Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.05.2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Der 0000 geborene Kläger beantragte unter Darlegung psychischer Beschwerden die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Antrag vom 26.02.2019).
Die Beklagte holte medizinische Unterlagen ein und veranlasste eine Begutachtung durch den Arzt für Nervenheilkunde O., der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung des Klägers eine leichte bis mittelschwere chronische depressive Entwicklung in Form einer Dysthymia, somatoforme Störungen, psychosoziale Belastungsfaktoren und ein Wirbelsäulenleiden mit leichten bis mittelgradigen Funktionsstörungen ohne neurologische Ausfallsymptome diagnostizierte. Er gelangte zu der Einschätzung, der Kläger könne unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch täglich sechs Stunden und mehr körperlich leichte und mittelschwere Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten.
Dem folgend lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht vorlägen (Bescheid vom 03.02.2020; Widerspruchsbescheid vom 26.08.2020).
Hiergegen hat der Kläger am 06.09.2020 Klage beim Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben. Aufgrund einer erheblichen chronifizierten psychischen Belastung bestehe eine relevante Leistungsminderung, deren Besserung in nächster Zeit nicht vorstellbar sei. Regelmäßige ambulante psychiatrische Behandlungen hätten bisher keinen Erfolg erbracht, sodass seit 0000 mehrfach stationäre Behandlungen in der Psychiatrie der Y. X. erforderlich geworden seien.
Das SG hat Befund- und Behandlungsberichte der den Kläger behandelnden Ärzte sowie im Anschluss hieran ein Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie F. eingeholt. Nach ambulanter, einschließlich testpsychologischer Untersuchung des Klägers unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin sind durch den Sachverständigen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradiger Episode, sowie ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom im LWS-Bereich, ohne neurologisches Defizit, diagnostiziert worden (Gutachten vom 22.12.2021). In der Selbstbeurteilung beschreibe der Kläger ein deutlich höheres Maß an Depressivität, als sich in der Befunderhebung dokumentieren lasse. Durch die Aktenlage gestützt, sei bei diesem ein ausgeprägtes regrediertes Verhalten mit hohem Versorgungswunsch zu beobachten. Unter Berücksichtigung konkret bezeichneter qualitativer Leistungseinschränkungen könne der Kläger noch körperlich leichte sowie geistig einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten. Längere Ausfallzeiten seien nicht zu erwarten.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten der Sachverständigen E. vom 05.12.2022, ebenfalls auf Grundlage ambulanter Untersuchung des Klägers unter Hinzuziehung eines Dolmetschers, eingeholt. Testpsychologische Untersuchungen sind von der Sachverständigen unter Hinzuziehung der Diplom-Psychologin S. durchgeführt worden. E. hat eine generalisierte Angststörung, eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradigen und schweren Episoden und schwerer Chronifizierung diagnostiziert. Aus der Aktenlage ergebe sich zudem eine Hypoakusis beidseits, eine chronische Hepatitis B mit Steatosis hepatis, ein Glaukom, eine Dyspepsie, ein Vitamin B-Mangel, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom und ein Tinnitus aurium. Der Kläger könne selbst unter Beachtung qualitativer Einschränkungen weniger als drei Stunden und dies auch nicht regelmäßig an fünf Tagen pro Woche, zudem nicht mehr unter betriebsüblichen Bedingungen arbeiten. Die zu erwartenden Ausfallzeiten näherten sich sicher der Hälfte der Jahresarbeitszeit an. Es könne nicht mehr sicher rekonstruiert werden, ob dieses Leistungsbild bereits mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seit Rentenantragstellung bestanden habe. Es bestehe unter Berücksichtigung der Befunde des behandelnden Nervenarztes, der eine Chronifizierung seit Jahren beschreibe, in jedem Fall ab dem Zeitpunkt ihrer Untersuchung.
