aufnahmeeinrichtung genügt. Die nach dem Wortlaut vorgesehen umfassende Auslegung begegnet nämlich verfassungsrechtlichen Bedenken (siehe jetzt BVerfG, Beschluss vom 19.10.2022 - 1 BvR 3/21 - juris), so dass im Wege der normerhaltenden teleologischen Reduktion das beschriebene Tatbestandsmerkmal in die Vorschrift hineinzulesen ist. Diese Überlegungen treffen aus den gleichen Gründen auch im Rahmen des Grundleistungsbezugs nach § 3 AsylbLG, wie hier, zu.
Demzufolge ist auch § 3a AsylbLG teleologisch einzuschränken, denn auch hier besteht keine ausreichende Basis für eine Vergleichbarkeit mit der Situation von Paarhaushalten und damit zulässigerweise verbundenen Annahme tatsächlicher Einspareffekten und somit eines geringeren lebensnotwendigen Bedarfes. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG nur dann eingreifen, wenn sich ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" wie in den Konstellationen des § 3a Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a bzw. Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a AsylbLG feststellen lässt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Dafür, dass der Kläger in der Anker-Einrichtung mit einer anderen Person so zusammengelebt hat, dass ein "Wirtschaften aus einem Topf" vorlag, ist weder etwas vorgetragen noch gibt es dafür sonst einen Anhaltspunkt.
Im streitgegenständlichen Zeitraum steht dem Kläger somit der geltend gemachte Anspruch auf Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 zu.

Die Berufung des Klägers hat nach alledem Erfolg und es ist wie tenoriert zu entscheiden. Dabei entscheidet der Senat gemäß § 130 Abs. 1 SGG durch Grundurteil, das auch im Höhenstreit zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2021 - B 7 AY 4/20 R - juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Angesichts verschiedener Rechtsfragen zur Auslegung von § 1a Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 AsylbLG, zu denen aus Sicht des Senats bisher keine (ausreichende) höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und die über den vorliegenden Fall hinausreichende Bedeutung haben, wird die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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