L 7 AS 1606/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AS 3007/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1606/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.10.2022 geändert. Der Bescheid vom 15.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2019 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Berücksichtigung einer Erbschaft als Einkommen im Zeitraum von April bis September 2018.

Die Klägerin, geboren am 00.00.0000, wohnt in Q.. Sie stand jedenfalls ab Januar 2013 bis zum Erreichen der Altersgrenze und dem damit verbundenen Wechsel in das Leistungsregime des SGB XII im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Ab Januar 2013 musste die Klägerin für die von ihr bewohnte Wohnung 255 € Kaltmiete, 23 € für eine Garage, 87 € Betriebskostenvorauszahlungen und 30 € Heizkostenvorauszahlungen zahlen. Aufgrund des Weiterbewilligungsantrags vom 15.11.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19.11.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.11.2012 und 20.12.2012 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Januar bis Juni 2013. Auch im Zeitraum Juli bis Dezember 2013 stand die Klägerin im Leistungsbezug nach dem SGB II. Am 04.03.2013 verstarb die Mutter der Klägerin, deren Erbin die Klägerin zu einem Viertel wurde. Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 18.11.2013 hin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 18.11.2013 Leistungen nach dem SGB II von Januar bis Juni 2014 i.H.v. monatlich (382 € Regelleistung + 8,60 € Mehrbedarf Warmwasser + 395 € Kosten für Unterkunft und Heizung =) 785,60 €.

Mit Schreiben vom 28.02.2014 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie kurzfristig ein Arbeitsangebot als Pflegekraft in S. erhalten habe. Der Beklagte forderte die Klägerin auf, Einkommensbescheinigungen einzureichen, und erinnerte sie zweimal daran. Am 06.06.2014 teilte die Klägerin mit, dass sie zum 30.04.2014 wieder entlassen worden sei. Sie übersandte ihren Arbeitsvertrag, ausweislich dessen ein monatlicher Lohn i.H.v. 2.300 € vereinbart war. Lohnabrechnungen übersandte die Klägerin nicht. Tatsächlich verdiente sie im Februar 2014 2.300 € brutto / 1.515,29 € netto, im März 2013 2.637,39 € brutto / 1.564,07 € netto, im April 2014 2.415,05 € brutto / 1.607,95 € netto und im Mai 2014 1.188,38 € brutto / 805,03 € netto. Das Gehalt wurde jeweils zum Monatsende gezahlt. Der Beklagte nahm keine weiteren Ermittlungen vor und erließ keinen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid (vgl. Aktenvermerk des Beklagten vom 15.01.2015 in den Verwaltungsakten).

Ab März 2017 entstanden der Klägerin für die von ihr bewohnte Wohnung Kosten i.H.v. monatlich insgesamt 415 € (277 € Kaltmiete, 23 € für einen Garagenstellplatz, 30 € Heizkostenvorauszahlungen und 85 € Betriebskostenvorauszahlungen). Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 12.11.2017 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 15.11.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.11.2017 Leistungen von Januar bis Dezember 2018 i.H.v. (416 € Regelleistung + 9,57 € Mehrbedarf Warmwasser + 415 € Kosten der Unterkunft und Heizung =) 840,57 € monatlich.

Der Beklagte forderte die Klägerin am 08.10.2018 auf, einen Erbschein vorzulegen und den Zufluss ihres Erbanteils nachzuweisen. Die Klägerin übersandte den Teilerbschein vom 12.03.2014 und einen Kontoauszug, wonach ihrem Konto am 01.03.2018 ein Betrag von 1.889,33 € gutgeschrieben wurde. Mit Schreiben vom 26.03.2019 hörte der Beklagte die Klägerin wegen Einkommens aus der Erbschaft i.H.v. 1.889,33 € zu einer entstandenen Überzahlung von Grundsicherungsleistungen im Zeitraum April bis September 2018 an. Die Klägerin erwiderte, die Zahlung aus dem Nachlass ihrer Mutter sei kein Einkommen. Der Betrag sei längst aufgebraucht für Heilbehandlungen infolge eines Unfalls im Jahr 2011.

