S 38 SF 32/24 AB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 SF 32/24 AB
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

I. Die Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nach § 202 SGG in Verbindung mit § 227 ZPO steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, wobei von einem Ermessensfehlgebrauch auszugehen wäre, wenn bei Vorliegen erheblicher Gründe einem Antrag auf Aufhebung nicht stattgegeben würde.

II. Gehört der sachbearbeitende Anwalt einer Sozietät an, wurde aber ausschließlich einem bestimmten Prozessbevollmächtigten das Mandat erteilt und ist dieser terminlich verhindert oder erkrankt was es nachzuweisen gilt -, ist grundsätzlich einem Antrag auf Aufhebung des Termins stattzugeben, da aus der auf eine Person beschränkten Vollmachtserteilung abzuleiten ist, dass die Mandantschaft ihm besonderes Vertrauen entgegenbringt. Ist dagegen die Vollmacht der ganzen Sozietät erteilt, ist eine Aufhebung des Termins dann angezeigt, wenn der sachbearbeitende Anwalt an der Wahrnehmung des Termins aus sachlich einleuchtenden und nachweisbaren Gründen gehindert ist und die Mitglieder der Sozietät ihrerseits nachweisbar anderweitig terminlich gebunden sind. Steht im Fall der Verhinderung des sachbearbeitenden Anwalts ein anderes Mitglied der Sozietät zur Verfügung, ist dem Verlegungsantrag grundsätzlich nur dann stattzugeben, wenn der sachbearbeitende Anwalt eine besondere Qualifikation in der streitigen Materie aufweist, über die das zur Verfügung stehende Mitglied der Sozietät nicht verfügt oder sich der verhinderte sachbearbeitende Anwalt bereits sehr umfangreich in das Verfahren eingearbeitet hat.

III. Ausführungen des Richters im Zusammenhang mit dem Verlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten nach § 202 SGG i.V.m. § 227 ZPO, es sei keine besondere Qualifikation des bislang sachbearbeitenden Klagebevollmächtigten erkennbar, stellen keine zu einem Befangenheitsgrund führende Herabwürdigung dar. Vielmehr handelt es sich um eine Feststellung zu dessen besonderer Qualifikation in dem in dem jeweiligen Verfahren anzuwendenden Recht in Orientierung an den im Briefkopf ausgewiesenen Fachanwaltsbezeichnungen. Denn nur eine Beleidigung, verbale Entgleisung und Unsachlichkeit kann im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06.10.2011, Az 32 W 19/11).

 
Der Antrag, den Vorsitzenden der 21. Kammer des Sozialgerichts München wegen Besorgnis der Befangenheit im Verfahren S 21 R 817/22 abzulehnen, wird abgewiesen.


G r ü n d e :

