L 2 AS 484/23 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 41 AS 139/23
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 484/23 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 16.02.2023 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde ist statthaft. Sie ist nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 b) Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich unter Berücksichtigung des vom rechtskundig vertretenen Kläger gestellten Klageantrags, „die Beklagte unter Aufhebung des WS Bescheides v. 11.01.23 zu verpflichten, sachinhaltlich über den Widerspruch des Klägers v. 05.01.23 gegen den Bescheid der Beklagten v. 17.12.22 zu entscheiden“ um eine Klage handelt, für deren Berufungsfähigkeit und der sich daraus ableitenden Möglichkeit, gegen einen ablehnenden Beschluss über Prozesskostenhilfe (PKH) der ersten Instanz Beschwerde einzulegen, auf den Wert des Streitgegenstandes abzustellen ist oder ob es sich um ein Verfahren handelt, dessen Berufungsfähigkeit sich nicht nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 144 Abs. 1 SGG richtet. Denn mit dem nach Auffassung des Beschwerdeführers vom Beklagten nach Aufhebung des Widerspruchsbescheids neu zu erlassenden Bescheid strebt er ausweislich der Begründung seines Widerspruchs die Auszahlung von weiteren 184,95 € (Direktzahlung an den Vermieter nur i.H.v. 455 € statt 639,95 €) monatlich an sich für den im Bewilligungsbescheid vom 17.12.2022 geregelten Zeitraum von neun Monaten und damit insgesamt eine Mehrleistung i.H.v. 1664,55 € an, mit der der für eine zulassungsfreie Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes übertroffen würde. Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss im Ergebnis zutreffend die Bewilligung von PKH abgelehnt, allerdings trägt die Begründung der Entscheidung das Ergebnis nicht.

Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß

§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Klage mit dem erstinstanzlich gestellten Klageantrag, auf den der Senat im Beschwerdeverfahren über die Bewilligung von PKH für die erste Instanz abzustellen hat, unzulässig ist und damit keine Erfolgsaussichten bietet. Beantragt wird hier vom rechtskundig vertretenen Kläger die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2023, mit dem der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unzulässig verworfen hat, und die Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Widerspruchs. Für eine derartige Klage fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, das Voraussetzung für die Zulässigkeit einer jeden Klage ist. Das vor Erhebung einer Anfechtungsklage grundsätzlich gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 SGG durchzuführende Vorverfahren endet mit Erteilung des Widerspruchsbescheides. Dies gilt auch dann, wenn von der Behörde keine materielle Prüfung des Widerspruchsvorbringens erfolgte, weil der Widerspruch als unzulässig angesehen und aus diesem Grunde verworfen wurde (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leiter/Schmidt, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 13. Aufl. 2020, § 78 Rn. 2). Eine Verpflichtung zur Neubescheidung eines Widerspruchs besteht mithin auch dann nicht, wenn dieser unzutreffend als unzulässig von der Behörde angesehen wurde. Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, in dem abweichend von dem Normalfall, dass Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, ist (§ 95 SGG), der Widerspruchsbescheid allein zulässigerweise anfechtbar wäre. Mit dem Widerspruchsbescheid ist hier insbesondere keine zusätzliche selbstständige Beschwer für den Kläger eingetreten und es handelt sich auch nicht um ein Verfahren, in dem erstmalig ein Dritter durch die Entscheidung über den Widerspruch beschwert wurde. Darüber hinaus kann ein berechtigtes Interesse an einer verfahrensfehlerfreien Entscheidung der Widerspruchsbehörde, das zur alleinigen Anfechtung des Widerspruchsbescheids berechtigt, nur bestehen, wenn Ermessensentscheidungen betroffen sind und im Widerspruchsverfahren rechtsfehlerhaft keine Zweckmäßigkeitsprüfung stattgefunden hat (vergleiche Schmidt, am angegebenen Ort zu § 95 Rn. 3b). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, sodass ein berechtigtes Interesse an der alleinigen Aufhebung des Widerspruchsbescheides nicht besteht und es insoweit auch an einem Recht mangelt. Unter Zugrundelegung der klägerseitigen Rechtsauffassung, bei der Entscheidung über die Auszahlung von Geldleistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung an den Vermieter handele es sich um eine Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes, wäre vorliegend die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, die jedoch nicht erhoben wurde. Daran fühlt sich der Senat gebunden, weil der Entscheidung Gestaltungsmöglichkeiten, die im anhängigen erstinstanzlichen Verfahren noch denkbar sind, nicht in der Beschwerde über die Prozesskostenhilfe vorweggenommen werden können.

Für den Fall, dass das erstinstanzliche Verfahren, gegebenenfalls aufgrund eines Hinweises des Vorsitzenden gemäß § 106 SGG, mit zulässigem Streitgegenstand zulässigerweise weitergeführt werden sollte, weist der Senat auf das Folgende hin: Die Begründung des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts vom 16.02.2023 vermag nicht zu überzeugen. Ob es sich bei der klägerseits angegriffenen Auszahlungsbestimmung um einen Verwaltungsakt oder lediglich um eine informatorische Mitteilung an den leistungsberechtigten handelt, ist jedenfalls umstritten. Der Wortlaut des Gesetzes spricht zwar für eine bloße Mitteilung ohne Regelungscharakter, denn in § 22 Abs. 7 S. 3 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II) heißt es, „der kommunale Träger hat die Leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.“ Nach wohl überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Kommentarliteratur handelte sich aber gleichwohl nicht um eine bloße Unterrichtung, sondern um eine Entscheidung durch Verwaltungsakt (so etwa Krauß in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB II, Stand Ergänzungslieferung 1/21, § 22 Rn. 387, sowie Luik in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021 § 22 Rn. 312, jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Dem kann jedenfalls für das vorliegende Verfahren nicht entgegengehalten werden, die eigentliche Entscheidung über die Auszahlung an einen Dritten sei mittels eines anderen Verwaltungsakts bereits erfolgt. Dem steht entgegen, dass der Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 17.12.2022 ausdrücklich alle bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheide zum 01.01.2023 aufgehoben hat. Dies würde auch Bescheide mit Regelungen über die Auszahlung der Leistung an Dritte umfassen. Käme es im vorliegenden Verfahren, wovon das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits ausgegangen ist, auf die rechtliche Qualifizierung der fraglichen Auszahlungsbestimmung an, könnte dem Verfahren eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.

Kosten der Beschwerde sind gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattungsfähig.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

Rechtskraft
Aus
Saved