L 9 AS 380/22

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 29 AS 617/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 380/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


I.    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. August 2022 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 535,08 Euro zu zahlen.
II.    Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
III.    Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Erstattungsanspruch des Klägers aufgrund aufstockend gezahlter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum 5. bis 30. November 2018 gegenüber der Beklagten streitig.

Die 1957 geborene und bei der Beklagten versicherte Frau A. (im folgenden: Versicherte) übte von 2014 durchgehend bis Juni 2017 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus, für welche auch Beiträge an die Beklagte abgeführt wurden. Anschließend bezog sie bis zum hier streitigen Zeitraum bei der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld I in Höhe von kalendertäglich 20,58 Euro und aufstockend Leistungen nach dem SGB II von dem Kläger. Für den Monat November 2018 bewilligte der Kläger der Versicherten mit Bescheid vom 2. Juli 2018 zunächst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 320,27 Euro, wobei der Kläger Einkommen aus Arbeitslosengeld I in Höhe von 516,30 Euro abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 30,00 Euro bedarfsmindernd anrechnete. 

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 bewilligte die Beklagte der Versicherten eine stationäre medizinische Rehabilitation, an welcher die Versicherte sodann kurzfristig im Zeitraum vom 5. bis 30. November 2018 teilnahm. Infolge dessen wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld I mit Wirkung zum 5. November 2018 von der Bundesagentur für Arbeit aufgehoben (Aufhebungsbescheid vom 10. Dezember 2018). Diese hatte jedoch im Zeitraum vom 10. bis 12. November 2018 und für den 20. November 2018 Arbeitslosengeld I in Höhe von 20,58 Euro kalendertäglich an die Versicherte ausgezahlt.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018, bei der Beklagten eingegangen am 28. Dezember 2019, meldete der Kläger bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 102 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i. V. m. § 40a SGB II im Hinblick auf das aufstockend gezahlte Arbeitslosengeld II dem Grunde nach an. Der Kläger wies in dem Schreiben darauf hin, dass Leistungen für den Folgemonat bereits zum 20. des laufenden Monats angewiesen würden und er die Höhe des Erstattungsanspruchs noch mitteilen werde.

Mit einer Erklärung vom 18. Januar 2019 (Formular der Beklagten G0512) teilte die Versicherte der Beklagten mit, dass sie zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme arbeitsuchend gewesen sei und Arbeitslosengeld I sowie Arbeitslosengeld II erhalten habe. Der Schuldnerberater der Versicherten bestätigte der Beklagten den ergänzenden Leistungsbezug nach dem SGB II sodann nochmals in einem Telefonat vom 25. Januar 2019 (Telefonvermerk der Beklagten vom gleichen Tag).

Mit Änderungsbescheid vom 8. Februar 2019 bewilligte der Kläger der Versicherten für November 2018 sodann 767,73 Euro und rechnete Arbeitslosengeld I nur noch in Höhe von 68,84 Euro abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 30,00 Euro an.

Mit einem Schreiben vom 29. März 2019 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, dass ein Erstattungsanspruch nur dann geltend gemacht werden könne, wenn ein Anspruch auf Übergangsgeld gemäß § 21 Absatz 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II bestehe. Im vorliegenden Fall sei das Übergangsgeld jedoch nach dem zuvor bezogenen Arbeitslosengeld I zu berechnen. Bei aufstockend gezahltem Arbeitslosengeld II komme ein Erstattungsanspruch nicht in Betracht. Sofern es sich bei der von dem Kläger gewährten Leistung um einen Vorschuss auf das zu zahlende Übergangsgeld gehandelt habe bzw. der Kläger in Unkenntnis des bestehenden Geldanspruches Leistungen ohne Einkommensanrechnung erbracht habe, könne eine Erstattung gegebenenfalls bis zur Höhe des von der Beklagten berechneten kalendertäglichen Übergangsgeldes erfolgen. Insofern bat der Beklagte den Kläger innerhalb von 5 Arbeitstagen mitzuteilen, ob es sich um ergänzende Leistungen oder aber um einen Vorschuss gehandelt habe. Sofern die Beklagte bis zum 8. April 2019 keine Nachricht erhalte, gehe sie davon aus, dass es sich um eine ergänzende Leistung gehandelt habe bzw. der Erstattungsanspruch ausgeschlossen sei. Man werde das Übergangsgeld dann an die Versicherte auszahlen.

