L 7 AS 378/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 17 AS 682/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 378/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.01.2022 geändert.

Der Bescheid vom 15.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2019 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

 

Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für Mai 2018.

 

Der 1958 geborene Kläger bezog ab 2006 mit seiner 1955 geborenen Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Seit seinem Umzug nach U. erhielten der Kläger und seine Frau lediglich Unterkunftsbedarfe in der zuvor in Z. bewilligten Höhe, weil der Umzug nicht notwendig gewesen sei. Zuletzt bewilligte der Beklagte dem Kläger und dessen Ehefrau mit Bescheiden vom 23.11.2017 und 25.11.2017 Leistungen in Höhe von 754,06 € für Mai 2018 (374 € Regelbedarfsstufe 2 + 374 € Regelbedarfsstufe 2 + 8,60 € Warmwasserpauschale + 8,60 € Warmwasserpauschale + 410,14 € Kosten der Unterkunft und Heizung abzüglich 421,28 € [451,28 € Zahlbetrag Rente der Ehefrau – 30 € Versicherungspauschale]). Die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizbedarfe für die Wohnung des Klägers und seiner Ehefrau betrugen monatlich 481 € (345 € Grundmiete, 71 € Betriebskosten, 65 € Heizkosten).

 

Am 00.04.2018 verstarb die Ehefrau des Klägers. Mit Änderungsbescheid vom 23.04.2018 hob der Beklagte den Bescheid vom 25.11.2017 auf und bewilligte dem Kläger für Mai und Juni 2018 monatliche Leistungen i.H.v. 835,72 € (416 € Regelbedarfsstufe 1, 9,57 € Warmwasserpauschale, 410,15 € gedeckelte Kosten der Unterkunft und Heizung). Auch dieser Bescheid erwuchs in Bestandskraft.

 

Am 07.05.2018 wurde dem Konto des Klägers auf dessen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung der so genannte Sterbequartalsvorschuss (im Ergebnis der Höhe der Auszahlbetrag der Rente im Sterbemonat der Verstorbenen mal 3) in Höhe von 1.353,84 € (3 x 451,28 €) gutgeschrieben.

 

Mit Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom 07.06.2018 erfolgte eine Rentenanpassung u.a. für die Vorschusszahlung hinsichtlich der Monate Mai bis Juli 2018. Dem Kläger wurden für Mai bis Juli 2018 insgesamt 266,43 € nachbewilligt. Die Rentennachzahlung in Höhe von 266,43 € wurde dem Kläger (erst) am 24.07.2018 gutgeschrieben. Die Witwerrente des Klägers wurde mit Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom 07.06.2018 ab August 2018 in Höhe von monatlich 372,61 € (Auszahlungsbetrag: 331,44 €) bewilligt und dem Kläger seit August 2018 fortlaufend ausgezahlt. Mit Bescheid vom 13.06.2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum Juli 2018 bis Juni 2019. Dieser Bescheid wurde mit Änderungsbescheid vom 18.06.2018 aufgehoben. Der Beklagte rechnete nunmehr den um den so genannten Sterbequartalsbonus bereinigten Teil des Sterbequartalsvorschusses, mithin den Betrag, der dem Witwenrentenanteil des Klägers entsprach, in Höhe von (3 x 331,44 €=) 994,32 € als Einkommen an. Für den Bewilligungszeitraum Juli bis November 2018 erfolgte ausgehend von einer Verteilung auf sechs Monate eine entsprechende Leistungsanpassung (Einkommen aus der Einmalzahlung in Höhe von 165,72 €). Einmalige Leistungen seien in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Zu einmaligen Leistungen zählten auch Nachzahlungen. Sofern im Monat des Zuflusses schon Leistungen ohne Anrechnung erbracht worden seien, würden sie im Folgemonat berücksichtigt. Bei vollständigem Entfall des Leistungsanspruchs sei die einmalige Leistungen gleichmäßig auf sechs Monate aufzuteilen. Eine Einkommensanrechnung für den Monat Juni 2018 erfolgte nicht.

