L 22 BA 44/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
22
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 49 BA 112/2
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 22 BA 44/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Es wird festgestellt, dass das als Urteil bezeichnete Schriftstück des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.02.2022 keine wirksame Entscheidung über die am 14.08.2020 erhobene Klage darstellt.

Das Sozialgericht entscheidet auch über die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 und des zwischenzeitlich verstorbenen N. als (…) in der Zeit vom 01.08.2017 bis zum 30.09.2017 bzw. vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 sowie des Beigeladenen zu 2 als (…) in der Zeit vom 01.11.2015 bis zum 31.12.2017.

 

Der Kläger ist ausgebildeter (…) und Inhaber eines Therapiezentrums für Logopädie, Ergo- und Physiotherapie. Die Beigeladenen und N. waren in den streitigen Zeiträumen in den Praxisräumen des Klägers als (…) (Beigeladener zu 1 und N.) bzw. als (…) (Beigeladener zu 2) tätig.

 

Am 07.01.2019 führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2018 durch und setzte nach Anhörung mit Bescheid vom 10.09.2019 für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2017 eine Nachforderung in Höhe von 52.308,05 Euro fest. Der Beigeladene zu 1 habe seine Tätigkeit als (…) auch über den 31.07.2017 hinaus bis zum 30.09.2017 abhängig beschäftigt ausgeübt; der Beigeladene zu 2 sowie N. seien seit dem 01.11.2015 bzw. seit dem 01.01.2015 versicherungspflichtig als (…) beim Kläger beschäftigt. Das Gesamtbild der Tätigkeit führe nach Abwägung aller für bzw. gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale jeweils zum Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. 

 

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2020 unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid als unbegründet zurück.

 

Am 13.08.2020 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, er sei seit vielen Jahren selbstständig. Bei den in der Vergangenheit durchgeführten Betriebsprüfungen sei die Tätigkeit der freien Mitarbeiter nie gerügt worden. Er habe daher darauf vertraut, dass die freie Mitarbeit auch weiterhin als selbstständige Tätigkeit gewertet werde. Eine Weisungsbefugnis gegenüber seinen freien Mitarbeitern habe nicht bestanden.

 

Mit Beschluss vom 23.09.2020 hat das SG D., N. und T. zum Verfahren notwendig beigeladen. N. ist am 00.00.0000 verstorben.

 

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

 

den Bescheid vom 10.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2020 aufzuheben.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat an ihrer Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen und N.s festgehalten.

 

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

 

Die Beteiligten haben sich auf Nachfrage des SG mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden erklärt.

Das SG hat die Klage am 18.02.2022 ohne mündliche Verhandlung durch Urteil abgewiesen und den Tenor am Tag der Entscheidungsfindung handschriftlich niedergelegt. Im Rubrum des hierzu verwendeten, von der Kammervorsitzenden und den ehrenamtlichen Richterinnen unterzeichneten Vordrucks wird N. nicht mehr als Beigeladener aufgeführt, T. aber sowohl als Beigeladener zu 2 als auch als Beigeladener zu 3 ausgewiesen.

 

Die Kammervorsitzende hat sodann den Tatbestand und die Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst. Auf Blatt 128 ff. der Gerichtsakte (Papierakte) befindet sich ein von ihr verfasstes, wie folgt überschriebenes Schriftstück:

„S 49 BA 112/20

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

L. als Inhaber des Therapiezentrums am Y. ./. DRV Bund

(bitte volles Rubrum einfügen)

hat die 49. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf durch die Richterin am Sozialgericht X. als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richterinnen F. und E. ohne mündliche Verhandlung am 18.02.2022 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.“

Es folgen der Tatbestand und die Entscheidungsgründe. Das von der Vorsitzenden handschriftlich unterzeichnete Dokument endet mit folgendem Vermerk:

 „Streitwert: 52.308,05 Euro

RMB: Berufung

X.

Richterin am Sozialgericht“

 

Die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle hat sodann ein neues Dokument erstellt und den Tatbestand und die Entscheidungsgründe durch ein korrigiertes, volles Rubrum, welches T. nur als Beigeladenen zu 2 ausweist, ergänzt. Anstelle des Vermerks: „RMB: Berufung“ ist der in der nordrhein-westfälischen Sozialgerichtsbarkeit zur Verfügung stehende Standardtext der Rechtmittelbelehrung für eine Berufung im Inland eingefügt worden.

 

Die Beteiligten haben beglaubigte Abschriften dieses nicht von der Vorsitzenden unterzeichneten Schriftstücks erhalten.

