L 8 AL 2913/23 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AL 1852/23 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2913/23 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Zum fehlenden Anspruch auf Alg eines deutschen Arztes, der nach einer abhängigen Beschäftigung in der Schweiz zurück nach Deutschland gezogen ist, zu keinem Zeitpunkt Grenzgänger war, und die Bescheinigung des Schweizer Trägers der Sozialversicherung über die in der Schweiz zurückgelegten Zeiten nicht vorgelegt hat.
2. Zum Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für einen Gründungszuschuss in einem solchen Fall.
3. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist es nicht möglich, neben auf das SGB III gestützten Hauptanträgen einen Hilfsantrag auf Gewährung von (weiteren) Leistungen nach dem SGB II zu stellen, da hierdurch unklar bleibt, ob insoweit ein Verfahren gegen den bedingt in Anspruch genommenen Leistungsträger besteht (Verbot der subjektiven Antragshäufung auf der Seite des Antragsgegners).
4. Zum fehlenden Anordnungsgrund (hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach dem SGB III) eines arbeitslosen Arzt-Ehepaares, welches Leistungen nach dem SGB II bezieht und die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung auch für eine Zwischenzeit mit der Begründung ablehnt, es komme nur eine von der Bundesagentur für Arbeit zu fördernde Praxisgründung in Betracht, und beide Elternteile stünden wegen der Erziehung der beiden gemeinsamen Kleinkinder nicht für eine abhängige Beschäftigung zur Verfügung.

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.10.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.



Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von den Antragsgegnern vorläufige Leistungen nach dem SGB III und hilfsweise nach dem SGB II.

Die Antragsteller sind verheiratet und leben zusammen in einem Haushalt mit ihren Kindern A1 (geboren 2020) und T1 (geboren 2022). Die bewohnte Unterkunft gehört den Antragstellern laut Grundbucheintragung jeweils zur Hälfte. Die Antragsteller wohnten zuvor 12 Jahre in der Schweiz und zogen nach der Geburt des zweiten Kindes 2022 am 28.04.2022 nach R1.

Der im Jahr 1983 geborene Antragsteller zu 1) absolvierte vom 01.10.2005 bis zum 31.05.2012 ein Studium der Humanmedizin an der Universität U1. Seit dem 01.06.2019 war er als Assistenzarzt in der Schweiz beschäftigt, zuletzt bis zum 31.05.2022 im Stadtspital T2 im Kanton Z1 als Assistenzarzt. Die Antragstellerin zu 2) ist nach Angaben des Antragstellers zu 1) Fachärztin für Pathologie.

Der Antragsteller zu 1) meldete sich am 06.07.2022 gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) zum 10.04.2023 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er teilte mit, dass er das Arbeitsverhältnis in der Schweiz zum 31.05.2022 gekündigt habe.

Der Antragsteller zu 1) teilte mit, er wolle sich mit einer Arztpraxis in Deutschland selbstständig machen und benötige hierbei Hilfe.

Die Antragsgegnerin zu 1) forderte mit Schreiben vom 28.07.2022 weitere Angaben des Klägers zur Prüfung der Frage, ob die ausländischen Versicherungszeiten für den Anspruch auf Arbeitslosengeld berücksichtigt werden könnten. Hierzu sei das Zusatzblatt „Prüfung Grenzgänger-Eigenschaft“ auszufüllen sowie das PD U1 (das Dokument zum Nachweis ausländischer Versicherungs- und Beschäftigungszeiten) für die Zeit vom 01.06.2019 bis zum 31.05.2022 einzureichen.

Der Antragsteller zu 1) gab mit E-Mail vom 18.08.2022 in Bezug auf das Zusatzblatt „Prüfung Grenzgänger-Eigenschaft“ der Antragsgegnerin zu 1) u.a. an, seine letzte Beschäftigung beim Stadtspital Z1 T2 habe zum 31.05.2022 geendet. Auf die Frage, ob er während des Arbeitsverhältnisses zuletzt täglich oder einmal wöchentlich an einen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt sei, gab der Kläger an: „Nein, ich bin erst seit 28.04.2022 wieder in Deutschland“. Ein Aufenthalt der Familie in Deutschland während der Beschäftigung wurde verneint. In dem am 08.12.2022 wiederum ausgefüllten Zusatzblatt „Prüfung Grenzgänger-Eigenschaft“ wiederholte der Kläger im Wesentlichen seine vormaligen Angaben. Ein bestehender Wohnsitz in Deutschland vor Beginn der Beschäftigung, der während des Arbeitsverhältnisses aufrechterhalten worden wäre, wurde verneint. Ebenso wurden eine Verlegung des Wohnsitzes während des Arbeitsverhältnisses nach Deutschland und eine weitere Ausübung der Berufstätigkeit im Beschäftigungsland nach dem Umzug verneint.

Mit Schreiben vom 05.12.2022 forderte die Antragsgegnerin zu 1) den Antragsteller zu 1) auf, das Formular zur Prüfung der Grenzgängereigenschaft sowie den Fragebogen Auslandszeiten ausgefüllt einzureichen.

Der Antragsteller zu 1) übersandte am 08.12.2022 den Fragebogen Auslandszeiten sowie das Zusatzblatt „Prüfung Grenzgänger-Eigenschaft“. Er teilte darin mit, dass die Beschäftigung in der Schweiz dem Zweck der Facharztweiterbildung für den Schweizer Facharzt gedient habe. Er habe während der Beschäftigung in der Schweiz nicht seinen Wohnsitz in Deutschland aufrechterhalten. Er und seine Familie hätten in der Schweiz gewohnt und seien auch während der Beschäftigung nicht nach Deutschland zurückgekehrt. Sie hätten ihren Lebensmittelpunkt und Hausstand in der Schweiz gehabt. Der Umzug nach Deutschland sei erfolgt, da es in der Schweiz keine Kita und keine Elternzeit gebe und die unbezahlbaren Lebenshaltungskosten mit zwei kleinen Kindern nicht zu stemmen seien.

Die Antragsgegnerin zu 1) lehnte den Antrag des Antragsstellers zu 1) auf Gewährung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 13.02.2022 ab und führte zur Begründung aus, dass er in den letzten 30 Monaten vor dem 27.07.2022 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei und die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Die Zeiten, die von einem Träger aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union bescheinigt worden seien, könnten nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit herangezogen werden, da er unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht gemäß Art. 61 (EWG) Nr. 883/2004 versicherungspflichtig in der Bundesrepublik bzw. als echter oder unechter Grenzgänger beschäftigt gewesen sei.

Der Antragsteller zu 1) legte online am 30.12.2022 Widerspruch ein und gab an, dass die Behauptung, dass Anstellungen im EWR Schweiz nicht anrechenbar seien, falsch sei. Es gebe ein Deutsch- Schweizerisches Arbeitslosenversicherungsabkommen. Seine Arbeitszeiten seien anzurechnen. Ihm stehe Arbeitslosengeld I zu.

Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.01.2023 zurück. Art. 61 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 bestimme, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung, das Wiederaufleben oder die Dauer des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit abhängig sei, Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt worden seien, berücksichtige, soweit erforderlich, als ob sie nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären. Sei nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften der Leistungsanspruch von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig, so würden die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaats zurückgelegten Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt, es sei denn, sie hätten als Versicherungszeiten gegolten, wenn sie nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.
Jedoch gelte Art- 61 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 gemäß Art. 61 Abs. 2 VO nur unter der Voraussetzung, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor nach den Rechtsvorschriften, nach denen Leistungen beantragt würden, folgende Zeiten zurückgelegt habe:
- Versicherungszeiten, sofern diese Rechtsvorschriften Versicherungszeiten verlangen
- Beschäftigungszeiten, sofern diese Rechtsvorschriften Beschäftigungszeiten verlangen oder
- Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit, sofern diese Rechtsvorschriften Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit verlangen.
Der Antragsteller erfülle nicht die Voraussetzungen des Artikel 61 Abs. 2 VO (EG) 883/2004. Er habe nach der Beschäftigung in der Schweiz in Deutschland in keinem Versicherungspflichtverhältnis mehr gestanden. Die Versicherungszeiten in der Schweiz könnten daher nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit herangezogen werden. Auch gehöre der Antragsteller zu 1) nicht zum Personenkreis der „echten oder unechten Grenzgänger“ im Sinne des Art. 65 Abs. 5 a) in Verbindung mit Art. 65 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VO (EG) 883/2004.

Im hiergegen am 04.01.2023 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klageverfahren S 12 AL 30/23 legte der Antragsteller zu 1) unter anderem eine erweiterte Meldebescheinigung der Stadt R1 vom 24.05.2022 vor, wonach ein Einzug in die aktuelle Unterkunft des Klägers am 12.05.2022 erfolgt sei (vgl. Bl. 8 bis 9 eVA). Zudem trug er zu Klagebegründung vor, dass er den Umzug bereits monatelang seit März 2021 vorbereitet habe und daher regelmäßig nach R1 gefahren sei. Er sei daher seit März 2021 als „unechter“ und seit Mai 2022 als „echter“ Grenzgänger anzusehen.

Am 10.02.2023 beantragte der Antragsteller zu 1) gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Gründung einer Hausarztpraxis als niedergelassener Arzt.

Auf elektronischem Wege erhob der Antragsteller zu 1) am 13.04.2023 Widerspruch bei der Antragsgegnerin zu 1), da sich die Bearbeitung des Antrags auf einen Gründungszuschuss soweit verzögere, dass dies einer Ablehnung gleichkomme. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin zu 1) als unzulässig verworfen.

Gegenüber dem Antragsgegner zu 2) beantragten die Antragsteller für ihre Bedarfsgemeinschaft im Oktober 2022 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In einem Zusatzblatt zum betreffenden Antrag gab der Antragsteller zu 1) am 15.10.2022 auf die Frage nach Art und Weise der Sicherstellung des Lebensunterhalts während der vergangenen Monate an, in der Schweiz sei dies durch Einkommen erfolgt, nach der Geburt dann durch Selbstversorgung und Erspartes, wobei die Ersparnisse aufgebraucht seien. Im Zusammenhang mit einer Klärung der Sozialversicherungsnummern legte der Antragsteller zu 1) ein Schreiben der A2 AG vom 19.08.2022 vor; es handle sich dabei um die letzte Meldung der gesetzlichen Versicherung aus der Schweiz. In dem Schreiben wurde eine Kündigung der betreffenden Police des Antragstellers zu 1) per 29.04.2022 wegen Wegzugs ins Ausland bestätigt; bei einer vorzeitigen Abreise aus der Schweiz ende die Versicherung am Tag der effektiven Ausreise. Für die Antragstellerin zu 2) und die beiden Kinder der Antragsteller wurden entsprechende Schreiben der A2 AG vom 19.08.2022 vorgelegt, in denen jedoch eine Kündigung der betreffenden Police per 12.05.2022 wegen Wegzugs ins Ausland bestätigt wurde.

Mit Bescheid vom 30.11.2022 bewilligte der Antragsgegner zu 2) den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.10.2022 bis zum 31.03.2023 in Höhe von monatlich 1.054 Euro.

Hiergegen erhob der Antragsteller zu 1) am 01.12.2022 Widerspruch. Vorgelegt wurden in der Folge vier Bescheinigungen über die Zusammenrechnung der Versicherungs-, Beschäftigungs- und Wohnzeiten für die Antragsteller und ihre Kinder, welche jeweils am 28.11.2022 von der A2 AG ausgestellt wurden. In den Bescheinigungen wurden – jeweils für den Versicherungsfall „A = Krankheit/Mutterschaft“ – für den Antragsteller zu 1) Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten vom 01.01.2022 bis zum 29.04.2022, für die Antragstellerin zu 2) und die Tochter A1 N1 Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten vom 01.01.2022 bis zum 12.05.2022 sowie für den Sohn T1 N1 Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten vom 10.04.2022 bis zum 12.05.2022 angegeben. Ferner wurde eine Zinsbescheinigung hinsichtlich eines VR Baudarlehens privat für die Zeit vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021 vorgelegt.

Mit Widerspruchsbescheid des Antragsgegners zu 2) vom 13.01.2023 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.11.2022 zurückgewiesen. In der Folge wurde gegenüber dem Antragsgegner zu 2) u.a. eine am 23.01.2023 ausgestellte Fremdmittelbescheinigung der Vereinigten V1banken eG über Fremdmittel i.H.v. 364.000 € zum Erwerb einer Immobilie vorgelegt.

Mit Bescheiden des Antragsgegners zu 2) vom 06.02.2023 und vom 07.02.2023 wurde die Bewilligung von vorläufigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2023 bis zum 31.03.2023 geändert. In einer E-Mail vom 04.04.2023 gab der Antragsteller zu 1) gegenüber dem Antragsgegner zu 2) u.a. an, er beantrage „hiermit nochmals einen Vorschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts“. Mit elektronischer Nachricht vom 11.04.2023 wurde erneut seitens des Antragstellers zu 1) gegenüber dem Antragsgegner zu 2) ein Vorschuss der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beantragt.

Mit Bescheid vom 11.04.2023 bewilligte der Antragsgegner zu 2) den Antragstellern und ihren Kindern wiederum vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.04.2023 bis zum 30.09.2023. Ein hiergegen erhobener Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Antragsgegners zu 2) vom 13.06.2023 zurückgewiesen. Mit elektronischer Nachricht vom 20.07.2023 legte der Antragsteller zu 1) weitere Unterlagen beim Antragsgegner zu 2) vor. Auch für Zinsen etc. sei nun ein neuer Beleg vorhanden. Es wurde gebeten, die Zahlungen anzupassen. Vorgelegt wurden u.a. eine Umsatzanzeige der Vereinigten V1banken eG über ein Kredit- und Darlehenskonto für die Zeit vom 21.07.2022 bis zum 20.07.2023, eine am 20.07.2023 abgerufene Aufstellung offener Abschlagsforderungen des Versorgungsunternehmens F1 GmbH sowie Gebührenbescheide der F1 GmbH vom 24.04.2023 und vom 19.01.2023.

