S 46 SO 274/23 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 SO 274/23 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Ein Eilantrag mit dem Ziel, der Behörde zu untersagen, vor der nächsten Leistungsbewilligung bestimmte Urkunden anzufordern, ist auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichtet und als Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG statthaft.


I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.


G r ü n d e :

I.

Die Antragstellerin begehrt im Eilverfahren, dass sie im Rahmen der vierteljährlichen Überprüfung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr die Auszüge ihres Girokontos der letzten drei Monate und eine Kontenübersicht vorlegen muss.

Die 1965 geborene Antragstellerin bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 991,76 Euro monatlich. Nach einer bereits im Jahr 2015 erfolgten Kündigung ihrer Mietwohnung in  O-Stadt, die von mehreren Zivilgerichten bestätigt wurde, kam es am 04. und 05.04.2022 zur Zwangsräumung der Wohnung. Von der Stadt  O-Stadt wurde die Antragstellerin zur Vermeidung von Obdachlosigkeit anschließend in eine Unterkunft (N. in  G-Stadt) eingewiesen. Die Unterbringung wurde verlängert.

Mit Bescheid vom 22.03.2023 bewilligte der Antragsgegner Grundsicherung für April, Mai und Juni 2023 in Höhe von monatlich 261,12 Euro, im Mai 285,01 Euro.

Mit Bescheid vom 28.06.2023 wies die Stadt  O-Stadt die Antragstellerin für die Zeit von 01.07.2023 bis 30.09.2023 in eine Obdachlosenunterkunft in F-Stadt ein.

Mit Bescheid vom 03.07.2023 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für Juli, August und September 2023 Grundsicherung von monatlich 249,81 Euro bzw. für September 225,92 Euro. Dabei berücksichtigte er die Rente als Einkommen und monatlich 740,59 Euro an Unterkunftskosten. Der kurze Bewilligungszeitraum beruhe auf der Zeitdauer der ordnungsrechtlichen Unterbringung und darauf, dass die Hilfebedürftigkeit maßgeblich auf den Kosten der Unterkunft beruhe. Das Eintreten von Änderungen sei wahrscheinlich.

Mit Schreiben vom 28.04.2023 und 25.07.2023 forderte der Antragsgegner jeweils für die nächste Bewilligung Kontoauszüge für drei Monate im Original, eine Finanzübersicht oder einen Finanzstatus aller Banken, aktuelle Einkommensnachweise (Rentenbescheide) und die komplette Betriebs- und Heizkostenabrechnung an.

Am 08.08.2023 stellte die Antragstellerin den Eilantrag S 46 SO 266/23 ER. Der Bewilligungszeitraum sei entsprechend § 44 Abs. 3 SGB XII auf 12 Monate, hilfsweise auf sechs Monate zu verlängern. Sie habe gegen den Bescheid vom 03.07.2023 Widerspruch eingelegt. Durch die kurze Bewilligung und die Anforderung von Kontoauszügen für drei Monate vor der Weiterbewilligung, verschaffe sich der Antragsgegner zu Unrecht (§ 44 Abs. 3 SGB XII, Datenschutzrecht, Schikaneverbot, Schutz der Privatsphäre) Einblick in die vollständigen Kontoauszüge. Mit Beschluss vom 08.08.2023 lehnte das Sozialgericht München diesen Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen ab. Nach § 44 Abs. 3 Satz 2 SGB XII könne mit einer sachlichen Begründung, so hier die Befristung der Unterbringung, wenn nur deswegen Hilfebedürftigkeit besteht, auf drei Monate festgesetzt werden. Dass sich bei rechtmäßiger Beschränkung des Bewilligungszeitraums auf drei Monate bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit entsprechend BSG mit angeforderten Kontoauszügen durchgängige Kontoauszüge ergeben, sei nicht zu beanstanden.

Am 16.08.2023 stellte die Antragstellerin diesen Eilantrag und beantragte zugleich Prozesskostenhilfe.

Die Antragstellerin beantragt,
dem Antragsgegner aufzugeben, der Antragstellerin nicht mehr aufzugeben, im Rahmen der Überprüfung der vierteljährlichen Überprüfung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die vollständigen Girokontoauszüge der letzten drei Monate im Original und zusätzlich die Vorlage einer Finanzübersicht bzw. Statusbericht sämtlicher Banken, bei denen die Antragstellerin Konten hat, vorzulegen.


II.

Der Antrag auf vorläufige Untersagung der Anforderung bestimmter Mitwirkungshandlungen bzw. Vorlage von Urkunden im Verwaltungsverfahren ist als Sicherungsanordnung nach § 86 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die Antragstellerin will vorbeugenden Rechtsschutz zur Vermeidung behaupteter künftiger Verletzung von Rechten (Datenschutz, nicht geschuldete Mitwirkungshandlungen). Im Ergebnis will die Antragstellerin die vorläufige Weiterbewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erreichen, ohne dass sie Kontoauszüge oder eine Kontenübersicht vorlegen muss.

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob dieser Eilantrag nach dem vorhergehenden Eilantrag S 46 SO 266/23 ER zulässig ist, weil sich die Streitgegenstände bei unveränderter Sach- und Rechtslage überschneiden mit der Folge von Rechtshängigkeit oder Rechtskraft (Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 86b Rn. 45a). Wenn das Sozialgericht im vorhergehenden Eilantrag gerade nicht beanstandet hat, dass die Antragstellerin alle drei Monate Kontoauszüge und eine Kontenübersicht vorlegen muss, dann ist damit alles vorläufig entschieden.

Letztlich kann die Frage der Unzulässigkeit dahinstehen, weil der Antrag auch unbegründet ist. Hierzu wird auf den nachfolgenden Text des Beschlusses vom 08.08.2023 verwiesen:
"Es besteht auch keine aktuelle Notlage in Hinblick auf das künftige Bewilligungsverfahren. Dass die Antragstellerin im September wieder Kontoauszüge für drei Monate übermitteln muss (z.B. durch Übermittlung im Original zum Kopieren gegen Rückgabe der Originale) ist durch die Rechtsprechung abgedeckt (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 10/08 R und Urteil vom 19.03.2020, B 14 AS 7/19 R). Dass sich bei einer rechtmäßigen Beschränkung des Bewilligungszeitraum auf drei Monate durchgängige Kontoauszüge ergeben, ist nicht zu beanstanden.

Auch aus den weiteren, wegen den vorhergehenden Anforderungsschreiben absehbaren, Anforderungen für die nächste Bewilligung ergibt sich keine erhebliche Beeinträchtigung der Belange der Antragstellerin und damit keine Notwendigkeit einer gerichtlichen Anordnung im Wege eines vorbeugenden Rechtsschutzes (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 86b Rn29c)."

Der letzte Absatz umfasst auch die vierteljährliche Vorlage einer Kontoübersicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.


III.

Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil für dieses Eilverfahren von vornherein keine Erfolgsaussicht bestand, § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

 

Rechtskraft
Aus
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