Das SG hat hierauf eine ergänzende Stellungnahme des F. vom 28.04.2023 eingeholt, der bei seiner Beurteilung verblieben ist. Der Diagnose einer generalisierten Angststörung stimme er insbesondere unter Berücksichtigung der Aktenlage, aber selbst auf der Grundlage des von Frau E. anamnestisch erhobenen Beschwerdebildes nicht zu. Soweit die Sachverständige letztlich von einer Verschlimmerung des Krankheitsbildes zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung ausgehe, sei zu bemerken, dass hinsichtlich der Befunderhebung keine wesentliche Varianz zu den Vorbegutachtungen zu erkennen sei. Die letztlich alleinige Ableitung der diagnostischen Einordnung und Leistungsbeurteilung aus testpsychologischen Selbstbeurteilungsinstrumenten sei nicht valide. Es bedürfte insoweit jedenfalls der Konsistenzprüfung über psychische und kognitive Beschwerdevalidierungsuntersuchungen.
Im Anschluss hat das SG erneut Befundberichte behandelnder Ärzte des Klägers einschließlich der psychiatrischen Behandlungsdokumentation eingeholt.
Der Kläger hat unter Verweis auf ergänzend vorgelegte Stellungnahmen seines Psychiaters vom 16.02.2022 und 08.05.2023 die Ansicht vertreten, das ausführliche Gutachten nach § 109 SGG sei durch die ergänzende Stellungnahme des F. nicht zu widerlegen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2020 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte, die den angefochtenen Bescheid als zutreffend erachtet hat, hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des O. vom 20.03.2023 hat sie an ihrer Auffassung festgehalten, dass das Gutachten der Sachverständigen E. nicht überzeuge. Diese beschreibe eine Verschlimmerung im Krankheitsbild, wiewohl sich die ambulante psychiatrische Behandlungsfrequenz von einem auf drei Monate erweitert habe und keine psychotherapeutischen Behandlungsmaßahmen ergriffen worden seien. Frau E. stütze sich auf das Ergebnis von Selbstbeurteilungsskalen, die im Rahmen einer sozialmedizinischen Begutachtung nicht sicher interpretiert werden könnten. Beschwerdevalidierungsverfahren seien hingegen nicht eingesetzt worden.
Mit Einverständnis der Beteiligten hat das SG durch Urteil vom 29.05.2024 ohne mündliche Verhandlung entschieden. Es hat den Klageantrag dahingehend ausgelegt, dass der Kläger Leistungen ausgehend von einem bei Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfall begehre und die Klage abgewiesen. Der wegefähige Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Sein Leistungsvermögen sei lediglich in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht eingeschränkt. Er könne körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes regelmäßig an fünf Tagen in der Woche unter betriebsüblichen Bedingungen mindestens sechs Stunden verrichten. Dies folge insbesondere aus dem Gutachten des F. vom 22.12.2021, das der Sachverständige nach eingehender Untersuchung und Befunderhebung unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen erstattet habe. Die Leistungsbeurteilung sei schlüssig, plausibel, in sich widerspruchsfrei und würdige die Gesundheitsstörungen des Klägers hinreichend.
Das Gutachten der Sachverständigen E. vom 05.12.2022 sei nicht geeignet, die Beurteilung des F. in Zweifel zu ziehen. Deren abweichende Leistungsbeurteilung überzeuge unter Beachtung der ergänzenden Stellungnahme des F. vom 28.04.2023 nicht. Ihre Annahme, das Krankheitsbild des Klägers habe sich nach der Untersuchung des F. im Dezember 2021 bis zu ihren eigenen Untersuchungen im Juli 2022 verschlechtert, stehe im Widerspruch zu den Ausführungen des den Kläger behandelnden Psychiaters R., der im Bericht aus November 2023 einen seit dem Vorbericht aus Dezember 2020 unveränderten Befund bei gleichgebliebenem Beschwerdebild mitgeteilt habe. Aus der Behandlungsdokumentation ergebe sich dabei unter dem 29.11.2022, dass Antrieb und Initiative des Klägers intakt sowie Aufmerksamkeit und Konzentration ungestört gewesen seien. Am 06.02.2023 und 11.09.2023 habe Herr R. das Fortbestehen dieses Befundes dokumentiert. Der Plausibilität der Leistungsbeurteilung der Sachverständigen E. stehe auch die Konsultation des behandelnden Psychiaters im lediglich Dreimonatsturnus entgegen. Psychotherapeutische Maßnahmen fehlten vollständig, eine stationäre psychiatrische Behandlung sei zuletzt im Jahr 2019 erfolgt. Es mangele daher an der bei einer Verschlechterung naheliegenden Therapieeskalation. Während die Annahme einer Befundverschlechterung wesentlich auf testpsychologischen Selbstbeurteilungsuntersuchungsverfahren beruhe, fehle dem Gutachten der Frau E. die unerlässliche Beschwerdevalidierung und Konsistenzprüfung.