Mit Bescheid des Antragsgegners zu 2) vom 22.08.2023 wurde die Leistungsbewilligung für den Zeitraum von April 2023 bis September 2023 geändert, indem im Monat August 2023 ein Nachzahlungsbetrag an den Energieversorger berücksichtigt wurde. Mit Bescheid vom 13.09.2023 bewilligte der Antragsgegner zu 2) den Antragstellern und ihren Kindern erneut vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.10.2023 bis zum 31.03.2024. Mit elektronischer Nachricht vom 13.09.2023 erhob der Antragsteller zu 1) Widerspruch gegen die Höhe der bewilligten Leistungen ab Januar 2024.

Der Antragsteller zu 1) gab auf Nachfrage des SG im Klageverfahren S 12 AL 30/23 an, dass sein Lebensmittelpunkt bis April 2022 in der Schweiz bestanden habe und ab Ende Mai 2022 in Deutschland bestehe. Aufgrund der Geburt seines Sohnes habe er die Betreuung seiner Tochter übernehmen müssen. Die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses in der Schweiz sei notwendig gewesen, da es keine Elternzeit in der Schweiz gebe. Auch bestehe kein Anspruch auf einen Kitaplatz. Das Fortführen der Arbeit sei offensichtlich unmöglich gewesen, daher hätte das Arbeitsverhältnis auf Ende Mai aufgelöst werden müssen.

Hierauf hat die Antragsgegnerin zu 1) mit Schreiben vom 13.09.2023 im Verfahren S 12 AL 30/23 erwidert, dass auch derjenige die Grenzgängereigenschaft erfülle könne, welcher während eines inaktiven Zeitraumes umziehe.
Auch Personen, die während ihrer letzten Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat ihren Wohnort/Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegt hätten und danach nicht mehr an ihren früheren Beschäftigungsort zurückgekehrt seien, um dort eine Tätigkeit auszuüben, könnten zum Personenkreis der unechten Grenzgänger gehören. Sie müssten sich nach dem Umzug nach Deutschland noch in einer Situation befunden haben, die nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates eine Beschäftigung sei oder der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt sei. Dabei sei es unerheblich, wie lange diese Situation bestanden habe. Ob so eine Situation (zumindest zeitweise) vorgelegen habe, habe der Träger des anderen Mitgliedstaates zu prüfen und zu bescheinigen. Hierzu seien entsprechende Nachweise vom Antragsteller zu 1) vorzulegen. Überdies seien die Beschäftigungszeiten des Antragstellers zu 1) in der Schweiz bisher nicht anhand eines Portable Documents (PD) U1 nachgewiesen. Dies sei jedoch zwingend erforderlich, um die Zeiten überhaupt berücksichtigen zu können. Die Antragsgegnerin zu 1) rege daher an, dass der Antragsteller zu 1) sich wegen der Ausstellung eines PD U1 noch an die jeweilige kantonale Arbeitslosenkasse wende und die PD U1 nach Erhalt vorlege.

Mit Schreiben vom 20.09.2023 hat der Antragsteller zu 1) mitgeteilt, dass der Zeitraum der Geburt noch nicht klar gewesen sei und er um die Geburt herum noch Dienst gehabt habe und dann nach der Geburt auch selbstredend noch diverse Tätigkeiten hätte abschließen müssen, wie zum Beispiel Arztbriefe schreiben und weitere administrative Tätigkeiten. Dies habe er teilweise von zu Hause machen können, teilweise sei er dafür auch noch mal ins Büro gegangen. Täglich sei er nach dem 10.04.2023 nicht ins Büro gegangen, jedoch habe er mindestens einmal wöchentlich Tätigkeiten ausgeführt. Nach der Geburt habe er seinen Urlaub genommen und sei dann aus Kulanz für die Zeit der Geburt beurlaubt worden. Das Formular PD U1 habe er nochmals bei der Arbeitslosenkasse des Kantons Z1 angefordert.

Am 20.09.2023 haben die Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Antragsgegner zu 1) und 2) beim SG erhoben. Bereits im Jahr 2022 sei Arbeitslosengeld beantragt worden. Der Antrag sei bis heute pflichtwidrig nicht beschieden worden. Nach dem Schriftverkehr im Verfahren S 12 AL 30/23 dürfte grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen. Zudem sei ebenfalls im Jahr 2022 eine Förderung für die Gründung einer Arztpraxis beantragt worden; der Antrag sei bisher pflichtwidrig nicht beschieden worden. Gegenüber dem Antragsgegner zu 2) sei im Jahr 2022 bereits ein Darlehen beantragt worden, wobei auch dieser Antrag nicht beschieden worden sei. Zum 01.10.2023 seien die verfügbaren Rücklagen der Antragsteller vollständig aufgebraucht. In Ermangelung einer sichergestellten Kinderbetreuung seien sie nicht in der Lage, regulär arbeiten zu gehen, und hätten kein Einkommen. Aufgrund eines Hypothekendarlehens für das selbstbewohnte Wohnhaus seien monatliche Raten von 2000 € aufzubringen, was ab 01.10.2023 nicht mehr möglich sei, sodass ein Verlust des Wohnhauses drohe. Eine Neuaufnahme des Kredits sei angesichts der gegenwärtigen Hypothekenkrise nicht möglich. Es drohe ein nicht wiedergutzumachender Schaden und Obdachlosigkeit. Die Antragsteller haben
die unverzügliche Zahlung eines Vorschusses nach pflichtgemäßem Ermessen auf monatlicher Basis ab 01.10.2023,
hilfsweise die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1), Geldleistungen ab 01.10.2023 im Zusammenhang mit der beantragten selbstständigen Förderung an den Antragsteller zu zahlen,
hilfsweise den Antragsgegner zu 2) zu verpflichten, ein monatliches Darlehen im pflichtgemäßen Ermessen an die Antragsteller ab 01.10.2023 zu zahlen,
sowie den Antragstellern Prozesskostenhilfe für die Beiordnung eines Anwalts zu gewähren
beantragt.

Die Antragsgegner sind dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz jeweils entgegengetreten.

Die Antragsgegnerin zu 1) hat vorgetragen, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund bestehe. Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Hinsichtlich des Antrags auf einen Gründungszuschuss liege bisher keine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vor. Zudem müsse eine selbstständige Tätigkeit tatsächlich aufgenommen worden sein.

Der Antragsgegner zu 2) hat vorgetragen, die Gewährung eines Darlehens nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB II für die zu leistenden Zahlungen zur Finanzierung des Eigenheims sei nicht möglich. Die Gewährung von Darlehen für die Unterkunft nach § 22 Abs. 8 SGB II sei auf akute Notfälle beschränkt, welche hier nicht vorlägen.

Der Antragsteller zu 1) hat in der Folge ergänzend vorgetragen, dass die Stadt R1 mit Schreiben vom 04.10.2023 angekündigt habe, den Strom- und Wasserabschluss ab 11.10.2023 zu sperren. Dies müsse verhindert werden, zumal die Kinder der Antragsteller aktuell fiebrig mit einer Coxackie-Virus-Infektion erkrankt seien.

Mit Änderungsbescheid vom 10.10.2023 hat der Antragsgegner zu 2) den Antragstellern ab dem 01.10.2023 monatliche Leistungen i.H.v. 1.581,92 € gewährt und mitgeteilt, dass vorläufig die Schuldzinsen iHv 255,94 € entsprechend der Zinsbescheinigung der V1bank R1 berücksichtigt worden seien.