 

Gegen den Änderungsbescheid vom 18.06.2018 legte der Kläger unter dem 30.06.2018 Widerspruch („habe nach Beerdigung Schulden gemacht; Witwenrentenabfindung sei kein Einkommen, wenn zur Schuldentilgung eingesetzt) ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2018 als unbegründet zurückwies. Im nachfolgenden Klageverfahren (Sozialgericht Detmold S 23 AS 1242/18) wies das Sozialgericht in einem Erörterungstermin vom 14.02.2019 darauf hin, dass der Sterbequartalsvorschuss eine laufende Leistung sei und daher nur im Monat seines Zuflusses, hier Mai 2018, und nicht auf sechs Monate verteilt angerechnet werden könne. Der Beklagte gab im Erörterungstermin ein Anerkenntnis (Neuberechnung der Leistungen für den Zeitraum Juli bis November 2018 ohne Anrechnung des Vorschusses in Höhe von 994,32 € und unter Berücksichtigung der – fortgeschriebenen – Kosten der Unterkunft und Heizung) ab und sicherte zu, den Leistungsanspruch für die Monate Juli bis November 2018 neu zu berechnen. Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis an.

 

Am 04.12.2018 gingen auf dem Konto des Klägers 1.152,86 € vom Kreis Y. unter dem Verwendungszweck „Einmalige Beihilfe für Bestattungskosten für: Q., C.“ ein.

 

Mit Schreiben vom 05.03.2019 hörte der Beklagte den Kläger hinsichtlich der beabsichtigten Einmalanrechnung der Sofortrente im Mai 2018 an. Der Kläger reagierte hierauf nicht. Mit Bescheid vom 15.04.2018 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für Mai 2018 vollumfänglich auf und begehrte die Erstattung bereits erbrachter Leistungen in Höhe von 835,72 € (416 € Regelbedarfsstufe 1, 9,57 € Warmwasserpauschale, 410,15 € Unterkunfts- und Heizbedarfe). Die Witwerrente für das Sterbevierteljahr sei lediglich hinsichtlich des die (dauerhafte) Witwerrente übersteigenden Betrag in Höhe des gewährten Sterbequartalsbonus anrechnungsfrei. Demnach sei aus der Einmalzahlung ein Betrag in Höhe von 994,32 € (3 x 331,44 €) als Einkommen anzurechnen, der den Gesamtbedarf des Klägers im Mai 2018 von 835,72 € übersteige.

 

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der Beklagte habe in dem Erörterungstermin vom 14.02.2019 zugesichert, die Sofortrente nicht anzurechnen. Gegen das „Urteil“ des Sozialgerichts vom 21.08.2018 habe der Beklagte keine Berufung eingelegt.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2019 wies der Beklagte den Widerspruch – nach erneuter Anhörung vom 23.04.2019 – als unbegründet zurück. Er habe in dem Erörterungstermin vom 14.02.2019 lediglich zugesichert, die Anrechnung des Sterbequartalsvorschusses in der bisherigen Form nicht weiter vorzunehmen. Ein „Urteil“ sei nicht ergangen. Der Vorschuss sei eine laufende Einnahme und daher im Monat des Zuflusses als Einkommen anzurechnen. Da die Rente im Mai 2018 von 994,32 € auch nach Abzug einer Versicherungspauschale von 30 € den Bedarf des Klägers von 835,72 € übersteige, sei die Leistungsbewilligung aufzuheben. Der Kläger habe die zu Unrecht erbrachten Leistungen zu erstatten.

 

