Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.08.2024 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist gelernte Bürokauffrau. Über ein Fernstudium spezialisierte sie sich weiter im Bereich der Immobilien- und Grundstückswirtschaft.
Nach Arbeitsverhältnissen als Sachbearbeiterin in verschiedenen Branchen war die Klägerin seit 1994 zunächst in der Geschäftsführung assistierender und später auch selbst leitender Funktion bei Immobiliengesellschaften tätig. Eine in 2014 aufgenommene Tätigkeit als Immobilienverwalterin endete 2020 nach krankheitsbedingter Kündigung von Arbeitgeberseite. Seit dem 01.09.2021 ist die Klägerin bei einer Firma mit Sitz in Hessen als „Asset Managerin im Immobilieneinkauf“ in Vollzeit nach eigenen Angaben angestellt tätig. Das Beschäftigungsverhältnis besteht ungekündigt fort.
Am 08.07.2020 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab an, unter Erschöpfungszuständen mit erhöhtem Schlafbedürfnis, Neurodermitis und Magenschmerzen zu leiden, sie fühle sich kraftlos, angespannt und überfordert.
Die Beklagte zog Befundunterlagen bei, darunter u.a.
- die für die private Krankenversicherung der Klägerin gefertigten psychiatrischen Gutachten des Dr. med. U. ab 2013, der bei der Klägerin (zuletzt am 18.05.2020) eine protrahiert verlaufende rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1.) diagnostiziert und sie für berufsunfähig für ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Immobilienkauffrau befunden hat;
- die Befundberichte der die Klägerin seit Oktober 2011 behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. X.: Die Ärztin bescheinigte (zuletzt am 13.05.2020), die Klägerin befinde sich weiterhin in ihrer engmaschigen ambulanten Behandlung durch wöchentlich supportive Gespräche. Insgesamt gestalte sich der Erkrankungsverlauf jedoch langwierig, neben Phasen, in denen die Patientin gut stabilisiert, motiviert und strukturiert sei, stünden Phasen ausgesprochener Erschöpfung und Müdigkeit mit erhöhtem Schlafbedürfnis und Leistungsminderung. Zusätzlich zu perspektivischen Unsicherheiten und Ängsten habe sich in den letzten Wochen zu der sich weiter stabilisierenden vorbekannten „Symptomatik“ in Gestalt von Magenschmerzen, Unverträglichkeiten und Appetitlosigkeit und auch eine Somatisierung entwickelt. Es finde eine medikamentöse Therapie mit “Insidon“ statt. Die zwischenzeitlich angeratene Psychotherapie habe die Klägerin im Einvernehmen mit dem ausgewählten Behandler nicht fortgeführt;
- ein Attest des Hausarztes - Allgemeinmediziner und Arzt für Naturheilverfahren - K. (vom 23.05.2012) über die Behandlung des gastrointestinalen Leidens und des Erschöpfungssyndroms;
- den Befund zu einer Abdomensonographie des Zentrums für Endoskopie und Diagnostik (vom 21.01.2020) mit den Diagnosen einer diskreten Fettleber und eines vorbekannten Gallenblasenpolypen von 3 x 5 mm ohne weitere Auffälligkeiten;
- den weiteren Befund einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (vom 21.01.2020) mit pathologischer Auswertung vom selben Tage und den Diagnosen: 1. Hochgradig chronische, aktive und erosive Typ-C-Gastritis des Antrums (wie z.B. bei NSAR-Therapie) und 2. Geringe superfizielle hämorrhagische Korpusgastritis (ebenfalls nächstliegend passend zu einer chemisch-toxischen Schleimhautschädigung) jeweils ohne Malignitätsverdacht;
- den radiologischen Bericht über ein Schädel-MRT (vom 09.01.2019) mit den Diagnosen: 1. A.e. Meningeom rechts frontal von 7 x 7 mm ohne Nachweis einer Infiltration der Umgebung, 2. Einzelne kleinfleckige a.e. mikroangiopathische Marklagergliosen (Vermehrung von Glia- statt Nervenzellen im sog. Marklager des Gehirns); darüber hinaus altersentsprechender cerebraler Befund 3. ohne Nachweis eines Hirnbasisarterienaneurysmas.
