Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2020 verurteilt, an den Kläger Kindergeld in gesetzlicher Höhe ab Oktober 2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Kindergeld für sich selbst.
Der aus Somalia stammende Kläger reiste nach eigenen Angaben am 12. August 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich ausweislich der Bescheinigung des Landkreises Fulda vom 24. April 2020 seit dem 14. August 2015 rechtmäßig aufhält und wo er auch einen Asylantrag gestellt hat. Auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 14. August 2019 (4 K 3106/16.KS.A) stellte die Bundesrepublik Deutschland das Vorliegen von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG fest; seit dem 29 Oktober 2019 ist er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Bereits am 1. August 2019 begann der Kläger eine Berufsausbildung, aktuell als Lagerlogistiker.
Im März 2020 stellte der Kläger nach entsprechender Aufforderung durch den Landkreis Fulda bei der Beklagten einen Antrag auf die Zahlung von Kindergeld an sich selbst. Unter dem 29. April 2020 gab der Kläger dabei an, dass er zuletzt vor seiner Flucht aus Somalia Kontakt zu seinen Eltern gehabt habe. In einem weiteren Formular wurde zu den Elternangaben jeweils handschriftlich der Begriff „unbekannt“ eingetragen; die Frage, ob dem Kläger der aktuelle Aufenthalt seiner Eltern bekannt sei, wurde durch Ankreuzen verneint.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2020 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers auf Leistung von Kindergeld ab dem Monat Oktober 2019 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass keine Bemühungen dargelegt worden sein, den Aufenthalt der Eltern des Klägers zu ermitteln.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2020 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld für sich selbst nur dann bestehe, wenn ihm der Aufenthalt seiner Eltern unbekannt sei. Dabei habe ein Anspruchsteller die ihm möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um den konkreten Anfenthaltsort seiner Eltern in Erfahrung zu bringen. Insofern stehe die missbräuchliche Nichtkenntnis der positiven Kenntnis des Aufenthaltsortes gleich. Andernfalls habe es ein Antragsteller in der Hand, die Voraussetzungen seines Kindergeldanspruchs selbst zu schaffen. Dabei sei auch die gesetzgeberische Entscheidung zu berücksichtigen, derzufolge die Zahlung von Kindergeld an ein Kind für sich selbst nur eine eng begrenzte Ausnahmeregelung darstelle.
Vorliegend habe der Kläger keinerlei Bemühungen dargelegt, den Aufenthaltsort seiner Eltern zu ermitteln. Hierzu berufe er sich lediglich darauf, dass in seinem Heimatland Krieg herrsche und dort keine Infrastruktur vorhanden sei. Damit habe er seiner Pflicht nicht genügt, zunächst alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, den tatsächlichen Aufenthaltsort seiner Eltern ausfindig zu machen. Hierzu hätten ihm verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, wie etwa schriftliche Anfragen an Behörden seines Heimatlandes oder der konsularischen Vertretungen. Ebenso hätte er sich an internationale Hilfsorganisationen wenden können.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2020 hat der Kläger sodann Klage erhoben und verfolgt sein Begehren auf Zahlung von Kindergeld weiter. Zur Begründung führte er aus, dass er aus Somalia stamme, einem Land, in dem bis heute Krieg herrsche und in dem es keine Infrastrukturen gebe. Seine Mutter sei bereits vor vielen Jahren verstorben; wo sich sein Vater aufhalte oder ob er überhaupt noch lebe, sei ihm nicht bekannt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Kindergeld in gesetzlicher Höhe ab Oktober 2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides und wiederholt insoweit ihr bisheriges Vorbringen in Bezug auf das nach ihrer Auffassung anspruchsschädliche Fehlen von Bemühungen des Klägers, den Aufenthaltsort seiner Eltern in Erfahrung zu bringen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin D.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27. Oktober 2020 sowie auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Asylakte des BAMF bezüglich des Klägers wurde beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Kindergeld für sich selbst ab Oktober 2019.
Gemäß § 1 Abs. 2 BKGG erhält Kindergeld für sich selbst, wer
1. in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,
2. Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und
3. nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist.
Dabei besteht der Anspruch für einen nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländer wie den Kläger gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4, 3 lit. c. BKGG nur dann, wenn er im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt im Bundesgebiet aufhält.