Hiergegen hat der Kläger am 28.05.2019 bei dem Sozialgericht Detmold Klage erhoben. Nach dem Tod seiner Frau habe er wegen der Beerdigungskosten Schulden in Höhe von 6.000 € aufnehmen müssen Eine Witwenrentenabfindung gelte nicht als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II, wenn sie der Schuldenregulierung diene. Der Beklagte habe gegen die Entscheidung des Sozialgerichts in dem vorangegangenen Erörterungstermin vom 14.02.2019 keine Rechtsmittel eingelegt. Es werde nicht verkannt, dass in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung mangels ausdrücklicher Zweckbestimmung der Sterbevierteljahrbonus als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II angesehen werde, jedoch übersehe diese Rechtsprechung, dass dieser Bonus auch den Zweck habe, Beerdigungskosten und sonstige Verpflichtungen der Hinterbliebenen auszugleichen, was auch aus § 74 SGB XII folge. Dass insoweit keine Einkommensprivilegierung nach § 11a SGB II geregelt sei, sei unerheblich, denn es werde davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber die Nichtanrechnung der Sofortzahlung als Selbstverständlichkeit angesehen habe, um das Leben der Hinterbliebenen „nicht schwer“ zu machen. Der Gesetzgeber sei nicht davon ausgegangen, dass „ein paar Richter“ an diesen Grundsätzen rütteln würden. Die Anrechnung würde eine unangemessene Härte bedeuten. Der Kläger hat Rechnungen für beerdigungsbedingte Aufwendungen in Höhe von rund 7.126 € vorgelegt, auf die Bezug genommen wird.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

den Bescheid vom 15.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2019 aufzuheben.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Die Witwerrente für das Sterbevierteljahr könne nicht anders behandelt werden als die laufende Witwerrente in den nachfolgenden Monaten, die unstreitig als Einkommen zu berücksichtigen sei.

 

Mit Urteil vom 24.01.2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei im Mai 2018 aufgrund der Rentenzahlungen nicht hilfebedürftig gewesen, sodass die Leistungsbewilligung zu Recht im vollen Umfang aufgehoben worden sei. Dass der Sterbevierteljahrbonus als Einkommen nach § 11 SGB II angerechnet werden könne, entspreche sozialgerichtlicher Rechtsprechung. Der Sterbevierteljahrbonus stelle keine eigenständige Rente dar, sondern führe über den Rentenartfaktor lediglich zu einer übergangsweisen höheren Witwenrente. Die Verbindlichkeiten in Höhe von 6.000 € wegen der Beerdigungskosten könnten nicht berücksichtigt werden (BSG Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R), zumal u.a. wegen § 74 SGB XII nicht zwingend sei, dass der Witwer die Bestattungskosten trüge.

 

Gegen das am 12.03.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.03.2022 Berufung eingelegt und sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt. Maßgeblich sei, dass der Sterbequartalsvorschuss den (erhöhten) Unterhalt im Sterbevierteljahr sichern (helfen) solle.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.01.2022 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 15.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2019 aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen,

 

Er verteidigt die streitigen Bescheide. Das Sozialgericht habe dies mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat in seinem Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren versagenden Beschluss vom 15.07.2022 auch angeschlossen habe, bestätigt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 24.01.2022 und der (Aufhebungs- und Erstattungs-) Bescheid des Beklagten vom 15.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2019 (§ 95 SGG).

 

Statthafte Klageart ist ausgehend vom Begehren des Klägers die Anfechtungsklage, die das Sozialgericht zu Unrecht abgewiesen hat. Der angefochtene Bescheid vom 15.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2019 beschwert den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn er ist rechtswidrig.

 

Eine Aufhebung der Leistungsbewilligung für den hier streitigen Monat Mai 2018 kam nicht in Betracht. Die Aufhebung des insoweit maßgeblichen, dem Kläger unstreitig vor Zufluss (und auch Bewilligung) des Sterbequartalsvorschusses zugegangenen Änderungsbescheides vom 23.04.2018 (der Ausgangsbescheid vom 23.11.2017 war bereits durch den Bescheid vom 25.11.2017, der Bescheid vom 25.11.2017 jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum durch Bescheid vom 23.04.2018 aufgehoben worden) kann insbesondere nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III und i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II) gestützt werden.

 

Der Sterbequartalsbonus (der Differenz zwischen – übergangsweise –  erhöhter und normaler Witwen-/Witwerrente während des Sterbevierteljahres) hat seine materiell-rechtliche Grundlage in § 67 Nrn. 5 und 6 SGB VI. Danach beträgt der Rentenartfaktor bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Sterbemonats 1,0 und erst anschließend nur noch 0,25 bzw. 0,55 beträgt.

