L 8 AY 136/22

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AY 105/21
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AY 136/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG erfordert ein pflichtwidriges Verhalten. Dieses kann darin liegen, dass betreffende Ausländer nicht ausreist, obwohl er um leistungsrechtiche Konsequenzen seines Verhaltens wusste. Dafür bedarf es einer Belehrung mit Fristsetung. Der Ablauf der Überstellungsfrist lässt die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG entfallen.

 

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23. September 2022 sowie der Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2020 in der Fassung der Bescheide vom 17. Februar und vom 31. März 2021 abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auch für die Zeit vom 5. Februar 2021 bis 30. April 2021 Grundleistungen nach Bedarfsstufe 1 zu bewilligen.

II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist noch, ob die Klägerin für die Zeit vom 05.02.2021 bis 30.04.2021 höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beanspruchen kann.

Die Klägerin, nach ihren Angaben 1998 geboren und Staatsangehörige Nigerias, reiste erstmals am 02.07.2020 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Bei der Registrierung als Asylsuchende gab sie auch an, dass sie schwanger sei und der Vater des Kindes in F wohne. Nach einem anfänglichen Aufenthalt im Ankunftszentrum in M kam die Klägerin Mitte Juli 2020 in eine Erstaufnahmeeinrichtung (Anker-Einrichtung) im Gebiet des Beklagten und stellte dort einen Leistungsantrag. Der Aufenthalt der Klägerin wurde räumlich zunächst auf die Stadt und den Landkreis S und ab 09.11.2020 auf den Regierungsbezirk U beschränkt (Aufenthaltsgestattung vom 15.07.2020, erloschen am 29.08.2020, am 02.11.2020 verlängert bis 14.05.2021). Ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen unerlaubter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt (Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft S vom 27.08.2020).

Auf ihren Antrag vom 16.07.2020 hin bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 23.07.2020 monatsweise und nicht als Dauerleistung, solange sich die Verhältnisse nicht ändern, vorläufig Leistungen nach dem AsylbLG für die Zeit vom 10.07. bis 31.07.2020 i.H.v. 84,33 EUR und ab August 2020 bis auf Weiteres i.H.v. monatlich 114,99 EUR. Die Bedarfe für Ernährung, Unterkunft und Heizung, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie, Kleidung, Körperpflege- und Hygieneartikel sowie WLAN würden in der Ankereinrichtung als Sachleistungen gewährt. Die Auszahlung der Abteilung 8 (Nachrichtenübermittlung) werde um 30% gekürzt, da im Ankerzentrum WLAN als Sachleistung zur Verfügung stehe. Die Bewilligung bis auf Weiteres stelle keine dauerhafte, in der Höhe unveränderte Bewilligung der Leistung dar. Vielmehr werde lediglich aus Vereinfachungsgründen nicht jeden Monat neu geprüft und durch einen neuen Bescheid bewilligt.

Gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab die Klägerin bei ihrer Anhörung an (Niederschrift vom 30.07.2020), sie sei 2016 nach Italien gekommen, habe aber dort keinen Asylantrag gestellt. In Italien habe sie als Prostituierte gearbeitet. Ende 2018 sei sie von Italien über Deutschland in die Niederlande gereist. In den Niederlanden habe sie Asylanträge gestellt, jedoch keinen Aufenthaltstitel erhalten. Sie habe dort in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt und sei gut behandelt worden.

Das BAMF lehnte mit Bescheid vom 14.08.2020 den Asylantrag als unzulässig ab, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, und ordnete die Abschiebung der Klägerin in die Niederlande an. Die niederländischen Behörden hätten mit Schreiben vom 11.08.2020 ihre Zuständigkeit erklärt. Der Asylantrag sei wegen der Zuständigkeit der Niederlande unzulässig. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in den Niederlanden führten auch nicht zu der Annahme, dass der Klägerin bei Abschiebung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe. Es bestünden auch keine systemischen Mängel. Alle mittellosen Asylbewerber hätten ein Recht auf Unterbringung und materielle Versorgung. Die Gefahr einer Reviktimisierung der Klägerin in den Niederlanden sei nicht ersichtlich. Ebenso sei die medizinische Versorgung, bei abgelehnten Asylbewerbern beschränkt auf Notfälle, sichergestellt. Die Schwangerschaft als solche stelle noch kein Abschiebungshindernis dar. Eine Abschiebung scheide nur sechs Wochen vor und acht Wochen nach dem errechneten Geburtstermin, hier dem 02.12.2020, aus.

Die Entscheidung des BAMF erhielt der Beklagte über die Ausländerbehörde Anfang Oktober 2020. Das BAMF teilte der Ausländerbehörde zudem unter dem 30.10.2020 mit, der Bescheid vom 14.08.2020 sei am 29.08.2020 bestandskräftig geworden und die Überstellungsfrist ende am 11.02.2021.

Der Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 01.10.2020 zu einer beabsichtigten Einschränkung der Leistungen an. Die Klägerin sei im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Aus dem Bescheid des BAMF vom 14.08.2020 gehe hervor, dass der Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt worden sei. Daher stünden ihr bis zur Ausreise lediglich eingeschränkte Leistungen zu.

Darauf antwortete die Klägerin (Schreiben vom 06.10.2020), sie sei schwanger und voraussichtlicher Entbindungstermin sei der 13.12.2020. Somit sei sie vom 01.11.2020 bis voraussichtlich 07.02.2020 im Mutterschutz. In dieser Zeit sei sie nicht ausreisepflichtig. Daher sei eine Leistungskürzung rechtswidrig. Sie beantrage weiterhin die volle Auszahlung ihrer Leistungen.

Mit Bescheid vom 14.10.2020 stellte der Beklagte fest, dass der Leistungsanspruch der Klägerin nach dem AsylbLG ab dem 01.11.2020 bis 30.04.2021 eingeschränkt sei, lehnte den Antrag auf Grundleistungen für diese Zeit ab, hob den Bescheid vom 23.07.2020 ab dem 01.11.2020 auf und bewilligte der Klägerin für die Zeit vom 01.11.2020 bis 30.04.2021 Sachleistungen nach § 1a Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AsylbLG. Der Bedarf an Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege werde in der Ankereinrichtung sichergestellt. Ergänzend zu den Sachleistungen würde weiterhin Krankenhilfe gewährt. Der Asylantrag der Klägerin sei vom BAMF mit Bescheid vom 14.08.2020 als unzulässig abgelehnt worden, weil der EU-Mitgliedsstaat Niederlande aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags zuständig sei. Mithin erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung. Der Bescheid des BAMF entfalte betreffend die Unzulässigkeit des Asylverfahrens in Deutschland Bindungswirkung hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung. Nachweise über die Schwangerschaft und eine Aussetzung der Überstellung lägen dem Sozialamt nicht vor. Die Anspruchseinschränkung sei auf sechs Monate zu befristen. Es bestehe daher nur mehr Anspruch auf Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Ein Anspruch auf Grundleistungen sei nicht mehr gegeben. Da somit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, werde der Dauerverwaltungsakt (Bescheid) vom 23.07.2020 ab dem 01.11.2020 in vollem Umfang aufgehoben. Besondere Umstände, welche eine weitergehende Gewährung anderer Leistungen rechtfertigen könnten, seien den Akten nicht zu entnehmen.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein (Schreiben vom 16.10.2020). Sie verwies nochmals auf ihre Schwangerschaft und legte den Mutterpass vor.

In dem Mutterpass wurde als Entbindungstermin der 13.12.2020 (korrigiert, zunächst 02.12.2020) genannt. Die Ausländerbehörde teilte dem BAMF daraufhin mit, eine Überstellung sei nicht möglich, weil die Klägerin sich seit dem 01.11.2020 im Mutterschutz befinde (Rückmeldung vom 25.11.2020).

Durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde zur weiteren Begründung des Widerspruchs noch vorgetragen (Schriftsatz vom 26.11.2020), die Regelung über die Anspruchseinschränkung sei aus verfassungsrechtlichen Gründen dahin einzuschränken, dass ein pflichtwidriges Verhalten vorliegen müsse. Das sei nicht der Fall. Die Einreise nach Deutschland sei nicht pflichtwidrig. Zudem sei der Klägerin nie mitgeteilt worden, dass sie in Deutschland nicht Asyl beantragen dürfe und als Rechtsfolge nur eingeschränkte Sozialleistungen erhalte.

Am 26.11.2020 beantragte die Klägerin zudem beim Sozialgericht Würzburg (SG) einstweiligen Rechtsschutz (Verfahren S 18 AY 158/20 ER) mit dem Ziel, für die Zeit vom 26.11.2020 bis 30.04.2021 vorläufig Grundleistungen nach Bedarfsstufe 1 zu erhalten. Auf Vorschlag des Gerichts einigten sich die Beteiligten zur Erledigung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes schließlich vergleichsweise dahin, dass der Beklagte der Klägerin vorläufig (bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache) ab 26.11.2020 bis zum Ablauf der Mutterschutzfrist nach Geburt Grundleistungen nach Bedarfsstufe 2 gewährt (schriftlicher Vergleichsvorschlag des SG vom 09.12.2020 und Annahmeerklärungen vom selben Tag).

Am 10.12.2020 gebar die Klägerin eine Tochter.

Mit Bescheid vom 17.02.2021 bewilligte der Beklagte der Klägerin - wiederum monatsweise und nicht als Dauerleistung - vorläufig Grundleistungen für Dezember 2020 i.H.v. 84,33 EUR, für Januar 2021 i.H.v. 121,50 EUR und für die Zeit vom 01.02. bis 04.02.2021 i.H.v. 16,20 EUR. In der Begründung wurde der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geschlossene Vergleich erwähnt.

Unter dem 24.02.2021 teilte das BAMF der Ausländerbehörde mit, die Überstellungsfrist sei am 11.02.2021 abgelaufen, die Entscheidung ergehe jetzt im nationalen Verfahren. Daraufhin wurde der Klägerin die Aufenthaltsgestattung vom 05.03.2021, gültig bis 08.09.2021 und mit räumlicher Beschränkung des Aufenthalts auf den Regierungsbezirk U, ausgestellt.

Mit Bescheid vom 31.03.2021 hob der Beklagten seinen Bescheid vom 17.02.2021 mit Ablauf des 10.12.2020 auf und bewilligte der Klägerin und ihrer Tochter - monatsweise und nicht als Dauerleistung sowie vorläufig - Grundleistungen für Dezember 2020 i.H.v. 138,30 EUR (davon für die Klägerin: 84,33 EUR), für Januar 2021 i.H.v. 209,78 EUR (Klägerin: 121,50 EUR), für Februar 2021 i.H.v. 104,48 EUR (Klägerin: 16,20 EUR) sowie für März und April 2021 i.H.v. jeweils 88,28 EUR (Klägerin: 0 EUR).

Die Leistungsbewilligung für die Zeit ab Mai 2021 erfolgte mit Bescheiden vom 01.04.2021 und 27.04.2021.