Diese Voraussetzungen sind unter den Beteiligten nicht umstritten und auch für die Kammer außer Zweifel – mit Ausnahme der Anspruchsvoraussetzung, dass der Kläger den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt. Diese ist jedoch ebenfalls zu bejahen.
Nach dem Vorbringen des Klägers, wie es sich insbesondere auch in seiner persönlichen Anhörung im Rahmen der vom mündlichen Verhandlung darstellt, hat die Kammer die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger im hier streitigen Leistungszeitraum ab Oktober 2019 tatsächlich keine Kenntnis vom Aufenthalt seiner Eltern hat(te), wobei seine Mutter bereits verstorben ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger insoweit gegenüber dem Gericht oder der Beklagten wahrheitswidrige Behauptungen aufgestellt haben könnte; vor dem Hintergrund, dass er nachrangige Leistungen des Grundsicherungsträgers bezieht, der bereits Erstattungsansprüche geltend gemacht hat, fehlt es auch für ein solches wahrheitswidriges Vorbringen an einem plausiblen Motiv.
Auf fehlende oder unzureichende Bemühungen des Klägers, den Aufenthaltsort seines Vaters (in seinem Heimatland Somalia) zu ermitteln, kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten vorliegend nicht an.
Zunächst ist festzustellen, dass ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts nur positive Kenntnis vom Aufenthalt der Eltern einem Anspruch eines Kindes auf Kindergeld für sich selbst entgegensteht. Fahrlässige oder anderweitige schuldhafte Nichtkenntnis kann dem daher nicht gleichgestellt werden. Dies folgt angesichts des Wortlauts auch daraus, dass dem Gesetzgeber, insbesondere im Bereich des Sozialrechts, der Begriff der fahrlässigen Nichtkenntnis nicht nur bekannt ist, sondern auch verbreitet genutzt wird. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang etwa auf § 48 Abs. 1 Nr. 4 SGB X oder auch § 404 Abs. 1 SGB III und § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Wenn demnach der Kläger entsprechende Formulierungen in § 1 Abs. 3 Nr. 2 BKGG gerade nicht benutzt hat, kann daraus nur der Umkehrschluss gezogen werden, dass er entsprechende fahrlässige Nichtkenntnis auch nicht sanktionieren wollte.
Dies steht im Übrigen im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG, das im Urteil vom 8. April 1992 (10 RKg 12/91 – SozR 3-5870 § 1 Nr. 1 = juris Rn. 18) ausgeführt hat, dass im konkreten Fall, aber auch generaliter offenbleiben könne, wie zu verfahren sei, „wenn das antragstellende Kind schuldhaft (grob fahrlässig oder vorsätzlich) Hinweisen über den Aufenthaltsort seiner Eltern nicht nachgeht“. Denn aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 BKGG lasse „sich jedenfalls in keinerlei Hinsicht ein Verschuldensgrad entnehmen, bei dessen Vorliegen eine positive Kenntnis unterstellt werden könnte“. Zu erwägen sei deshalb nur, „ob eine mißbräuchliche Nichtkenntnis einer Kenntnis i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BKGG gleichgestellt werden kann“.
Damit kommt nur der Rechtsmissbrauch als Grenze jeder Rechtsausübung als Umstand in Betracht, der trotz Unkenntnis des Aufenthalts seiner Eltern und damit dem Vorliegen aller Leistungsvoraussetzungen einem Kindergeldanspruch entgegenstehen kann. Ein solcher Rechtsmissbrauch ist jedoch noch fernliegender als in dem Fall, der der vorzitierten Entscheidung des BSG zugrunde lag und in dem die Mutter der Anspruch stellenden Klägerin zumindest noch sporadischen Kontakt gehalten und sich im europäischen Ausland aufgehalten hatte.