Zugleich hat der Antragsgegner zu 2) mit Schreiben vom 10.10.2023 die Übernahme der offenen Forderungen der F1 gegen die Antragsteller abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 12.10.2023 Widerspruch erhoben.

Mit Beschluss vom 11.10.2023 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Es handele sich sowohl um eine subjektive als auch um eine objektive Antragshäufung. Da Leistungsanträge gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) nur vom Antragsteller zu 1) ersichtlich seien, sei Ziff. 1 des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz sachdienlich dahingehend zu verstehen, dass die Antragsgegnerin zu 1) im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet werden solle, dem Antragsteller zu 1) vorläufig Arbeitslosengeld ab 01.10.2023 zu gewähren. Der Hilfsantrag Ziff. 2 sei sachdienlich dahingehend zu verstehen, dass hilfsweise die Antragsgegnerin zu 1) im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet werden solle, dem Antragsteller zu 1) vorläufig einen Gründungszuschuss ab 01.10.2023 zu gewähren. Der Hilfsantrag Ziff. 3 richte sich demgegenüber an den Antragsgegner zu 2) als Grundsicherungsträger nach dem SGB II. Er sei sachdienlich dahingehend zu verstehen, dass hilfsweise der Antragsgegner zu 2) im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet werden solle, den Antragstellern zu 1) und 2) darlehensweise monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 01.10.2023 zu gewähren. Der Antrag sei dabei lediglich seitens der Antragsteller zu 1) und 2) gestellt.

Der zulässige Antrag nach Ziff. 1 sei unbegründet, da ein Anordnungsanspruch nicht festgestellt werden könne. Ungeachtet der Tatsache, dass angesichts der Arbeitslosigkeit der Antragstellerin zu 2) die geltend gemachte Unmöglichkeit einer ggf. alleinigen Arbeitsaufnahme des Antragstellers zu 1) mit der Begründung fehlender Kinderbetreuung nicht ohne Weiteres nachvollziehbar erscheine und vielmehr Zweifel an dessen subjektiver Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung als Voraussetzung eines Arbeitslosengeldanspruchs begründe, könne vorliegend schon die Erfüllung einer Anwartschaftszeit für Arbeitslosengeld nicht festgestellt werden.

Der Antragsteller zu 1) habe Umstände, welche die Annahme einer echten oder unechten Grenzgängereigenschaft begründen könnten, weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen. Gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) habe der Antragsteller zu 1) in der Email vom 18.08.2022 und in dem am 08.12.2022 ausgefüllten Zusatzblatt „Prüfung Grenzgänger-Eigenschaft“ angegeben, dass er nicht vor Beginn der letzten Beschäftigung in der Schweiz seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt und diesen Wohnsitz während der Beschäftigung aufrechterhalten habe. Auch habe er eine zuletzt tägliche oder einmal wöchentliche Rückkehr an einen Wohnort in Deutschland während der Beschäftigung in der Schweiz ausdrücklich verneint. In dem am 08.12.2022 ausgefüllten Zusatzblatt seien zudem eine Verlegung des Wohnsitzes nach Deutschland während des Arbeitsverhältnisses in der Schweiz und eine weitere Ausübung der Berufstätigkeit im Beschäftigungsland Schweiz nach dem Umzug nach Deutschland ausdrücklich verneint worden. Auf die Frage nach der Häufigkeit einer Rückkehr nach Deutschland während des Beschäftigungsverhältnisses sei „niemals“ angegeben worden. Auch ein Aufenthalt der Familie des Antragstellers in Deutschland und eine Aufrechterhaltung gesellschaftlicher und beruflicher Kontakte in Deutschland seien während der Beschäftigung in der Schweiz ausdrücklich verneint worden. Die Kontakte in der Schweiz seien vielmehr auf einen dauerhaften Aufenthalt angelegt gewesen.
Bloße Vorbereitungshandlungen für einen etwaigen späteren Umzug nach Deutschland, wie in der Klageschrift vom 04.01.2023 angegeben, reichten hierfür nicht aus. Zudem bestünden zum Zeitpunkt des Umzugs selbst unterschiedliche Angaben. Der Antragsteller zu 1) habe in der Email an die Antragsgegnerin zu 1) vom 18.08.2022 ausdrücklich angegeben, er sei erst seit 28.04.2022 wieder in Deutschland. In der erweiterten Meldebescheinigung der Stadt R1 vom 24.05.2022 sei hingegen ein Einzug in R1 erst am 12.05.2022 angegeben worden. Es bestünden also schon zum konkreten Zeitpunkt des Umzugs widersprüchliche Angaben, wobei jedenfalls für einen Umzug vor dem 28.04.2022 weder substantiierter Vortrag noch Nachweise ersichtlich seien.

Auch eine Eigenschaft als unechter Grenzgänger könne nicht festgestellt werden.
Die Familie des Antragstellers zu 1) habe sich gerade nicht vor dessen Umzug bereits in Deutschland befunden. Der Antragsteller zu 1) habe gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) in dem am 08.12.2022 ausgefüllten Zusatzblatt einen Aufenthalt seiner Familie in Deutschland ebenso wie aufrechterhaltene gesellschaftliche und berufliche Kontakte in Deutschland während seiner Beschäftigung in der Schweiz ausdrücklich verneint. Die Beschäftigung in der Schweiz sei auf eine Weiterbildung zum Erreichen der schweizerischen Facharztqualifikation gerichtet und die Kontakte im Beschäftigungsland Schweiz seien auf einen dauerhaften Aufenthalt angelegt gewesen. Vor diesem Hintergrund könne keine hinreichend enge Beziehung des Antragstellers zu 1) zum neuen Wohnstaat Deutschland festgestellt werden, die eine Einordnung als unechter Grenzgänger rechtfertigen könnte. Insbesondere vermöge auch der angegebene Zweck des Umzugs zur Inanspruchnahme weiterreichender Sozialleistungen in der Bundesrepublik Deutschland eine solche enge Beziehung zum neuen Wohnstaat Deutschland nicht zu begründen.

Ein Anordnungsanspruch auf vorläufige Gewährung von Arbeitslosengeld sei somit zu verneinen. Auch die Gewährung eines Vorschusses nach § 42 Abs. 1 SGB I komme nicht in Betracht. Ein solcher Vorschuss setze voraus, dass ein Geldleistungsanspruch dem Grunde nach bestehe und lediglich die Höhe noch näher zu bestimmen sei. Es könne jedoch nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung bereits ein Arbeitslosengeldanspruch dem Grunde nach aufgrund der bisherigen Sach- und Rechtslage nicht festgestellt werden.

Der zulässige Hilfsantrag Ziff. 2 sei ebenfalls unbegründet, da ein Anordnungsanspruch nicht bestehe. Ein Anspruch auf Gründungszuschuss setze gemäß § 93 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB III u.a. voraus, dass die betreffende Person gegenüber der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweise.
Im vorliegenden Fall sei bisher weder die Vorlage der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle noch eine tatsächliche Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ersichtlich, sodass ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss bisher nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht festzustellen sei.