Das BAMF lehnte mit Bescheid vom 03.05.2021 den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen, forderte die Klägerin zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland binnen einer Woche auf und drohte die Abschiebung nach Nigeria oder einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Staat an. Der Asylantrag sei unzulässig, weil die Voraussetzungen eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Die dagegen gerichtete Klage wies das Bayer. Verwaltungsgericht W später mit Urteil vom 28.11.2022 (W 8 K 22.30687) ab.

Zum 23.06.2021 wurde die Klägerin der Stadt W zugewiesen (Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 11.06.2021).

Die Regierung von Unterfranken verpflichtete den Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2021, der Klägerin für die Zeit vom 01.11.2020 bis 04.02.2021 Grundleistungen nach Bedarfsstufe 2 zu gewähren, und wies im Übrigen den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.10.2020 zurück. Zu entscheiden sei über die Anspruchseinschränkung von November 2020 bis April 2021 sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Gewährung der Bedarfsstufe 1. Die Bescheide vom 17.02.2021 und 31.03.2021 stellten bezüglich der Klägerin keine Verwaltungsakte dar, sondern setzten lediglich den vor dem SG geschlossenen Vergleich um. Der Widerspruch sei teilweise begründet. Für die Zeit vom 01.11.2020 bis 04.02.2021 sei die Anspruchseinschränkung rechtswidrig, weil aufgrund des Eingreifens der Mutterschutzfristen ein Abschiebungshindernis bestanden habe. Reiseunfähigkeit sei auch anzunehmen, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorstehe oder gerade stattgefunden habe. Im Übrigen sei die Leistungseinschränkung rechtmäßig erfolgt. Es sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Bescheid vom 23.07.2020, einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, eingetreten. Im Zeitraum vom 05.02.2021 bis 30.04.2021 hätten nämlich die Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung vorgelegen, nachdem der Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt worden sei. Der Tatbestand setzte auch nicht ein Fehlverhalten des Leistungsberechtigten voraus. Umfasst seien die Fälle einer irregulären Sekundärmigration, wobei die Leistungseinschränkung allein an den Umstand der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland anknüpfe, ohne dass es auf die Beweggründe für die Weiterreise ankomme. Angeknüpft werde nur an das Kriterium der anderweitigen Zuständigkeit. Eine Weiterreise nach Deutschland solle unattraktiv gemacht werden. Unionsrechtlich sei zudem kein Anspruch auf Aufrechterhaltung eines bestimmten Niveaus von grundsicherungs- und migrationssozialrechtlichen Basisleistungen begründet. Mit den abgesenkten Leistungen würden die Leistungssätze auch nicht allgemein niedrig gehalten. Ohnedies liege ein vorwerfbares Verhalten der Klägerin mit der Einreise selbst vor. Hinweise für einen rechtfertigenden Grund bei Einreise gebe es nicht. Die Erteilung der Aufenthaltsgestattung am 05.03.2021 und die Durchführung des Asylverfahrens im nationalen Verfahren stünden der Anspruchseinschränkung ebenfalls nicht entgegen. Es komme nicht darauf an, ob ein Bescheid, mit dem die Unzulässigkeit des Asylantrages festgestellt worden sei, noch Bestand habe, denn die betroffene Personengruppe sei immer vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Andernfalls wäre auch die Einbeziehung der Gruppe derjenigen, bei den die Überstellungsfrist abgelaufen sei, sinnlos, zumal dann der Eindruck verstärkt würde, dass die Betreffenden eine Anspruchseinschränkung "aussitzen" könnten. Die Leistungseinschränkung erfolge aufgrund eines nicht mehr korrigierbaren Fehlverhaltens. Der gewährte Leistungsumfang entspreche den gesetzlichen Vorgaben, ebenso die Dauer der Einschränkung. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Leistungen der Bedarfsstufe 1, da sie in einer Anker-Einrichtung untergebracht gewesen sei.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 15.07.2021 wurde der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 31.03.2021 zurückgewiesen.

Eine in Bezug auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.10.2020 zum SG erhobene Untätigkeitsklage (S 9 AY 35/21) wurde am 04.08.2021 für erledigt erklärt.

Am 16.08.2021 hat die Klägerin beim SG gegen den Bescheid des Beklagten vom 14.10.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.07.2021 Klage erhoben. Die Regelung über die Anspruchseinschränkung sei evident verfassungswidrig, da sie das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletze. Die den Anspruch begründende Menschenwürde stehe allen zu und gehe selbst durch ein vermeintlich "unwürdiges" Verhalten nicht verloren. Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstrecke sich als einheitliche Gewährleistung sowohl auf die Sicherung der physischen Existenz als auch die Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Es widerspräche dem nicht relativierbaren Gebot der Unantastbarkeit, wenn nur ein Minimum unterhalb dessen gesichert würde, was der Gesetzgeber bereits als Minimum normiert habe. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe für die streitgegenständliche Norm konkretisiert, dass eine generalisierende Einschränkung von vornherein unzulässig sei. Eine Praxis, wonach soziokulturelle Bedarfe allgemein als entbehrlich angesehen würden, wäre auch mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar. Nach der aktuellen Regelung zur Anspruchseinschränkung erhielten die Betroffenen nur Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege. Damit seien Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse zwingend ausgeschlossen. Somit liege eben jene generalisierende Einschränkung vor, wonach soziokulturelle Bedarfe allgemein als entbehrlich angesehen würden. Zwar könnten staatliche Leistungen zur Existenzsicherung an Mitwirkungspflichten gebunden werden, die darauf abzielten, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden, soweit sie verhältnismäßig seien. Migrationspolitische Erwägungen könnten allerdings von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards rechtfertigen. Die Anspruchseinschränkung verfolge kein legitimes Ziel im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Mit der Regelung sollten schon keine asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten durchgesetzt werden. Es gehe dem Gesetzgeber offenkundig allein um die repressive Sanktionierung eines Verhaltens der Betroffenen im Einzelfall, das abschreckende Wirkung auf andere entfalten und die Betroffenen zur freiwilligen Ausreise drängen solle. Dies diene jedoch nicht dem Ziel, Bedürftigkeit zu vermeiden oder zu überwinden. Darüber hinaus sei die Leistungsminderung nicht verhältnismäßig, denn den Betroffenen sei es nicht möglich, sie durch eigenes zumutbares Verhalten abzuwenden und die existenzsichernde Leistung wieder zu erlangen. Außerdem fehlten Erkenntnisse zur Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit des Konzepts der Anspruchseinschränkungen. Ferner seien die starre Sanktionsdauer von sechs Monaten und die Beschränkung der Leistungen auf solche zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege verfassungswidrig. Die Leistungshöhe betrage lediglich etwa 50% der Grundleistungen und 40% der Analogleistungen. Darüber hinaus längen die Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchseinschränkung nicht vor. Zwar sei der Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden. Es sei jedoch eine teleologische Reduktion der Vorschrift dahin vorzunehmen, dass dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Die Einreise nach Deutschland stelle jedoch kein pflichtwidriges Verhalten dar. Vielmehr stelle die sog. Dublin III-Verordnung für Fälle der asylrechtlichen Zuständigkeit anderer EU-Mitgliedstaaten ein geregeltes Aufnahme- bzw. Wiederaufnahme- und Überstellungsverfahren bereit. Werde die Überstellung nicht in der gesetzlichen Frist (in der Regel sechs Monate) durchgeführt, sei der zuständige Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme verpflichtet und die Zuständigkeit gehe auf den ersuchenden Mitgliedsstaat über. Würde man in der Weiterwanderung keinen bloßen Anwendungsfall der Dublin III-Verordnung sehen, sondern ein pflichtwidriges Verhalten, könnten Grund- oder Analogleistungen nur mehr Asylsuchende erhalten, die auf dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland eingereist seien. Ein pflichtwidriges Verhalten scheide bereits deshalb aus, weil nie mitgeteilt worden sei, dass Asyl nicht in der Bundesrepublik Deutschland beantragt werden dürfe, weil ein anderer EU-Mitgliedstaat für den Asylantrag zuständig sei. Jedenfalls sei keine Belehrung dahin erfolgt, dass während des Verfahrens in Deutschland nur eingeschränkte Sozialleistungen erbracht würden. Schließlich sei die Anspruchseinschränkung auf eine dauerhafte Leistungsabsenkung angelegt, die erst mit einer Anerkennung im Asylverfahren ende. In den allermeisten Fällen schließe sich an das Dublin-Verfahren ein nationales Asylverfahren an. Nur in jedem vierten Verfahren, in dem eine Zustimmung eines anderen EU-Mitgliedstaats zur Überstellung vorgelegen habe, habe auch tatsächlich eine Überstellung stattgefunden. Eine dauerhafte Absenkung unter das soziokulturelle Existenzminimum sei jedoch mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar. Jedenfalls verliere die Anspruchseinschränkung mit der Aufhebung des "Dublin-Bescheides" jede inhaltliche Rechtfertigung. Aus den gesetzlichen Regelungen ergebe sich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Bestand einer Leistungseinschränkung von einer vollziehbaren und damit wirksamen Abschiebungsandrohung abhängig sei. Unabhängig davon sei im Bereich der Existenzsicherung in jeder Hinsicht eine restriktive Auslegung unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten. Hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Leistungen verstoße es gegen das Gleichheitsgebot, wenn Leistungsberechtigte in Gemeinschaftsunterkünften Grundleistungen nur nach Bedarfsstufe 2 erhielten. Eine normerhaltende Auslegung komme allenfalls im Wege der Reduktion in Betracht, indem als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" gefordert werde. Ferner sei eine Differenzierung nur möglich, sofern der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen signifikant von dem anderer Bedürftiger abweiche und dies in einem transparenten Verfahren belegt werden könne. Der Gesetzgeber habe aber keine Ermittlungen zum spezifischen Bedarf angestellt. Der Bedarf weiche auch nicht signifikant ab. Als Grund für die Leistungsreduzierung werde eine "Solidarisierung in der Gemeinschaftsunterbringung" behauptet. Dass diese Herleitung verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genüge, sei offensichtlich. Personen, die gemeinsam untergebracht seien, profitierten nicht von Einspareffekten. Leistungen i.H.v. nur 90% des existenzsichernden Umfangs seien evident unzureichend. Ein plausibler Beleg für die Annahme, dass Leistungsberechtigte gemeinsam wirtschafteten wie Partner einer Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor.

Der Beklagte hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen (SG 56).