Soweit die behandelnde Hausärztin sowie der behandelnde Psychiater die Leistungsbeurteilung der Sachverständigen E. teilten, habe eine Auseinandersetzung, weshalb bestehenden körperlichen und psychischen Einschränkungen des Klägers nicht durch qualitative Leistungseinschränkungen hinreichend Rechnung getragen werden könne, nicht stattgefunden.
Gegen das ihm am 19.06.2024 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.07.2024 Berufung eingelegt. Er könne sich dem Ergebnis des Gutachtens des F. nicht anschließen. Zu verweisen sei auf das Gutachten der E. sowie Rehabilitationsentlassungsberichte. Eine Wiederherstellung des Leistungsvermögens sei nicht gelungen und - auch unter Berücksichtigung u. a. der hausärztlichen Befundberichte - eher von einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes auszugehen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.05.2024 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 03.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2020 verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für überzeugend hält, beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Sachverständigengutachten des N. vom 12.11.2024 eingeholt. Die Anamnese und ambulante Untersuchung, einschließlich einer durchgeführten Testpsychologie mit Beschwerdevalidierungsverfahren hat der Sachverständige dem Wunsch des Klägers entsprechend in türkischer Sprache durchgeführt und ist – hierauf und auf dem sonstigen Akteninhalt beruhend – zu der Diagnose einer Dysthymia gelangt. Darüber hinaus bestehe ein degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom, eine Hepatitis B, ein Tinnitus aurium und (anamnestisch) Schwerhörigkeit. Er teile die Leistungseinschätzungen des O. und des F. im Wesentlichen. Der Kläger könne unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen noch ständig körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten sowie geistig mittelschwierige Arbeiten unter betriebsüblichen Bedingungen sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche verrichten. Mit längeren Ausfallzeiten sei dabei nicht zu rechnen. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Dem Gutachten der M. sei entgegenzuhalten, dass sich die Diagnose einer generalisierten Angststörung auch aus der Anamnese nicht annähernd begründen lasse. Soweit die Sachverständige eine rezidivierende depressive Störung mittelgradiger und schwerer Episode diagnostiziert habe, bilde sich ein entsprechender Befund nicht ab. Hinsichtlich der etwa in einem Entlassungsbericht der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie der Y. X. über eine zwischenzeitlich erneute stationäre Behandlung von Dezember 2023 bis Februar 2024 angegebenen schwerwiegenderen psychiatrischen Diagnose sei zu berücksichtigen, dass auf Grundlage seiner eigens durchgeführten testpsychologischen Beschwerdevalidierung, einiger inkonsistenter Angaben und fehlender Plausibilität der in der körperlichen Untersuchung demonstrierten Kraftlosigkeit von Aggravation und Simulation ausgegangen werden müsse.
Der Senat hat mit Schreiben vom 19.12.2024 darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg biete und beabsichtigt sei, diese gem. § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Die Beteiligten haben sich weder zum Gutachten des N. noch hierauf geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers wird durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 S. 1 SGG zurückgewiesen. Zur Möglichkeit einer solchen Entscheidung sind die Beteiligten durch den erkennenden Senat mit Schreiben vom 19.12.2024 angehört worden (§ 153 Abs. 4 S. 2 SGG).
Gem. § 153 Abs. 4 S. 1 SGG kann der Senat die Berufung außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 S. 1 SGG durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Möglichkeit besteht auch im Falle der Entscheidung des SG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (vgl. BSG Beschl. v. 06.08.2019 – B 13 R 233/18 B – juris Rn. 11 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Im Klageverfahren hat das SG mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine mündliche Verhandlung wird nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nicht für erforderlich gehalten. Der Sachverhalt ist umfassend ermittelt, eine ergänzende Sachverhaltsaufklärung nicht mehr erforderlich. Das erstmalige Vorbringen noch nicht vorgetragener Tatsachen oder rechtlicher Gesichtspunkte in einem Verhandlungstermin ist nicht zu erwarten. Schließlich ist ein weiterer Vortrag durch den Kläger – insbesondere eine Auseinandersetzung mit dem zweitinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten des N. – nicht angekündigt worden. Andere Aspekte, die nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 03.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2020 (§ 95 SGG). Mit der Auffassung des SG legt der Senat das Klage- und Berufungsbegehren dahingehend aus (§ 123 SGG), dass der Kläger Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderungsrente, ausgehend von einem bei Antragstellung eingetretenen Leistungsfall begehrt. Insbesondere hat der Kläger weder eine zeitliche Beschränkung (teilweise Klagerücknahme) i.S.e. Leistungsfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung der Sachverständigen E. zum Ausdruck gebracht, noch sich im Berufungsverfahren gegen die Auslegung seines Klagebegehrens durch das SG gewendet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, da er nicht rechtswidrig ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem SGB VI.
Gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 SGB VI haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 und Abs. 2, je Nr. 2 und 3 SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind bzw. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI) und voll erwerbsgemindert – neben weiteren, hier nicht gegebenen besonderen Voraussetzungen – Versicherte, denen dies nicht mindestens drei Stunden täglich möglich ist (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Die Erwerbsminderung muss auf nicht absehbare Zeit bestehen (§ 43 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 2 S. 2 SGB VI), d.h. sich prognostisch über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten erstrecken (vgl. § 101 Abs. 1 SGB VI; BSG Urt. v. 23.03.1977 – 4 RJ 49/76 – juris Rn. 15; Senatsbeschl. v. 22.05.2023 – L 8 R 488/23 – juris Rn. 30; Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. 2021, § 43 Rn. 103 m.w.N.). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 43 SGB VI müssen im Vollbeweis, d.h. mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, feststehen (vgl. z.B. Senatsurt. v. 04.05.2022 – L 8 R 945/12 ZVW – juris Rn. 35 m.w.N.; Senatsbeschl. v. 20.09.2023 – L 8 R 788/22 – juris Rn. 27).
Diese Voraussetzungen eines Rentenanspruchs wegen Erwerbsminderung liegen nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst auf die Würdigung durch das SG Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das (wiederholende) knappe Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Im Gegenteil hat die Beweiserhebung des Senats die Entscheidung des SG bestätigt. So ist (auch) vom Sachverständigen N. nach sorgfältiger Anamnese und eingehender (testpsychologischer) Befunderhebung einschließlich einer überzeugenden kritischen Beschwerdevalidierung unter Berücksichtigung der vollständigen medizinischen Aktenlage bei dem Kläger trotz bestehender qualitativer Einschränkungen nachvollziehbar ein positives Leistungsbild für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten sowie geistig mittelschwierige Arbeiten unter betriebsüblichen Bedingungen für sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche festgestellt worden. Die Leistungsbeurteilung deckt sich im Wesentlichen mit den Feststellungen des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen F. in dessen Gutachten vom 22.12.2020. Sie wird darüber hinaus durch das verwaltungsseitig eingeholte Gutachten des O. vom 10.01.2020 bestätigt. Auch bei Abschluss der (einzigen) Rehabilitationsbehandlung in der Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie der I. ist der Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Anforderungen als vollschichtig leistungsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erachtet worden (Entlassungsbericht vom 02.02.2018). Daher bleibt unverständlich, weshalb der Kläger sich zur Begründung seiner Berufung auf „die Rehabilitations-Entlassungsberichte“ bezieht.
Die abweichende Leistungsbeurteilung des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens der E. überzeugt aus den vom SG – unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme des F. vom 28.04.2023 sowie der sozialmedizinischen Stellungnahme des O. für die Beklagte vom 20.03.2023 – treffend dargelegten Gründen nicht. Auch N. hat nachvollziehbar erläutert, weshalb bereits die abweichenden Diagnosen der Sachverständigen nach § 109 SGG nicht befundgetragen sind. Die wesentlich die Eigenbeurteilung des Klägers einbeziehende Leistungsbewertung der Sachverständigen E. wird durch die Beschwerdevalidierung des Sachverständigen N. - die Aggravations- und Simulationsnachweise erbracht hat - weiter entkräftet. Auch F. hatte bereits in seinem Gutachten vom 22.12.2021 angemerkt, dass der Kläger in der Selbstbeurteilung ein deutlich höheres Maß an Depressivität beschreibe, als sich in der Befunderhebung habe dokumentieren lassen. Zusätzlich hätte die auffällig-plakative Demonstration schwankender Vergesslichkeit und Hilflosigkeit des Klägers im Rahmen ihrer Exploration Frau E. zu einer Konsistenzprüfung veranlassen müssen, die sie indes verabsäumt hat.
