S 2 KR 326/22

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 326/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 18/23 R
Datum
-
Kategorie
Urteil

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.048,04 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.12.2021 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Der Streitwert wird auf 1.048,04 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :


Strittig ist die Erstattung von Krankenhauskosten in Höhe von 1.048,04 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.12.2021. 

Die Klägerin betreibt ein Plankrankenhaus nach § 108 Nr. 2 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Die Klägerin verfolgt einen Vergütungsanspruch nach den §§ 109 Abs. 4 Satz 3 und 39 SGB V in Verbindung mit § 17 b KHG und den §§ 7 ff. Krankenhausentgeltgesetz, sowie der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2021.

Die Beklagte hat am 01.12.2021 die Aufrechnung unstrittiger Behandlungskosten mit einer Forderung aus dem Behandlungsfall G. erklärt. Dieser wurde vom 26. - 27.03.2021 im Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt. 

Für diesen Behandlungsfall hat die Klägerin per Rechnung vom 06.04.2021 Behandlungskosten in Höhe von 1.048,04 Euro gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Diese hat die Beklagte zunächst vollständig beglichen. 

Im daraufhin eingeleiteten Prüfverfahren ist der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) in seiner Stellungnahme vom 03.08.2021 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Der Stellungnahme des MDK hat die Klägerin widersprochen. 

Daraufhin erhob die Klägerin am 11.07.2022 Klage zum Sozialgericht Nürnberg. Dabei trug der Klagebevollmächtigte vor, dass die Abrechnung im Behandlungsfall G. korrekt kodiert worden sei.


Die Klägerin beantragt, 

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 1.048,04 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.12.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen. 

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Patientenakte im strittigen Behandlungsfall beigezogen. 

Mit Schriftsatz vom 21.02.2023 hat der Klagebevollmächtigte und mit Schriftsatz vom 22.02.23 hat der Bevollmächtigte der Beklagten jeweils das Einverständnis mit der Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt gemäß § 124 Abs. 2 SGG erteilt. Die Schriftsätze wurden den Beteiligten jeweils zugestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der gerichtlichen Streitakte des vorliegenden Verfahrens verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Gegenstand des Verfahrens ist die Erstattung von Krankenhauskosten welche die Beklagte gegen die Klägerin aufgerechnet hat.

Die Klage ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 87, 90 und 92 SGG form- und fristgerecht zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhoben.

Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft, weil der mit der Klage verfolgte Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung eines Versicherten der Beklagten, aus einem die Parteien gleichordnendem Verhältnis stammt, die nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden kann. Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen. Auch die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (BSG, B 3 KR 20/07 R).

Die Klage ist zudem begründet, denn die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der Vergütung in beantragter Höhe und dementsprechend auch auf die Zahlung von Zinsen.

Die Klägerin hat einen Vergütungsanspruch aus unbestrittener Forderung gegen die Beklagte, da keine wirksame Aufrechnung vorliegt.

Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung der Krankenhausbehandlung für die verrechnete Forderung ist bezüglich der Höhe nicht streitig und ist deshalb keiner näheren Prüfung zu unterziehen (BSG, Urteil vom 21.04.2015 - B 1 KR 8/15 R -, juris m.w.N.). Er ist nicht durch die Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für den Behandlungsfall G. analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen (zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte KH-Vergütung vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R -, SozR 4-5560 § 17b Nr. 2 m.w.N.), da der ordnungsgemäßen Aufrechnung ein gesetzliches Aufrechnungsverbot entgegensteht. Eine Ausnahme hiervon greift nicht.


Gemäß § 387 BGB kann jeder Schuldner seine Forderung gegen die Forderung eines anderen Teils aufrechnen, wenn sich zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, sobald die Person die ihm gebührende Leistung fordert und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Diese Grundsätze sind analog auch für Krankenhauserstattungsstreitigkeiten anwendbar (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 - B 1 KR 9/16 R -, SozR 4-5562 § 11 Nr. 2, SozR 4-5560 § 18 Nr. 2, SozR 4-7610 § 271 Nr. 1, SozR 4-7610 § 387 Nr. 4, Rn. 10).

Die Aufrechnung ist wirksam, wenn bei bestehender Aufrechnungslage (§ 387 BGB) die Aufrechnung erklärt wird (§ 388 BGB) und keine Aufrechnungsverbote entgegenstehen. 

Der Aufrechnung durch die Beklagte steht nach Ansicht der Kammer ein gesetzliches Aufrechnungsverbot entgegen. Eine vertragliche Ausnahme greift nicht. Im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung am 01.12.2021 existierte das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 SGB V.

Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ist auch nicht von der gesetzlichen Ausnahme des § 109 Abs. 6 Satz 2 SGB V gedeckt, da die Forderung nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist. 

Gemäß § 109 Abs. 6 Satz 3 SGB V können in der Vereinbarung nach § 17c Abs. 2 Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) abweichende Regelungen vorgesehen werden. Nicht mit § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbar ist nach Ansicht der Kammer eine vertragliche Vereinbarung, die das ab dem 01.01.2020 bestehende gesetzliche Aufrechnungsverbot generell aushebelt. Für die Beurteilung der vorliegenden Sachlage ist mithin unbeachtlich, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Übergangs-PrüfvV vom 10.12.2019 eine generelle Aufrechnung weiterhin über den 01.01.2020 hinaus zulässig sein soll.

Die am 01.12.2021 erklärte Aufrechnung der Beklagten mit der Forderung aus dem Behandlungsfall G. verstößt mithin gegen das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Die Klägerin hat daher ein Anspruch auf Zahlung der unbestrittenen Forderung.


Der Anspruch auf Verzinsung ergibt sich aus § 16 Abs. 1 der Pflegesatzvereinbarung 2021. Danach ist die Rechnung innerhalb von 5 Tagen nach Rechnungseingang zu bezahlen und ab Überschreitung der Zahlungsfrist sind Verzugszinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 VwGO. 

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und 3 GKG. Der Streitwert ist auf volle Eurobeträge zu runden (BSG, 25.1.2017 - B 6 KA 44/16 B). Zinsen sind als Nebenforderung nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 1 GKG).


 

Rechtskraft
Aus
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