Der Hilfsantrag Ziff. 3 sei ebenfalls jedenfalls unbegründet. Soweit die Antragsteller den geltend gemachten Darlehensanspruch auf § 24 Abs. 1 SGB II stützten, sei darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift nur für vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasste Bedarfe greife.
Dass hiernach ein vom Regelbedarf umfasster Bedarf nicht zu decken wäre, sei nicht ersichtlich. Geltend gemacht würden vielmehr die monatlichen Darlehensraten i.H.v. 2.000 € zur Abzahlung des Kredits zum Erwerb des Eigenheims. Etwaige Bedarfe an Unterkunft und Heizung würden jedoch von § 24 Abs. 1 SGB II gerade nicht erfasst und rechtfertigten hiernach keine Darlehensgewährung.

Zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage könnten demgegenüber nach § 22 Abs. 8 SGB II im Einzelfall auch Schulden übernommen werden, was durch Erbringung eines Darlehens seitens des Jobcenters erfolge. Auch diese Voraussetzungen seien hinsichtlich der Darlehensraten für den Hauskredit der Antragsteller vorliegend nicht erfüllt. Ungeachtet der Tatsache, dass das SGB II nicht den Aufbau eigenen Vermögens fördere und daher die Tilgungsanteile von Ratenzahlungen zur Finanzierung eines Eigenheims grundsätzlich nicht – auch nicht als Darlehen – übernommen werden könnten, handele es sich schon nicht um eine Übernahme von Schulden i.S.d. § 22 Abs. 8 SGB II. Dieser sei auf Übernahme bereits entstandener Schulden und nicht auf die Freistellung von künftigen Verbindlichkeiten gerichtet.
Dass die Antragsteller ein Darlehen zur Begleichung von bereits in der Vergangenheit fällig gewordenen Kreditraten benötigten, sei nicht ersichtlich. Vielmehr gehe aus der Antragsschrift hervor, dass bisher die Kreditraten bedient werden konnten.

Zwar könne für aufgelaufene Schulden bezüglich der Nebenkosten aus der Versorgung etwa mit Heizenergie und Wasser grundsätzlich ein Darlehen nach § 22 Abs. 8 SGB II in Betracht kommen. Soweit die Antragsteller insofern mit am 04.10.2023 eingegangenem Schreiben eine drohende Sperrung durch den Versorgungsbetrieb geltend gemacht hätten, sei der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz jedoch bereits unzulässig. Grundsätzlich setze jede Anrufung des Gerichts ein Rechtsschutzbedürfnis voraus; insofern sei von einem Antragsteller zu erwarten, dass er sich vor der Inanspruchnahme gerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes zunächst mit einem entsprechenden Antrag an die Behörde wende und eine angemessene Bearbeitungszeit abwarte.

Eine vorläufige zuschussweise Gewährung höherer laufender Leistungen nach dem SGB II ab 01.10.2023 sei mit dem Hilfsantrag Ziff. 3 angesichts der ausdrücklichen Geltendmachung eines Darlehens und des Hinweises auf § 24 Abs. 1 SGB II in der Antragsbegründung schon nicht beantragt. Soweit der Antragsgegner zu 2) den Antragstellern und ihren Kindern laufende Leistungen im Bescheid 13.09.2023 für die Zeit vom 01.10.2023 bis zum 31.03.2024 bereits vorläufig bewilligt habe, sei diese Bewilligung mit am 13.09.2023 erhobenem Widerspruch auch lediglich bezüglich der Höhe der Leistungen ab Januar 2024 angefochten worden. Für eine etwaige Geltendmachung höherer laufender zuschussweiser Leistungen ab Januar 2024 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes liege derzeit im Übrigen jedenfalls noch kein Anordnungsgrund vor.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe sei ebenfalls abzulehnen, da die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht worden seien.

Die Antragsteller haben gegen den ihnen am 13.10.2023 zugestellten Beschluss am 17.10.2023 Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie haben zur Begründung vorgetragen, dass in Ausnahmefällen das BSG eine zuschussweise Übernahme des gesamten Wohnungsdarlehens für möglich erachte.
Ausschlaggebend dabei sei etwa, ob die Immobilie vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit erworben worden sei. So liege es hier. Die Immobilie sei noch vor der Corona-Pandemie gekauft worden und bevor die Antragsteller nach 7 Jahren unerfülltem Kinderwunsch dann endlich unerwartet Kinder bekommen hätten. Den heutigen Zustand hätten die Antragsteller in keiner erdenklichen Weise vorhersehen können. Dass die Antragsteller mehr als ein Jahr keine zumutbaren Kitaplätze bekommen würden, sei für die Antragsteller vor Zuzug nach Deutschland, bei gesetzlichem Kita-Anspruch, undenkbar und auch sonst nicht vorhersehbar gewesen. Unter anderem da es keinen Kita-Anspruch in der Schweiz gebe, hätten die Antragsteller die Schweiz verlassen. Die Antragsteller seien unverschuldet in diese Notlage geraten. Insbesondere da die Tochter der Antragsteller zuvor in einer Kita körperlich und psychisch misshandelt worden und der Sohn mit 18 Monaten gleichwohl noch sehr jung sei, könne den Antragsstellern ohne Kitaplatz eine Arbeitsaufnahme, im Sinne des Kindeswohls und dem damit verbundenen Willen des Gesetzgebers zum Sinn des Kita-Anspruchs (u.a. entwicklungspsychologische Förderung), nicht zugemutet werden. Die beabsichtigte Gründung einer Hausarztpraxis ohne bereitgestellten Kita-Platz und bei hohem individuellen Betreuungsbedarf der Kinder sei für die Antragsteller unzumutbar.

Die Arbeitsagentur R1 sei über die Anforderungen der Arbeitslosenkasse Z1 für die Ausstellung der gewünschten Arbeitgeberbescheinigung informiert worden. Der Arbeitslosenkasse Z1 fehlten für die Ausstellung des PU-Formular noch mehrere Unterlagen der Arbeitsagentur R1. Ohne die Mitwirkung der Arbeitsagentur R1 könnten die Antragsteller die gewünschte Bescheinigung von der Arbeitslosenkasse in Z1 also nicht besorgen. Die Arbeitsagentur verweigere sich jeder Mithilfe. Dies sei aber kein Verschulden der Antragsteller, sondern eine Amtspflichtverletzung der Antragsgegnerin zu 1), da diese so die Prüfung des Anspruchs pflichtwidrig vereitelt habe.

Die Antragsteller als Gemeinschaft seien in einer akuten und unverschuldeten Notlage. Sie hätten Anspruch auf Stattgabe von mindestens einem der Anträge oder Hilfsanträge, damit die finanzielle Notlage überwunden werden könne. Wenn vom Jobcenter argumentiert werde, dass doch Gelder für die Energiekosten gezahlt worden wären, dann bleibe vollkommen unberücksichtigt, dass die Antragsteller gezwungen seien, die vorhandenen Geldmittel der letzten Monate umzuschulden, da sie eine Hypothek für das Wohnhaus zu bezahlen hätten, dafür aber keine Geldmittel von dem Jobcenter zur Verfügung gestellt bekommen hätten. Entsprechend hätten die Antragsteller alle nicht dringlichen Zahlungen eingestellt oder verschoben.