Soweit der Kläger sich in der Berufungsbegründung erneut auf die Einschätzung ihn behandelnder Ärzte bezieht, vermag der Senat dem ebenfalls nicht zu folgen. Er misst dem Urteil gerichtlicher Sachverständiger in freier Beweiswürdigung (§ 128 SGG) einen höheren Beweiswert zu als Einschätzungen und Bescheinigungen der behandelnden Ärzte. Zu beachten ist dabei zunächst, dass Sachverständige den zu begutachtenden Klägern neutral gegenüberstehen, wohingegen das dauerhafter angelegte Arzt-Patienten-Verhältnis häufig von einer persönlichen Vertrauensbindung sowie der beabsichtigten therapeutischen Unterstützung geprägt wird. Darüber hinaus liegt der Konsultation von behandelnden Ärzten eine gänzlich andere Zielrichtung zugrunde als der Begutachtung durch ärztliche Sachverständige im Rahmen eines Verwaltungs- bzw. gerichtlichen Verfahrens. So soll die haus- und fachärztliche Behandlung Leiden der Patientin bzw. des Patienten feststellen, um diese kurativ zu lindern bzw. zu beseitigen oder deren Verschlimmerung präventiv zu begegnen. Entsprechend sind Anamnese, Befundung und Diagnostik (allein) selektiv auf eine etwaige Therapie gerichtet. Die Sachverständigenbegutachtung hingegen dient der umfassenden (fach-)ärztlichen Aufklärung des gesamten Gesundheitszustandes und der anschließenden Beurteilung im Hinblick auf die konkrete sozialversicherungsrechtliche Fragestellung. So obliegt es den Sachverständigen nicht nur, die bestehenden Leiden genau und vollumfänglich zu ermitteln, sondern darüber hinaus in einem zweiten Schritt, diejenigen hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen festzustellen, denen im jeweiligen sozialversicherungsrechtlichen Kontext Relevanz zukommt. Schließlich ist dann – nach Konsistenzprüfung – in einer Gesamtschau aller vorhandenen ärztlichen Berichte und der eigenen Befunde eine präzise den vorgegebenen beweisrechtlichen Fragen folgende, begründete sozialversicherungsrechtliche Gesamtbeurteilung vorzunehmen. Hierfür bedarf es neben der allgemeinen ärztlich-medizinischen Kompetenz noch zusätzlicher Spezialkenntnisse, über die behandelnde Ärzte regelmäßig nicht verfügen (vgl. u.a. Senatsbeschl. v. 24.05.2023 – L 8 R 446/22 – juris Rn. 34). Eine solche sozialmedizinische Expertise ist weder den Befundberichten und Stellungnahmen des behandelnden Psychiaters R. noch der behandelnden Hausärztin W. zu entnehmen. Herr R. hat ohne differenzierten zeitlichen Bezug, wie N. nachvollziehbar bemerkt, nicht miteinander vereinbare psychiatrische Diagnosen einer Dysthymia, einer Anpassungsstörung und einer mittelgradigen depressiven Episode gestellt. Während eine schwere depressive Episode zurückliege, hat er die Beschwerden des Klägers im Behandlungszeitraum von Dezember 2015 bis Dezember 2020 als unverändert bezeichnet. Auch der Einschätzung des Herrn R., der Kläger sei seit Jahren nicht mehr belastbar, als chronifiziert einzustufen und daher nicht mehr arbeitsfähig bzw. „völlig überfordert, absolut leistungsunfähig“ fehlt (bei zudem zuletzt abnehmenden Konsultationen) jegliche sozialmedizinische Differenzierung im Hinblick auf den rechtlichen Maßstab einer Erwerbsminderung. Gleiches gilt für die – fachfremd – von der Hausärztin des Klägers seit 2017 angenommene „schwere“ depressiven Störung, aus der sie - ohne weitere Erläuterung - abgeleitet hat, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, eine leichte körperliche Tätigkeit von sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu einer Befundbesserung sei es nicht gekommen (Befundberichte vom 04.01.2021 und 06.11.2023). Zutreffend hat bereits das SG darauf hingewiesen, dass es insbesondere an einer Darlegung mangelt, weshalb mit qualitativen Anforderungen an eine zu verrichtende Erwerbstätigkeit den Leistungsgrenzen des Klägers nicht hinreichend Rechnung getragen werden könnte.