Ferner veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M.. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 15.10.2020 (aufgrund Untersuchung vom selben Tage) die Diagnosen: 1. Rezidivierende depressive Episode, gegenwärtig leicht (F33.0), 2. Chronische Gastritis (K.295), 3. Fersensporn rechts (M773). Im Zuge der Anamnese habe die Klägerin angegeben, sie leide seit 2001 wiederkehrend an Depressionen und sei deswegen auch immer wieder in Behandlung bei ihrer jetzigen Psychiaterin. Durch die verordnete Medikation und die wöchentlichen Gespräche habe sie sich schon erheblich stabilisiert. Ihr großes Problem sei ihre übermäßige Leistungsbereitschaft („24/7“) und die fehlende Qualifikation und Kompetenz ihrer Mitarbeiter. Auch habe sie das Problem, dass ihr durch ihre derzeitige Erkrankung 3.000,- Euro netto im Monat fehlten. Sie leide immer noch unter großer Erschöpfung und einem erhöhten Schlafbedürfnis. Sie sei antriebslos, obwohl sie um einen strukturierten Tagesablauf bemüht sei. Die Stimmung sei eigentlich nicht schlecht, aber sie sei oft angespannt und grübele viel. Sie versuche regelmäßig zu essen, gehe um 22.00 Uhr schlafen. Einmal in der Woche gehe sie zum Nähkurs, was ihr viel Freude und Entspannung bringe, einen Strickkurs habe sie wieder aufgegeben. Sie benutze regelmäßig Entspannungs-CD’s, mache Gartenarbeit, sei eine Zeitungsleserin und lade ab und zu Freunde ein. Fitnesstraining auf Trampolin, Bauchbank und Rudergerät habe sie eine Zeit lang nicht durchgeführt, wolle aber wieder damit anfangen. Aufgrund der rezidivierenden Magenschleimhautentzündungen nehme sie bei Bedarf Medikamente, eine stressbedingte Neurodermitis sei aktuell komplett abgeklungen. Wegen eines Fersensporns trage sie Einlagen. Der Gutachterin sei die Klägerin gepflegt und modisch gekleidet gegenübergetreten, im Kontakt freundlich, lebhaft und kooperativ bei selbstsicherem, schwungvollen Auftreten, bewusstseinsklar und allseits orientiert. Die Konzentration, Auffassung und Merkfähigkeit sei ungestört gewesen. Es hätten sich weder formale noch inhaltliche Denk- oder Wahrnehmungsstörungen, Ich-Störungen oder eine depressive Störung gezeigt. Die Klägerin sei emotional gut schwingungsfähig gewesen bei leicht gesteigertem Antrieb ohne Ängste und Zwänge. Dr. M. ist zu dem Ergebnis gelangt, unter den aufgezeigten Einschränkungen sei das Leistungsvermögen der Kläger funktionell nur qualitativ eingeschränkt. Sie könne mittelschwere Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderungen an die Stresstoleranz, Überstunden und Wechselschicht vollschichtig verrichten. Dagegen sei die letzte Tätigkeit in leitender Funktion als Immobilienverwalterin nicht mehr leidensgerecht.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 20.10.2020 ab. Aus den gutachterlich feststellbaren Diagnosen lasse sich keine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens herleiten.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 30.03.2021 unter Bezugnahme auf das Ergebnis ihrer medizinischen Ermittlungen zurück.
Mit ihrer hiergegen (am 14.04.2021) beim Sozialgericht Duisburg eingereichten Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiterverfolgt. Infolge ihrer psychischen und psychosomatischen Einschränkungen könne sie keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit mehr nachgehen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2021 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig ergangen. Ergänzend hat sie (unter Bezugnahme auf die ärztliche Stellungnahme der Neurologin E. vom 27.07.2021) ausgeführt, eine zu zeitlichen Abstrichen des Leistungsvermögens führende psychiatrische Erkrankung sei nicht belegt. Die Klägerin komme seit Jahren mit stützenden Gesprächen und einer niedrig dosierten Medikation über die Runden. Es finde weder eine leitliniengerechte Psychotherapie statt noch gebe es stationäre Aufenthalte.
Das Sozialgericht hat Befundberichte bei den behandelnden Ärzten der Klägerin eingeholt:
Hausarzt K. hat der Klägerin (mit Schreiben vom 08.07.2021) seit Jahren bestehende intermittierende Oberbauchbeschwerden bei aktenkundiger chronischer Gastritis im Zusammenhang mit einer psychischen Belastungssituation bescheinigt.
Die behandelnde Psychiaterin Dr. X. hat der Klägerin (mit Schreiben vom 22.06.2021) ein anhaltendes depressives Syndrom mit ausgeprägter Erschöpfungssymptomatik und Angst bei Anpassungsstörung (F43.2) und Somatisierung in Form einer chronischen Gastritis (K29.3) attestiert. Infolge der anhaltenden wöchentlichen Vorsprachen sei eine Stabilisierung im Sinne einer stetig geringfügigen Verbesserung zu beobachten, die allerdings für eine Vollzeitbeschäftigung noch nicht ausreiche, prognostisch sei dies im Verlauf der kommenden 6 Monate zu erwarten.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben zur Frage des Gesundheitszustandes und des Leistungsvermögens der Klägerin durch Einholen eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin Dr. med. C.. Dieser hat in seinem Gutachten vom 15.03.2022 (aufgrund Untersuchung vom 10.03.2022) festgestellt, dass aus fachärztlich psychiatrisch-psychosomatischer Sicht bei der Klägerin eine psychische oder psychiatrische Erkrankung aktuell „definitv nicht zu stellen“ sei.