Dabei ist der Begriff des Rechtsmissbrauchs in der Rechtsprechung (auch) des BSG „als uneinheitlich und unbeständig“ zu beschreiben (so Knödler, Mißbrauch von Rechten, selbstwidersprüchliches Verhalten und Verwirkung im öffentlichen Recht, 2000, S. 130 m. zahlr. Nw.). Daher ist abstrakt keine greifbare Definition möglich, vielmehr ergeben sich einzelfallbezogene, dezisionistische Feststellungen. Auch wenn kein klassisches Verschuldenselement erforderlich sein soll, müssen nach der Rechtsprechung gleichwohl subjektive Elemente zur Bejahung eines Rechtsmissbrauchs hinzutreten (vgl. Knödler, ebd., S. 112). Solche sind vorliegend im Fall des Klägers aber schon deshalb besonders fernliegend, weil die Initiative zur Beantragung von Kindergeld nicht von ihm selbst ausging, sondern vom Landkreis Fulda als Grundsicherungsträger. Ungeachtet dessen setzte aber die Annahme von Rechtsmissbrauch im vorliegenden Fall voraus, dass der Kläger praktisch entweder eine Suche nach Kontakten zu seinen Eltern unterlassen hat, um damit einen Anspruch auf Kindergeld zu erlangen, oder aber zumindest unabhängig hiervon keinen Kontakt zu ihnen suchte, obwohl dies ohne Weiteres möglich wäre, um dann nachträglich diese Option für sich als Anspruchsgrund für Kindergeldzahlungen zu nutzen. Für beides fehlen vorliegend aus Sicht der Kammer jegliche Anhaltspunkte. Letztlich dürfte eine Rechtsmissbräuchlichkeit überhaupt nur dann anzunehmen sein, wenn bezogen auf den (potentiellen) Aufenthaltsstaat der Eltern ein Meldesystem existiert, das europäischen Standards entspricht. In afrikanischen Staaten wie Somalia, das allgemeinkundig völlig anderen Verwaltungsstandards folgt, wäre zur Feststellung des Aufenthalts ein Aufwand erforderlich, dessen Unterlassen von vornherein kaum mit dem Begriff Rechtsmissbrauch beschrieben werden könnte; hierauf kommt es nach dem Dargelegten jedoch nicht an.
Überhaupt vermag sich die Kammer der Auffassung der Beklagten auch im angegriffenen Widerspruchsbescheid nicht anzuschließen, dass der Kläger (ohne Weiteres) schriftliche Anfragen an konsularische Vertretungen seines Herkunftsstaates oder dortige Behörde möglich gewesen wären. Auch wenn ihm nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Kassel vom 14. August 2019 keine staatliche Verfolgung in Somalia drohte, überspannt es nach Auffassung der Kammer die Anforderungen an einen aus seinem Heimatland geflohenen Menschen, sich mit dessen Behörden in Verbindung zu setzen.
Das somit gefundene Ergebnis steht im Übrigen auch im Einklang mit der Auffassung des Gesetzgebers, jedenfalls nicht in Widerspruch dazu. Die Regelung in § 1 Abs. 2 BKGG geht auf eine Initiative des Bundesrates in einem Gesetzgebungsverfahren zum BKGG mit anderer Zielrichtung zurück. Die Länderkammer hielt es zur „Vermeidung von Härtefällen“ für „geboten, auch alleinstehende Vollwaisen für ihre eigene Person in die Kindergeldzahlungen einzubeziehen, damit zu dem persönlichen Verlust bei Tod der Eltern nicht zusätzliche finanzielle Verschlechterungen durch den teilweisen Wegfall des Kindergeldes eintreten“. Die Bundesregierung teilte daraufhin in ihrer Gegenäußerung mit, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren ein entsprechender Formulierungsvorschlag eingebracht werde (s. zu dem allen BT-Drs. 10/2886, S. 9, 10). Allerdings lässt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht erkennen, warum neben tatsächlichen Vollwaisen auch solche Kinder in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen worden sind, die zwar nicht Vollwaisen sind, aber faktisch wegen Unkenntnis des Aufenthalts ihrer Eltern in vergleichbarer Situation leben. Soweit der Bundesrat auf eine Doppelbelastung von Vollwaisen durch Verlust der Eltern einerseits und zusätzlich durch den finanziellen Nachteil wegen „Wegfall[s]“ des Kindergeldes abstellt, könnte daraus zwar der Schluss gezogen werden, dass Vollwaisen nur dann einen Kindergeldanspruch haben sollten, die zuvor mit Eltern gelebt haben. Dies könnte dann einen Kindergeldanspruch für Menschen wie den Kläger, der zu keiner Zeit mit kindergeldberechtigten Eltern in der Bundesrepublik gelebt hat, ausschließen, da Kindergeld niemals „weggefallen“ ist.