 

Gegen das am 04.03.2022 zugestellte Dokument hat der Kläger am 01.04.2022 unter Vertiefung seines Vorbringens im Verwaltungs- und Klageverfahren Berufung eingelegt. Zunächst hat er schriftsätzlich die Änderung des Urteils des SG Düsseldorf vom 18.02.2022 sowie die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides beantragt.

 

Die Beklagte hat zunächst schriftsätzlich beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Nach Hinweis des Senats auf die fehlende Unterschrift der Kammervorsitzenden auf dem von der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle erstellten und den Beteiligten in beglaubigter Abschrift zugestellten Schriftstück beantragen der Kläger und die Beklagte nunmehr schriftsätzlich,

 

festzustellen, dass das als Urteil bezeichnete Schriftstück des SG Düsseldorf vom 18.02.2022 keine wirksame Entscheidung über die Klage vom 14.08.2020 darstellt.

 

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

A. Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers, der Beklagten und des Beigeladenen zu 1 verhandeln und durch Urteil entscheiden. Denn die Beteiligten sind in der Ladung zum Termin auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle ihrer Abwesenheit hingewiesen worden (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 153 Abs. 1 SGG). Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 126 SGG kann der Senat – erst recht – ein Urteil auf Grund (einseitiger) mündlicher Verhandlung erlassen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.1993 - 13 RJ 37/93 - juris Rn. 17; Bergner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, § 126 (Stand: 15.06.2022), Rn. 18).

 

B. Die Berufung ist zulässig und begründet. Es ist festzustellen, dass das als Urteil bezeichnete Schriftstück des SG Düsseldorf vom 28.02.2022 keine wirksame Entscheidung über die Klage vom 14.08.2020 darstellt.

 

I. Die Berufung ist hinsichtlich der begehrten Feststellung, dass das als Urteil bezeichnete Schriftstück des SG Düsseldorf vom 28.02.2022 keine wirksame Entscheidung über die Klage darstellt, zulässig. Denn auch bei sog. Scheinurteilen (s. dazu unter B.II.) steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das bei einer wirksamen Absetzung der Entscheidung statthaft wäre – hier also die Berufung -, um den äußeren Schein einer wirksamen gerichtlichen Entscheidung zu beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 17.09.2020 - B 4 AS 13/20 R - juris Rn. 18; vgl. BSG, Beschluss vom 17.12.2015 - B 2 U 150/15 B - juris Rn. 8; vgl. LSG NRW, Urteil vom 29.04.2008 - L 4 R 23/07 - juris Rn. 14). Die Umstellung des zunächst gestellten Antrags entsprechend dem Hinweis des Senats stellt keine Klageänderung im engeren Sinne (§§ 99, 153 Abs. 1 SGG) gegenüber der ursprünglichen Klage dar. Anders als bei einer Feststellungklage nach § 55 SGG, die lediglich prozessuale Grundlage für die Feststellung materieller Rechtsverhältnisse zwischen den am Rechtsstreit Beteiligten sein kann, verfolgen die Beteiligten im Berufungsverfahren nämlich kein materielles Begehren (mehr), sondern vielmehr ausschließlich die Feststellung eines bestimmten prozessualen Zustandes. Hierbei handelt es sich um einen prozessualen Antrag sui generis (vgl. BSG, Urteil vom 17.09.2020 - B 4 AS 13/20 R - juris Rn. 19; a.A. wohl LSG NRW, Urteil vom 09.08.2023 - L 3 R 370/22 - juris Rn. 34).

 

II. Die Berufung ist auch begründet.

Bei dem als Urteil bezeichneten Dokument handelt es sich nicht um eine der Rechtskraft fähige Entscheidung des SG über den geltend gemachten Klageanspruch. Denn die Entscheidung, welche am 28.02.2022 mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, ist mangels Verkündung bzw. diese ersetzende Zustellung nicht wirksam geworden.