Es lägen weder diagnostische Kriterien einer Angststörung noch einer affektiven Störung vor. Ferner sei weder eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis noch eine dementielle Erkrankung diagnostizierbar. Anamnestisch bekannt seien mindestens zwei Phasen einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit in Zusammenhang mit einem Überforderungserleben. Die exakte diagnostische Zuordnung in retrospektiver Betrachtung sei nur eingeschränkt möglich. In Frage käme ein „Burnout-Syndrom bzw. DD eine Anpassungsstörung mit depressiven Symptomen“. Eine höhergradige funktionell relevante Beeinträchtigung sei hieraus nicht abzuleiten. Er pflichte insoweit Dr. M. bei. Der zwischen Selbstaussage und Fremdbeurteilung differenzierende psychopathologischer Befund nach AMDP (Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde der Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie; 100 Symptome nach 12 Kategorien; Referenzzeitraum: 4 Wochen) habe keine Bewusstseins-, Orientierungs-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnis- oder formale Denkstörungen ergeben und keine relevanten Hinweise für Befürchtungen, Zwänge, Wahn, Sinnestäuschungen, Ich-/Affektivitäts-/Antriebs-/Schlafstörungen. Eine testdiagnostische Zusatzuntersuchung sei aufgrund dieses (eindeutigen) Befundes entbehrlich gewesen. Erwähnenswert sei, dass die zum Zeitpunkt der Untersuchung in Vollzeit tätige Klägerin zum Ausdruck gebracht habe, dass sie lediglich im Falle der Änderung der Rahmenbedingungen befürchte, wieder in eine Überforderungssituation zu geraten. Bezogen auf ihre seit September 2021 aufgenommene Tätigkeit komme ihr zu Gute bzw. entlaste sie psychisch, dass sie ihre Bürotätigkeit im eigenen Haus verrichten könne. Sie arbeite auch bei Weitem nicht mehr so viel wie in früheren Jahren. Tatsächlich versuche sie „stellenweise, sich vor der Arbeit zu drücken“. Im Augenblick sei „die Situation toll“. Sie könne sich aber nicht vorstellen, wie es wäre, wenn sie wieder regelmäßige Arbeitswege hätte.
Dr. C. hat ergänzend festgestellt, dass auch eine Gastritis zum Untersuchungszeitpunkt nicht mehr beschrieben werden könne. Nach eigenen Angaben der Klägerin finde allenfalls eine jährliche Kontrolle statt, während die Einnahme eines Protronenpumpeninhibitors oder eines anderen Medikaments zwecks Behandlung einer chronischen Gastritis verneint werde.
Vor dem Hintergrund der feststellbaren Einschränkungen sei die Klägerin in der Lage, körperlich mittelschwere und geistig mittelschwierige Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit vollschichtig zu verrichten. Sie könne in Nacht- und Wechselschicht eingesetzt werden, während Arbeiten unter besonderem Zeitdruck aufgrund der Neigung zu Überforderungszuständen und Burn-out zu vermeiden seien. Häufiger Publikumsverkehr sei dagegen zumutbar. Auch könne die Klägerin öffentliche Verkehrsmittel benutzen und ein Kraftfahrzeug steuern.
Auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht weiteren Beweis erhoben durch Einholen eines Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. G.. Dem Gutachten vom 05.12.2022 liegt eine eigene ambulante psychiatrische Untersuchung vom 10.10.2022 durch die Sachverständige zu Grunde und eine von ihr auf eigene Veranlassung extern beauftragte testpsychologische Untersuchung vom 11.10.2022 (durch Dipl.-Psychologin R.), deren Ergebnisse in bereits ausgewerteter Form Bestandteil des Gutachtens sind. Darin heißt es u.a. „Hinweise auf eine persistierende depressive Störung können im SCID-5 nicht gefunden werden, Frau Q. verneint Kriterium A (depressive Stimmung für die meiste Zeit des Tages an der Mehrzahl der Tage über einen mindestens zweijährigen Zeitraum), so dass eine persistierende depressive Störung unwahrscheinlich ist“.
Unter Zugrundelegung einer ausführlichen Beschwerdeschilderung und einer Gesamtauswertung ist Frau Dr. G. zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung mit schweren und langanhaltenden Episoden (erste 2011), derzeit mittelgradig ausgeprägt (F33.1) vorliege, sowie eine ausgeprägte psychosomatische Reaktion (Magenleiden) DD somatoforme autonome Funktionsstörung (F45.3) bei anankastisch-ehrgeiziger Persönlichkeitsakzentuierung. Nach den bisher erfolgten Begutachtungen sei bei der Klägerin eine „weitere schwere depressive Episode“ aufgetreten. Zu berücksichtigen sei ferner ein Meningeom, das kontrollbedürftig sei. Die Magenerkrankung habe sich wieder verstärkt. Insgesamt komme es zunehmend zu psychischen Krankheitsepisoden aufgrund einer wiederholt auftretenden und mittlerweile chronischen Überlastung und Überforderung, die die Klägerin aufgrund ihrer Persönlichkeitsakzentuierung nicht steuern könne. Im Längsschnitt seit 2011 bestehe aus ihrer Sicht jedoch „ab dem Untersuchungszeitpunkt eine Leistungsminderung, um einer Chronifizierung entgegenzuwirken“. Die Klägerin könne daher nur eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens drei, aber weniger als sechs Stunden ausüben. Die Arbeiten könnten mittelschwierig bis schwierig sein, jedoch nicht in den schwer depressiven Krankheitsepisoden. Dies gelte auch für Schichtarbeitsmodelle oder Arbeiten mit besonderem Zeitdruck und häufigem Publikumsverkehr. Mäßiger, nicht konfliktbehafteter Publikumsverkehr sei möglich. Es könnten besondere und durchschnittliche Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gestellt werden. Dem Gutachten von Dr. med. C. werde nicht zugestimmt, da es ohne tiefergehende Untersuchungen zustande gekommen sei. Bei rezidivierenden Erkrankungen könne es immer auch zu Remissionen kommen.