Nachdem der Kläger sich innerhalb der gesetzten Frist nicht mehr bei der Beklagten gemeldet hatte, zahlte diese am 10. April 2019 an die Versicherte Übergangsgeld für den Zeitraum vom 5. bis 9. November 2018 in Höhe von 102,90 Euro, für die Zeit vom 13. bis 19. November 2018 in Höhe von 144,06 Euro und für die Zeit vom 21. bis 30. November 2018 in Höhe von 205,80 Euro, insgesamt demnach 452,76 Euro, aus (kalendertäglich 20,58 Euro).

Mit Schreiben vom 13. Juni 2019 machte der Kläger gegenüber der Beklagten sodann einen bezifferten Erstattungsanspruch für geleistetes Arbeitslosengeld II im Zeitraum 5. bis 30. November 2018 in Höhe von 665,70 Euro unter Hinweis auf den Anspruch der Versicherten auf Übergangsgeld geltend.

Mit Schreiben vom 7. August 2019 informierte die Beklagte den Kläger daraufhin über die Auszahlung des Übergangsgeldes an die Versicherte. An die Agentur für Arbeit habe man wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld I für den Zeitraum vom 10. bis 12. November 2018 61,74 Euro und für den 20. November 2018 20,58 Euro erstattet.

Mit Schreiben vom 28. August 2019 forderte der Kläger die Beklagte sodann unter Fristsetzung bis zum 25. September 2019 auf, 535,08 Euro an ihn zu erstatten. Nach den eigenen Angaben der Beklagten habe diese 452,76 Euro an die Versicherte und 82,32 Euro an die Agentur für Arbeit zur Auszahlung gebracht. Dieser Betrag (insgesamt 535,08 Euro) stehe jedoch vollständig dem Kläger zu. Der Kläger habe rechtlich gesehen für die Beklagte im streitigen Zeitraum Übergangsgeld an die Versicherte ausgezahlt. Daher resultiere der Erstattungsanspruch aus § 25 Satz 2 SGB II i. V. m. § 102 SGB X. Da die Agentur für Arbeit ihre Leistungsbewilligung zum 5. November 2018 aufgehoben habe, sei für den streitigen Zeitraum auch kein anderer Träger involviert.

Nachdem die Beklagte den geltend gemachten Anspruch des Klägers mit Schreiben vom 6. September 2019 weiterhin ablehnte, hat dieser am 25. September 2019 Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 535,08 Euro an ihn zu verurteilen. Die Beklagte hat erstinstanzlich darauf verwiesen, dass der Kläger seinen Anspruch vorgerichtlich fehlerhaft auf § 40a SGB II gestützt und die Beklagte mit dieser Falschangabe in die Irre geleitet habe. Die Beklagte sei aufgrund dieser Falschangabe von einem aufstockenden Leistungsbezug nach dem SGB II ausgegangen und habe letztlich - auch, weil der Kläger auf das Schreiben der Beklagten vom 29. März 2019 nicht fristgerecht reagiert habe - in Unkenntnis der Vorschussleistung durch den Kläger das Übergangsgeld an die Versicherte ausgezahlt. Hieran müsse sich der Kläger nunmehr festhalten lassen, so dass die Zahlung an die Versicherte für den Beklagten befreiende Wirkung im Sinne des § 104 Absatz 1 Satz 1 SGB X habe. Der Kläger ist dem entgegengetreten und hat einer möglichen Erfüllungswirkung der Zahlung widersprochen. Die behauptete Nennung einer falschen Anspruchsgrundlage führe nicht zum Erlöschen des Erstattungsanspruchs.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 4. Mai 2020 die Versicherte gemäß § 75 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen und das Einverständnis aller Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung eingeholt. Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 8. August 2022 hat das Sozialgericht die Klage sodann abgewiesen und die Berufung zugelassen. Dem Kläger stehe kein Erstattungsanspruch in Höhe des geltend gemachten Betrages zu.

Zunächst ergebe sich ein solcher Erstattungsanspruch nicht direkt aus § 102 SGB X, da § 102 SGB X ausdrücklich das Bestehen eines Kompetenzkonfliktes oder eine sonstige Unklarheit über die Zuständigkeit für die endgültige Leistungserbringung fordere, was im Zeitpunkt der Auszahlung des Arbeitslosengeldes II mangels Entscheidung über die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme denklogischer Weise ausgeschlossen gewesen sei.