I.
Beim Sozialgericht München ist unter dem Aktenzeichen S 21 R 817/22 ein Rechtsstreit anhängig, der gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 27.09.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2022 und den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 08.10.2019 gerichtet ist. Die Klagebegründung wurde von dem zunächst mandatierten Prozessbevollmächtigten gefertigt. Ein Wechsel in der anwaltlichen Vertretung fand im Februar 2023 statt, weshalb der für den 22.03.2022 anberaumte Termin einer mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München abgesetzt wurde. Mit Ladung vom 01.12.2023 wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung auf Mittwoch, 31.01.2024 um 12:30 Uhr bestimmt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellte mit Schriftsatz vom 05.12.2023 den Antrag, den Termin wegen einer Terminskollision zu verlegen. Denn der alleinige Sachbearbeiter habe vor dem Landgericht Traunstein eine bereits seit längerer Zeit anberaumte Hauptverhandlung (9:30 Uhr) wahrzunehmen. Dem folgte das gerichtliche Schreiben vom 07.12.2023, in dem darauf hingewiesen wurde, eine Terminkollision sei derzeit auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Uhrzeiten nicht erkennbar. Es werde um Vorlage der Ladung zum Landgericht Traunstein bis 14.12.2023 gebeten. Zudem werde angeregt, einen Kollegen der Sozietät mit der Wahrnehmung des Termins zu beauftragen oder binnen Frist ebenfalls unter Vorlage geeigneter Belege darzulegen, dass auch die Kollegen an der Wahrnehmung des Termins gehindert wären. Im Anschluss daran legte der Vorsitzende der 21. Kammer seine Rechtsauffassung zur Rechtslage dar und regte an, zu prüfen, ob das vorliegende Verfahren nicht durch Klagerücknahme beendet werden könne. Aus der dann übersandten Ladung des Landgerichts Traunstein ergibt sich, dass diese mit Schreiben vom 04.12.2023 erfolgte. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin betonte, die schriftliche Ladung des Landgerichts Traunstein sei erst zum 01.12.2023 (muss wohl heißen 04.12.2023) datiert, jedoch seien bereits vorher die Verhandlungstermine mit dem Landgericht Traunstein telefonisch abgestimmt worden. Es werde daher nochmals um Verlegung des Termins gebeten. Mit Beschluss vom 02.01.2024 wurde der Antrag der Klägerin, den für den 31.01.2024 anberaumten Termin aufzuheben und einen neuen Termin zu bestimmen, abgelehnt. Denn ein erheblicher Grund für die Verlegung des Termins nach § 202 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO liege nicht vor. Es bestehe nämlich keine Terminskollision, zumal von Seiten des Landgerichts Traunstein erst mit Schreiben vom 04.12.2023 die Ladung erfolgt sei. Auch sei es zumutbar, dass bei einer Terminskollision eine Vertretung durch einen Anwaltskollegen der Sozietät erfolgen könne. Im Übrigen sei es nicht ersichtlich, dass gerade der die Verlegung des nunmehr anberaumten Termins beantragende Rechtsanwalt sich so vertieft in das Verfahren eingearbeitet habe, dass er gegenüber einem seiner Kollegen einen nicht mehr einzuholenden Kenntnisstand erlangt habe. Nachdem auch keine besondere Qualifikation des bislang sachbearbeitenden Bevollmächtigten ersichtlich sei, die es unbedingt erfordern würde, dass gerade er den Termin wahrnehme, habe dem Verlegungsantrag nicht entsprochen werden können.