 

Es kann zur Überzeugung des Senats dahinstehen, ob es sich bei dem Sterbequartalsbonus um nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II privilegiertes Einkommen handelt (verneinend etwa Bayerisches LSG, Urteil vom 29.11.2017 – L 11 AS 322/17 –, Rn. 18 - 26, juris, wonach der Sterbequartalsbonus ebenso wie die restliche Witwenrente letztlich der Sicherstellung des Lebensunterhaltes dient; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 13.12.2021 – L 7 R 122/19 –, Rn. 34, juris, Revision anhängig B 5 R 1/22 R; SG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2019 – S 5 R 2625/14 –, Rn. 25 - 27, juris; SG Darmstadt, Urteil vom 23.01.2020 – S 19 AS 190/19; Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 11a <Stand: 07.12.2022>, Rn. 60_1; bejahend SG Nürnberg, Urteil vom 23.11.2016 – S 13 AS 665/16 –, Rn. 13, juris; Fachliche Weisung der BA 11.84 zu §§ 11 – 11b SGB II, Stand 07.02.2020; eingehend zum Streitstand Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, Werkstand: 9. Ergänzungslieferung 2022; § 11a Rn. 232, m.w.N.; vgl. zum ausgelaufenen Recht der Arbeitslosenhilfe BSG, Urteil vom 11.01.1990 – 7 RAr 128/88 –, BSGE 66, 134-139, SozR 3-4100 § 138 Nr. 1, Rn. 29).

 

Ebenso kann dahinstehen, ob – entsprechend der Rechtsauffassung des Klägers – die (gesamte) Witwen- und Witwerrente für das Sterbevierteljahr zu den zweckbestimmten und daher anrechnungsfreien Einnahmen im Sinne des § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II zu zählen ist (so wohl Luthe, Palsherm in: Luthe/Palsherm, Fürsorgerecht: Grundsicherung und Sozialhilfe, 3. Aufl. 2013, C. Grundsicherung für Arbeitsuchende, Rn. 634; vgl. hingegen etwa auch Schmidt in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 83 SGB XII <Stand: 01.02.2020>, Rn. 14: „Die Witwen- bzw. Witwerrente ist keine nach § 83 Abs. 1 SGB XII privilegierte Einnahme. Es lässt sich kein ausdrücklicher Zweck der Leistung feststellen und die Leistung dient nicht anderweitigen Zwecken als die Sozialhilfe z.B. in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt“).

 

Denn es fehlt jedenfalls an einem Einkommenszufluss, der den Wegfall des Anspruchs (im Monat Mai 2018) bedingt (vgl. zu dieser Voraussetzung grundsätzlich BSG, Urteil vom 15.06.2016 – B 4 AS 41/15 R –, SozR 4-4200 § 9 Nr. 14, Rn. 15). Der Einkommenszufluss in Gestalt des Sterbequartalsvorschusses am 07.05.2018 ist unstreitig. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Sozialgerichts handelt es sich bei der Vorschussleistung aber um eine einmalige Einnahme. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung (von Artikel 1 des Neunten Gesetzes zur Änderung des SGB II - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016 BGBl. I S. 1824) sind abweichend von Satz 1 der Vorschrift einmalige Einnahmen nicht in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen, sondern im Folgemonat (hier Juni 2018), sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind. Die mit Bescheid vom 23.04.2018 bewilligten Leistungen für den Monat Mai 2018 waren ausweislich der vom Senat beigezogenen Kontoauszüge bereits am 30.04.2018 und damit vor Zufluss (und auch Bewilligung) des Sterbequartalsvorschusses der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von 1.353,84 € (= 3 x 451,28 € Auszahlungsbetrag für Mai bis Juli 2018) erbracht. Aus diesem Grund wäre (allein) eine Berücksichtigung als Einkommen (erst) ab Juni 2018 und nach Maßgabe von § 11 Abs. 3 Satz 4 SGB II bis November 2018 (und damit nach dem hier streitigen Zeitraum) in Betracht gekommen. Diese rechtliche Beurteilung entspricht (auch) der ursprünglichen rechtlichen Beurteilung durch den Beklagten, die im Bescheid vom 18.06.2018 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2018) mündete.