Mit Bescheid vom 15.04.2019 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 15.11.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.11.2017 für den Zeitraum von April bis September 2018 i.H.v. jeweils monatlich 284,89 € teilweise wegen Einkommens gemäߧ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X auf und forderte eine Erstattung i.H.v. 1.709,34 € gemäß § 50 Abs. 1 SGB X. Bei der am 01.03.2018 gutgeschriebenen Erbschaft handele es sich um eine einmalige Einnahme, die über den Zeitraum von April bis September 2018 aufzuteilen und monatlich mit einem Teilbetrag i.H.v. 314,89 € abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 € als Einkommen anzurechnen sei.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Der Beklagte wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2019 als unbegründet zurück. Bei dem Erbanteil handele es sich um eine einmalige Einnahme, die auf sechs Monate zu verteilen sei, beginnend im Monat April 2018, weil zum Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto am 01.03.2018 die Leistungen für den Monat März 2018 bereits ausgezahlt gewesen seien. Dieses Einkommen habe zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse geführt, weshalb die Leistungen teilweise aufzuheben seien.

Am 24.07.2019 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Die Erbschaft sei kein Einkommen, sondern Vermögen. Dieses sei bereits verbraucht. Außerdem habe sie Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten. Dieser habe sie 2011 in ein Beschäftigungsverhältnis vermittelt, in welchem sie ausgerutscht sei und einen Knieunfall erlitten habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 15.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2019 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin habe seit 2013 durchgehend Leistungen nach dem SGB II bezogen. Deshalb handele es sich bei dem Erbe um Einkommen und nicht um Vermögen. Zudem habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 24.06.2020 – B 4 AS 9/20 R – zum Ausdruck gebracht, dass sich Hilfebedürftige nach der Einführung des § 24 Abs. 4 SGB II i.d.F. vom 26.07.2016 nicht mehr auf den vorzeitigen Verbrauch einmaliger Einnahmen berufen könnten, weil nunmehr in diesen Situationen ein Darlehen gewährt werden könne.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.10.2022 abgewiesen. Der angegriffene Bescheid vom 15.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2019 sei rechtmäßig. Die von der Klägerin geltend gemachten Einwendungen seien nicht bei der Rechtmäßigkeit des Bescheides, sondern lediglich im Rahmen eines Erlassantrags zu berücksichtigen.

Die Klägerin hat gegen das am 04.11.2022 zugestellte Urteil am 28.10.2022 Berufung eingelegt. Sie macht im Kern geltend, dass der Beklagte für ihren Knieunfall verantwortlich und die Forderung mit verschiedenen Schadensersatzansprüchen aufzurechnen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.10.2022 zu ändern und denBescheid vom 15.04.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei der Erbschaft handele es sich um Einkommen und nicht um Vermögen, weil die Klägerin ohne Unterbrechungen Leistungen von ihm bezogen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts vom 14.10.2022 und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 15.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2019 (§ 95 SGG). Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Diese hat das Sozialgericht zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 15.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2019 beschwert die Klägerin i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn er ist rechtswidrig.

Der Beklagte war nicht berechtigt, die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Monate April bis September 2018 teilweise nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.d.F. vom 26.07.2016 i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X aufzuheben (dazu 1.) und die zu viel gezahlten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern (dazu 2.).

1. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X haben nicht vorgelegen. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.d.F. vom 26.07.2016 sind die Vorschriften des Dritten Buches über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Abs. 2, 3 Satz 1 und 4) entsprechend anwendbar. Gemäß § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorliegen.

Die Bewilligung mit Bescheid vom 15.11.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.11.2017 von Januar bis Dezember 2018 i.H.v. (416 € Regelleistung + 9,57 € Mehrbedarf Warmwasser + 415 € Kosten der Unterkunft und Heizung =) 840,57 € monatlich war rechtmäßig. Der Beklagte hat neben der Regelleistung und einem Mehrbedarf für die Warmwassererzeugung die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe und kein Einkommen oder Vermögen bedarfsmindernd berücksichtigt.

Bezogen auf diese Bewilligungsbescheide ist erst nach deren Bekanntgabe die Gutschrift des Erbanteils auf das Konto der Klägerin erfolgt. Dies hat jedoch nicht zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse geführt. Der am 01.03.2018 aus dem Erbe zugeflossene Betrag i.H.v. 1.889,33 € ist weder als Einkommen (dazu a) noch in einer die Hilfebedürftigkeit zum Wegfall bringenden Weise als Vermögen (dazu b) zu berücksichtigen.