Mit Schreiben vom 30.01.2024 lehnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Vorsitzenden der 21. Kammer des Sozialgerichts München wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Antrag wurde auf mehrere Punkte gestützt. So wurde unter anderem wie folgt ausgeführt: "Die Ablehnung des Antrags auf Verlegung eines Termins bei offensichtlich vorliegender erheblicher Gründe stellt einen Umstand dar, der es aus objektiver Sicht des Ablehnenden gerechtfertigt erscheinen lässt, davon auszugehen, dass der das Gesuch Ablehnende nicht unvoreingenommen sei, den Termin ohne Rücksicht auf die Interessen des Ablehnenden um jeden Preis durchführen will." Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe einen kollidierenden Termin vor einem anderen Gericht vorgetragen. Dies stelle einen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung dar. Im Übrigen habe eine Partei Anspruch darauf, von einem Anwalt ihres Vertrauens vertreten zu werden. Die Klägerin wünsche, von dem Unterfertigten vertreten zu werden, der bisher den Fall bearbeitet habe und nicht von einem anderen Kollegen. Außerdem werde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unsachlich herabgewürdigt, nachdem in dem Beschluss über die Terminsverlegung ausgeführt werde, dass keine besondere Qualifikation des bislang sachbearbeitenden Klagebevollmächtigten ersichtlich sei, die es unbedingt erforderlich machen würde, dass gerade er den Termin wahrnehme. Schließlich führe gerade die Anregung im Schreiben des Gerichts vom 07.12.2023, zu prüfen, ob das Verfahren nicht durch Klagerücknahme beendet werden könne, zur Besorgnis der Befangenheit.
Zum Befangenheitsgesuch äußerte sich der Vorsitzende der 21. Kammer in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 30.01.2023. Er machte darauf aufmerksam, dass die zu den Gerichtsakten gereichte Vollmacht vom 14.02.2023 nicht allein dem sachbearbeitenden Klagevertreter F., sondern den Rechtsanwälten H. E., C. W., F., J. S., W. M., J. S. und N. B., insoweit der Sozietät erteilt worden sei. Der sachbearbeitende Prozessvertreter sei Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für Verkehrsrecht. Besondere Qualifikationen im Bereich des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI, die im hiesigen Klageverfahren womöglich nutzbar gemacht werden könnten, und insoweit den sachbearbeitenden Bevollmächtigten von seinen Sozietätskollegen deutlich unterscheiden würden, würden mit den Fachanwaltstiteln aber gerade nicht nachgewiesen. Dieser habe keinen erheblichen Wissensvorsprung, weshalb nicht ersichtlich sei, warum ein besonderes, aus der Qualifikation des Sachbearbeiters rührendes Interesse an der alleinigen Vertretung bestehen sollte.
Die dienstliche Stellungnahme wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.03.2024 zugeleitet. Einem Verlängerungsantrag bis 19.03.2024 wurde stattgegeben. Zur dienstlichen Stellungnahme äußerte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 19.03.2024. Darin wies er wiederholt und insbesondere darauf hin, die Klägerin wünsche von dem sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten vertreten zu werden, der den Fall bearbeitet habe und nicht durch einen Kollegen.