Ein solches Verständnis des gesetzgeberischen Motivs wäre jedoch zu eng. Entscheidender Schwerpunkt der Regelung, wie er insbesondere auch in seinem Wortlaut Eingang in das BKGG gefunden hat, ist es, für Personen, deren Status (Alter, Ausbildung) an sich zu einem Kindergeldanspruch für die unterhaltspflichtigen Eltern führen würde, einen gleichwertigen Anspruch zu begründen, weil es an den eigentlich anspruchsberechtigten Eltern schlicht fehlt. Wer daher wie der Kläger als Flüchtling in das Bundesgebiet gekommen ist und zuvor seine Eltern zurückgelassen hat, lebt hier in der völlig gleichen Situation, wie sie sich für einen Vollwaisen darstellte. Insofern entspricht die Geltendmachung des Kindergeldanspruchs durch den Kläger letztlich dem gesetzgeberischen Ziel, so dass sich auch deshalb die Annahme eines (objektiven) Rechtsmissbrauchs verbietet. Dies gilt umso mehr, wenn man die sozialpolitische Zielsetzung des § 1 Abs. 2 BKGG darin sieht, dass der Kindergeldanspruch „allgemein in jenen Fällen nicht verloren sein“ soll, „in denen kein leistungsberechtigter für das Kind vorhanden ist“ (so SG Landshut, Beschluss vom 17. April 2012 – S 10 KG 1/12 ER –, BeckRS 2012, 68757).
Soweit widersprüchliche Angaben in den einzelnen Formularen vorgenommen worden sind, hat die Zeugin D. angegeben, diese jeweils für den Kläger und mit diesem zusammen ausgefüllt zu haben. Insofern ergeben sich für die Kammer keine Anhaltspunkte, dass hier falsche Angaben gemacht worden sind. Es dürfte sich hier schlicht um ein Versehen handeln, insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch für die Zeugin D. und nach den durchweg auch im Asylverfahren vom Kläger gemachten Angaben eindeutig ist, dass die Mutter des Klägers bereits vor seiner Flucht verstorben ist.
Nur ergänzend verweist die Kammer darauf, dass auch das Verwaltungsgericht Kassel aufgrund der dortigen mündlichen Verhandlung vom 14. August 2019 das Bekunden des Klägers ausdrücklich als „glaubhaft“ eingestuft hat, nicht zu wissen, wo sich sein Vater oder seine Geschwister aufhalten (Urteil vom selben Tag, 4 K 3106/16.KS.A, UA S. 22 f.).
Soweit die Beklagte in ihrer jüngsten Stellungnahme vom 23. November 2020 moniert, dass ein Großteil der von ihr zuvor schriftsätzlich formulierten Fragen im Rahmen der mündlichen Verhandlung des erkennenden Gerichts an den Kläger nicht gestellt worden sein, so ist dem – auf der Basis der Rechtsauffassung des Gerichts – die fehlende Entscheidungserheblichkeit dieser Fragen entgegenzuhalten. Dies gilt insbesondere zu allen Umständen, die die Infrastruktur im Heimatland des Klägers betreffen. Weder ist ersichtlich, aufgrund welchen Umstandes hier besondere Kenntnis des Klägers vorhanden sein sollte; insofern mag auch der Verweis auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Kassel zur Situation in Somalia im Urteil vom 14. August 2019 (4 K 3106/16.KS.A, UA S. 21 f.) genügen, um die – zurückhaltend formuliert – Realitätsferne der hinter diesen Fragen stehenden Überlegungen zu belegen. Noch wäre eine Kenntnis des Klägers für seinen hier streitigen Anspruch von Bedeutung. Gleiches gilt auch insoweit, als die konkreten Lebensverhältnisse des Klägers vor seiner Flucht in Somalia in Bezug auf das familiäre Zusammenleben betroffen sind. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern dies Rückschlüsse auf die heutige Kenntnis des Klägers über den Aufenthaltsort seines Vaters zuließe.
Nach alledem steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger den Aufenthalt seines Vaters als alleinigem noch lebenden Elternteil nicht kennt und diese Unkenntnis nicht rechtsmissbräuchlich durch den Kläger herbeigeführt bzw. aufrechterhalten worden ist. Damit liegen sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung von Kindergeld an den Kläger für sich selbst vor, so dass die Klage vollumfänglich Erfolg hat. Ausgehend von einer Antragstellung des Klägers im März 2020 ergibt sich damit gem. § 5 Abs. 2 BKGG ein rückwirkender Anspruch ab dem Monat Oktober 2019, was auch dem Entscheidungszeitraum des angegriffenen Bescheides entspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.