Das SG hat mit Urteil vom 23.09.2022 die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Einschränkung des Leistungsanspruchs sei rechtmäßig erfolgt. Zudem habe die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung von Grundleistungen der Bedarfsstufe 1. Aufgrund des Widerspruchsbescheids entfalte die Anspruchseinschränkung nur mehr für die Zeit vom 05.02.2021 bis 30.04.2021 Wirkung. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zur Anspruchseinschränkung bestünden nicht. Auch eine einschränkende Auslegung dahin gehend, dass über den Wortlaut hinaus ein zurechenbares pflichtwidriges Verhalten des Betroffenen zu fordern sei, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anspruchseinschränkung seien für die Zeit vom 05.02.2021 bis 30.04.2021 erfüllt. Der Asylantrag der Klägerin, welche im Besitz einer Aufenthaltsgestattung gewesen sei, sei unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Niederlande als unzulässig abgelehnt worden. Die aufschiebende Wirkung der Klage hiergegen sei gerichtlich nicht angeordnet worden. Damit sei eine wesentliche Änderung gegenüber dem Bescheid vom 23.07.2020 eingetreten und die Aufhebung dieses Bescheids sei gerechtfertigt. Soweit die Gewährung von Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 begehrt werde, sei die Klage ebenfalls zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, weil sie im Zeitraum von November 2020 bis April 2021 in einer Anker-Einrichtung untergebracht gewesen sei. Insofern bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Zweifel. Daher sei es außerdem nicht geboten, die Vorschrift dahin auszulegen, dass als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die tatsächliche und nachweisbare gemeinschaftliche Haushaltsführung des Leistungsberechtigten mit anderen in der Sammelunterkunft gefordert werde. Dieser Auslegung stünden der Wortlaut und der gesetzgeberische Wille entgegen. Nach alledem sei die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Berufung gegen dieses Urteil werde zugelassen, weil das Urteil auf einer Abweichung von der Rechtsprechung des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) beruhe.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung beim LSG eingelegt. Zur Begründung ist im Wesentlichen der erstinstanzliche Vortrag wiederholt worden. Die vergleichsweise Einigung im Eilverfahren habe sich ausschließlich auf eine vorläufige Regelung bezogen. Sie stehe dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen.

Der Beklagte hat hinsichtlich der Zeit vom 01.11.2020 bis 25.11.2020 den Leistungsanspruch in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt (Schriftsatz vom 06.02.2023). Dieses Teilanerkenntnis ist von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 31.05.2023 angenommen worden.

Darüber hinaus hat sich der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 31.05.2023 bereit erklärt, für den Zeitraum vom 26.11.2020 bis 04.02.2021 Leistungen der Bedarfsstufe 1 zu zahlen. Auch dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.09.2022 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14.10.2020 in der Fassung der Bescheide vom 17.02.2021 und vom 31.03.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.07.2021 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin auch für die Zeit vom 05.02.2021 bis 30.04.2021 Grundleistungen nach Bedarfsstufe 1 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

In Bezug auf den Zeitraum vom 05.02.2021 bis 30.04.2021 sei die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend.

Nachdem einer Mitteilung in der Ausländerakte der Klägerin zufolge diese im Februar 2023 verzogen ist, ist eine Auskunft vom eingeholt worden. Demnach ist am 20.02.2023 ein Auszug und am 16.03.2023 ein erneuter Einzug unter der bisherigen Meldeadresse vermerkt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen einschließlich des Verfahrens Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Insbesondere ist die Zulassung der Berufung durch das SG - für das LSG bindend (§ 144 Abs. 3 SGG) - erfolgt. Diese war erforderlich, weil - maßgeblich ist der Zeitpunkt der Berufungseinlegung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 144 Rn. 19) - keine Leistungen für mehr als 12 Monate (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) betroffen sind und der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 586,32 EUR zu bemessen ist (dazu unten), somit 750 EUR nicht überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Zulassung ist wirksam erfolgt, obwohl sie nur in den Urteilsgründen und nicht in dem auch von den ehrenamtlichen Richtern unterzeichneten Tenor enthalten ist. Letzteres wäre aber gerade bei einer, wie beim vorliegenden Urteil des SG, ohne mündliche Verhandlung getroffenen Entscheidung, die erfahrungsgemäß häufig bereits (weitgehend) abgefasst sein wird, eigentlich zu erwarten gewesen bzw. zweckmäßig (so Keller, a.a.O., § 144 Rn. 39), um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass tatsächlich die entscheidende Kammer dies - im Sinn der Zulassung der Berufung - beschlossen hat und nicht nur eine entsprechende Passage bei der späteren Urteilsabfassung (versehentlich) eingefügt worden ist. Allerdings ist die Zulassung in den Entscheidungsgründen ebenfalls wirksam, wenn sie eindeutig ausgesprochen wird (vgl. Keller, a.a.O.). Zudem kann berücksichtigt werden, dass die Zulassung der Berufung in den Gründen - wie hier - im Fall einer Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung mit Verkündung eines Urteils unwiderleglich beweisen soll, dass die Zulassung zur Zeit der Urteilsverkündung beschlossen war (so BSG, Urteil vom 05.09.1958 - 9 RV 892/56 - juris). Angesichts dessen geht der Senat im Ergebnis von einer wirksamen Beschlussfassung auch in Bezug auf die Zulassung der Berufung aus.

Eine Wohnanschrift der Klägerin ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats ebenfalls vorliegend. Als allgemeine Prozessvoraussetzung erfordert ein zulässiges Rechtsschutzbegehren im Regelfall, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtssuchenden genannt wird (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2021 - B 7 AY 2/20 R - juris; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 92 Rn. 4). Auch Adressänderungen im laufenden Verfahren sind mitzuteilen, selbst wenn ein Kläger anwaltlich vertreten ist (vgl. Schmidt, a.a.O.). Zwar ist nach der im Berufungsverfahren eingeholten meldebehördlichen Auskunft für die Zeit zwischen dem 20.02.2023 und dem 16.03.2023 keine Meldeanschrift der Klägerin bekannt. Seit dem 16.03.2023 ist sie jedoch wieder unter ihrer bisherigen Adresse, der Gemeinschaftsunterkunft, der sie seit dem 23.06.2021 zugewiesen ist (Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 11.06.2021), gemeldet. Zweifel, dass sich die Klägerin trotz Meldung dort nicht tatsächlich aufhält, hat der Senat nicht. Dafür liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.

Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat auch für die nach den angenommenen Teilanerkenntnissen allein noch streitige Zeit vom 05.02.2021 bis 30.04.2021 Anspruch auf Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 ohne Anspruchseinschränkung. Für diesen Zeitraum hat das SG zu Unrecht die Klage abgewiesen; soweit entgegenstehend, ist der Bescheid des Beklagten vom 14.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.07.2021 in der Fassung der Bescheide vom 17.02.2021 und 31.03.2021 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Streitgegenstand ist noch das Begehren der Klägerin, für den Zeitraum vom 05.02.2021 bis zum 30.04.2021 Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 ohne Anspruchseinschränkung zu erhalten. Das ergibt sich eindeutig aus dem in der mündlichen Verhandlung vom anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin gestellten Antrag. Soweit im Berufungsverfahren ursprünglich die Leistungsbewilligung für den gesamten Monat November 2020 streitbefangen war (siehe Berufungsschrift vom 30.11.2022), ist aufgrund des mit Schriftsatz vom 06.02.2023 vom Beklagten abgebebenen Teilanerkenntnisses, das von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angenommen worden ist (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2023) für die Zeit vom 01.11. bis 25.11.2020 Erledigung eingetreten (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG). Ebenso verhält es sich hinsichtlich des Zeitraums vom 26.11.2020 bis einschließlich 04.02.2021. Insofern hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eine Erklärung abgegeben, die ebenfalls als Teilanerkenntnis zu werten ist. Für die Klägerin ist dieses Teilanerkenntnis auch angenommen worden (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2023). Obschon die Klage (allein) damit begründet wird, dass der Klägerin Leistungen nach § 3 AsylbLG ohne Anspruchseinschränkung und nach Bedarfsstufe 1 zustünden, umfasst das klägerische Begehren die Höhe der Leistungen unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt (vgl. BSG, Urteil vom 26.02.2013 - B 7 AY 6/11 R - juris). Ihr Rechtsschutzziel kann die Klägerin mittels kombinierter Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG) verfolgen, die auch im Höhenstreit auf ein Grundurteil gerichtet sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2021 - B 7 AY 2/20 R - juris). Eine reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) genügt vorliegend nicht, denn für den streitigen Zeitraum lag mit dem Bescheid vom 23.07.2020 zwar eine (zukunftsoffene) Leistungsbewilligung (Grundleistungen nach Bedarfsstufe 2) vor, das klägerische Begehren geht aber über den Umfang der früheren Leistungsbewilligung hinaus. Daher bedürfte es einer Verurteilung des Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen (vgl. Beschluss des Senats vom 17.09.2018 - L 8 AY 13/18 B ER - juris).

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 14.10.2020 in der Fassung der Bescheide vom 17.02.2021 und vom 31.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.07.2021. Mit dem Bescheid vom 14.10.2020 hat der Beklagte eine Änderung der Leistungsbewilligung für die Monate November 2020 bis April 2021 vorgenommen, indem er der Klägerin nur mehr eingeschränkte Leistungen gemäß § 1a Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AsylbLG gewährt hat. Diese Regelung ist durch den Bescheid vom 17.02.2021 abgeändert worden. Dabei handelt es sich um einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG). Zwar gewährt der Beklagte die betreffenden Leistungen nur vorläufig. Diese Formulierung wird - unbeschadet der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage der Vorläufigkeitsvermerk beruhen sollte - aber neben der Bezeichnung als "monatsweise und nicht als Dauerleistung" ebenso in den Bescheiden vom 23.07.2020 und 14.10.2020 verwendet. Daher reicht sie in den Augen des Senats - bei Auslegung entsprechend den §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), also nach dem objektiven Empfängerhorizont (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2020 - B 8 SO 5/19 R - juris) - nicht aus, um von einer bloßen Umsetzung des vor dem SG im Verfahren S 18 AY 159/20 ER geschlossenen Vergleichs vom 09.12.2020 auszugehen. Dieser Vergleich wird lediglich in der Begründung des Bescheids vom 17.02.2021 erwähnt. Der Bescheid enthält außerdem eine Rechtsbehelfsbelehrung. Ein Hinweis etwa darauf, dass die Bewilligung allein der Umsetzung des Vergleichs dient und sich ohne weitere Aufhebung mit einer anderen Entscheidung in der Hauptsache erledigt, fehlt dagegen. In der Gesamtschau kommt der Senat daher zu dem Ergebnis, dass aus Sicht eines verständigen Empfängers auch die mit Bescheid vom 17.02.2021 erfolgte Leistungsbewilligung nach ihrem äußeren Gepräge als Regelung angesehen werden musste. Der bloße Hinweis auf den Vergleich vom 09.12.2020 in der Begründung vermochte, zumal aufgrund des größeren zeitlichen Abstands von über zwei Monaten, zu keiner anderen Auslegung zu führen. Letztlich ging offenbar auch der Beklagte selbst von einer Verwaltungsaktqualität aus, da er mit dem Bescheid vom 31.03.3021 den Bescheid vom 17.02.2021 aufgehoben hat; ein Akt, dessen es ansonsten nicht bedurft hätte. Ebenso enthält auch der Bescheid vom 31.03.2021 eine Regelung durch Verwaltungsakt hinsichtlich der Klägerin und nicht nur eine bloß wiederholende Verfügung neben der erstmaligen Leistungsbewilligung für die Tochter der Klägerin. Der Beklagte hat eine erneute Leistungsbewilligung, zurückreichend bis 10.12.2020 vorgenommen. Dass diese nur bezüglich der Tochter der Klägerin Regelungswirkung haben sollte, wird aus dem Bescheid für einen verständigen Empfänger nicht deutlich. Es wird an keiner Stelle erkennbar, dass die bereits für die Klägerin erfolgte Leistungsbewilligung etwa nur nachrichtlich übernommen wird, zumal der Beklagte einen monatlichen Gesamtbetrag im Bescheid aufgeführt hat und erst aus den Berechnungsblättern die jeweils auf die Klägerin und auf ihre Tochter entfallenden monatlichen Einzelbeträge hervorgehen. Deswegen geht der Senat von einer ersetzenden Regelung bezüglich der Leistungen an die Klägerin aus. Die Bescheide vom 17.02.2021 und 31.03.2021 sind damit nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens gegen den Bescheid vom 14.10.2020 geworden. An der Qualifikation der Bescheide vom 17.02.2021 und 31.03.2021 als Verwaltungsakte ändert auch der Widerspruchsbescheid vom 15.07.2021 nichts, in dem die Regierung von Unterfranken - ebenso wie später das SG - die gegenteilige Ansicht vertreten hat. Auch wenn der Widerspruchsbescheid einem Verwaltungsakt gemäß § 95 SGG die Gestalt gibt, in der er Gegenstand der Klage wird, kann dies nicht zu einer Wesensänderung eines behördlichen Akts dergestalt führen, dass die Verwaltungsaktqualität entfällt. Die (vorläufigen) Leistungsbewilligungen in den Bescheiden vom 17.02.2021 und 31.03.2021 bezüglich der Klägerin sind auch nicht durch den Widerspruchsbescheid vom 15.07.2021 ersetzt worden, denn dieser enthielt lediglich die Verpflichtung des Beklagten zu einer endgültigen Bewilligung von Grundleistungen für die Zeit vom 01.11.2020 bis 04.02.2021, jedoch keine entsprechende Leistungsbewilligung selbst. Eine Umsetzung dieser Verpflichtung ist erst durch die die Teilanerkenntnisse vom 06.02.2023 und 31.05.2023 erfolgt. Weitere Bescheide sind nicht streitgegenständlich, denn die Klage ist begrenzt auf den o.g. Zeitraum. Die Leistungsbewilligung für den Zeitraum ab dem Monat Mai 2021 (Bescheid vom 01.04.2021) ist daher nicht erfasst.