 

Bei dem Sterbequartalsvorschuss handelt es sich demgegenüber nicht um eine laufende Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Die rechtlichen Überlegungen des Sozialgerichts vermögen unabhängig davon, dass das Sozialgericht bereits verkannt haben dürfte, dass der Beklagte den Sterbequartalsbonus (entsprechend der Fachlichen Weisung der BA 11.84 zu §§ 11 – 11b SGB II, Stand 07.02.2020) nicht als Einkommen berücksichtigte, sondern lediglich die in der Vorschussleistung enthaltene (endgültig mit Bescheid vom 07.06.2018 bewilligte) Witwerrente in Höhe von 994,32 € (3 x 331,44 €). Diesen Betrag stellte sie – um die Versicherungspauschale bereinigt – dem Gesamtbedarf des Klägers im Mai 2018 von 835,72 € (= 416 € Regelbedarfsstufe 1 + 9,57 € Warmwasserpauschale + 410,15 € Unterkunfts- und Heizbedarfe – 964,32 € bereinigte Vorschusszahlung = 128,60 € Gesamtbetrag des übersteigenden Einkommens) gegenüber.

 

Laufende Einnahmen sind (nur) solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden, bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung (BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 4 AS 154/11 R –, juris, Rn. 21). Einmalige Einnahmen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II sind nicht wiederkehrend (BSG, Urteil vom 18.05.2022 – B 7/14 AS 9/21 R –, juris, Rn. 26). Für die Qualifizierung einer Einnahme als laufende Einnahme reicht es aus, wenn sie zwar nicht "laufend", sondern in einem Gesamtbetrag erbracht wird, aber nach dem zugrundeliegenden Rechtsgrund regelmäßig zu erbringen gewesen wäre. Diese entscheidend auf den Rechtsgrund abstellende Sichtweise soll auch in Fällen mit Leistungsstörungen eine klare und praktisch gut handhabbare Abgrenzung, ermöglichen (BSG, Urteil vom 24.04.2015 – B 4 AS 32/14 R –, juris, Rn. 17).

 

Der Sterbequartalsvorschuss stellt sich zwar bei rein wirtschaftlicher Betrachtung als nichts Anderes als die im Voraus für die ersten drei Monate nach dem Sterbemonat gezahlte Witwen- bzw. Witwerrente (§ 46 SGB VI) in Höhe der zuletzt gezahlten Versichertenrente dar (vgl. auch § 7 Abs. 2 der Renten Service Verordnung <RentSV – Verordnung vom 28.07.1994, BGBl. I S. 1867; zuletzt geändert durch Artikel 31 G. v. 20.12.2022 BGBl. I S. 2759>). Die zusammenfassende vorschussweise Auszahlung der an sich monatlich zu zahlenden Witwen- bzw. Witwerrente in einer Summe soll nach rentenrechtlicher Betrachtung auch nicht den Charakter der Hinterbliebenenrente als solches ändern (BSG, Urteil vom 24.10.2013 – B 13 R 35/12 R –, juris, Rn. 27). Gleichwohl handelt es sich nicht um eine laufende Geldleistung, sondern um eine Einmalzahlung (so im Zusammenhang mit § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI LSG NRW, Urteil vom 22.05.2012 – L 18 R 806/10 –, juris; diese Frage offenlassend BSG, Urteil vom 24.10.2013 a.a.O.). Maßgeblich hierfür ist die rechtliche Ausgestaltung der vorschussweisen Zahlung. Die anspruchsbegründenden und ausgestaltenden Regelungen über die Zahlungsmodalitäten der Witwen- bzw. Witwerrente im Sterbevierteljahr finden sich nämlich nicht im SGB VI, sondern in der RentSV.