Die Beklagte ist dem Gutachten (unter Bezugnahme auf die ärztliche Stellungnahme der Neurologin E. vom 14.02.2023) entgegengetreten: Der von Dr. G. beschriebene psychische Befund weise nur eine leicht- bis mittelgradige depressive Symptomatik auf, teilstationäre oder stationäre Aufenthalte seien zu keinem Zeitpunkt veranlasst gewesen. Auch unter ergänzender Berücksichtigung des Magenleidens und einer Persönlichkeitsakzentuierung sowie eines lediglich kontrollbedürftigen Meningeoms ließen sich keine Einschränkungen des zeitlichen Leistungsvermögens überzeugend herleiten.
In seiner ergänzenden Stellungnahme (vom 16.06.2023) hat Dr. C. ausgeführt, Frau Dr. G. beschreibe einen psychopathologischen Befund gemäß AMCP, der eine depressive Störung im engeren Sinne nicht trage. Die erfasste Medikation „Insidon“ entfalte keine antidepressive Wirkung; offenbar werde der Nebeneffekt „leicht sedierend“ in niedriger Dosierung zwecks Schlafinduktion erfolgreich genutzt. Eine ambulante Psychotherapie finde offensichtlich nicht statt. Das Gutachten lasse keine Abgrenzung zwischen detailreichen anamnestischen Angaben und Untersuchungsbefunden erkennen und hinreichend konkrete Beschreibungen von Beschwerden und hieraus resultierenden konkreten Einschränkungen vermissen. Häufig werde auf den Begriff „die Symptomatik“ Bezug genommen ohne dies medizinisch belastbar einzuordnen und zu bewerten. Der angegebene Schweregrad einer eher ominösen Störung schwanke zwischen „leicht und mittelschwer“ und „schwer und langanhaltend“. Die Gutachterin schildere letztlich in aller Ausführlichkeit das Selbstbild der Klägerin. Die genutzten Testinstrumente seien ungeeignet, im Kontext einer sozialmedizinischen Begutachtung Auskunft über den Grad der Ausprägung von Symptomen zu geben. Auch seien die Ergebnisse ohne Einsatz von Beschwerdevalidierungsverfahren übernommen worden. Vorhandene, nach seiner Auffassung nicht ansatzweise genutzte, Therapieoptionen seien weder kritisch hinterfragt, noch ernsthaft beleuchtet worden.
Die Klägerin hat hiergegen (mit Schriftsätzen vom 05.07.2023 und vom 14.07.2023) eingewandt, allein der Gesamtaufwand an Zeit für ihre Untersuchung habe bei Dr. G. drei Stunden länger gedauert als bei Dr. C.; dies spreche für sich. Offenbar vertrete Dr. C. auch die Auffassung, die Klägerin könne ihre Beschwerdesymptomatik durch freie Willensanspannung überwinden. Damit befinde er sich nicht mehr auf der Höhe des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes.
In einer anwaltlich weitergeleiteten persönlichen Stellungnahme vom 12.07.2023 hat die Klägerin zudem Detailfragen des schriftlichen Gutachtens von Dr. C. aus ihrer Perspektive klargestellt und darauf hingewiesen, dass es oberflächlich formuliert und keineswegs mit der Sorgfalt von Dr. G. zu vergleichen sei.
Dr. G. hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme (vom 31.01.2024) ausgeführt, dass eine geduldige Aufnahme der eigenanamnestischen Angaben eine psychiatrische Begutachtung gerade ausmache. Die anankastisch-narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung der Klägerin sei problematisch in der Interaktion mit Untersucherinnen und könne tiefenpsychologisch zu einem sog. Übertragungsphänomen führen. Das Explorationsgespräch stehe im Vordergrund, die testpsychologische Untersuchung sei lediglich eine Erweiterung der Untersuchung. Die von ihr herangezogene Testpsychologin führe diese standardisierten Verfahren durch ohne die eigentlichen gutachterlichen Fragen zu kennen. Die zur Klärung gestellten Fragen der Beweisanordnung beantworte vielmehr ausschließlich sie als Sachverständige. Richtig sei, dass an den Untersuchungstagen die Kernsymptome einer schweren depressiven Störung nicht vorgelegen hätten. Die Querschnittsbefunderhebung widerspreche sich jedoch nicht mit der aktuellen Diagnose einer leichten bis mittelschweren depressiven Episode und sei andererseits auch nicht aussagekräftig im Hinblick auf die Leistungsbeurteilung, da sich bei der Klägerin „mehrere Störungsbilder“ überschnitten. Besonders zu gewichten sei, dass es sich um eine rezidivierend depressive Störung handele mit unterschiedlich schwer ausgeprägten Phasen, so dass dann immer die Längsschnittbeurteilung maßgeblich sei. So habe die Klägerin bereits 2011 schwere und langanhaltende depressive Episoden gehabt und zum Zeitpunkt der Untersuchung unter einer ausgeprägt psychosomatischen Reaktion (Magenschmerzen) gelitten. Es gehe immer um die Summierung von psychischen und körperlichen Symptomen im Längsschnitt vor dem Hintergrund einer Persönlichkeit mit mehr oder weniger gut ausgeprägten Bewältigungsressourcen. Sie verbleibe daher bei der von ihr getroffenen Leistungseinschätzung.