Mit diesem Inhalt ist die Klage zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage hinsichtlich des Begehrens nach der Bedarfsstufe 1 nicht entgegen, dass mit dem Bescheid vom 23.07.2020 der Klägerin für die Zeit ab 10.07.2020 bis auf Weiteres, also zukunftsoffen, nur Grundleistungen der Bedarfsstufe 2 gewährt worden waren und diese Regelung mangels Anfechtung bestandskräftig ist (§ 77 SGG). Mit dem Bescheid vom 14.10.2020 hat der Beklagte für die Zeit von November 2020 bis April 2021 eine neue Regelung zur Leistungsbewilligung getroffen. Bei Anfechtung der neuen Leistungsbewilligung, wie hier durch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.10.2020, kann der Betreffende daher auch höhere Leistungen als zuvor bewilligt geltend machen und muss sein Begehren nicht beschränken. Er könnte nämlich, wenn es keinen neuen Bescheid über die Leistungsbewilligung gäbe, ebenso im Wege der Korrektur nach den §§ 44 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) vorgehen. Insofern ist kein Grund für eine Begrenzung auf die bisherige Leistungshöhe gegeben; dies wäre auch nicht prozessökonomisch.

Die Klage ist in der Sache begründet. Der Klägerin steht für den noch streitigen Zeitraum vom 05.02.2021 bis zum 30.04.2020 der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen in Höhe von Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 zu.

Für die vorliegend geltend gemachten Geldleistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG ist der Beklagte örtlich gemäß § 10a Abs. 1 AsylbLG zuständig, da die Klägerin von Mitte Juli 2020 bis 22.06.2021 dem Beklagten zugewiesen war und dort in einer Anker-Einrichtung untergebracht war, in der sie auch tatsächlich wohnte. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten als örtlicher Träger für die Gewährung von Grundleistungen folgt aus § 10 Satz 1 AsylbLG i.V.m. § 12 Abs. 2 Nr. 2 und § 14 Abs. 1 Satz 2 der (bayer.) Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl - in der Fassung vom 16.08.2016, GVBl S. 258). Auch wenn der Beklagte im übertragenen Wirkungskreis handelt (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 DVAsyl) und Kostenträger letztlich der Freistaat Bayern ist (§ 12 Abs. 1 DVAsyl), welcher den Landkreisen und kreisfreien Städten die aufgewandten Kosten erstattet (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Aufnahmegesetzes - AufnG), ist dennoch der Beklagte passiv legitimiert, denn er handelt auch im übertragenen Wirkungskreis nicht als staatliche Behörde (Art. 4 und 6 der bayer. Landkreisordnung). Einer Beiladung des Freistaats Bayern bedurfte es jedoch nicht, da kein unmittelbarer Eingriff in dessen Rechtssphäre stattfindet (vgl. Urteil des Senats vom 11.12.2020 - L 8 AY 32/20 - juris; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 75 Rn. 10).

Einen Anspruch auf sog. Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG i.V.m. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) hatte die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Dies richtet sich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes vom 15.08.2019, BGBl. I, 1294). Demnach ist abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Klägerin war im Zeitraum vom 01.11.2020 bis 10.02.2021 leistungsberechtigt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes vom 15.08.2019, BGBl. I, 1294). Nach Eintritt der Bestandskraft der Ablehnung ihres Asylantrages als unzulässig durch den Bescheid des BAMF vom 14.08.2020 mit dem 29.08.2020 (Mitteilung des BAMF vom 30.10.2020) - die Klägerin hat nicht um Rechtsschutz gegen den Bescheid vom 14.08.2020 nachgesucht - war ihr Aufenthalts nicht mehr gemäß § 55 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) gestattet. Vom 11.02.2021 an war die Klägerin leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG, denn aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist am 11.02.2021 (siehe die Mitteilungen des BAMF vom 30.10.2020 und 24.02.2021) wurde der Bescheid des BAMF vom 14.08.2020 unwirksam (dazu noch unten), so dass das Asylverfahren wieder anhängig war. Die Wirkung der Aufenthaltsgestattung tritt von Gesetzes wegen ein und es kommt insofern nicht auf eine Statusentscheidung der Asyl- oder Ausländerbehörde an (vgl. Frerichs in jurisPK-SGB XII, AsylbLG § 1, Stand: 19.12.2022, Rn. 78), so dass hier unerheblich ist, wann der Klägerin eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ausgestellt wurde. Ein Anspruch nach § 2 Abs. 1 AsylbLG scheitert aber im hier interessierenden Zeitraum vom 05.02.2021 bis zum 30.04.2021 daran, dass die Klägerin, ausgehend von ihrer erstmaligen Einreise nach Deutschland am 02.07.2020, die Voraussetzung einer 18monatigen Wartezeit noch nicht erfüllte.

Der Anspruch der Klägerin folgt aber aus § 3 Abs. 1 AsylbLG (in der Fassung des Gesetzes vom 20.05.2020, BGBl. I, 1055). Demnach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf). Zusätzlich werden ihnen Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gewährt (notwendiger persönlicher Bedarf). Wie gezeigt, war die Klägerin im streitigen Zeitraum leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 1 AsylbLG. Es gibt zudem keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie über einzusetzendes Einkommen oder Vermögen (§ 7 AsylbLG) verfügte. Auch Umstände für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nach § 1 Abs. 2 bis 4, § 11 Abs. 2 und 2a AsylbLG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere greift hier § 1 Abs. 4 AsylbLG nicht ein, denn die Klägerin hat sich zwar vor ihrer Einreise nach Deutschland in Italien und später in den Niederlanden aufgehalten. Von keinem der beiden Staaten wurde ihr aber internationaler Schutz gewährt. Weder hat die Klägerin das angegeben noch lässt sich dies den Asylakten bzw. dem Bescheid des BAMF vom 14.08.2020 entnehmen.

Dem Anspruch auf Grundleistungen aus § 3 Abs. 1 AsylbLG steht nicht eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AsylbLG (in der seit 01.09.2019 geltenden Fassung des Gesetzes vom 13.08.2019, BGBl. I, 1290, bzw. vom 15.08.2019, BGBl. I, 1294) entgegen.

Der Beklagte hat formell rechtmäßig eine Anspruchseinschränkung im Bescheid vom 14.10.2020 verfügt. Insbesondere ist die Klägerin zuvor vom Beklagten mit Schreiben vom 01.10.2020 ordnungsgemäß angehört worden (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG); sie hat sich auch unter dem 06.10.2020 geäußert. Der Senat nimmt ferner die Zuständigkeit des Beklagten für die Anspruchseinschränkung an, obwohl zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids vom 14.10.2020 eine ausdrückliche (landesrechtliche) Regelung zur Zuständigkeit bei einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG fehlte. Das AsylbLG selbst legt die sachliche Zuständigkeit im Einzelnen nicht fest, sondern ermächtigt hierzu die Landesregierungen bzw. die von ihnen beauftragten obersten Landesbehörden (§ 10 AsylbLG). Die dazu in Bayern erlassene DVAsyl enthält aber erst seit dem 01.03.2022 mit dem neu gefassten § 19 DVAsyl eine Zuständigkeitsregelung für Fälle des § 1a AsylbLG. Allerdings geht der Senat davon aus, dass sich die Zuständigkeit des Beklagten als örtlicher Träger (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 DVAsyl) für die Einschränkung der allein betroffenen Geldleistungen damit begründen lässt, dass sie sich quasi als das Gegenstück zur Zuständigkeit für die nicht eingeschränkte Leistung, hier Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, darstellt, für die der Beklagte zuständig war. Nach diesem Prinzip legt seit März 2022 nunmehr auch § 19 DVAsyl die Zuständigkeiten fest (vgl. Beschluss des Senats vom 11.04.2022 - L 8 AY 34/22 B ER - juris).

Zudem hat der Beklagte im Bescheid vom 14.10.2020 ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin die Voraussetzungen einer Leistungseinschränkung erfüllte. Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG erfordert jedoch nach Ansicht des Senats ohnehin keinen separaten, feststellenden Verwaltungsakt, denn nach dem Wortlaut des § 1a AsylbLG ("... werden nur noch Leistungen ...gewährt" bzw. "... erhalten nur Leistungen ...") tritt die Folge der Anspruchseinschränkung von Gesetzes wegen ein (vgl. Urteil des Senats vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 und Beschluss des Senats vom 11.11.2016 - L 8 AY 29/16 B ER - alle nach juris; a.A. BayLSG, Beschluss vom 01.03.2018 - L 18 AY 01.03.2018 - L 18 AY 2/18 B ER - juris; Groth in jurisPK-SGB XII, Stand: 15.04.2021, § 11 AsylbLG Rn. 92). Etwas anderes lässt sich auch aus § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG nicht ableiten. Daraus geht allein hervor, dass zur leistungsrechtlichen Umsetzung noch ein Verwaltungsakt erforderlich ist, der gegebenenfalls eine Aufhebungs- oder Rücknahmeentscheidung enthält (vgl. Groth, a.a.O., Rn. 93).