a. Bei der Gutschrift aus dem Erbe handelt es sich nicht um Einkommen i.S.d. § 11 SGB II, das auf den Hilfebedarf der Klägerin i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II anzurechnen wäre. Die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen bestimmt sich nach der modifizierten Zuflusstheorie. Danach ist Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB II das, was jemand vor der Antragstellung bereits hatte. Dabei ist auszugehen vom Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zeitpunkt als maßgeblich bestimmt. Ein solcher rechtlich maßgeblicher Zufluss liegt bei einem Erbfall vor, weil nach § 1922 Abs. 1 BGB mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge). Bereits ab diesem Zeitpunkt kann der Erbe aufgrund der durch den Erbfall erlangten Position über den Anteil am Nachlass verfügen und diesen z.B. nach § 2371 BGB verkaufen. Diese Besonderheiten der Gesamtrechtsnachfolge im BGB sind für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach dem SGB II zu beachten. Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist insoweit, ob der Erbfall vor oder nach der ersten Antragstellung des laufenden Leistungsfalls eingetreten ist. Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung, handelt es sich um Vermögen. Allerdings ist der wertmäßige Zuwachs aus einem Erbfall nach der ersten Antragstellung erst dann auf den Bedarf anzurechnen, wenn die Einnahme des Hilfebedürftigen tatsächlich zur Deckung des Bedarfs zur Verfügung steht. Dies ist bei der Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer Erbschaft regelmäßig erst mit der Auskehrung des Auseinandersetzungsguthabens der Fall. Entscheidend ist insoweit der tatsächliche Zufluss bereiter Mittel. Endet indes aufgrund Beendigung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat der Leistungsfall zwischen Erbfall und Zufluss bereiter Mittel aus der Erbschaft, ist der Zufluss Vermögen, nicht Einkommen (vgl. BSG, Urteil vom 08.05.2019 – B 14 AS 15/18 R – juris, Rn. 14 ff. m.w.N.; ebenso BSG, Urteil vom 25.01.2012 –B 14 AS 101/11 R – juris, Rn. 19 ff.).

Die Klägerin bezog aufgrund ihres Weiterbewilligungsantrags vom 15.11.2011 Leistungen nach dem SGB II von Januar bis Juni 2013 (Bescheide vom 24.11.2012 und 20.12.2012). Dieser Antrag erfolgte vor dem Erbfall am 04.03.2013, so dass es sich bei dem Erbe um Einkommen handelte. Im Zeitpunkt des Zuflusses des Erbes auf dem Konto der Klägerin handelte es sich hingegen um Vermögen. Denn der Leistungsfall endete aufgrund Beendigung der Hilfebedürftigkeit im Jahr 2014 zwischen dem Erbfall am 04.03.2013 und dem Zufluss bereiter Mittel aus der Erbschaft am 01.03.2018 für mindestens einen Kalendermonat.

Der Bedarf der Klägerin setzte sich zusammen aus dem Regelbedarf und den Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Höhe des für die Klägerin anzusetzenden Regelbedarfs ergibt sich aus § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. § 2 der Regelbedarfsstufenfortschreibungsverordnung (RBSFV vom 15.10.2013), der für alleinstehende Hilfebedürftige im Jahr 2014 auf 391,00 € festgelegt war. Neben einem Mehrbedarf für Warmwasser nach§ 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.H.v. 2,3 % des Regelbedarfs (hier: 8,99 €) waren die Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.H.v. von 395 € zu berücksichtigen, insgesamt 794,99 €. Diesen Bedarf konnte die Klägerin mit ihrem Einkommen in den Monaten Februar bis April 2014 decken. Denn sie verdiente als Altenpflegerin im Februar 2014 2.300 € brutto / 1.515,29 € netto, im März 2014 2.637,39 € brutto / 1.564,07 € netto, im April 2014 2.415,05 € brutto / 1.607,95 € netto und im Mai 2014 1.188,38 € brutto / 805,03 € netto. Das Gehalt wurde zum Ende des Monats gezahlt. Von dem Gehalt ist gemäß § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB II der Einkommensfreibetrag i.H.v. insgesamt 300 € (im Mai 2014 i.H.v. 298,85 €) monatlich abzuziehen. Die Höhe des anrechenbaren Einkommens belief sich danach auf 1.215,29 € im Februar 2014, auf 1.264,07 € im März 2014, auf 1.307,95 € im April 2014 und auf 506,18 € im Mai 2014. Die Klägerin war mithin für vier Monate nicht hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II und demzufolge nicht mehr leistungsberechtigt.