 

Nach der Verordnungsermächtigung in § 120 Nr. 1 i.V.m. § 119 Abs. 1 SGB VI darf der Inhalt der durch die B. AG wahrzunehmenden Aufgaben der Träger der Rentenversicherung durch Rechtsverordnung geregelt werden. Die Träger der allgemeinen Rentenversicherung zahlen laufende Geldleistungen mit Ausnahme des Übergangsgeldes durch die B. AG aus (§ 119 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Die Auszahlung anderer als laufender Geldleistungen durch die B. AG ist dabei in das Ermessen der Rentenversicherungsträger gestellt (§ 119 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Die auf dieser Grundlage erlassene RentSV bezeichnet den "Sterbequartalsvorschuß" explizit als solchen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 RentSV) und regelt das Verfahren seiner Auszahlung. Der Renten Service der B. AG soll an Witwen oder Witwer (seit 2009 auch an überlebende Lebenspartner) verstorbener Berechtigter einer Rente wegen Alters (oder Erwerbsminderung) im Inland auch ohne Auftrag des Rentenversicherungsträgers einen Vorschuss für die ersten drei Kalendermonate nach dem Tod des Berechtigten zahlen, wenn der Vorschuss innerhalb eines Monats nach dem Tod des Berechtigten schriftlich unter Vorlage eines Sterbenachweises beantragt wird (§ 7 Abs. 1 Satz 1 RentSV). Der Vorschuss wird auf der Grundlage des Dreifachen der dem verstorbenen Berechtigten im Sterbemonat zu zahlenden Rente errechnet (§ 7 Abs. 2 RentSV; vgl. zu alledem BSG, Urteil vom 24.10.2013 – B 13 R 35/12 R –, juris, Rn. 30 - 31).

 

Der Sterbequartalsvorschuss ist mithin verfahrensrechtlich und materiell als gesonderter Anspruch ausgestaltet. Er ist gesondert zu beantragen, wobei (fristgerechte) Anträge die bei einem Träger der Rentenversicherung oder einer anderen öffentlichen Stelle eingehen, an den Renten Service weitergeleitet werden (§ 7 Abs. 1 Satz 2 RentSV). Er wird nicht durch den Rentenversicherungsträger, sondern den Renten Service erbracht. Er tritt explizit an die Stelle des Vorschusses durch den Leistungsträger (§ 7 Abs. 3 Satz 1 RentSV). Die Entscheidung u.a. über die Anrechnung des Sterbequartalsvorschusses auf die zustehende (Renten-) Leistung trifft hingegen der zuständige Träger der Rentenversicherung (§ 7 Abs. 3 Satz 2 RentSV). Dies alles macht – neben der tatsächlichen Ausgestaltung als Einmalzahlung – deutlich, dass der Sterbequartalsvorschuss im Verhältnis zur Rentenzahlung durch den Rentenversicherungsträger ein auf einem anderen Rechtsgrund beruhendes Aliud ist. Der Sterbequartalsvorschuss erschöpft sich auch tatsächlich in Höhe des Dreifachen der dem verstorbenen Berechtigten im Sterbemonat zu zahlenden Rente (vgl. § 7 Abs. 2 Renten Service Verordnung) in einer einzigen Leistung für die ersten drei Kalendermonate nach dem Tode des „Berechtigten“. Er wird gerade nicht jeweils in den ersten drei Monaten nach Tod des Berechtigten geleistet (vgl. SG Darmstadt, Urteil vom 23.01.2020 – S 19 AS 190/19 –, Rn. 31, juris; Siefert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 74 SGB XII <Stand: 20.02.2023>, Rn. 61 lässt dahinstehen, ob eine einmalige Leistung vorliegt oder – weil sie für mehrere Monate gezahlt wird – eine laufende).

 

Allein die Qualifizierung des Sterbequartalsvorschusses als einmalige Einnahme ist zur Überzeugung des Senats schließlich auch mit seiner Zielsetzung vereinbar, einer besonderen Bedarfslage des Hinterbliebenen Rechnung zu tragen, dem regelhaft unmittelbar im Anschluss an den Tod des Ehe- oder Lebenspartners erhöhte Aufwendungen entstehen, die durch den Vorschuss (inklusive Bonus) gedeckt werden können. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass diese rechtliche Betrachtung vielfach auch geeignet scheint, einem (ggf. nur kurzzeitigen) Ausscheiden aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II zu begegnen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 SGG zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.

 

 

Rechtskraft
Aus
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