Der Bescheid vom 14.10.2020 ist auch in hinreichender Weise inhaltlich bestimmt. Die von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG statuierte Anforderung der inhaltlichen Bestimmtheit eines Verwaltungsakts bedeutet ebenso wie bei § 33 SGB X, dass der Adressat des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers in der Lage sein muss, das von ihm Geforderte zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten (vgl. BSG, Urteil vom 03.07.2020 - B 8 SO 2/19 R; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.05.2019 - L 7 AY 1161/19 ER-B - alle nach juris). Das war hier der Fall, denn die Klägerin konnten bereits aus den Verfügungssätzen des Bescheids vom 14.10.2020 ohne Weiteres erkennen, dass eine Anspruchseinschränkung festgestellt wurde und für welchen Zeitraum ihr in welchem Umfang Leistungen bewilligt wurden. Ebenso ergab sich eindeutig, dass die mit Bescheid vom 23.07.2020 erfolgte (höhere) Leistungsbewilligung aufgehoben wurde und daher keinen Bestand mehr haben sollte.

Die verfügte Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG erweist sich aber in materieller Hinsicht als rechtswidrig.

Der Anspruchseinschränkung steht nicht entgegen, dass gemäß Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (RL 2013/32/EU) Antragstellern auf internationalen Schutz - dazu zählte die Klägerin aufgrund ihres beim BAMF gestellten Asylantrages - während des Rechtsbehelfsverfahrens der Verbleib in dem betreffenden EU-Mitgliedsstaat gestattet ist. Die Klägerin hat nämlich gegen den Bescheid des BAMF vom 14.08.2020 keinen Rechtsbehelf ergriffen, so dass dieser mit dem 29.08.2020 und damit vor dem streitgegenständlichen Zeitraum bestandskräftig geworden war. Der spätere Bescheid des BAMF vom 03.05.2021 wiederum ist erst nach dem streitgegenständlichen Zeitraum ergangen.

Offen bleiben kann, ob § 1a Abs. 7 AsylbLG für die Zeit ab dem 12.02.2021 mit Blick auf Art. 17 Abs. 1 und 5 Satz 1 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (RL 2013/33/EU) nicht angewandt werden kann. Demnach haben die Mitgliedstaaten Antragstellern auf internationalen Schutz - dazu gehörte die Klägerin gemäß Art. 2 Buchstabe b RL 2013/33/EU erneut ab dem 12.02.2021 aufgrund ihres im Juli 2020 beim BAMF gestellten Asylantrages, über den nach Wirkungsloswerden des Bescheids des BAMF vom 14.08.2020 im nationalen Verfahren entschieden wurde (Bescheid vom 03.05.2021) und der damit einhergehenden Aufenthaltsgestattung (Art. 3 Abs. 1 RL 2013/33/EU) - materielle Leistungen (Art. 2 Buchstabe g RL 2013/33/EU) zu Verfügung zu stellen. Deren Umfang bemisst sich auf der Grundlage eines Leistungsniveaus wie bei eigenen Staatsangehörigen (Art. 17 Abs. 5 Satz 1 RL 2013/33/EU). Zwar räumt Art. 17 Abs. 5 Satz 2 RL 2013/33/EU den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, Antragstellern auf internationalen Schutz eine weniger günstige Behandlung als eigenen Staatsangehörigen zuteil werden zu lassen. Die Leistungen müssen aber einem angemessenen Lebensstandard entsprechen (Art. 17 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Dass eingeschränkte Leistungen nach § 1a AsylbLG diesem - anhand des Unionsrechts zu beurteilenden - Standard genügen, kann angezweifelt werden (vgl. HessLSG, Beschluss vom 20.09.2021 - L 4 AY 26/21 B ER; siehe aber auch Urteil des Senats vom 29.04.2021 - L 8 AY 122/20 - alle nach juris). Allerdings erlaubt Art. 20 Abs. 1 Buchstabe c RL 2013/33/EU, dass die Antragstellern auf internationalen Schutz gewährten Leistungen eingeschränkt werden können, wenn ein Folgeantrag gestellt wird. Als derartiger Folgeantrag i.S.d. Art. 2 Buchstabe q RL 2013/32/EU kann der in Deutschland beim BAMF im Juli 2020 gestellte Asylantrag aufgefasst werden. Die Klägerin hatte nämlich zuvor bereits einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 2 Buchstabe b RL 2013/32/EU) in den Niederlanden gestellt, über den (ablehnend) entschieden worden war, wie sich aus dem Bescheid des BAMF vom 03.05.2021 ergibt. Insofern erscheint die der hier verfügten Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG zugrunde liegende Fallgestaltung, bei der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist, unionsrechtlich zulässig (vgl. Cantzler, AsylbLG, § 1a Rn. 98).

Soweit von der Widerspruchsbehörde unter entsprechender Anwendung von Vorschriften des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG für die Zeit bis zum 04.02.2021 als rechtswidrig beurteilt wurde, lässt sich aus den Vorschriften zum Schutz von Müttern während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit (vgl. § 1 MuSchG) nach Auffassung des Senats nichts für ein bestimmtes Niveau der Leistungen nach dem AsylbLG herleiten. Das MuSchG bezweckt allein den Schutz der Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz (§ 1 Abs. 1 Satz 1 MuSchG), eine Situation, die auf die Klägerin nicht zutraf. Daher kann auch aus den §§ 18 f. MuSchG nichts für die Höhe der hier streitigen Leistungen abgeleitet werden. Der dem MuSchG zugrunde liegenden Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19.10.1992 lassen sich ebenfalls keine leistungsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf die Situation der Klägerin entnehmen.

Die streitige Anspruchseinschränkung scheitert ferner nicht an Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (RL 2011/95/EU). Danach haben Personen, denen internationaler Schutz erteilt worden ist (Art. 2 Buchstabe b RL 2011/95/EU), die notwendigen Sozialleistungen wie Staatsangehörige des Mitgliedsstaates zu erhalten. Zu diesem Personenkreis gehörte die Klägerin jedoch nicht, weil ihr kein internationaler Schutz zuerkannt worden war.

Allerdings liegen bereits die Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung nach dem deutschen Recht hier nicht vor. Nach § 1a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde und für die eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG angeordnet wurde, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist, nur mehr Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG. Dies gilt nicht, sofern ein Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet hat (§ 1a Abs. 7 Satz 2 AsylbLG), was hier nicht der Fall war. Die Vorschrift des § 1a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylbLG wiederum bestimmt, dass kein Anspruch auf Leistungen nach den §§ 2, 3 und 6 AsylbLG besteht und nur noch Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt werden. Nur soweit im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, können auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gewährt werden (§ 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG).

Die (geschriebenen) Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG erfüllte die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum. Wie schon dargelegt, war die Klägerin leistungsberechtigt nach § 1a Abs. 1 Nr. 1 bzw. 5 AsylbLG. Außerdem hat das BAMF mit Bescheid vom 14.08.2020 ihren Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung der Klägerin in die Niederlande gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnet, weil die Niederlande aufgrund des früheren dort gestellten (und abgelehnten) Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) für das Asylverfahren der Klägerin zuständig sind.

Jedoch ist im Wege einer teleologisch-systematischen Reduktion der Vorschrift als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal außerdem zu fordern, dass ein pflichtwidriges Verhalten des betreffenden Leistungsberechtigten gegeben ist. Dies wiederum beinhaltet in der vorliegenden Konstellation, dass auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zur Vermeidung leistungsrechtlicher Konsequenzen hingewiesen wird.

Die teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (BVerfG, Beschluss vom 15.10.2004 - 2 BvR 1316/04; BVerfG, Beschluss vom 07.04.1997 - 1 BvL 11/96; BVerfG, Beschluss vom 14.03.2011 - 1 BvL 13/07 - alle nach juris). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Beschluss vom 07.04.1997 - 1 BvL 11/96; BSG, Urteil vom 18.08.2011 - B 10 EG 7/10 R - alle nach juris). Bei einem nach wortlautgetreuer Auslegung drohenden Grundrechtsverstoß kann eine zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung der Norm entgegen deren Wortlaut sogar geboten sein (vgl. BSG, Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R; BSG, Urteil vom 04.12.2014 - B 2 U 18/13 R; BSG, Urteil vom 15.12.2016 - B 5 RE 2/16 R - alle nach juris). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Eine Norm ist nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung vereinbare Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet allerdings dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - juris). Es ist also zu beachten, dass im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/10 - juris).

Rein seinem Wortlaut nach wird eine Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG allein aus dem Grund vorgenommen, dass der leistungsberechtigte Ausländer einem europäischen Asylregime unterworfen ist; über das Verweilen im Bundesgebiet hinaus ist kein weiteres pflichtwidriges Verhalten erforderlich (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 19/20984, S. 8). Die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG knüpft weder an eine durch bestimmte äußere Umstände geänderte Bedarfslage noch an ein ausländerrechtlich missbilligtes Verhalten, sondern an die Rechtsfolge einer ausländer- bzw. asylrechtlichen Entscheidung an. Berücksichtigt man die Tatbestandswirkung einer bindenden ausländerrechtlichen Entscheidung für die Sozialleistungsbehörden - auf das ausländerrechtlich ausdrücklich mitbedachte Vorgehen, nämlich eines Antrags nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), nimmt die Norm Bezug - geht der Senat davon aus, dass eine Leistungseinschränkung verfassungsrechtlich noch zulässig sein kann (vgl. Beschluss des Senats vom 18.01.2022 - L 8 AY 103/21 B ER - juris; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 90; i.E. ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.03.2020 - L 20 AY 48/19 B ER - juris).