Der Antragsteller zu 1) sei mindestens unechter Grenzgänger. Er habe auch Anspruch auf Arbeitslosengeld, da dieser u.a. für Administrativ-Arbeiten im Homeoffice per Remote Zugang und vor Ort, noch für seine alte Arbeitgeberin, nach der Ummeldung nach Deutschland, tätig gewesen sei. Arbeitszeitkontrollen habe es in diesem Sinne nicht gegeben. Die Arbeitszeit sei durch den Antragsteller selbst protokolliert und pauschal abgegolten worden. Über- und Unterstunden habe es nicht gegeben. In Post-Corona-Zeiten müsse Homeoffice, in welcher Form auch immer, auch als Arbeit gelten. Es könne nicht sein, dass nur die klinisch-ärztliche Tätigkeit als Arbeit gelte. Administrativarbeit sei gleichwertige Arbeit.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.10.2023 aufzuheben und
die Antragsgegnerin zu 1) zu verpflichten, unverzüglich einen Vorschuss nach pflichtgemäßem Ermessen auf monatlicher Basis ab 01.10.2023 zu zahlen,
hilfsweise die Antragsgegnerin zu 1) zu verpflichten, Geldleistungen ab 01.10.2023 im Zusammenhang mit der beantragten selbstständigen Förderung an den Antragsteller zu zahlen,
hilfsweise den Antragsgegner zu 2) zu verpflichten, ein monatliches Darlehen im pflichtgemäßen Ermessen an die Antragsteller ab 01.10.2023 zu zahlen,
den Antragstellern Prozesskostenhilfe für die Beiordnung eines Anwalts zu gewähren.

Die Antragsgegnerin zu 1) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner zu 2) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin zu 1) hat zur Beschwerdeerwiderung vorgetragen, dass aufgrund der Beschäftigungszeiten in der Schweiz nur ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III gegenüber der Agentur für Arbeit bestehen könne, wenn der Antragsteller zu 1) echter oder unechter Grenzgänger sei, und nur diese Rechtsfrage liege im Zuständigkeitsbereich der Beschwerdegegnerin. Dies sei vom Antragsteller zu 1) im Zusatzblatt „Prüfung Grenzgänger-Eigenschaften“ vom 08.12.2022 aber eindeutig verneint worden.
Unabhängig von der Erfüllung der Anwartschaftszeit stelle sich die Frage, ob und ggfs. inwieweit der Antragsteller zu 1), der zumindest in der Vergangenheit die Auffassung vertreten habe, er befinde sich in Elternzeit und/oder es sei aufgrund Kinderbetreuung weder ihm noch seiner Ehefrau zumutbar eine Arbeit aufzunehmen, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe.

Der Antragsgegner zu 2) hat zur Beschwerdeerwiderung angeführt, dass er mittlerweile mit Bescheid vom 10.10.2023 den Antragstellern Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.10.2023 bis zum 31.03.2024 unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Schuldzinsen als Bedarf für die Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bewilligt habe. Da die Höhe der ab Januar 2024 zu entrichtenden Schuldzinsen noch ebenso wenig feststehe, wie die an den Energieversorger zu erbringenden Abschläge, enthalte der Bescheid für den Zeitraum 01.01.2024 bis 31.03.2024 noch keine entsprechenden Bedarfe.

Über die Schuldzinsen hinaus komme eine Berücksichtigung der Aufwendungen für das Finanzierungsdarlehen für die selbstgenutzte Immobilie jedoch nicht in Betracht. Tilgungsbeträge für Darlehen, die zum Bau oder Erwerb eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung aufgenommen worden sind, könnten grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II seien auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollten nicht der Vermögensbildung dienen. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen könnten nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 03.12.2015, Az.: B 4 AS 49/14 R; BSG, Urteil vom 18.06.2008, Az.: B 14/11b 67/06 R; BSG, Urteil vom 07.07.2011, Az.: B 14 AS 79/10 R) unter den folgenden Voraussetzungen ausnahmsweise Tilgungsraten berücksichtigt werden, wobei alle Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Es müsse sich bei der Immobilie um geschütztes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB II handeln, die Berücksichtigung müsse unverzichtbar, gerechtfertigt und notwendig zur Erhaltung des Wohnraums sein, um eine konkret drohende Wohnungslosigkeit zu vermeiden, die Übernahme der Tilgungsbeiträge müsse geeignet sein, die drohende Wohnungslosigkeit zu verhindern, die Möglichkeit der Tilgungsaussetzung oder Tilgungsstreckung oder Umschuldung seien ausgeschöpft, um die Tilgungsraten so niedrig wie möglich zu halten, das Eigenheim müsse weitgehend abbezahlt sein (Indiz dafür: Tilgungsanteil an der monatlichen Rate 80 %), das Eigenheim müsse außerhalb der Hilfebedürftigkeit erworben worden sein und die für Mieter geltenden Höchstgrenzen dürften nicht überschritten werden.
Diese Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssten, lägen bei den Antragstellern schon nicht vor, insbesondere fehle es an der Bedingung, dass das Eigenheim nahezu abgezahlt sein müsse. Ausgehend von einer Restlaufzeit des Finanzierungsdarlehens bei der V1bank bis zum 30.07.2034 und einer noch offenen Restschuld in Höhe von 278.937,10 Euro (Stand 30.09.2023) bei einer Finanzierungssumme in Höhe von ursprünglich 364.000,00 Euro liege der Tilgungsanteil bei weniger als 24 Prozent, die Immobilie sei somit noch nicht einmal zu einem Viertel abbezahlt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegner zu 1) und 2) und die beigezogene Akte des Klageverfahrens S 12 AL 30/23 einschließlich der dort vorgelegten Verwaltungsakte der Antragsgegnerin zu 1) verwiesen.


II.

Die gem. § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft (§ 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGG) und auch sonst zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3 und die §§ 930 bis 932, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

Voraussetzung für die Begründetheit des Antrags sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund, welche nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern ein bewegliches System bilden. Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anforderungsgrund und umgekehrt. Wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, ist der Antragsteller nicht schutzwürdig, sodass der Antrag auf einstweilige Anordnung auch bei bestehenden Anordnungsgrund abzulehnen ist. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungs-grund. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Dabei sind die Intensität der drohenden Verletzung von Grundrechten, die wirtschaftlichen Verhältnisse, eine unbillige Härte und ggf. eine Mitverantwortung des Antragstellers für eine entstandene nachteilige Situation einzubeziehen.

Hiervon ausgehend hat das SG den Antrag zu Recht abgelehnt. Der Antrag ist sowohl im Hauptantrag als auch in den Hilfsanträgen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht begründet.

Soweit der Antragsteller zu 1) als Hauptantrag die Gewährung von Arbeitslosengeld begehrt, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit. Der Antragsteller zu 1) bezieht zusammen mit der Antragstellerin zu 2) sowie seinen Kindern als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II, so dass existenzsichernde Leistungen gewährt werden und unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache eine besondere Eilbedürftigkeit nicht vorliegt.