Die Beklagte hat hierzu (unter Bezugnahme auf die weiteren ärztlichen Stellungnahmen der Neurologin E. vom 26.02.2024 und 10.06.2024) geltend gemacht, die ergänzenden Ausführungen der Dr. G. könnten die von Dr. C. überzeugend aufgelisteten Kritikpunkte nicht ausräumen. Es bleibe dabei, dass der dargelegte Befund keine ergebnisrelevante Pathologie aufweise.
Die Klägerin hat demgegenüber (mit Schriftsatz vom 16.05.2024) ausgeführt, allein die Sachverständige Dr. G. habe ihr Beschwerdebild zutreffend erfasst und bewertet. Das fatale Zusammenwirken einer rezidivierenden depressiven Störung (derzeit mittelgradige Episode) mit einer ausgeprägt psychosomatischen Reaktion bei anankastisch-ehrgeiziger Persönlichkeitsakzentuierung führe zunehmend zu nicht steuerbaren Krankheitsepisoden und letztlich zu einem allenfalls teilschichtigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Ergänzend hat die Klägerin auf eine (auf den 24.06.2024 datierende) Stellungnahme ihrer Psychiaterin Dr. X. Bezug genommen sowie auf das ebenfalls von Dr. X. bescheinigte Ergebnis eines „Fatiguefragebogens (06.06.2024)“ des Inhalts „kognitiv Score 49 = schweres Fatiguesyndrom; motorisch Score 49 = schweres Fatiguesyndrom und Gesamtscore 98 = schweres Fatiguesyndrom“.
Ferner hat sie sich auf ein Attest des Hausarztes K. (vom 26.07.2024) bezogen, in dem dieser bescheinigt, die alltägliche Selbstversorgung der Klägerin sei mittlerweile eingeschränkt, sie könne nicht mehr den Haushalt führen, einkaufen oder Gartenarbeit verrichten und aufgrund einer deutlichen Orientierungsstörung auch nicht mehr Auto fahren. Zur Regeneration brauche sie Pausen über den ganzen Tag. Im Rahmen einer Histaminunverträglichkeit bestehe ein erheblicher Juckreiz mit erheblichen Hautveränderungen bis hin zu blutigen Kratzeffekten. Sie sei durchgehend seit Mai 2023 krankgeschrieben und sehe sich gezwungen, das Haus zu verkaufen, da sie dies nicht weiter bewirtschaften könne.
Durch Urteil vom 30.08.2024 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat sich die erkennende Kammer auf das Sachverständigengutachten des Dr. C. gestützt. Sein Verzicht auf testpsychologische Zusatzuntersuchungen sei vor dem Hintergrund des erhobenen Befundes nachvollziehbar und leitliniengerecht. Dr. C. habe überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin eine fortbestehende psychische oder psychiatrische Erkrankung, die das quantitative Leistungsvermögen herabsetze, nicht valide festzustellen sei. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Fahrtauglichkeit habe der Sachverständige nicht gesehen. Auch eine akute Gastritis sei von der Klägerin im Rahmen der Untersuchung selbst verneint worden. Gemessen an dem feststellbaren psychopathologischen Befund, der weitgehend erhaltenen Tages- und Sozialstruktur und den in Anspruch genommenen Therapien könne sie qualitativ leidensangepasste Tätigkeiten vollschichtig verrichten.
Die Klägerin hat gegen das (am 11.09.2024 zugestellte) Urteil am 16.09.2024 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, das Gericht habe sich zu Unrecht den Feststellungen des Dr. C. angeschlossen. Das Gutachten der Dr. G. sei an Tiefe und Überzeugungskraft überlegen. Es stehe überdies im Einklang mit den Feststellungen der behandelnden Psychiaterin Dr. X. und dem Gutachten des Dr. U.. Schließlich gehe auch der Hausarzt, Allgemeinmediziner K., von einem aufgehobenen Leistungsvermögen aus. Es werde angeregt, ein weiteres psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen.
Darüber hinaus hat die Klägerin eine aktuelle Bescheinigung ihres Hausarztes K. (vom 11.02.2025) zu den Akten gereicht, nach der es sei zu „keiner relevanten Verbesserung“ der klinischen Beschwerdesymptomatik gekommen sei.
Zudem hat sie Berichte zu den radiologischen Verlaufskontrollen des Meningeoms per Schädel-MRT (vom 10.10.2023 und 06.11.2024) ohne relevante Befundänderung beigefügt, sowie Laborbefunde und einen Bericht des Pneumologen Dr. W. (vom 22.10.2024), in dem dieser eine pulmonale Funktionsstörung ausschließt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.08.2021 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2021 zu verurteilen, ihr ausgehend von einem Leistungsfall am 08.07.2020 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren bisherigen Sachvortrag und die aus ihrer Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils.