II.

Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann eine Richterin/ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen ihre/seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der Richterin/des Richters zu zweifeln. Wird eine Besorgnis der Befangenheit durch Beschluss bestätigt, entscheidet an Stelle der abgelehnten Richterin/des abgelehnten Richtersihre Vertreterin/ihr Vertreter gem. Geschäftsverteilung (§ 21e GVG).
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Ablehnungsgesuch liegen vor. Insbesondere hat der Prozessbevollmächtigte den Ablehnungsgrund/die Ablehnungsgründe nach § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht.
Grundsätzlich kann die Ablehnung, einen Termin der mündlichen Verhandlung zu verlegen und einen neuen Termin zu bestimmen, ein Befangenheitsgesuch begründen.
Nach § 202 SGG in Verbindung mit § 227 ZPO kann ein Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben werden. Die Vorschrift dient dem Beschleunigungs-und Konzentrationsgebot (vgl. Thomas-Putzo, Kommentar zur ZPO, Rn. 4 zu § 227). Es müssen erhebliche Gründe vorliegen, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs die Aufhebung des Termins und die Zurückstellung des Beschleunigungsgebots und Konzentrationsgebots rechtfertigen. Die Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung steht somit grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, wobei von einem Ermessensfehlgebrauch auszugehen wäre, wenn bei Vorliegen erheblicher Gründe einem Antrag auf Aufhebung nicht stattgegeben würde.
Die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten wegen einer Terminskollision kann grundsätzlich die Notwendigkeit einer Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nach sich ziehen. Fraglich ist hier aber, ob überhaupt eine Terminskollision besteht; denn die Terminierung vor dem Landgericht Traunstein war am 31.01.2024 auf 9:30 Uhr festgelegt, während der Termin beim Sozialgericht München für 31.01.2024 um 12:30 Uhr bestimmt war. Dies bedeutet, dass zwischen beiden Terminen 3 Stunden dazwischenliegen. Nach web.de beträgt die Fahrzeit zwischen den Gerichtsorten Traunstein und München 1 Stunde 24 Minuten. Es kommt daher auf die Verfahrensdauer beim Landgericht Traunstein an. Insbesondere, wenn eine Beweisaufnahme (Zeugeneinvernahme/Zeugeneinvernahmen) erfolgt, ist sicherlich mit einer längeren Verfahrensdauer vor dem Landgericht Traunstein zu rechnen. Der in Ablichtung übersandten Ladung des Landgerichts Traunstein ist aber nicht zu entnehmen, ob und in welchem Umfang eine Beweisaufnahme am 31.01.2024 geplant war. Außerdem hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hierzu nichts vorgetragen. Es handelt sich somit zwar um eine tagmäßige Terminskollision, nicht aber unbedingt um eine uhrzeitmäßige Terminskollision.
Selbst wenn von einer zu beachtenden Terminskollision auszugehen wäre, ist grundsätzlich auf die frühere Ladung abzustellen. Eine frühere Ladung geht einer nachfolgenden Ladung zur mündlichen Verhandlung vor mit der Folge, dass der Termin der früheren Ladung wahrzunehmen ist. Hier steht fest, dass das Ladungsschreiben des Sozialgerichts München das Datum 01.12.2023, das Ladungsschreiben des Landgerichts Traunstein das Datum 04.12.2023 trägt. Insofern wäre die Ladung zum Sozialgericht München als vorrangig anzusehen. Allerdings ist einzuräumen, dass es sein kann, dass die Termine beim Landgericht Traunstein bereits mündlich abgesprochen und vereinbart wurden, wie vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin behauptet wurde. Dies scheint insbesondere bei umfangreicheren Verfahren im Strafrecht üblich. Hierzu hat der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte aber nichts Konkretes vorgetragen, insbesondere nicht vorgetragen, wann und mit wem eine solche mündliche Vereinbarung getroffen wurde. Letztendlich kommt es aber darauf nicht an. Denn der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist Mitglied einer aus sechs Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälten bestehenden Sozietät.
In diesem Fall gilt folgendes: Wurde ausschließlich einem bestimmten Prozessbevollmächtigten das Mandat erteilt und ist dieser terminlich verhindert oder erkrankt - was es nachzuweisen gilt -, ist grundsätzlich einem Antrag auf Aufhebung des Termins stattzugeben, da aus der auf eine Person beschränkten Vollmachtserteilung abzuleiten ist, dass die Mandantschaft ihm besonderes Vertrauen entgegenbringt. Ist dagegen die Vollmacht der ganzen Sozietät erteilt, ist eine Aufhebung des Termins dann angezeigt, wenn der sachbearbeitende Anwalt an der Wahrnehmung des Termins aus sachlich einleuchtenden und nachweisbaren Gründen gehindert ist und die Mitglieder der Sozietät ihrerseits nachweisbar anderweitig terminlich gebunden sind. Steht im Fall der Verhinderung des sachbearbeitenden Anwalts ein anderes Mitglied der Sozietät zur Verfügung, ist dem Verlegungsantrag stattzugeben, wenn der sachbearbeitende Anwalt eine besondere Qualifikation in der streitigen Materie aufweist, über die das zur Verfügung stehende Mitglied der Sozietät nicht verfügt, auch nicht zu erwarten ist, dass sich dieses bis zum Termin in die fremde Materie entsprechend einarbeiten kann und die Klagepartei deshalb dem sachbearbeitenden Anwalt besonderes Vertrauen entgegenbringt. Eine Verlegung des Termins ist auch dann angezeigt, wenn sich der verhinderte sachbearbeitende Anwalt bereits sehr umfangreich in das Verfahren eingearbeitet hat, das Mitglied der Sozietät aber keine Möglichkeit hat, sich bis zum Termin der mündlichen Verhandlung annähernd so einzuarbeiten und die Klagepartei deshalb dem sachbearbeitenden Anwalt besonderes Vertrauen entgegenbringt.