Ein Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten ergebe sich auch nicht aus § 25 SGB II i.V.m. § 102 SGB X. Wann Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld in Höhe der Leistungen nach dem SGB II hätten, bestimme § 21 Absatz 4 Satz 1 SGB VI. Ob § 21 Absatz 4 Satz 1 Hs. 2 SGB VI nur auf Fälle des ausschließlichen Leistungsbezuges nach dem SGB II oder auch auf Fälle des aufstockenden Leistungsbezuges anwendbar sei, sei in der Rechtsprechung - jedenfalls für den hier maßgeblichen Zeitraum - umstritten. Während das BSG in seiner Entscheidung vom 12. April 2017 - B 13 R 14/16 R - annehme, dass sich das Übergangsgeld bei Vorbezug von Arbeitslosengeld II am aktuellen Grundsicherungsbedarf des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bemesse und demnach auch aufstockend gezahltes Arbeitslosengeld II für die Bemessung des Übergangsgeldes heranziehe, sei das Bayerische Landessozialgericht dieser Ansicht in drei Parallelentscheidungen vom 3. März 2021 (L 19 R 581/18; L 19 R585/18 und L 19 R 613/18) entgegengetreten. Wesentliches Argument des Bayerischen Landessozialgerichts sei dabei, dass der Anspruch auf Übergangsgeld nur als Annex zur bewilligten Rehaleistung zu sehen sei und der Anspruch auf Übergangsgeld nicht automatisch mit Zuerkennung dieser Rehabilitationsmaßnahme entstehe, sondern vielmehr den Eintritt eines Ausfalls von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder von beitragspflichtigen Entgeltersatzleistungen fordere. Sinn und Zweck des Übergangsgeldanspruches sei es, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. Rehabilitationsmaßnahme bestehende Einkommenssituation sicherzustellen. Bei Leistungsempfängern, die lediglich Arbeitslosengeld II bezögen, erfülle das Übergangsgeld fiktiv die Funktion einer laufenden Lohnersatzleistung. Daher sei in diesem Fall die Berechnung des Übergangsgeldes anhand des Betrages des Arbeitslosengeld II zweckmäßig. Im Übrigen sei mit Einfügung von § 21 Absatz 4 Satz 2 Buchstabe e) SGB VI, wonach § 21 Absatz 4 Satz 1 SGB VI in den Fällen nicht gelte, in denen Arbeitslosengeld II als ergänzende Leistung zum Einkommen gezahlt werde, klargestellt worden, dass sich das Übergangsgeld im Falle des aufstockenden Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem für die Einkommensart geltenden Regelungen richte. Die Träger der Grundsicherung würden im Rahmen des Übergangsgeldbezuges dann gegebenenfalls weiterhin aufstockende Leistungen erbringen. Mit der Einführung von § 21 Absatz 4 Satz 2 Buchstabe e) SGB VI habe der Gesetzgeber zwischenzeitlich die Frage, ob aufstockend gezahltes Arbeitslosengeld II für die Bemessung des Übergangsgeldes maßgeblich sei, verneinend geklärt. Zwar komme dieser Regelung keine Rückwirkung auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum in 2018 zu, allerdings schließe sich das Gericht der gesetzgeberischen Begründung (BT-Drs. 19/23550 S. 103) an, die im Wesentlichen darauf abstelle, dass es nicht Sache des Rentenversicherungsträgers sei, existenzsichernde Unterhaltsleistungen, die von den Jobcentern aufstockend gezahlt würden, im Rahmen von Übergangsgeld zu finanzieren. Damit schließe sich das Gericht auch der Rechtsauffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (a.a.O.) vollumfänglich an, auf dessen ausführliche Begründung Bezug genommen werde. Die Klage habe daher keinen Erfolg haben können. Die Berufung sei gemäß § 144 Absatz 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, weil das Gericht von der Entscheidung des BSG vom 12. April 2017 (B 13 R 14/16 R) abweiche, die noch vor Einführung von § 21 Absatz 4 Satz 2 Buchstabe e) SGB VI ergangen sei.

Gegen das dem Kläger am 19. August 2022 zugestellte Urteil hat dieser am 22. August 2022 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt und sich hierbei auf seine erstinstanzlichen Ausführungen bezogen. Das Urteil des Sozialgerichts sei nicht überzeugend. Ihm stehe ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten zu, da er an die Versicherte für den streitigen Zeitraum vorschussweise Leistungen gemäß § 25 Satz 1 SGB II geleistet habe. Diese seien dann vom materiell-rechtlich zuständigen Träger, also von der Beklagten, gemäß § 25 Satz 3 SGB II i. V. m. § 102 SGB X zu erstatten. Für die hier relevante Zeit vom 5. bis 30. November 2018 sei auch kein anderer Träger involviert, da die Agentur für Arbeit den Bescheid über Arbeitslosengeld I zum 5. November 2018 aufgehoben habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. August 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 535,08 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und nimmt auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug. Insbesondere die Frage, ob es sich bei dem gezahlten Arbeitslosengeld II um eine ergänzende Leistung oder um einen Vorschuss handele, habe der Kläger nicht fristgerecht beantwortet, so dass zur wirtschaftlichen Sicherstellung der Versicherten das Übergangsgeld an diese mit befreiender Wirkung am 10. April 2019 ausgezahlt worden sei.