Die Beklagte hat auf Anforderung eine Probeberechnung mit Versicherungsverlauf übersandt und mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei der Klägerin letztmalig am 30.09.2024 vorgelegen haben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A. Die zulässige, insbesondere statthafte (§§ 143, 144 SGG) und fristgemäß (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet.
I. Das Sozialgericht hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 20.10.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2021 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil die Entscheidung rechtmäßig ist (§ 54 Abs. 2 SGG).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI, da die medizinischen Voraussetzungen weder für eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung nachgewiesen sind.
Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung besteht für Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.
Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend und ausführlich dargelegt, dass die Klägerin insbesondere auch unter Berücksichtigung der psychiatrischen Beschwerden noch in der Lage ist, unter bestimmten qualitativen Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Das Gericht hat sich dabei auf die überzeugenden und allein mit dem Quer- und Längsschnitt der vorliegenden medizinischen Befunde im Einklang stehenden Ausführungen des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin Dr. C. gestützt.
Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil, die er sich nach Überprüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend hierzu sieht auch der Senat nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme den Vollbeweis einer auch nur teilweisen Erwerbsminderung ab Antragstellung nicht als erbracht an, so dass die Berufung deshalb zurückzuweisen war. Ab Oktober 2024 sind überdies, ohne dass dies für die Entscheidung noch tragend ist, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) nicht mehr erfüllt.
Die Klägerin leidet maßgeblich unter psychiatrischen und internistischen Erkrankungen flankiert durch ein neurochirurgisches Risikoleiden. Die hieraus resultierenden Einschränkungen sind indes weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtschau geeignet, eine rentenrechtlich relevante quantitative Minderung des Leistungsvermögens zu begründen.
In neurologischer Hinsicht wurde durch ein MRT (vom 09.01.2019) ein benignes interkranielles Meningeom der rechten Gehirnhälfte festgestellt. Der Verlauf wird halbjährlich kontrolliert und hat bislang keine auffällige Veränderung ergeben. Konkrete gesundheitliche Einschränkungen im Zusammenhang mit diesem Leiden sind weder vorgetragen noch ärztlich dokumentiert.
Auf internistischem Fachgebiet war eine manifeste Erkrankung in Gestalt der 2015 auch stationär behandelten rezidivierenden chronischen hochgradig aktiven und erosiven Typ C-Gastritis des Antrums und einer geringen superfiziellen gering hämorrhagischen Korpusgastritis mit dem Verdacht einer Ursache in einer chemisch-toxischen Schleimhautschädigung (wie etwa durch NSAR-Therapie, vgl. PD Dr. L., Institut für Pathologie beim S. Krankenhaus Z. GmbH vom 21.01.2020) fachärztlich diagnostiziert. Soweit Dr. G. eine zeitlich nicht näher herausgearbeitete „Verstärkung“ dieser gastritischen Beschwerden aufführt, sind diese internistisch bzw. gastroenterologisch nicht belegt. Der Verlauf bestätigt das Gegenteil: Gegenüber der Gutachterin des Vorverfahrens (Dr. M.) hat die Klägerin anamnestisch angegeben, die zur Behandlung verordnete Medikation nur „bei Bedarf“ zu nehmen. Bestätigt hat sie dies auch gegenüber Dr. C., dem sie von einer jährlichen Gastroskopie berichtet hat, einen Protonenpumpeninhibitor oder ein anderes Medikament zur Behandlung einer chronischen Gastritis nehme sie nicht ein. Der Gutachter vermag daher aus der bloßen Neigung zu Gastrieden - für den Senat konsequent und überzeugend - keine Einschränkung herzuleiten, die das zeitliche Leistungsvermögen herabsetzt. Dies deckt sich letztlich mit der Einschätzung von Dr. G., die die Gastritis nicht als eigenständige Erkrankung aufführt, sondern sie nur im Rahmen einer allgemeinen somatoformen Funktionsstörung erfasst. Der Senat folgt jedoch auch insoweit den Ausführungen des Facharztes Dr. C., der anders als Dr. G. auch über eine ausgewiesene Expertise auf dem Gebiet der psychosomatischen Medizin verfügt und eine organisch nicht zu erklärende, insbesondere eigenständige bzw. verselbständigte somatische Erkrankung nicht festzustellen vermag.
Ohne Auswirkungen auf das (zeitliche) Leistungsvermögen verbleibt für den Senat ebenso wie für beide erstinstanzlichen Gutachter der durch Einlagen behandelte Fersensporn rechts und die (zuletzt vom Hausarzt K. in seinem Attest vom 26.07.2024) beschriebene Histaminunverträglichkeit. Die Unverträglichkeit ist vor allem diätisch zu behandeln. Eine auf einen gesteigerten Leidensdruck schließen lassende verstärkte dermatologische oder allergologische Behandlung der Klägerin ist weder vorgetragen noch dokumentiert. Eine in der Vergangenheit aufgetretene Neurodermitis ist nach den Ausführungen der Gutachterin im Vorverfahren bereits im Oktober 2020 vollständig ausgeheilt.