Unter Würdigung des sich aus den gesamten Befunden darstellenden Bildes eines zwar qualitativen Einschränkungen unterliegenden, jedoch quantitativ hinreichenden (Rest-)Leistungsvermögens im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI kann der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen noch erwerbstätig sein. So ist davon auszugehen, dass Versicherten, die (jedenfalls) noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten – ggf. unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen – wenigstens sechs Stunden täglich verrichten können, Arbeitsplätze zur Verfügung stehen und sie daher regelmäßig in der Lage sind, „erwerbstätig zu sein“ (sog. „offener“ Arbeitsmarkt). Arbeitsplätze, auf denen ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten zu erbringen sind, sind auch heute nicht generell „unüblich“ (vgl. ausführlich BSG Urt. v. 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – juris Rn. 26 f.; Senatsbeschl. v. 20.09.2023 – L 8 R 788/22; Beschl. v. 24.05.2023 – L 8 R 446/22 – juris Rn. 31). Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Art der (qualitativen) Leistungseinschränkungen ist in den Fällen eines noch ausreichenden positiven (Rest-)Leistungsvermögens in typischen Arbeitsfeldern wie z.B. dem Bedienen von Maschinen, dem Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen nicht erforderlich (vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – juris Rn. 32 m.w.N.; Urt. v. 19.10.2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rn. 31, 36). Dass der Kläger entsprechende Tätigkeitsfelder noch ausüben kann, haben die Sachverständigen N. und F. ausdrücklich bestätigt, so dass ernste Zweifel an seiner Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als Folge der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen nicht bestehen. Fehlt es an derartigen Zweifeln, bedurfte es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit zum Ausschluss eines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht (vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – juris Rn. 26 f.; Urt. v. 09.05.2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rn. 27; Urt. v. 19.10.2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rn. 37 m.w.N.). Ohne Relevanz ist in diesem Zusammenhang auch, ob der Kläger eine konkrete Arbeitsstelle tatsächlich findet (vgl. z.B. BSG Urt. v. 19.10.2011 – B 13 R 78/09 R – juris Rn. 26).
Einer der von der Rechtsprechung des BSG entwickelten sogenannten Katalogfälle, bei denen der Arbeitsmarkt ggf. als verschlossen anzusehen ist (vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.12.2019 – B 13 R 7/18 R – juris Rn. 17), liegt nicht vor. Nach der auch insoweit überzeugenden Einschätzung der Sachverständigen F. und N. ist der Kläger bei der Ausübung einer leidensgerechten Tätigkeit insbesondere nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen. Auch liegt keine Einschränkung seiner Wegefähigkeit vor, da er die rentenrechtlich relevanten Wegstrecken von viermal etwas mehr als 500 Metern in jeweils weniger als 20 Minuten nach den auch insoweit nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen F. und N. zumutbar zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen kann. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Leistungsvermögen des Klägers Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder für eine schwere spezifische Leistungsbehinderung.
Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Beweisaufnahme nicht notwendig. Der medizinische Sachverhalt ist hinreichend aufgeklärt. Liegen mehrere Gutachten vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten im Sinne von § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde der Gutachter geben (vgl. BSG Beschl. v. 27.01.2021 – B 13 R 123/20 B – juris Rn. 7; Senatsbeschl. v. 05.01.2022 – L 8 R 752/16 – juris Rn. 63). Dies ist hier nicht der Fall. Das Vorliegen weiterer Beeinträchtigungen gleichwohl zu prüfen, wäre einer Beweiserhebung "ins Blaue hinein" gleichgekommen, zu der das Gericht weder nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. BSG Beschl. v. 28.10.2020 – B 5 R 162/20 B – juris Rn. 11 m.w.N.) noch aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet ist (vgl. BVerfG Beschl. v. 09.10.2007 – 2 BvR 1268/03 – juris Rn. 19; BSG Beschl. v. 28.02.2018 – B 13 R 279/16 B – juris Rn. 21).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 S. 1 i.V.m. § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.