Mit Beschluss vom 18. September 2024 hat die Berichterstatterin die vom Sozialgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2020 vorgenommene notwendige Beiladung der Versicherten aufgehoben. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss verwiesen.

Die Beteiligten haben sich zudem übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte verwiesen, welche sämtlichst Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.


Entscheidungsgründe

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, §§ 153 Absatz 1, 124 Absatz 2 SGG.

Die aufgrund der Zulassung durch das Sozialgericht zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht der zulässig mittels einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Absatz 5 SGG; vgl. BSG vom 8. März 2016 - B 1 KR 27/15 R) geltend gemachte Erstattungsanspruch gegen die Beklagte im vollen Umfang zu.

Gegenstand des Verfahrens ist der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Erstattung des von ihm an die Versicherte während der Teilnahme an einer von der Beklagten gewährten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ausgezahlten Arbeitslosengeldes II.

Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren des Klägers ist § 25 Satz 1 und 3 SGB II i. V. m. § 102 SGB X in entsprechender Anwendung.

Nach § 25 Satz 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011 erbringen die Träger der Leistungen nach dem SGB II die bisherigen Leistungen als Vorschuss auf die Leistungen der Rentenversicherung weiter, wenn Leistungsberechtigte dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Die Anordnung der entsprechenden Geltung des § 102 SGB X in § 25 Satz 3 SGB II a. F. bewirkt, dass der SGB II-Leistungsträger die hiernach von ihm als Vorschuss erbrachten Leistungen in dem Umfang von dem eigentlich leistungsverpflichteten Rentenversicherungsträger erstattet verlangen kann, wie er sie nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften - hier: dem SGB II - zu Recht erbracht hat (§ 102 Absatz 2 SGB X - vgl. BSG vom 12. April 2017 - B 13 R 14/16 R). Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass für den SGB II-Leistungsberechtigten während der - typischerweise auf wenige Wochen beschränkten - Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation kein Trägerwechsel eintritt. Die bei einem Trägerwechsel möglicherweise drohenden Lücken bei der Gewährung existenzsichernder Leistungen sollen auf diese Weise vermieden werden (zu allem BSG vom 7. April 2022 - B 5 R 17/21 R - mit Verweis auf BSG, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 241/11 B; siehe auch BT-Drucks. 19/23550 Seite 103 - zu Artikel 3 Nr. 5).

Im vorliegend zu entscheidenden Verfahren hatte die Versicherte während ihrer Teilnahme an der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Zeitraum vom 5. bis 30. November 2018 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Übergangsgeld in Höhe des von ihr bezogenen Arbeitslosengeldes II.

Anspruchsgrundlage für den Bezug von Übergangsgeld war im hier streitigen Zeitraum § 20 Absatz 1 Nr. 3 b) SGB VI in der damals gültigen Fassung vom 23. Dezember 2016 i. V. m. § 21 Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI in der damaligen Fassung vom 23. Dezember 2016. Neben der hier unstreitig bestehenden Versicherteneigenschaft (hier nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der damals gültigen Fassung vom 21. Dezember 2015) und der Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitation ist danach weitere Voraussetzung, dass die Versicherte unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig ist, unmittelbar vor Beginn der Leistungen (hier: der Maßnahme zur stationären medizinischen Rehabilitation) Arbeitslosengeld II bezogen hat und zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind. Zur Höhe des Übergangsgeldes bestimmt § 21 Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI für Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder vor Beginn der medizinischen Leistungen Arbeitslosengeld II bezogen und zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, dass sie bei medizinischen Leistungen Übergangsgeld in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II erhalten, wenn nicht einer der in § 21 Absatz 4 Satz 2 a) bis d) SGB VI aufgelisteten Tatbestände vorliegt. Erfasst werden vom Arbeitslosengeld II aber nur die in § 19 Absatz 1 Satz 3 SGB II in der damals gültigen Fassung genannten Bedarfe, nämlich Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (BSG vom 12. April 2017 - B 13 R 14/16 R).
Die Versicherte hatte im vorliegenden Fall bis unmittelbar vor Beginn der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ergänzend zum Arbeitslosengeld I auch Arbeitslosengeld II von dem Kläger bezogen (dazu sogleich). Auch hatte sie zuvor bis Juni 2017 aus erzieltem Arbeitsentgelt Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Hinsichtlich des in § 20 Absatz 1 Nr. 3 b) SGB VI a. F. bzw. in § 21 Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI normierten Erfordernisses, dass „zuvor“ Beiträge aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bzw. Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, hat das BSG den Begriff unter Rückgriff auf die Regelung in § 11 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI dahingehend konkretisiert, dass es ausreicht, wenn in den letzten zwei Jahren vor der Beantragung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für zumindest sechs Kalendermonate (Pflicht-)Beiträge aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit zur Rentenversicherung entrichtet worden sind (vgl. BSG vom 12. April 2017 - B 13 R 14/16 R - und vom 7. April 2022 - B 5 R 47/21 R -). Dies war vorliegend der Fall, da die Versicherte vom 1. Januar 2014 bis zum 9. Juni 2017 einer sozialversicherungspflichten Beschäftigung nachgegangen ist.