Überdies fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch. Das SG hat im Beschluss vom 11.10.2023 zutreffend die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld nach den §§ 137 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 142 Abs. 1 Satz 1, 143 SGB III dargestellt. Danach muss innerhalb der Rahmenfrist von 30 Monaten vor Erfüllung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen mindestens zwölf Monate ein Versicherungspflichtverhältnis bestanden haben. Der Antragsteller war jedoch unstreitig in den letzten 30 Monaten, vorliegend im Zeitraum vom 27.02.2020 bis zum 26.06.2022 vor der Arbeitslosmeldung nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis in der deutschen Arbeitslosenversicherung. Die Erfüllung der Anwartschaft ist daher nur möglich, wenn vom Antragsteller in der Schweiz zurückgelegten Zeiten berücksichtigt werden können. Vorliegend scheitert die Berücksichtigung der vom Antragsteller zu 1) im Schweizer Sozialversicherungssystem zurückgelegten Zeiten bereits daran, dass diese nicht vom zuständigen Schweizer Träger durch das PD U1 nachgewiesen sind. Ein PD U1 wurde bislang von der zuständigen Arbeitslosenkasse des Kantons Z1 nicht ausgestellt, da der Antragsteller zu 1) die hierzu benötigten Unterlagen nicht eingereicht hat, wie der Senat dem vom Antragsteller zu 1) vorgelegten Email - Schriftverkehr zwischen ihm und der Arbeitslosenkasse und der Email der Arbeitslosenkasse vom 22.09.2023 entnimmt. Die in der Schweiz zurückgelegten Beschäftigungszeiten wären jedoch, selbst bei vorhandenem Nachweis durch das PD U1, nicht geeignet, die Anwartschaftszeit des § 143 Abs. 1 SGB III zu erfüllen, da nach Art. 61 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VO (EG) 883/2004 Nichtgrenzgänger, also Personen, die ihren Lebensmittelpunkt an den Arbeitsort beziehungsweise in den Beschäftigungsstaat verlagert hatten, bei Rückumzug in den früheren Staat vor Anerkennung der im Beschäftigungsstaat zurückgelegten Versicherungs- bzw. Beschäftigungszeiten zunächst eine Versicherungspflichtzeit erfüllen müssen. Dies ist beim Antragsteller zu 1) nicht der Fall.

Das SG führt auch zutreffend aus, dass der Antragsteller weder als echter noch als unechter Grenzgänger nach Art. 65 Abs. 5 lit. a VO (EG) 883/2004 von den Voraussetzungen des Art. 61 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VO (EG) 883/2004 ausgenommen ist. Nach der Legaldefinition des Art. 1 lit. f VO (EG) 883/2004 ist (echter) Grenzgänger eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt. Der Antragsteller zu 1) ist während der Zeit seiner Beschäftigung in der Schweiz unstreitig nicht mindestens einmal wöchentlich nach Deutschland zurückgekehrt. Insoweit reichen auch nicht die von ihm vorgetragenen Umzugsvorbereitungen ab März 2021 aus. Der Antragsteller zu 1) ist indes auch nicht dem Personenkreis der sogenannten unechten Grenzgänger im Sinne von Art. 65 Abs. 2 Satz 3 und Art. 65 Abs. 5 lit. b VO (EG) 883/2004 zuzurechnen. Das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 1) endete zum 31.05.2022. Der Antragsteller hat nach seinen Angaben in der Email vom 18.08.202 und im Zusatzblatt vom 08.12.2022 seinen Wohnsitz erst am 12.05.2022 nach Deutschland verlegt und die Ausübung einer weiteren Berufstätigkeit nach dem Umzug nach Deutschland im Fragebogen verneint. Sofern er nunmehr in der Beschwerdebegründung vorträgt, dass er weiterhin für seinen Arbeitgeber im Homeoffice tätig gewesen sei, widerspricht dies seinen Angaben in der Email vom 18.08.2022 und im Zusatzblatt vom 08.12.2022, wonach er nach der Geburt Urlaub genommen habe und auch für die restliche Zeit bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses aus Kulanz eine Beurlaubung erfolgt sei. Zudem liegt auch kein Nachweis des Schweizer Arbeitgebers darüber vor, dass der Antragsteller zu 1) nach dem 10.04.2022 noch tatsächlich gearbeitet hat. Überdies hat er nach der Meldebescheinigung der Stadt R1 seinen Wohnsitz erst am 12.05.2022 nach Deutschland verlagert. Die Verlegung des Wohnortes ist somit erst kurz vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses und nicht bereits vor längerer Zeit erfolgt (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 03.07.2003 – B 7 AL 42/02 R – juris Rdnr. 20). Eine Anerkennung als unechter Grenzgänger kommt somit nicht in Betracht.
Der Senat verweist daher in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Gründe der angefochtenen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht.

Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller zu 1) die erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt, kann die Frage dahinstehen, ob der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht an einer fehlenden subjektiven Verfügbarkeit des Antragstellers zu 1) scheitert. Der Senat weist lediglich ergänzend darauf hin, dass der Antragsteller zuletzt in der Beschwerdebegründung, jedoch auch davor in den Beratungsgesprächen mit der Antragsgegnerin, beispielsweise am 30.03.2023 sowie in dem Telefonat mit dem Kammervorsitzenden am SG am 05.10.2023 ausgeführt hat, dass ihm und seiner Frau eine Arbeitsaufnahme ohne Kitaplatz für seine beiden Kinder nicht zumutbar sei und auch eine alleinige Betreuung durch einen der beiden Antragsteller nicht in Betracht komme. Arbeitslos ist nach § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nur derjenige, der den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Subjektive Verfügbarkeit setzt voraus, dass die beschäftigungslose Person auch bereit ist, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben, § 138 Abs. 5 Nr. 3 SGB III, bzw. an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen, § 138 Abs. 5 Nr. 4 SGB III (vgl. hierzu Öndül in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl., § 138 SGB III Rdnr. 111 ff.).
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schließt die Kinderbetreuung die Verfügbarkeit regelmäßig nicht aus. Voraussetzung für die Verfügbarkeit ist jedoch, dass die beschäftigungslose Person im Falle eines Arbeitsangebots die Betreuung anderweitig sicherstellt und die eigene Betreuungstätigkeit aufgibt (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1990 – 11 RAr 137/89 –, juris). Da der Antragsteller zu 1) ohne Kitaplatz nach seinen Angaben nicht zu einer Arbeitsaufnahme bereit ist, dürfte auch die Verfügbarkeit fraglich sein.

Ein Anordnungsanspruch für den Hauptantrag liegt somit nicht vor.

Soweit der Antragsteller zu 1) hilfsweise in sachdienlicher Auslegung seines Antragsbegehrens die Bewilligung eines Gründungszuschusses begehrt, ist ein Anordnungsanspruch nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht gegeben. Der Anspruch nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III setzt das Bestehen eines Anspruches auf Arbeitslosengeld voraus (vgl. Kuhnke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl., § 93 SGB III Rdnr. 43). Bereits aus diesem Grund ist der Hilfsantrag zu Ziff. 2 nicht begründet. Es kann daher dahingestellt bleiben, dass der Antragsteller bislang die Voraussetzungen nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 SGB III, den Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung durch eine fachkundige Stelle, nicht erfüllt hat und es sich um eine Ermessensleistung, auf die folglich kein Rechtsanspruch besteht, handelt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.06.2018 – L 9 AL 92/18 B ER –, juris).