Im Vordergrund steht bei der Klägerin unstreitig ein psychiatrisch einzuordnendes Beschwerdebild. Für die Vergangenheit ist durch Atteste der behandelnden Ärzte ohne weiteres dokumentiert, dass die Klägerin erstmalig aus Anlass eines Arbeitsplatzkonfliktes Ende 2011 eine depressive Störung mit eingangs schweren, fortlaufend hingegen ausschließlich höchstens gelegentlich mittelgradigen Episoden entwickelt hat, die mittlerweile als wiederkehrend einzustufen ist und mit somatischen Symptomen und Zuständen einhergeht. Symptomatisch wechseln sich dabei aufgrund eines persönlichkeitsbedingten Hanges zur eigenen Überforderung Phasen ausgesprochener Erschöpfung und Antriebsschwäche mit erhöhtem Schlafbedürfnis und affektiver Instabilität mit strukturierten und (über-)motivierten Phasen ab. Jedoch hat der Sachverständige Dr. C. schlüssig herausgearbeitet, dass sich das Beschwerdebild zum Untersuchungszeitpunkt im März 2022 insoweit „entaktualisiert“ hat, als ihm kein rentenrechtlich relevanter Krankheitswert mehr beizumessen ist. Retrospektiv komme ein Burn-Out-Syndrom bzw. DD eine Anpassungsstörung mit depressiven Symptomen in Frage. Damit sei die Klägerin weiterhin in die Lage, körperlich mittelschweren und geistig mittelschwierigen Arbeiten unter besonderen, psychischen Stress vermeidenden Einschränkungen (Zeitdruck etc.) nachzugehen.
Diese Bewertung leitet Dr. C. unter anderem konsequent her aus den von der Klägerin ihm gegenüber getätigten anamnestischen Angaben, denen zufolge sich ihre berufliche Situation durch ungewöhnliche Freiheiten in ihrem aktuellen Arbeitsverhältnis und das selbstbestimmte Arbeiten in den eigenen vier Wänden verbessert habe. Diese Entlastung setzt sich fort in einer erhaltenen Tagesstruktur und einer ebenfalls weitgehend erhaltenen Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Dies ist letztlich konsistent zu den von der Klägerin bereits im Oktober 2020 gegenüber Frau Dr. M. getätigten anamnestischen Äußerungen, die ebenfalls Aufschluss gaben über eine fortsetzbare tägliche Routine, bestehende Hobbies (u.a. Nähkurs, Gartenarbeit) sowie erhaltene soziale Kontakte (Einladung von Freunden etc.).
Der Befund steht weiterhin in Einklang zu dem von der Klägerin in Anspruch genommenem Therapieregime, das ohne nachgewiesene Dekompensationen, respektive stationäre Aufenthalte, rehabilitative Maßnahmen oder eine leitliniengerechte Psychotherapie auskommt. Es erschöpft sich in „supportiven Gesprächen“ bei Dr. X., die nach den Angaben der Klägerin gegenüber Dr. C. 2021 noch wöchentlich stattfanden, infolge Stabilisierung aber später im Monatsrhythmus ausreichten. Auch die niedrig dosierte Behandlung mit einem sedierenden, spannungslösenden, bestenfalls leicht antidepressiv wirkenden Medikament („Insidon“) lässt keinen Rückschluss zu auf eine maßgebliche funktionell relevante Beeinträchtigung. Der Senat stimmt mit der Klägerin überein, dass eine unterbliebene (fachärztliche) Behandlung oder Medikation eine Krankheit bzw. eine Erwerbsminderung i.S.d. § 43 SGB VI nicht von vornherein ausschließt (BSG, Beschluss vom 28.09.2020 – B 13 R 45/19 B, juris); im Rahmen der Beweiswürdigung kann beides aber als ein Indiz - neben anderen Indizien - berücksichtigt und gewürdigt werden (hierzu Matlock, NZS 2021, 154; Hensen/Keller, NJW 2021, 974, 978).