Zur Überzeugung des Senats erfüllt die Versicherte für den hier streitigen Zeitraum auch die übrigen Voraussetzungen des § 20 Absatz 1 Nr. 3 b) SGB VI, da sie unmittelbar vor Antritt der Rehabilitationsmaßnahme aufstockend Arbeitslosengeld II von dem Kläger bezogen hat. Dieser ergänzende Leistungsbezug nach dem SGB II fand durch Artikel 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen (Gesetz Digitale Rentenübersicht vom 11. Februar 2021 - BGBl I 154) mit Gültigkeit ab 18. Februar 2021 als Buchstabe e) zwar Aufnahme in den Katalog der Ausschlusstatbestände. Für den hier streitigen Zeitraum im November 2018 umfasste der Katalog jedoch nur Sachverhalte eines darlehensweisen Bezugs von Arbeitslosengeld II, von Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten sowie für Bekleidung, orthopädische Schuhe und Miete von therapeutischen Geräten o. ä. und zudem spezielle Sachverhalte in Abgrenzung zu Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand für den Fall des nur aufstockenden Bezugs von SGB II-Leistungen bestand daher nicht.

Hierzu hat das BSG bereits in einem Urteil vom 12. April 2017 (B 13 R 14/16 R) entschieden, dass die Regelungen zum Übergangsgeld in § 20 Absatz 1 Nr. 3 b) SGB VI a. F. und § 21 Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI a. F. auch bei diesen Leistungsberechtigten nach dem SGB II anzuwenden sind. Gegen diese Ansicht hat sich sodann zwar das Bayerische Landessozialgericht in mehreren Entscheidungen vom 3. März 2021 (L 19 R 581/18, L 19 R 585/18 und L 19 R 613/18) unter Hinweis insbesondere auf den Sinn und Zweck des Übergangsgeldes sowie die Weiterentwicklung des Katalogs der Ausschlusstatbestände in § 21 Absatz 4 Satz 2 SGB VI gewandt. Das BSG hat jedoch in einer weiteren Entscheidung vom 7. April 2022 (B 5 R 17/21 R) seine Rechtsansicht für Ansprüche auf Übergangsgeld von „Aufstockern“ nach dem SGB II, die vor dem 18. Februar 2021 entstanden sind, nochmals bekräftigt und an der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgehalten.

Das BSG (a. a. O.) führt hierzu in seiner Entscheidung vom 7. April 2022 folgendes an:

„(1) Der Ausschluss von SGB II-Leistungsempfängern, die Alg II als ergänzende Leistung zum Einkommen erhalten haben, von einem Anspruch auf Übg (auch) in Höhe des Betrags des Alg II gemäß § 21 Abs. 4 Satz 2 Buchst. e SGB VI ist für Ansprüche, die vor dem 18.2.2021 entstanden sind, nicht anwendbar. Das ergibt sich aus der Regelung zum Inkrafttreten in Art. 13 des Gesetzes Digitale Rentenübersicht. In Abs. 5, 7 und 9 des Art. 13 (a.a.O.) ist für einzelne Bestimmungen ein rückwirkendes Inkrafttreten zum 31.12.2020 oder zum 1.1.2021 bestimmt. Im Übrigen - und das betrifft sowohl die Ergänzung des § 21 Abs. 4 Satz 2 SGB VI durch Art. 3 Nr. 5 (a.a.O.) wie auch die Änderung des § 25 Satz 1 SGB II durch Art. 4 (a.a.O.) - ist in Art 13 Nr. 1 (a.a.O.) das Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung des Gesetzes Digitale Rentenübersicht angeordnet, mithin am 18.2.2021. Nach diesen klaren und differenzierten Regelungen entfaltet sowohl die Erstreckung des Ausschlusses bestimmter SGB II-Leistungsempfänger von der Zahlung von Übg in Höhe der Alg II-Leistungen auf die aufstockend Alg II beziehenden Leistungsberechtigten als auch die entsprechende Begrenzung von Vorschussleistungen und Erstattungsansprüchen der SGB II-Leistungsträger keine Rückwirkung.