 

Die nach § 132 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGG grundsätzlich erforderliche Verkündung von Urteilen wird gemäß § 133 Satz 1 SGG bei Urteilen, die wie vorliegend nicht auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen, durch die Zustellung ersetzt. Gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 317 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 169 Abs. 2, 3, 4, 5 ZPO wird den Beteiligten eine von der Geschäftsstelle beglaubigte Abschrift zugestellt. Die Abschrift, i.d.R. unter Verwendung von Kopien, muss das Urteil vollständig und wortgetreu so wiedergeben, wie es gefällt ist, einschließlich des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe sowie der Unterschriften der Richter (LSG NRW, Urteil vom 26.04.2024 - L 14 R 1046/22 - juris Rn. 39; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 137, Rn. 2, 4). Solange das Urteil nicht unterschrieben ist, dürfen von ihm Auszüge (ebenso Ausfertigungen und Abschriften) nicht erteilt werden (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 317 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

 

1. Nach dieser Maßgabe war die Zustellung von beglaubigten Abschriften des von der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle selbst erstellten, mit Rubrum und Rechtsmittelbelehrung versehenen Dokuments nicht geeignet, die Wirksamkeit der Entscheidung vom 28.02.2022 herbeizuführen. Zwar entsprechen die beglaubigten Abschriften vollständig dem von der Geschäftsstelle erstellten Schriftstück. Jedoch fehlt diesem die nach § 134 Abs. 1 SGG zwingend erforderliche Unterschrift der Kammervorsitzenden. Das Dokument ist somit lediglich als Urteilsentwurf zu werten. Erfolgt wie vorliegend dennoch eine Zustellung, handelt es sich um ein Nicht- bzw. Scheinurteil (vgl. Schütz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, § 134 (Stand: 15.06.2022), Rn. 22; Michael Fock in: Fichte/​Jüttner, SGG, 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, § 153, Rn. 17). Formelle Fehler eines Urteils können durch die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Entscheidung an die Verfahrensbeteiligten nicht geheilt werden (LSG NRW, Urteil vom 26.04.2024 - L 14 R 1046/22 - juris Rn. 40).

 

2. Eine Zustellung beglaubigter Abschriften des von der Kammervorsitzenden erstellten und unterschriebenen Dokuments ist nicht erfolgt. Die den Beteiligten zugegangenen beglaubigten Abschriften stellen bereits keine vollständige und wortgetreue Wiedergabe des von der Kammervorsitzenden unterzeichneten Schriftstücks dar. Denn dieses enthält entgegen § 136 Abs. 1 Nrn. 1, 7 SGG weder ein (volles) Rubrum noch eine Rechtsmittelbelehrung, sondern lediglich die als Handlungsaufforderung an die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle zu wertenden Vermerke „(bitte volles Rubrum einfügen)“ und „RMB: Berufung“. Dem folgend hat die Geschäftsstelle das Rubrum offensichtlich zunächst korrigiert und T., der noch am Tag der Beratung der Kammer als Beigeladener zu 2 und 3 geführt worden ist, als Beigeladenen zu 3 entfernt. Sodann hat sie das Rubrum und die ausführliche Rechtsmittelbelehrung in das Dokument mit Tatbestand und Entscheidungsgründen eingefügt.

 

Der Senat musste nicht abschließend darüber befinden, ob er der teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, dass Urteile auch dann wirksam sein können, wenn in dem vom zuständigen Richter unterschriebenen Dokument zwar ein (vollständiges) Rubrum fehlt, die Verfahrensbeteiligten jedoch aufgrund der im (Urteils-)Dokument erfolgten Bezeichnung sicher ermittelt werden können, folgt (vgl. zum Meinungsstand m.w.N.: LSG NRW, Urteil vom 26.04.2024 - L 14 R 1046/22 - juris Rn. 42). Denn die Auffassung, dass die Verfügung zur Erstellung des vollständigen Urteils zugleich bereits das endgültige, wenn auch fehlerhafte Urteil sein kann, stützt sich ganz wesentlich darauf, dass die Bestimmung aller in § 136 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 134 Abs. 1 und 2 SGG dem Richter vorbehaltenen Bestandteile des Urteils – insbesondere auch der nach § 136 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG dem Richter vorbehaltenen Bestandteile des Rubrums - von diesem derart genau vorgegeben werden, dass die noch von den Mitarbeitenden der Geschäftsstelle vorzunehmenden Schritte sich auf das reine Umsetzen von eindeutig durch den Richter vorgegebenen Verfügungsschritten beschränken. Den zur Entscheidung nicht berufenen Mitarbeitenden der Geschäftsstelle dürfen danach bei der Umsetzung der Verfügung keinerlei eigenverantwortlich auszufüllende (Ermessens-)Spielräume verbleiben und es darf keine ergebnisoffene Auslegung hinsichtlich des vom Richter Gewollten notwendig sein (vgl. LSG NRW, Urteil vom 26.04.2024 - L 14 R 1046/22 - juris Rn. 44 m.w.N.). Bereits die zeitlich zwischen der Beratung und der Erstellung des vollständigen Urteilsentwurfs erfolgte Korrektur des Rubrums durch die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle lässt einzig den Schluss zu, dass die Kammervorsitzende bei Abfassung des von ihr unterzeichneten Schriftstücks nicht auf ein unveränderbares Rubrum bzw. einen unveränderbaren Zustand des Rubrums beispielsweise aus der Klageschrift oder aus dem Beratungsvermerk abgestellt hat. Es steht nicht fest, ob sie im Augenblick der Verfügung „(bitte volles Rubrum einfügen)“ überhaupt konkret ein Rubrum in all seinen Einzelheiten vor Augen hatte, es geprüft und für richtig befunden hat, so dass es von ihrer nachfolgenden Unterschrift umfasst werden konnte. Mit dem Kurzrubrum „L. als Inhaber des Therapiezentrums Am Y. ./. DRV Bund“ sind von der Kammervorsitzenden auch nicht alle notwendigen Informationen vorgegeben worden, um sämtliche Verfahrensbeteiligten, deren Vertreter, Bevollmächtigte etc. mit hinreichender Sicherheit zu identifizieren (vgl. LSG NRW, Urteil vom 26.04.2024 - L 14 R 1046/22 - juris Rn. 45).