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 sowie Beschlüsse vom 20.12.2022 - L 8 AY 131/22 B ER und vom 28.10.2022 - L 8 AY 66/22 B ER - alle nach juris) gebieten jedoch das Grundrecht auf die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der verglichen mit anderen existenzsichernden Leistungssystemen deutlich reduzierten Leistungen des AsylbLG eine restriktive Auslegung aller Tatbestände des § 1a AsylbLG (vgl. Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 7; Cantzler, a.a.O. Rn. 9; Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl., § 1a AsylbLG Rn. 10). Überdies verlangt auch Art. 20 Abs. 5 Satz 1 RL 2013/33/EU ausdrücklich, dass Entscheidungen über die Einschränkung oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahme gewährten Leistungen (Art. 2 Buchstabe g RL 2013/33/EU) unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu treffen sind. Nach dem Urteil des BVerfG vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris) können migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell höheres Leistungsniveau zu vermeiden, von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die in Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren (vgl. BVerfG vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris). Soweit § 1a Abs. 7 AsylbLG - jedenfalls dem Wortlaut nach - eine Anspruchseinschränkung ohne Anknüpfung an ein Fehlverhalten vorsieht, widerspricht dies dem bisherigen Sanktionssystem sowohl im AsylbLG als auch in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und der Sozialhilfe (SGB XII), wonach die Kürzung von Leistungen stets ein bestimmtes, vorwerfbares Verhalten oder Unterlassen des Leistungsberechtigten zur Voraussetzung hat. Dann hat es der Leistungsberechtigte selbst in der Hand, eine Leistungskürzung zu vermeiden bzw. zu beenden (vgl. zu § 1a Abs. 4 AsylbLG: Urteil des Senats vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 - juris). Mit Blick hierauf fordert der Senat im Wege der normerhaltenden, teleologischen Reduktion, dass auch bei einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG dem Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist (vgl. Beschlüsse vom 20.12.2022 - L 8 AY 131/22 B ER, vom 11.04.2022 - L 8 AY 34/22 B ER, vom 15.03.2022 - L 8 AY 7/22 B ER und vom 18.01.2022 - L 8 AY 103/21 B ER - alle nach juris; auch Oppermann in jurisPK-SGB XII, § 1a AsylbLG, Stand: 25.07.2022, Rn. 150). Dass der Gesetzgeber - entgegen der Ansicht des Beklagten und des SG - ebenfalls davon ausging, dass bei einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG ein pflichtwidriges Verhalten vorliegen muss, lässt sich zudem der Gesetzesbegründung zu § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG (BT-Drs. 18/8615, S. 42) entnehmen (vgl. Groth in jurisPK-SGB XII, Stand: 15.04.2021, § 11 AsylbLG Rn. 92). Dort heißt es, dass § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG Entscheidungen betrifft, durch die eine "Pflichtverletzung" festgestellt wird.

Darüber hinaus kann das Erfordernis eines pflichtwidrigen Verhalts auch aus der Systematik des § 1a AsylbLG hergeleitet werden. Die einzelnen Einschränkungstatbestände, so auch § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG, verweisen alle auf § 1a Abs. 1 AsylbLG. Dort wird in Satz 1 die an die fehlende Ausreise anknüpfende Anspruchseinschränkung davon abhängig gemacht, dass die Ausreise aus Gründen, welche die Leistungsberechtigten nicht zu vertreten haben, nicht durchgeführt werden kann. Zwar wird überwiegend angenommen, dass es sich um eine Rechtsfolgenverweisung handelt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.05.2019 - L 7 AY 1161/19 ER-B - juris; BT-Drs. 19/10047, S. 31, spricht von einheitlichen Rechtsfolgen). Bereits der Blick auf den oben beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmen spricht aber dafür, das in § 1a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG normierte Erfordernis eines pflichtwidrigen Verhaltens quasi als Generalklausel zu interpretieren. Bei denjenigen Tatbeständen des § 1a AsylbLG, die - wie § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG - keine auf den jeweiligen Tatbestand ausgerichtete spezielle Ausprägung des pflichtwidriges Verhalten ausdrücklich aufführen, ist dann - mangels einer vorrangigen Spezialregelung - auf die Generalklausel für pflichtwidriges Verhalten in § 1a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG abzustellen. Das Erfordernis, dass eine Anspruchseinschränkung stets nur bei einer Pflichtverletzung angenommen werden kann, wird zudem durch § 14 Abs. 2 AsylbLG unterstrichen. Diese Norm schreibt ausdrücklich vor, dass für eine fortgesetzte Anspruchseinschränkung auch eine fortbestehende Pflichtverletzung vorliegen muss. Aus dieser Formulierung folgt nicht nur, dass bei einer fortgesetzten Anspruchseinschränkung eine Pflichtverletzung gegeben sein muss, sondern ebenso, dass eine Pflichtverletzung bereits bei der erstmaligen Anspruchseinschränkung vorliegen muss. Ansonsten könnte das Gesetz nicht vom Fortbestehen sprechen. Dafür, dass dieses Erfordernis entgegen dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 AsylbLG nur auf diejenigen Tatbestände des § 1a AsylbLG anzuwenden ist, die ausdrücklich eine Pflichtverletzung vorsehen, gibt es wiederum keinerlei Anhalt im Gesetz. Auch wenn es denkbar wäre, dass wegen der mit fortschreitender Dauer einer Anspruchseinschränkung zunehmenden Auswirkungen auf den Betroffenen bei einer fortgesetzten Anspruchseinschränkung ein zusätzliches Merkmal gefordert wird, findet sich dafür ebenfalls keinerlei Anhaltspunkt. Wenngleich § 14 Abs. 2 AsylbLG bereits vor der Einfügung des hier im Streit stehenden § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG geschaffen worden ist, sah der Gesetzgeber anlässlich der Einführung dieser Norm und weiterer Einschränkungstatbestände keine Veranlassung zur Änderung des § 14 Abs. 2 AsylbLG. Bei einer rein am Wortlaut orientierten Anwendung des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG lässt sich daher nicht begründet, wie von den ebenfalls geschriebenen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 AsylbLG abgesehen werden kann.

Für das Erfordernis einer Pflichtverletzung spricht auch, dass ansonsten ein Wertungswiderspruch innerhalb des § 1a AsylbLG auftreten würde. Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG hängt nach dem Wortlaut der Vorschrift davon ab, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von den Leistungsberechtigten selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können. Dagegen statuiert § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG ein solches Erfordernis dem Wortlaut nach für den Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG nicht. Gerade betreffend die somit von beiden Fallgruppen einer Anspruchseinschränkung erfassten Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, also vollziehbar ausreisepflichten Ausländern, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, ist keine Grundlage für ein Absehen vom Erfordernis einer konkreten Pflichtverletzung ersichtlich. In beiden Fallgestaltungen sind die betreffenden Ausländer vollziehbar verpflichtet, aus dem Bundesgebiet auszureisen. Im Fall der Abschiebungsandrohung ging bei Asylbewerbern dem in der Regel eine materielle Prüfung des gestellten Asylantrages voraus, während bei der von § 1a Abs. 7 Satz AsylbLG erfassten Ablehnung des Asylantrages als unzulässig diese gerade nicht stattgefunden hat. Dann trotz reduzierter bzw. fehlender inhaltlicher Prüfung auch noch leistungsrechtlich geringere Anforderungen an den Eingriff in die Mittel zur Sicherstellung des Lebensunterhalts zu stellen, hält der Senat nicht für gerechtfertigt. Soweit dies damit begründet wird, dass nach dem europarechtlichen Asylregime ein anderer EU-Mitgliedsstaat für die Behandlung des Asylverfahrens zuständig ist, erscheint dies allein als Differenzierungskriterium nicht ausreichend. Denn faktisch besteht der Unterschied für die betroffenen Leistungsberechtigten nur darin, ob sie in ein einen anderen EU-Mitgliedsstaat oder in ein Drittland ausreisen müssen. Zudem ist es nicht zwingend, dass eine Abschiebungsandrohung ohne (wesentliche) inhaltliche Prüfung des Asylgesuchs ergeht (siehe § 29 Abs. 1, § 29a und § 30 AsylG). Auch für diese Fälle verzichtet der Gesetzgeber aber in § 1a AsylbLG nicht auf das Erfordernis einer Pflichtverletzung.

In der Zusammenschau, auch mit der oben erwähnten Einführung von § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG, geht der Senat deshalb davon aus, dass der Gesetzgeber trotz des Wortlauts von § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG nichts daran ändern wollte, dass eine Pflichtverletzung zur Verwirklichung einer Anspruchseinschränkung erforderlich ist. Daher ist eine Ergänzung des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG um das Erfordernis einer Pflichtverletzung vorzunehmen.

An einer solchen Pflichtverletzung fehlt es aber im Fall der Klägerin. Dabei verlangt eine Pflichtverletzung bzw. ein pflichtwidriges Verhalten, dass den Leistungsberechtigten ein persönliches (im Sinne von eigenes) Fehlverhalten trifft (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris). Ferner muss dessen Kausalität für die Handlung, an welche der jeweilige Einschränkungstatbestand anknüpft, gegeben sein. Für den hier inmitten stehenden § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG bedeutet dies, dass die Ursächlichkeit in Bezug auf ein Verweilen im Bundesgebiet bestehen muss. Letztlich ist nämlich Zweck der Norm die Verhinderung der Inanspruchnahme von Sozialleistungen in Deutschland aufgrund der asylrechtlichen Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaats.

Demnach kann ein für § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG genügendes pflichtwidriges Verhalten noch nicht in der Einreise nach Deutschland gesehen werden. Es lässt sich schon im Ansatz nicht sagen, dass jede Einreise eines Ausländers, der bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat internationalen Schutz beantragt hat, unerlaubt und daher pflichtwidrig ist. Die Einreise in das Bundesgebiet kann jedenfalls deshalb nicht als pflichtwidrig angesehen werden, weil es sich dabei um ein Verhalten handelt, das nicht mehr revidierbar ist und daher grundsätzlich nicht geeignet sein kann, eine Anspruchseinschränkung zu begründen. Aus dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) und der einfach-gesetzlichen Vorschrift des § 14 Abs. 2 AsylbLG, der wie gezeigt auch für die erstmalige Anspruchseinschränkung eine Pflichtverletzung verlangt, ergibt sich, dass ein nicht mehr änderbares, zurückliegendes Fehlverhalten eine Anspruchseinschränkung von vornherein nicht rechtfertigen kann (vgl. Oppermann in jurisPK-SGB XII, § 1a AsylbLG, Stand: 02.11.2022, Rn. 88 und für fortgesetzte Anspruchseinschränkung: § 14 AsylbLG, Stand: 25.10.2021, Rn. 19). Demzufolge kann die Einreise der Klägerin nicht als eine für § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG ausreichende Pflichtverletzung angesehen werden. Hinzu kommt, dass nicht nachgewiesen ist, dass die Klägerin wusste, dass sie nicht ohne Weiteres nach Deutschland einreisen durfte, nachdem sie in den Niederlanden internationalen Schutz beantragt hat. Dafür spricht auch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen unerlaubter Einreise bzw. unerlaubten Aufenthalts. Denkbar wäre auch, bei der Beurteilung, ob ein Fehlverhalten gegeben ist, darauf abzustellen, ob für die Einreise nach Deutschland ein rechtfertigender Grund vorliegt (so Siefert, a.a.O., Rn. 54). Dabei kann etwa berücksichtigt werden, dass existenzielle Bedürfnisse im bisherigen Aufenthaltsland nicht sichergestellt waren oder dass die Einreise der Familienzusammenführung diente. Letzteres kann im Fall der Klägerin angenommen werden, denn der Vater ihrer Tochter wohnte bei der Einreise - ihren Angaben gegenüber dem BAMF zufolge - in Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Somit fehlt es am Nachweis der erforderlichen persönlichen Vorwerfbarkeit in Bezug auf die Einreise in das Bundesgebiet.