(2) Entgegen der Ansicht des LSG handelt es sich bei der Ergänzung des § 21 Abs. 4 Satz 2 SGB VI und des § 25 Satz 1 SGB II zum 18.2.2021 nicht um eine Klarstellung dessen, was schon zuvor gelten sollte, sondern um eine originär neue Regelung. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz Digitale Rentenübersicht ist an mehreren Stellen ausgeführt, dass die Regelungen zum Übg „weiterentwickelt“ werden sollen (vgl. BT-Drucks 19/23550 S 2 - Abschn. A letzter Satz, S 3 - Abschn. B letzter Satz, S 62 - 3. Abs.). An anderer Stelle ist davon die Rede, dass das Übg „neu geregelt“ werden soll (a.a.O. S. 65). Lediglich im Rahmen dieser Neuregelung, dh "mit Einführung von Buchstabe e" (a.a.O. S. 103 - zu Nr. 5), sollte die Abgrenzung des Anspruchs auf Übg zum Alg II bei der Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe „klargestellt“ werden (a.a.O. S. 65 bzw. S. 103). An keiner Stelle der Gesetzesbegründung wird hingegen auch nur ansatzweise verdeutlicht, dass diese Änderungen rückwirkend und unter Korrektur der Rechtsprechung des zuständigen obersten Gerichtshofs des Bundes (vgl. Art. 95 Abs. 1 GG) vorgenommen werden sollen. Das für die Klärung der Rechtslage maßgebliche Urteil des 13. Senats vom 12.4.2017 (B 13 R 14/16 R) wird nicht einmal erwähnt. Da die Gesetzesbegründung und die weiteren Materialien auch sonst keine Hinweise darauf enthalten, dass die bisherige Rechtslage unklar oder verworren gewesen sein könnte, ist davon auszugehen, dass die erstrebte "Klarstellung" nur mit Wirkung für die Zukunft beabsichtigt war. Dem entspricht die bereits erwähnte Regelung zum Inkrafttreten in Art. 13 Abs. 1 des Gesetzes Digitale Rentenübersicht. Der Gesetzgeber hat damit dem Grundsatz der Gewaltenteilung (vgl. Art. 20 Abs. 2 GG) Rechnung getragen, dass es Aufgabe der Gerichte ist, das einmal in Kraft getretene Gesetzesrecht verbindlich auszulegen, und dass deren Entscheidungen für die Vergangenheit grundsätzlich hinzunehmen sind (vgl. BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 RdNr 45 ff, 52; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 7.4.2022 - 2 BvR 2194/21 - juris RdNr 69).

(3) […] Soweit das LSG […] anführt, es ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung in § 21 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI, dass eine Erhöhung des Anspruchs auf Übg durch aufstockend gezahltes Alg II nicht vorgesehen sei und dass § 21 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI die Höhe des Übg nur für den Fall eines ausschließlichen Bezugs von Alg II regele, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Halbsatz 1 (a.a.O.) enthält nähere Bestimmungen zur Höhe des Übg bei vorangegangenem Bezug von Alg - nicht von Alg II. Die dort fehlenden Aussagen zu einem möglicherweise ergänzend gezahlten Alg II erlauben keine validen Rückschlüsse darauf, ob solche Zahlungen bei der Bestimmung des Übg zu berücksichtigen sind oder nicht. Hingegen differenziert die spezielle Bestimmung zur Höhe des Übg bei vorangegangenem Bezug von Alg II in Halbsatz 2 (a.a.O.) gerade nicht danach, ob die Leistung ausschließlich oder nur ergänzend bezogen wurde (s hierzu eingehend BSG Urteil vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R - SozR 4-4200 § 25 Nr. 2 RdNr 32). […] An welche Leistungen das Übg anknüpft, das Versicherten mit Bezug von Alg II während einer vom Rentenversicherungsträger zu gewährenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zusteht, bestimmt der Gesetzgeber.“

Diesen Ausführungen des BSG schließt der Senat sich vollumfänglich an. Für den hier streitigen Zeitraum vom 5. bis 30. November 2018 lag der später eingeführte Ausschlusstatbestand für den Anspruch auf Übergangsgeld bei lediglich aufstockend bezogenen Leistungen nach dem SGB II noch nicht vor und der Norm war bis zu ihrer Änderung ein solcher Ausschluss auch nicht zu entnehmen. Soweit das Sozialgericht dies unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bayerischen LSG (a. a. O.) anders gesehen hat, ist zu berücksichtigen, dass das Urteil des BSG vom 7. April 2022 (a. a. O.) zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung wohl noch nicht veröffentlicht war. Die Versicherte hatte somit vorliegend Anspruch auf Übergangsgeld auch in Bezug auf das von ihr aufstockend bezogene Arbeitslosengeld II.