 

Gleiches gilt für die (konkludente) Verfügung, die Rechtsmittelbelehrung für Berufungsverfahren einzufügen („RMB: Berufung"). Auch insoweit konnte und musste die Geschäftsstelle zunächst selbst prüfen und entscheiden, welche Belehrung einzufügen war, da den Sozialgerichten in NRW für In- und Auslandsfälle zumindest zwei Versionen einer Rechtsmittelbelehrung für berufungsfähige Urteile bereitgestellt werden.

 

III. Ist das erstinstanzliche Verfahren danach (noch) nicht abgeschlossen, versetzt die Entscheidung über die entsprechende Feststellung die Beteiligten - in einer auch für das SG verbindlichen Weise - in den Stand des erstinstanzlichen Verfahrens zurück (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 27.09.2023 - L 6 AS 485/23 B - juris Rn. 15; LSG NRW, Beschluss vom 30.08.2021 - L 8 BA 79/21 B ER - juris Rn. 12; LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 11.11.2010 - L 25 AS 1969/10 B - juris Rn. 6). Eine Aufhebung und Zurückverweisung kommt mangels wirksamer Verkündung bzw. wirksamer, die Verkündung ersetzender Zustellung nicht in Betracht.

Der Verfahrensmangel kann aufgrund des Zeitablaufs durch das SG auch nicht mehr durch Nachholung der Unterschrift der Kammervorsitzenden unter das von ihrer Geschäftsstelle erstellte Dokument, von dem die beglaubigte Abschrift erstellt und den Beteiligten zugestellt worden ist, geheilt werden. Denn nach Ablauf von fünf Monaten seit Erlass eines Urteils ist eine Heilung durch Nachholung der Unterschrift nicht mehr möglich (BSG, Beschluss vom 17.12.2015 - B 2 U 150/15 B - juris Rn. 11).

 

Das Verfahren in erster Instanz kann auch nicht durch Zustellung eines wortgleichen Textes des gerichtlichen, von der Kammervorsitzenden unterschriebenen Schriftstücks an die Beteiligten abgeschlossen werden. Bei diesem Text handelt es sich wie dargelegt um eine Verfügung und nicht um ein den endgültigen und vollständigen Urteilstext bereits enthaltendes Schriftstück (vgl. § 136 Abs. 1 Nrn. 1, 7 SGG). Die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle sollte und hat den vollständigen schriftlichen Urteilstext entsprechend der Verfügung der Kammervorsitzenden erst noch fertiggestellt (vgl. LSG NRW, Urteil vom 26.04.2024 - L 14 R 1046/22 - juris Rn. 48).

 

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kläger mit seinem Begehren in der Hauptsache bisher nicht durchgedrungen ist und das SG auch über die Kosten noch zu entscheiden haben wird. Bei der erfolgten Feststellung des Vorliegens eines Nichturteils handelt es sich nur um ein unwesentliches Obsiegen, welches von der Beklagten nicht veranlasst worden ist, und daher keine (anteilige) Pflicht zur Kostentragung begründen kann (vgl. LSG NRW, Urteil vom 09.08.2023 - L 3 R 370/22, juris Rn. 45; LSG NRW, Urteil vom 26.04.2024 - L 14 R 1046/22, juris Rn. 49).

 

Die Revision ist nicht zuzulassen, § 160 SGG.

Rechtskraft
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