Schließlich steht die sozialmedizinische Bewertung von Dr. C. auch nicht im Widerspruch zu dem Befund der fachärztlichen Behandlerin Dr. X., die letztlich zu keinem relevanten Zeitpunkt eine stark beeinträchtigende depressive Erkrankung bescheinigt. Sie beschreibt im Gegenteil im Befundbericht vom 22.06.2021 eine Stabilisierung im Sinne einer stetig geringfügigen Verbesserung. Im Übrigen bleibt sie in ihren Befunden unter Berücksichtigung der anerkannten medizinischen Klassifikation von u.a. auch psychischen Erkrankungen eher diffus: So heißt es in ihrem Befundbericht vom 12.12.2011 „im Vordergrund der psychischen Symptomatik stehen Ängste“; in dem vom 29.03.2012 nicht näher spezifiziert „Depression mit Somatisierung“; in dem vom 16.09.2013 „sich gut stabilisierende (komplexe) psychische Symptomatik mit Ängsten, Erschöpfungssymptomen und psychomotorischer Unruhe“; in dem vom 22.10.2019 „komplexe Symptomatik mit im Vordergrund stehend Erschöpfungsgefühl, Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit und affektiver Instabilität“; in den Berichten vom 05.02.2020 und 22.04.2022 „deutliche Stabilisierung“ ohne jegliche Diagnose. Im Bericht vom 13.05.2020 wird ein langwieriger Krankheitsverlauf mit Stimmungsschwankungen und Unsicherheiten, stabilen und strukturierten Phasen beschrieben wie auch mit solchen mit erhöhtem Schlafbedürfnis und Leistungsminderung; jedoch ist auch zu diesem rentenantragsnahen Zeitpunkt weiterhin von einer „allmählichen Stabilisierung“ die Rede. Auch in ihrer letzten fachärztlichen Bescheinigung vom 24.06.2024 ist von einer „erheblich verminderten Resilienz (körperliche und psychische Belastungsminderung)“ die Rede. Auch der von der Dr. X. am 24.08.2024 mitgeteilte hohe „Fatigue-Score“ hat für sich keinerlei Beweiswert, da nicht im Ansatz nachvollziehbar ist, aus welchem psychiatrischen Erkrankungsbild dieser resultieren soll oder wie er ermittelt wurde (Referenzzeitraum etc.). Die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung im klinischen Vollbild eines funktionell relevant schwereren Grades fehlt indes (vgl. hierzu LSG NRW, Urteil vom 27.10.2023, L 21 R 891/21; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2018, L 5 R 1863/17; Bayerisches LSG, Urteil vom 27.02.2013, L 13 R 29/11 ZVW; LSG Hamburg, Urteil vom 29.04.2014, L 3 R 129/11, alle juris).
Vor diesem Hintergrund überzeugt das durch das subjektive Beschwerdebild der Klägerin geprägte Sachverständigengutachten der nach § 109 SGG beauftragten Dr. G. nicht, wie bereits das Sozialgericht in aller Ausführlichkeit und Sorgfalt dargelegt hat. In Ergänzung hierzu ist für den Senat entscheidend, dass Dr. G. in ihrer Stellungnahme selbst eingeräumt hat, dass sich bei der Klägerin zum Untersuchungszeitpunkt im Oktober 2022 allenfalls eine leichte bis mittelschwere Depression habe feststellen lassen. Für die Zeit ab Rentenantragsstellung relevante Phasen einer erheblichen schwereren Erkrankung werden von ihr entweder nicht benannt oder aber wie die behauptete „erneute schwere Episode“ weder zeitlich abgegrenzt noch in irgendeiner Weise psychopathologisch untermauert. Vor allem aber leidet das Gutachten daran, dass der zu Grunde gelegte Maßstab nicht trägt: Weitschweifig führt Frau Dr. G. aus, warum die Klägerin den Rollenerwartungen ihrer aktuellen Tätigkeit und der damit einhergehenden Überforderung nicht mehr im vollem zeitlichen Umfang gerecht werden könne. Diese Ausführungen gipfeln in der (mehrfachen) ausdrücklichen Schlussfolgerung, dass eine Leistungsminderung anzunehmen sei, „um einer Chronifizierung entgegenzuwirken“, was ohne jeden Zweifel nicht die Aufgabe der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente ist und sein kann. Eine Antwort auf die entscheidende Frage, welche funktionelle Beeinträchtigung so gravierend ist, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sein soll, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (unter qualitativen Einschränkungen) unter sechs oder unter drei Stunden arbeitstäglich zu verrichten, bleibt das Gutachten dagegen schuldig.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus den Ausführungen des Hausarztes K. vom 11.02.2025, die wortgleich zu seinen Ausführungen vom 26.07.2024 eine erheblich fortgeschrittene Einschränkung der Alltagstauglichkeit beschreiben einschließlich einer das Autofahren unmöglich machenden Orientierungsstörung, ohne auch nur im Ansatz eine medizinische Erklärung oder einen auf einschlägiger Fachkompetenz basierenden befundbezogenen Beleg hierfür zu geben. Im Gegenteil: Aus dem Umstand, dass der Allgemeinmediziner zur maßgeblichen Befundlage lediglich folgert, es sei zu keiner „relevanten Verbesserung“ gekommen, lässt sich eben auch gerade keine relevante Verschlechterung ableiten. Von einem derartigen, letztlich bereits pflegeversicherungsrechtlich relevanten Rückgang der Alltagskompetenz der Klägerin wie von dem Arzt K. beschrieben, konnte sich der Senat auch bei der Einvernahme der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugen. Zudem besteht auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin (trotz angegebener Arbeitsunfähigkeit seit Mai 2023) ungekündigt fort.
Anlass zu weiteren Sachverhaltsermittlungen bestand nicht. Die Berichte zu den zwischenzeitlich erfolgten Schädel-MRTs (u.a. vom 10.10.2023) weisen keine Befundänderung auf. Pneumologe Dr. W. schließt in seinem zuletzt eingereichten Bericht gerade eine pulmonale Funktionsstörung (im Anschluss an eine Covid-19-Infektion 12/2022) aus.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Sie erfüllt bereits die Grundvoraussetzung gemäß § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht, denn sie ist nach dem 02.01.1961 geboren.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
C. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Maßgeblich für die Entscheidung sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.