Der erstinstanzlich von der Beklagten erhobene Einwand einer Erfüllungswirkung seiner Zahlung an die Versicherte entsprechend § 104 Absatz 1 Satz 1 SGB X greift dabei nicht durch.

Gemäß § 104 Absatz 1 Satz 1 SGB X in der damals gültigen Fassung vom 18. Januar 2001 ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Absatz 1 SGB X vorliegen und soweit der vorrangige Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

Unabhängig davon, dass sich der Erstattungsanspruch vorliegend nach § 102 SGB X richtet und der Kläger dies in seiner Anmeldung (wenn auch unter Nennung der falschen Anspruchsgrundlage aus dem SGB II) zutreffend benannt hat, lägen auch die Voraussetzungen des § 104 Absatz 1 Satz 1 SGB X nicht vor. Denn die Beklagte hatte bereits vor der Auszahlung des Übergangsgeldes an die Versicherte am 10. April 2019 Kenntnis von der Leistungsgewährung nach dem SGB II an die Versicherte im streitigen Zeitraum.

Zwar hat der Kläger auf das Schreiben des Beklagten vom 29. März 2019 nicht innerhalb der von der Beklagten gesetzten Frist reagiert. Jedoch wusste die Beklagte sowohl von der Versicherten selbst (Erklärung vom 18. Januar 2019) wie auch von deren Schuldnerberater (Telefonvermerk vom 25. Januar 2019), dass die Versicherte neben dem Arbeitslosengeld I auch (aufstockend) Arbeitslosengeld II bezogen hat. Auch wusste sie aus dem Schreiben des Klägers vom 19. Dezember 2018, dass die Leistungen nach dem SGB II bereits zum 20. des Vormonats angewiesen wurden, die Versicherte zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme also von dem Kläger bereits Leistungen nach dem SGB II für den hier streitigen Zeitraum ausgezahlt bekommen hatte. Die mit Schreiben vom 29. März 2019 an den Kläger gerichtete Anfrage der Beklagten, ob der Bezug vorschussweise oder ergänzend erfolgt ist, spielt dabei nach dem oben Gesagten keine Rolle für die Entstehung des Erstattungsanspruchs. 

Dass der Kläger seinen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten zunächst fälschlicherweise auf § 40a SGB II gestützt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies ändert entgegen der Auffassung der Beklagten nichts an der Tatsache, dass sie bei Auszahlung des Übergangsgeldes an die Versicherte Kenntnis von der Leistungsgewährung nach dem SGB II an diese hatte. Die Voraussetzungen für eine Leistung an die Versicherte mit befreiender Wirkung sind somit selbst bei Annahme einer entsprechenden Anwendbarkeit von § 104 SGB X nicht gegeben.

Ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass der Kläger der Versicherten mit Änderungsbescheid vom 8. Februar 2019 zu einem Zeitpunkt nochmals höhere Leistungen nach dem SGB II für den streitigen Zeitraum bewilligt hat, zu welchem er bereits von dem Anspruch der Versicherten auf Übergangsgeld gegen die Beklagte wusste. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 25 SGB II, wonach der Leistungsträger nach dem SGB II trotz des an sich vorrangigen Anspruchs auf Übergangsgeld oder Verletztengeld „die bisherigen Leistungen als Vorschuss“ weiter erbringt, ist der Leistungsträger nach dem SGB II zur Weitergewährung der Leistungen verpflichtet; ihm steht insoweit kein Ermessen zu (Bittner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, Stand: 20. Februar 2023, § 25, Rn. 27). Der Kläger war verpflichtet, die existenzsichernden Bedarfe der Versicherten zu decken, so dass er nach Kenntnis des Wegfalls des zuvor bewilligten Arbeitslosengeldes I ab 5. November 2018 für diesen Monat einen Änderungsbescheid erlassen musste.

Die Höhe der an die Versicherten ausgezahlten Leistungen nach dem SGB II und die Höhe des von dem Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruchs hat der Kläger sodann der Beklagten auch innerhalb der Jahresfrist des § 111 SGB X, nämlich mit Schreiben vom 13. Juni 2019, bekanntgegeben.
Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich gemäß § 102 Absatz 2 SGB X nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften, hier dem SGB II. Der Senat schließt sich diesbezüglich der in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung an, dass sich die Höhe der nach § 25 Satz 1 SGB II in der damals gültigen Fassung vorschussweise zu zahlenden Leistungen am jeweiligen und für den streitigen Zeitraum aktuellen Grundsicherungsbedarf des Versicherten orientiert (BSG vom 12. April 2017 - B 13 R 14/16; Hessisches LSG vom 24. August 2018 - L 5 R 256/17; Köhler in: Hauck/Noftz SGB II, 5. Ergänzungslieferung 2024, § 25, Rn. 14). Die Gegenmeinung (Bittner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, Stand: 20. Februar 2023, § 25, Rn. 29), die statisch auf die zu Beginn der Reha-Maßnahme bzw. der Arbeitsunfähigkeit oder Heilbehandlung maßgebliche Leistungshöhe des Arbeitslosengeldes II abstellt, überzeugt nicht.