Gleiches gilt hinsichtlich des Verbleibs der Klägerin im Bundesgebiet während der Zeit von November 2020 bis April 2021. Für die Annahme eines pflichtwidrigen Verhaltens kann es genügen, dass ein Ausländer trotz Kenntnis der asylrechtlichen Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaates nicht freiwillig in diesen Staat zurückkehrt, sondern in Deutschland bleibt. Unschädlich ist insofern, ob ein Aufenthaltsrecht in Deutschland besteht. Das Innehaben eines Aufenthaltsrechts beseitigt nicht den Umstand der durch das europarechtliche Asylregime begründeten vorrangigen Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaates, die auch die Zuständigkeit für die Existenzsicherung umfasst (siehe Art. 29 Abs. 1 RL 2011/95/EU und auch Art. 17 RL 2013/33/EU). Diese europarechtlich angelegte Zuständigkeitsaufteilung würde ihre praktische Wirksamkeit verlieren, bliebe sie insofern völlig unberücksichtigt (vgl. Urteil des Senats vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 - juris).

Vorliegend ist aber die Vorwerfbarkeit des Verhaltens der Klägerin auch hinsichtlich des Verbleibens nicht zu bejahen. Zum einen ist die Klägerin nämlich nicht unter Fristsetzung darauf hingewiesen worden, dass sie eine Einschränkung ihrer Leistungen durch freiwillige Ausreise abwenden kann. Obgleich ihr aufgrund des Hinweises im Bescheid des BAMF vom 14.08.2020 hätte bekannt sein können, dass sie freiwillig aus Deutschland ausreisen kann, beinhaltet dies noch nicht das Wissen darum, dass sie diese Möglichkeit wahrnehmen müsste, wenn sie nicht leistungsrechtliche Folgen gewärtigen will. Auch ein fahrlässiges Nichtwissen lag nicht vor, so dass es nicht darauf ankommt, ob für eine Pflichtverletzung im Rahmen des § 1a AsylbLG Vorsatz erforderlich ist oder auch Fahrlässigkeit genügt (in diese Richtung wohl BSG, Urteil vom Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris). Aus dem Bestehen einer Ausreisemöglichkeit musste und konnte die Klägerin nicht ohne weiteres Konsequenzen für den Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG ableiten. Dazu hätte es vielmehr eines entsprechenden behördlichen Hinweises bedurft (vgl. Beschluss des Senats vom 28.10.2022 - L 8 AY 66/22 B ER - juris). Das BSG hat in der Vergangenheit offen gelassen, ob es für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG einer Belehrung bedarf oder eine bloße Anhörung genügt (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris). Gerade angesichts des grundrechtlich geschützten Bereichs, in den mit der Einschränkung der Leistungen auf den Umfang nach § 1a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG eingegriffen wird, ist nach Ansicht des Senats eine Anhörung mit bloßem Hinweis auf die Schutzgewährung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat, wie sie der Beklagte vorgenommen hat (Schreiben vom 01.10.2020), ungenügend. Ebenso spricht der Blick auf § 1 Abs. 4 AsylbLG dafür, einen konkreten Hinweis auf die Möglichkeit vorauszusetzen, durch Ausreise eine Anspruchseinschränkung zu vermeiden. § 1 Abs. 4 AsylbLG sieht einen Leistungsausschluss für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG vor, denen internationaler Schutz von einem anderen Staat gewährt wurde. Diese sind über mögliche Überbrückungs- und Härtefallleistungen zu belehren (§ 1 Abs. 4 Satz 3 AsylbLG). Wenn vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, denen in einem anderen Staat internationaler Schutz gewährt wurde, über Leistungen belehrt werden müssen, die trotz grundsätzlichen Ausschlusses von Leistungen noch infrage kommen, ist nicht ersichtlich, weshalb nicht anderen, ebenfalls vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, denen kein Schutzstatus zuerkannt wurde, dagegen nicht über Möglichkeiten zur Vermeidung einer Anspruchseinschränkung aufgeklärt werden müssen. Letztlich handelt es sich nämlich nur um einen graduellen Unterschied bei der Höhe der zu erwartenden Leistungen. Im Übrigen stehen in beiden Fällen die betreffenden Personen vor der Wahl, in einen anderen EU-Mitgliedsstaat zurückzukehren oder beim Verbleib in Deutschland leistungsrechtliche Konsequenzen zu tragen.

Eine derartige Belehrung hat weder der Beklagte noch sonst eine Stelle der Klägerin erteilt. Eine Kenntnis darüber, dass sie durch (freiwillige) Ausreise bzw. Rückkehr in die Niederlande die Einschränkung ihrer existenzsichernden Leistungen vermeiden kann, ist der Klägerin vor Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums nicht vermittelt worden. Dass der Hinweis im Bescheid des BAMF vom 14.08.2020 auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise, zudem unter dem unklaren Vorbehalt der Abstimmung mit allen beteiligten Behörden, von der Klägerin nicht in Verbindung mit ihren sozialleistungsrechtlichen Ansprüchen gesetzt werden konnte, wurde bereits erläutert. Auch aus dem Anhörungsschreiben vom 01.10.2020 konnte und musste die Klägerin dies nicht entnehmen. Dort ist nämlich nur ausgeführt worden, dass eine Anspruchseinschränkung beabsichtigt sei, weil das BAMF den Asylantrag als unzulässig abgelehnt habe. Damit musste bei der Klägerin der Eindruck entstehen, die Anspruchseinschränkung sei mehr oder minder unausweichlich, nachdem die Entscheidung des BAMF bereits bestandskräftig war. Obwohl die ablehnende Entscheidung des BAMF darauf beruhte, dass ein anderer EU-Mitgliedsstaat für Asylanträge der Klägerin als zuständig angesehen wurde, wurde der Klägerin nicht der Zusammenhang zwischen der asylrechtlichen Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland und dem Sozialleistungsbezug vor Augen geführt. Aufgrund des Nebeneinanders von Asyl- und Leistungsrecht, verdeutlicht in der Trennung der behördlichen Zuständigkeiten, und der Unerfahrenheit mit den hiesigen Rechtsvorschriften musste die Klägerin das auch nicht selbst erkennen.

Außerdem wurde der Klägerin keine Frist zur Ausreise gesetzt, um die eine drohende Anspruchseinschränkung zu vermeiden. Der Senat leitet aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw. dem Gebot der Verhältnismäßigkeit behördlichen Handelns (Art. 1 und 20 Abs. 3 GG) für eine letztlich auf die Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaates bezogene Anspruchseinschränkung ab, dass dem betreffenden Leistungsberechtigten nach Belehrung zu den leistungsrechtlichen Konsequenzen noch Gelegenheit bleiben muss, die Sach- und Rechtslage zu überdenken und gegebenenfalls sein pflichtwidriges Verhalten zu ändern. Es kann dabei dahin stehen, ob man sich bei der dafür einzuräumenden Frist an § 34a AsylG orientiert oder ob nicht eher die üblicherweise für Anhörungen als angemessen angesehene Frist von 14 Tagen (vgl. BSG, Urteil vom 05.10.1995 - 2 RU 11/94 - juris) anzuwenden ist. Der Klägerin wurde keinerlei Frist gesetzt. Eine Nachholung der Fristsetzung kommt vorliegend naturgemäß nicht mehr in Betracht, denn der Zeitraum der streitigen Anspruchseinschränkung (November 2020 bis April 2021) ist längst vollständig abgelaufen. Eine Fristsetzung war hier auch nicht entbehrlich, weil die Klägerin jederzeit hätten ausreisen könnten. Wie oben dargelegt, fehlte es an dem Wissen bzw. der Kenntnismöglichkeit um die Verknüpfung des Leistungsbezugs mit der asylrechtlichen Lage.

Hinzu kommt hier, dass - jedenfalls für die Zeit ab dem 12.02.2021 - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 AsylbLG insgesamt entfallen sind und die Anspruchseinschränkung auch deswegen rechtswidrig (geworden) ist. Das BAMF hat unter dem 24.02.2021 mitgeteilt, dass die Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren am 11.02.2021 abgelaufen ist und die Entscheidung über den Asylantrag nunmehr im nationalen Verfahren erfolgt. Der bloße Ablauf der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung zieht bereits die Wirkungslosigkeit des Dublin-Bescheids nach sich, wenn der Asylantragsteller nicht innerhalb der Frist ausreist oder in den betreffenden Staat überstellt wird. Mit der (Wieder-) Aufnahme des nationalen Asylverfahrens ist aber ein pflichtwidriges Verhalten, welches eine Anspruchseinschränkung rechtfertigen könnte, nicht mehr gegeben (vgl. Beschluss des Senats vom 08.09.2022 - L 8 AY 65/22 B ER - juris). Der Einwand des Beklagten bzw. der Regierung von Unterfranken im Widerspruchsbescheid, es komme nicht darauf an, ob ein Bescheid, mit dem die Unzulässigkeit des Asylantrages festgestellt worden sei, noch Bestand habe, denn die betroffene Personengruppe sei immer vollziehbar zur Ausreise verpflichtet, andernfalls wäre auch die Einbeziehung der Gruppe derjenigen, bei den die Überstellungsfrist abgelaufen sei, sinnlos, zumal dann der Eindruck verstärkt würde, dass die Betreffenden eine Anspruchseinschränkung "aussitzen" könnten, greift nicht. Europarechtlich ist nämlich ein Mechanismus dahin angelegt, dass mit dem Ablauf der Überstellungsfrist ein Zuständigkeitsübergang stattfindet (Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO) und damit eine zuvor getroffene Entscheidung über einen Asylantrag unwirksam wird. Andernfalls würde die Pflicht des zuständigen bzw. zuständig gewordenen Mitgliedsstaats, einen Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich zu prüfen (Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO i.V.m. Art. 4 ff. der Richtlinie 2011/95 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 - RL 2011/95/EU) ins Leere laufen, wenn der zuvor zuständige EU-Mitgliedsstaat noch keinerlei Prüfung vorgenommen hat.

Dass aber eine vollziehbare bzw. bestandskräftige Entscheidung des BAMF als Grundlage der Anspruchseinschränkung noch existieren muss, wird auch aus dem Wortlaut des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG erkennbar, der eine Anspruchseinschränkung erlaubt, "auch wenn die Entscheidung [des BAMF] noch nicht unanfechtbar ist". Das kann nicht anders verstanden werden, als dass die Entscheidung des BAMF, dass der Asylantrag wegen der Zuständigkeit eines anderen Staates für die Bearbeitung des Asylantrages unzulässig ist, weiterhin bestehen muss. Ferner würde es zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn nicht einmal die Aufhebung bzw. Erledigung des BAMF-Bescheides auf sonstige Weise dazu führen würde, dass eine Anspruchseinschränkung entfällt bzw. gar nicht infrage kommt, die bloße Anordnung der aufschiebenden Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren dagegen schon (§ 1a Abs. 7 Satz 2 AsylbLG). Überdies könnte ein Fortbestehen der Anspruchseinschränkung auch vor dem oben dargelegten verfassungsrechtlichen Hintergrund, der eine restriktive Anwendung des § 1a AsylbLG gebietet (vgl. Oppermann, a.a.O.), nicht gerechtfertigt sein. Die weitere Argumentation, § 1a Abs. 7 AsylbLG würde an ein Fehlverhalten in Form der Einreise nach Deutschland trotz asylrechtlicher Zuständigkeit eines anderen Staates anknüpfen, verfängt ebenso wenig. Dieser Gedanke mag der Beweggrund für die Schaffung von § 1a Abs. 7 AsylbLG gewesen sein, daran knüpft aber die Anspruchseinschränkung nach ihrem klaren Wortlaut nicht an. Vielmehr kommt es danach allein auf das Vorliegen einer Entscheidung des BAMF an, wonach der Asylantrag mangels Zuständigkeit der deutschen Behörden unzulässig ist. Das ist auch folgerichtig, denn es kann der Fall eintreten, dass Deutschland trotz Einreise bei Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union von seinem nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung vorgesehen sog. Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht. Sowohl in dieser Konstellation als auch nach dem Ablauf der Überstellungsfrist erfolgt sodann eine (nationale) Entscheidung über den Asylantrag in der Sache mit der Folge, dass der betreffende Asylsuchende ohnedies nicht mehr in den anderen, vormals zuständigen Mitgliedstaat abgeschoben würde, sondern in sein Heimatland bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat.

Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 15.03.2022 - L 8 AY 3/22 B ER - dieser ist den Beteiligten bekannt), stellt das eine zu berücksichtigende wesentliche Änderung - ungeachtet dessen, dass die Anspruchseinschränkung schon aus den oben genannten Gründen von Anfang an rechtswidrig war - i.S.d. § 48 SGB X dar, die dazu führt, dass die verfügte Anspruchseinschränkung aufzuheben ist. Zwar ergibt sich nicht bereits aus dem Wortlaut von § 1a Abs. 1 AsylbLG oder § 14 AsylbLG, dass mit dem Wegfall bzw. dem Abstellen des pflichtwidrigen Verhaltens die Anspruchseinschränkung zu beenden ist. Lediglich in § 1a Abs. 5 Satz 2 AsylbLG ist dies ausdrücklich normiert. Allerdings ist aus dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit allen staatlichen Handelns abzuleiten, dass eine Anspruchseinschränkung endet, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. Auch im Bereich der Existenzsicherung, der in Bezug auf Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG betroffen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris), ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, Mitwirkungspflichten vorzusehen und Instrumente zu schaffen, um deren Einhaltung durchzusetzen und dazu gegebenenfalls Sanktionen zu verfügen. Allerdings ist dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der es u.a. gebietet, dass eine Minderung nicht unabhängig von der Mitwirkung der Betroffenen starr andauert (vgl. BVerfG, Urteil vom 05.11.2019 - 1 BvL 7/16 - juris). Zwar knüpfen diese zum Sanktionsregime des SGB II aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen an andere Zwecke an, als sie den Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG zugrunde liegen (vgl. Urteil des Senats vom 05.08.2020 - L 8 AY 28/19 - juris). Jedoch entbindet dies nicht davon, das Übermaßverbot auch in Bezug auf § 1a AsylbLG zu beachten. Auch § 1a i.V.m. § 14 AsylbLG sieht grundsätzlich eine starre Sanktionsdauer vor. Dies darf aber nicht dazu führen, dass eine Absenkung der existenzsichernden Leistungen andauert, obschon sie im konkreten Fall den verfolgten Zweck nicht oder nicht mehr erreichen kann (vgl. Oppermann in jurisPK-SGB XII, AsylbLG § 14, Stand 25.10.2021, Rn. 17). Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass bei Entfallen des Grundes für die Anspruchseinschränkung nach § 1a AsybLG diese zu beenden ist (vgl. auch das Urteil des Senats vom 05.08.2020 - L 8 AY 28/19 - juris). Das war hier jedenfalls seit dem 12.02.2021 mit Ablauf der Überstellungsfrist der Fall. Ab dann war nämlich klar, dass die Klägerin sich nicht mehr in einen anderen Mitgliedstaat der EU zu begeben hatte, um dort ein weiteres Asylverfahren durchzuführen, sondern dies in Deutschland durch das BAMF erfolgt. Damit ist die Annahme einer nur noch kurzen Aufenthaltsdauer und eines reduzierten Bedarfs im Rahmen der Existenzsicherung nicht mehr begründbar bzw. kann kein rechtsmissbräuchliches Verweilen im Bundesgebiet mehr gegeben sein.

Nachdem sich die verfügte Anspruchseinschränkung bereits aus diesem Grund als rechtswidrig erweist, kann offen bleiben, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen eine (weitere) teleologische Reduktion des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG dahingehend geboten ist, dass dem betreffenden Ausländer eine Rückkehr in den nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedsstaat der EU rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar sein muss, weil er andernfalls keine Möglichkeit hätte, sich der Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG durch ein zumutbares Verhalten - nämlich der Ausreise in das betreffende Land - zu entziehen. Der Senat geht für den vorliegenden Fall allerdings davon aus, dass der Klägerin vom 01.11.2020 bis zum Ablauf der Überstellungsfrist mit dem 11.02.2020 eine Rückkehr in die Niederlande zur Durchführung des Asylverfahrens zumutbar gewesen ist. Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93 - juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Konvention für Menschenrechte und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entspricht. Die Vermutung kann widerlegt werden. Dafür genügen jedoch nicht schon einzelne einschlägige Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten. Vielmehr sind dafür systemische, allgemeine oder bestimmte Personengruppe betreffende Schwachstellen erforderlich, die etwa zur Folge hätten, dass eine Person sich in extreme materielle Not begeben würde und ihre elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigen könnte, so dass die Situation einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.01.2022 - 1 B 93.21, m.w.N., und Urteil vom 19.03.2014 - 10 B 6.14; Urteil des Senats vom 09.03.2023 - L 8 AY 110/22 - alle nach juris). Von diesen Voraussetzungen ist angesichts der Feststellung im Bescheid des BAMF vom 14.08.2020 (zur Bindungswirkung: BSG, Urteil vom 27.02.2019 - B 7 AY 1/17 R - juris) aus. Auch aus der (ober)gerichtlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte betreffend die Niederlande war derartiges nicht zu befürchten (vgl. VG W, Beschluss vom 08.08.2022 - W 5 S 22.50310 - juris, m.w.N.).

Mithin liegen die Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 Satz 1 AsylbLG im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor.

Auch andere Tatbestände des § 1a AsylbLG sind nicht erfüllt. Entweder kommen diese schon nicht infrage, weil sie nur für andere Gruppen von Leistungsberechtigten gelten oder ihre Voraussetzungen sind offenkundig nicht gegeben. Insbesondere besteht keine Grundlage für die Annahme, dass die Klägerin asyl- oder ausländerrechtliche Mitwirkungspflichten verletzt hätten (§ 1a Abs. 5 AsylbLG). Derartige Mitwirkungshandlungen wurden von der Klägerin nicht verlangt. Sie hat sich auch nicht nach Deutschland begeben, um hier Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten (§ 1a Abs. 2 AsylbLG). Insofern muss der Wille, Sozialleistungen zu beziehen, im Zeitpunkt der Einreise vorhanden und prägend für den Einreiseentschluss gewesen sein; ein lediglich billigendes Inkaufnehmen genügt nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.6.1992 - 5 C 22/87 - juris, zur Vorgängerregelung in § 120 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG; Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 24). Ein solch prägender Wille ist im Fall der Klägerin nicht feststellbar. Nach ihren Angaben im Asylverfahren gegenüber dem BAMF ist sie aus den Niederlanden nach Deutschland gereist, weil ihre Asylanträge in den Niederlanden abgelehnt worden waren. Sie hoffte offenbar auf die Chance, in Deutschland Asyl zu erhalten. Zudem wohnte der Vater ihres Kindes, mit dem sie bei der Einreise schwanger war, in Deutschland. Angesichts dessen ist nicht zu erkennen, dass die Klägerin mit der Einreise nach Deutschland vornehmlich den Bezug von Sozialleistungen in Deutschland anstrebte.

Die Klägerin hat demnach im Zeitraum vom 05.02.2021 bis 30.04.2021 ebenfalls dem Grunde nach Anspruch auf Grundleistungen.

Der Anspruch auf Grundleistungen besteht auch in Höhe der Bedarfsstufe 1 (§ 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG), obwohl die Klägerin im streitigen Zeitraum in einer Anker-Einrichtung im Gebiet des Beklagten untergebracht war.

Der Senat hat bereits für die gleich gelagerte Situation eines Anspruchs auf sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG entscheiden (Urteil vom 29.04.2021 - L 8 AY 122/20 - juris), dass als ungeschriebene Voraussetzung ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" gegeben sein muss und nicht nur das bloße gemeinsame Wohnen in einer Gemeinschaftsunterkunft bzw. Aufnahmeeinrichtung genügt. Die nach dem Wortlaut vorgesehen umfassende Auslegung begegnet nämlich verfassungsrechtlichen Bedenken (siehe jetzt BVerfG, Beschluss vom 19.10.2022 - 1 BvR 3/21 - juris), so dass im Wege der normerhaltenden teleologischen Reduktion das beschriebene Tatbestandsmerkmal in die Vorschrift hineinzulesen ist. Diese Überlegungen treffen aus den gleichen Gründen auch im Rahmen des Grundleistungsbezugs nach § 3 AsylbLG, wie hier, zu.

Demzufolge ist auch § 3a AsylbLG teleologisch einzuschränken, denn auch hier besteht keine ausreichende Basis für eine Vergleichbarkeit mit der Situation von Paarhaushalten und damit zulässigerweise verbundenen Annahme tatsächlicher Einspareffekten und somit eines geringeren lebensnotwendigen Bedarfes. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG nur dann eingreifen, wenn sich ein tatsächliches "Füreinandereinstehen" wie in den Konstellationen des § 3a Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a bzw. Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a AsylbLG feststellen lässt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Dafür, dass die Klägerin nicht nur mit ihrer Tochter in der Anker-Einrichtung zusammengelebt hat, sondern dabei mit einer anderen Person ein "Wirtschaften aus einem Topf" vorlag, ist weder etwas vorgetragen noch gibt es dafür sonst einen Anhaltspunkt. Wie die Klägerin angegeben hat, lebte der Vater des gemeinsamen Kindes - mit diesem wäre etwa ein Füreinanderstehen denkbar - in F und gerade nicht in derselben Sammelunterkunft wie die Klägerin.

Im streitgegenständlichen Zeitraum steht der Klägerin somit der geltend gemachte Anspruch auf Grundleistungen der Bedarfsstufe 1 zu.

Die Berufung der Klägerin hat nach alledem Erfolg und es ist wie tenoriert zu entscheiden. Dabei entscheidet der Senat gemäß § 130 Abs. 1 SGG durch Grundurteil, das auch im Höhenstreit zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2021 - B 7 AY 4/20 R - juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Angesichts verschiedener Rechtsfragen zur Auslegung von § 1a Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 AsylbLG, zu denen aus Sicht des Senats bisher keine (ausreichende) höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt und die über den vorliegenden Fall hinausreichende Bedeutung haben, wird die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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