Es handelt sich hier nicht um ein Mandat, das speziell nur e i n e m Prozessbevollmächtigten erteilt wurde. Vielmehr bezieht sich die Vollmacht auf die Sozietät. Daraus ergibt sich gerade nicht der Wunsch der Klägerin, von einem bestimmten Prozessbevollmächtigten vertreten zu werden. Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte ist Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für Verkehrsrecht, er ist aber, wie der Vorsitzende der 21. Kammer des Sozialgerichts München in seiner dienstlichen Stellungnahme zutreffend ausgeführt hat, kein Fachanwalt für Sozialrecht, genauso wenig wie die Mitglieder der Sozietät (Fachanwälte für Familienrecht, Strafrecht, Verkehrsrecht, Miet-und Wohnungseigentumsrecht, Arbeitsrecht, Anwälte ohne Fachgebiet). Eine besondere Expertise im Rentenrecht ist weder beim sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten, noch bei den Mitgliedern der Sozietät erkennbar, weshalb die Wahrnehmung des Termins grundsätzlich auch von anderen Mitgliedern der Sozietät erfolgen kann. Etwas Anderes kann nur gelten, wenn sich der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte bereits so intensiv in das Verfahren eingearbeitet hat, dass er einen erheblichen Wissensvorsprung hat, den ein das Verfahren übernehmender Kollege bis zur mündlichen Verhandlung nicht annähernd erwerben kann. Je komplexer ein Verfahren ist, umso mehr erscheint es angemessen, dass das Verfahren durch den sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten geführt wird und eine Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung nicht durch Dritte erfolgt.
Hier ist die Klage von dem früheren Prozessbevollmächtigten begründet worden. Zusätzliche Ausführungen zur Sache hat der nunmehr sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte nicht gemacht. Insofern ist ein zu berücksichtigender, nicht uneinholbarer Wissensvorsprung des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten nicht erkennbar. Es erscheint daher nicht ermessensfehlerhaft, wenn im Rahmen des dem Gericht nach § 202 SGG in Verbindung mit § 227 ZPO zustehenden Ermessens dem Verlegungsantrag des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten im Beschluss des Gerichts vom 02.01.2024 nicht stattgegeben wurde. Insofern führt die ermessensfehlerfreie Ablehnung des Verlegungsantrags im Beschluss vom 02.01.2024 zu keinem Befangenheitsgrund.
Auch stellt die Anregung des Vorsitzenden der 21. Kammer in seinem Schriftsatz vom 07.12.2023 im Anschluss an die Darlegung der aus Sicht des Vorsitzenden bestehenden Sach-und Rechtslage, zu überprüfen, ob die Klage nicht zurückgenommen wird, keinen Befangenheitsgrund dar. Zur Vermeidung sogenannter Überraschungsentscheidungen besteht nämlich hierzu sogar eine Verpflichtung. Sie entspricht dem Amtsermittlungsgrundsatz aus §§ 103, 106 SGG. Vielmehr hat der Vorsitzende der 21. Kammer seiner Hinweispflicht mehr als genügt, indem er umfangreich zur Sach- und Rechtslage ausgeführt hat.
Letztendlich kann auch nicht aus den Ausführungen des Vorsitzenden der 21. Kammer, es sei keine besondere Qualifikation des bislang sachbearbeitenden Klagebevollmächtigten ersichtlich, die es unbedingt erforderlich machen würde, dass gerade er den Termin wahrnehme, auf eine Voreingenommenheit und nicht objektive Einstellung des Richters geschlossen werden. Es handelt sich hierbei nicht um eine Herabwürdigung der Qualifikation des sachbearbeitenden Klägerbevollmächtigten, sondern lediglich um eine Feststellung zu dessen besonderer Qualifikation in dem in dem jeweiligen Verfahren anzuwendenden Recht, hier im Recht der Rentenversicherung in Orientierung an den im Briefkopf ausgewiesenen Fachanwaltsbezeichnungen. Denn nur eine Beleidigung, verbale Entgleisung und Unsachlichkeit kann im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06.10.2011, Az 32 W 19/11).
Bei vernünftiger Würdigung aller Umstände besteht somit keinerlei Anlass, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Vorsitzenden der 21. Kammer zu zweifeln. Aus den genannten Gründen war der Antrag, den Vorsitzenden der 21. Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, abzuweisen.

 

Rechtskraft
Aus
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