Auch die Gewährung eines sonstigen Vorschusses nach § 42 Abs. 1 SGB I setzt das Bestehen eines Geldleistungsanspruches dem Grunde nach voraus, welcher jedoch gegen die Antragsgegnerin zu 1) nach der bisherigen Sach- und Rechtslage nicht festgestellt werden kann.

Soweit die Antragsteller in ihrem Hilfsantrag zu Ziff. 3 ein monatliches Darlehen nach pflichtgemäßen Ermessen vom Antragsgegner zu 2) begehren, ist der Antrag bereits unzulässig. Eine eventuelle subjektive Klage- bzw. Antragshäufung ist unzulässig, da unklar bleibt, ob überhaupt ein Verfahren gegen den bedingt Beklagten bzw. vorliegend den Antragsgegner zu 2) anhängig ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020 § 56 Rdnr. 4 sowie BSG, Urteil vom 08.08.2019 – B 3 KR 16/18 R –, juris Rdnr. 16).

Lediglich ergänzend führt der Senat daher aus, dass auch kein Anordnungsanspruch bzw. Anordnungsgrund bestehen. Das SG weist insoweit zutreffend darauf hin, dass, sofern sich der geltend gemachte Darlehensanspruch auf § 24 Abs. 1 SGB II stützt, dieser nur für vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasste Leistungen erfasst. Ein solcher Bedarf wurde jedoch auch in der Berufungsbegründung nicht geltend gemacht. Soweit die Antragsteller die Gewährung eines Darlehens zur Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der selbstbewohnten Immobilie begehren, führt das SG schlüssig und zutreffend aus, dass grundsätzlich Tilgungsraten von Ratenzahlungen zur Finanzierung des Eigenheims nicht übernommen werden und auch der Ausnahmefall der Abtragung einer Restschuld bei bereits weitgehend abbezahltem Kredit (vgl. BSG, Urteil vom 03.12.2015 – B 4 AS 49/14 R –, juris Rdnr. 20) nicht vorliegt. Nur in diesem Fall tritt der Aspekt der privaten Vermögensbildung, welcher grundsätzlich nicht durch SGB II-Leistungen gewährleistet wird, gegenüber dem Ziel der Beibehaltung der Wohnung zurück. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall, da die Restschuld noch 278.937,10 € beträgt bei einer ursprünglichen Finanzierungssumme von 364.000 €. Die Immobilie der Antragsteller ist somit noch nicht einmal zu einem Viertel abbezahlt, so dass eine Übernahme der Tilgungsraten nicht in Betracht kommt.

Auch soweit sich das begehrte Darlehen auf die Übernahme der Forderungen des Energieversorgers bezieht, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller zu 1) trägt selbst vor, dass er und seine Ehefrau in den letzten Monaten durch Umschuldungen die Tilgungsraten bedient und diese daher nicht zur Zahlung der Forderungen des Energieversorgers verwenden haben. Durch die Vereinbarung einer Tilgungsaussetzung oder zumindest einer Reduzierung des Tilgungsanteils stünden den Antragstellern jedoch Mittel zum Begleichen der rückständigen Forderungen des Energieversorgers zur Verfügung. Zudem sind die Antragsteller gerade aus Fürsorgegründen und als Unterhaltsverpflichtete gegenüber ihren minderjährigen Kindern verpflichtet, zunächst die Versorgung mit Strom und Heizung zu gewährleisten, bevor Schuldentilgung zum Vermögensaufbau erfolgt. Aus demselben Grund liegt es an den Antragstellern die von ihnen beklagten Notlage dadurch zu beenden, dass zumindest einer der beiden Elternteile einer Erwerbstätigkeit als Arzt oder Ärztin auch im Angestelltenverhältnis bei derzeit sehr guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt anstrebt und damit ihren Unterhaltsverpflichtungen sowie der Verpflichtung zur Wahrung des Kindeswohls nachkommt. Eine Erwerbstätigkeit eines Elternteils bei gleichzeitiger Betreuung der Kinder durch den anderen Elternteil ist grundsätzlich zumutbar und im vorliegenden Fall auch gerade zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung durch eine nicht geheizte Unterkunft dringend angeraten. Es ist nicht ersichtlich, dass sich zumindest einer der Antragsteller seit dem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland bemüht hat, eine Arbeitsstelle als Arzt zu finden. Im Rahmen der Prüfung der besonderen Dringlichkeit sind auch eine Mitverantwortung der Antragsteller sowie naheliegende Selbsthilfemöglichkeiten zu berücksichtigen. Der angestrebten Gründung einer Hausarztpraxis kann insoweit keine Priorität eingeräumt werden.

Überdies liegt auch kein Anordnungsanspruch vor. Der Antragsgegner zu 2) hat zwar die Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 SGB II zur Begleichung der aufgelaufenen Schulden mit Bescheid vom 10.10.2023 abgelehnt. Der Energieversorger hat jedoch mit Schreiben vom 20.09.2023 ein Abwendungsangebot unterbreitet. Die Antragsteller haben bislang nicht dargelegt, weshalb es ihnen nicht möglich ist, auf die auch vom Energieversorger angebotene Darlehensvereinbarung einzugehen oder auch eine niedrigere Ratenzahlung zu erreichen. Nach der Rechtsprechung ist für die darlehensweise Übernahme von Energieschulden das Ausschöpfen vorrangiger Selbsthilfemaßnahmen vorauszusetzen (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28.03.2023 – L 14 AS 260/22 ER –, juris).
Die Antragsteller haben die Abschlagsforderungen i.H.v. von 483 € monatlich nachweislich der Sperrankündigung vom 20.09.2023 seit Mai 2023 nicht mehr beglichen. Dies ist jedoch nach ihren eigenen Angaben in der Beschwerdebegründung vor allem dadurch verursacht worden, dass sie die vom Antragsgegner zu 2) überwiesenen Abschläge zur Schuldentilgung verwendet haben. Es obliegt den Antragstellern im Rahmen der ihnen zumutbaren Anwendungsmaßnahmen, die Abschläge wieder zur Begleichung der Forderungen des Energieversorgers zu verwenden.

Das SG hat daher im Ergebnis zutreffend den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz abgewiesen.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

III.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist zulässig, aber unbegründet.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Außerdem wird dem Beteiligten auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist in tatsächlicher Hinsicht in eng begrenztem Umfang auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung (Beweisantizipation) zulässig (BVerfG NJW 1997, 2745, 2746). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist aber anzunehmen, wenn eine Beweisaufnahme durchzuführen ist, weil die Entscheidung in der Hauptsache von der Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen abhängt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG NJW 2003, 2976, 2977; BSG SozR 3-1750 § 62 Nr. 19). Doch kann das Gericht im PKH-Bewilligungsverfahren Erhebungen anstellen, insbesondere auch Zeugen vernehmen, wenn auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob hinreichende Erfolgsaussicht für das Rechtsmittel besteht (§ 118 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da die erforderlichen Erfolgsaussichten nicht vorliegen. Hierzu wird auf die Ausführungen unter II. verwiesen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.


 

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Aus
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