Dass der Beklagte, obwohl die Klägerin ihn auf ihre Erwerbstätigkeit hingewiesen hat, keinen Aufhebungsbescheid erlassen hat, steht dem nicht entgegen. Es kommt für die Überwindung der Hilfebedürftigkeit nur auf den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch, nicht aber auf dessen faktische Nachvollziehung auf Bescheidebene an. Warum der Beklagte aufgrund des Einkommens der Klägerin die zu Unrecht gezahlten steuerfinanzierten Sozialleistungen nicht zurückgefordert hat, ist den Akte nicht zu entnehmen und konnte vom Beklagten auch nicht erklärt werden. Bereits daraus wird deutlich, dass es nicht von dem Verhalten des Beklagten abhängen kann, ob es sich bei einem Geldzufluss um Einkommen oder Vermögen handelt. Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass das BSG in seinem Urteil vom 08.05.2019 – B 14 AS 15/18 R – davon spricht, dass es zu einer „Beendigung des Leistungsfalles“ kommen müsse. Denn auch dieser Leistungsfall ist nicht der im System des Beklagten hinterlegte Leistungsfall auf Bescheidebene, sondern der materiell-rechtliche Leistungsfall. Das BSG spricht für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen deshalb auch von der „Beendigung der Hilfebedürftigkeit“ oder einem „Entfallen des Hilfebedarfs“ für mindestens einen Kalendermonat (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 101/11 R – juris, Rn. 27; BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R – juris, Rn. 31 f.). Auch im Zusammenhang mit der Senkung von Unterkunftskosten und deren Fortwirkung bei Überwindung der Hilfebedürftigkeit ist nach der Rechtsprechung des BSG nicht auf die faktische Lage (Beendigung des Leistungsbezugs), sondern auf die tatsächliche Überwindung der Hilfebedürftigkeit und mithin auf den materiellen Leistungsanspruch abzustellen (siehe BSG, Urteil vom 09.04.2014 –B 14 AS 23/13 R – juris, Rn. 26; ebenso: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.11.2014 – L 5 AS 983/12 – juris, Rn. 39). Für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen kann nichts Anderes gelten. Die Differenzierung von Einkommen und Vermögen in Abhängigkeit vom Zuflusszeitpunkt beruht darauf, dass geldwerte Vorteile, die Personen in einem Zeitpunkt erhalten, zu dem sie noch keine staatlichen Leistungen beanspruchen, nicht dem Gesetz unterworfen sind. Soweit das Gesetz darauf abstellt, dass aktuell zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehende Einnahmen zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit einzusetzen sind, gilt dies erst ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Anspruch besteht (vgl. BSG, Urteil vom 30.07.2008 – B 14 AS 26/07 R – juris, Rn. 26). Die Ausnahmen der Vermögensberücksichtigung in § 12 SGB II bezwecken, den Leistungsberechtigten einen gewissen wirtschaftlichen Spielraum belassen; diese sollen in ihrem Bestreben unterstützt werden, sich von den Leistungen nach dem SGB II unabhängig zu machen (vgl. Lange in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 12 Rn. 11). Damit wird dem Grundsatz Rechnung getragen, dass nach § 1 Abs. 2 Satz 1 SGB II die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten gestärkt werden soll. Dieser Anreiz zur Selbsthilfe würde konterkariert, wenn die (auch nur kurzzeitige) Überwindung der Hilfebedürftigkeit mit den damit einhergehenden Vorteilen (wie die Privilegierung von Vermögen) durch eine rechtswidrige Leistungsbewilligung seitens des Beklagten unbeachtlich würde. So sieht es auch das BSG, wenn es ausführt, dass es bei einer Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Monat bewirkenden Änderung „nicht mehr gerechtfertigt ist“, zuvor berücksichtigte einmalige Einnahme nach erneuter Antragstellung weiterhin als Einkommen leistungsmindernd anzusetzen, sondern es sich in solchen Fällen um Vermögen handelt (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 101/11 R – juris, Rn. 27; BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R – juris, Rn. 30 f.).

b. Nach § 12 Abs. 2 SGB II sind vom Vermögen Freibeträge abzusetzen. Die 0000 geborene Klägerin hat einen Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1, 4 SGB II i.d.F. vom 24.03.2011 i.H.v. (150 * 64 + 750 =) 10.350 €. Dieser lag oberhalb ihres Erbanteils i.H.v. 1.889,33 €. Mangels anrechenbaren Vermögens kam es zu keiner wesentlichen Änderung der Verhältnisse.

2. Weil die Aufhebung rechtswidrig ist, ist die Klägerin nicht zur Erstattung gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht, Postfach 41 02 20, 34114 KasseloderBundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel

einzulegen.

Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Weitergehende Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen

-          jeder Rechtsanwalt,

-          Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen,

-          selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,

-          berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,

-          Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

-          Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,

-          juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften und juristischen Personen müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Ein Beteiligter, der zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten. Handelt es sich dabei um eine der vorgenannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen, muss diese durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem zugelassenen Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils) beim Bundessozialgericht eingegangen sein.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _  Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

Rechtskraft
Aus
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