Zwar spricht der Wortlaut des § 25 Satz 1 SGB II („die bisherigen Leistungen“) für eine statische Berechnung des Leistungsanspruchs nach der bisherigen Anspruchshöhe des Arbeitslosengeldes II. Dies würde jedoch dazu führen, dass ein wegen veränderter Verhältnisse ungedeckter Bedarf des Versicherten nach den allgemeinen Regeln des SGB II vom Grundsicherungsträger durch Arbeitslosengeld II aufstockend zu decken wäre, ohne dass dieser dem Erstattungsanspruch des § 25 Satz 3 SGB II unterfallen würde. Dies entspricht nicht dem (damaligen) Willen des Gesetzgebers, dass der im Sinne des § 102 Absatz 1 SGB X vorleistende Träger den vollen Ersatz seiner Aufwendungen erhalten und - abgesehen von den nicht bzw. nur begrenzt erstattungsfähigen Verwaltungskosten und Auslagen (§ 109 SGB X) - keine finanziellen Einbußen erleiden soll (Roos in: Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 102, Rn. 16 mit Verweis auf BT-Drs. 9/95, 24). Zugleich würde bei einem wegen veränderter Verhältnisse sinkenden grundsicherungsrechtlichen Bedarf der zum Bezug von Übergangsgeld Berechtigte während des Leistungszeitraums vom Übergangsgeld profitieren, was wiederum nicht der Zweckbestimmung des Übergangsgeldes nach § 20 SGB VI entspricht. Diese liegt darin begründet, während einer Rehabilitationsmaßnahme die Entgelt- und Einkommensverhältnisse aufrechtzuerhalten, die dem bisherigen Lebensstandard des Versicherten zugrunde liegen („Kontinuitätsauftrag“) (BSG vom 12. April 2017 - B 13 R 14/16 R). Eine finanzielle Besserstellung soll dagegen nicht erfolgen.

Soweit die Gegenmeinung zudem darauf abstellt, dass die Orientierung der Leistungshöhe am aktuellen Arbeitslosengeld II-Anspruch die Versicherungsleistung systemfremd bedarfsabhängig ausgestalte (Bittner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, Stand: 20. Februar 2023, § 25, Rn. 31), sei darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber dies mit der damaligen Aufnahme der SGB II-Leistungsberechtigten in die Liste der nach § 20 Absatz 1 Nr. 3 b) SGB VI zum Bezug von Übergangsgeld Berechtigten bewusst in Kauf genommen hat. Denn entgegen der anderen, in der Norm genannten Sozialleistungen orientiert sich das SGB II am existenzsichernden Bedarf des Leistungsberechtigten, so dass es letztlich auch schlüssig ist, wenn sich das Übergangsgeld eines SGB II-Leistungsempfängers ebenfalls nach dessen im Zeitraum der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme aktuellen Bedarf bemisst.

Im Ergebnis hat der Kläger somit die gesamten, mit Änderungsbescheid vom 8. Februar 2019 für den streitigen Zeitraum bewilligten Leistungen nach dem SGB II als Vorschuss im Sinne des § 25 SGB II auf das zu diesem Zeitpunkt noch zu bewilligende Übergangsgeld gewährt.

Der Kläger hat vorliegend der Versicherten für November 2018 mit dem Änderungsbescheid vom 8. Februar 2019 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 767,73 Euro erbracht. Für den hier streitigen Zeitraum vom 5. bis 30. November 2018 ergibt sich daraus eine Leistungserbringung in Höhe von 665,37 Euro (767,73 Euro ./. 30 Tage x 26 Tage). Da der Kläger von der Beklagten nur 535,08 Euro verlangt, steht ihm dieser Anspruch somit in voller Höhe zu. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wären darüber hinaus nach Maßgabe der Regelung des § 40 Absatz 2 Nr. 5 SGB II i. V. m. § 335 Absatz 2 und 5 SGB III - jeweils in der damals gültigen Fassung - erstattungsfähig, sind hier vom Kläger aber letztlich nicht mehr geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i. V. m. § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
 

Rechtskraft
Aus
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