L 2 AS 2884/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 AS 4160/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 2884/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe


I.
Streitig ist die zuschussweise Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.10.2020 bis 31.03.2021.

Die 1962 geborene Klägerin wohnte mit dem jüngsten ihrer sechs Kinder, der 2004 geborenen Tochter F1, im zweiten Obergeschoss in einem ursprünglich ihren Eltern gehörenden Mehrfamilienhaus in S1. In dem erstmals im Januar 1995 nach dem Tod des Vaters eröffneten gemeinschaftlichen Testament hatten die Eltern sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre beiden Töchter – die Klägerin und deren Schwester – je zur Hälfte als Schlusserben eingesetzt. Im Wege der Teilungsanordnung war bestimmt worden, dass die Klägerin das Haus in S1 und ihre Schwester die übrigen Immobilien erhalte. Die Immobilien seien mit ihrem Verkehrswert zu übernehmen, festzustellen durch ein Gutachten des zuständigen amtlichen Gutachterausschusses; die Auflassung habe nach vollständiger Verrechnung und ggf. nach Bezahlung des verbleibenden Übernahmepreises zu erfolgen. Circa vier Jahre nach dem Tod des Vaters wurde die S1er Immobilie in Wohnungseigentum aufgeteilt, in 533/1000 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Erdgeschoss (EG) und im Untergeschoss (UG, Aufteilungsplan Nr. 1), 232/1000 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der circa 90 m² großen Wohnung im ersten Obergeschoß (1. OG, Aufteilungsplan Nr. 2) und 235/1000 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der circa 90 m² großen Wohnung im zweiten Obergeschoss (2. OG, Aufteilungsplan Nr. 3). Das Eigentum an der Wohnung im 2. OG wurde per Schenkungsvertrag durch die Mutter an die Klägerin übertragen. Am 11.03.1999 schloss die Klägerin mit ihrer Mutter einen Mietvertrag über die Wohnung im 1. OG. Ab 2001 lebte die Klägerin von ihrem Ehemann getrennt, im Juli 2005 wurde die Ehe geschieden.

Die Klägerin ist selbstständige Sportkurstrainerin/Übungsleiterin. Im November 2004 beantragte sie erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für sich, ihre zwischen 1988 und 1997 geborenen fünf ehelichen Kinder sowie ihre 2004 geborene Tochter F1. Sie gab dazu an, eine 170 m² große 8-Zimmer-Wohnung zu bewohnen, die zur Hälfte in ihrem Eigentum stehe und zur Hälfte von ihrer Mutter gemietet sei. Sie legte den mit ihrer Mutter
geschlossenen Mietvertrag vor. Die Beklagte gewährte in der Folgezeit Leistungen unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Wohnung im 2. OG und für die Mietwohnung im 1. OG. Nachdem die Kinder der Klägerin in der Folgezeit auszogen, bezog die Klägerin ab Januar 2018 noch Leistungen für sich und ihre Tochter F1, wobei weiterhin als Unterkunftskosten die Aufwendungen für beide Wohnungen berücksichtigt wurden.

2019 verstarb die Mutter der Klägerin. Am 27.02.2019 legte die Klägerin der Beklagten die Todesbescheinigung vor. Am 02.04.2019 erfolgte die Testamentseröffnung durch den Notar. Danach bestand der Nachlass für die Klägerin und ihre Schwester in Erbengemeinschaft aus den Wohnungen im UG/EG und 1. OG der S1er Immobilie, aus einer Eigentumswohnung auf der Insel B1, aus einer Eigentumswohnung im EG mit Abstellraum, Tiefgaragenstellplatz, Gebäude- und Freifläche in L1 (Wert laut späterer Angaben der Schwester: 185.000,00 €), aus zwei Wertpapierdepots bei der B2-Bank (Wert beider Depots: 92.034,00
 €) sowie weiteren Gegenständen (Gemälde des Künstlers Bundschuh, Briefbeschwerersammlung, Eichenholzmöbel, Ikonen, Pkw, Münzen, Zinn). Die vollständige Eröffnungsniederschrift übersandte die Klägerin der Beklagten erstmals im September 2020.

Am 05.05.2019 teilte die Klägerin der Beklagten mit, bei der Erbauseinandersetzung mit ihrer Schwester erscheine eine einvernehmliche Lösung möglich. Sie solle das Haus in S1 erhalten, das einen Wert von ca. 1,2 Mio. Euro habe.

Am 09.05.2019 beauftragte die Klägerin den Gutachterausschuss der Stadt S1 mit der Verkehrswertbestimmung der Wohnungen in UG/EG und 1. OG in der S1er Immobilie. Am 11.12.2019 nahm der Gutachterausschuss eine erste Ortsbesichtigung vor. Hiervon hatte die Beklagte keine Kenntnis.

Auf den Weiterbewilligungsantrag der Klägerin bewilligte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss für den Bewilligungsabschnitt Oktober 2019 bis März 2020, da die Klägerin über kein verwertbares Vermögen verfüge.

Am 23.12.2019 beauftragte die Klägerin wegen der zwischenzeitlich mit ihrer Schwester streitigen Erbauseinandersetzung einen Rechtsanwalt. Ab diesem Zeitpunkt – bis zum Tod der Schwester 2023 – hatte die Klägerin nach eigenen Angaben keinen persönlichen Kontakt mehr zu ihrer Schwester, sondern nur noch über die beiderseits eingeschalteten Rechtsanwälte.

Am 11.02.2020 erfolgte eine weitere Ortsbesichtigung der S1er Immobilie durch den Gutachterausschuss der Stadt S1. Am 17.02.2020 erstellte der Gutachterausschuss zwei Verkehrsgutachten, in denen er zu dem Ergebnis kam, am 10.02.2019 habe der Verkehrswert der Wohnung im UG/EG 627.000,00 € und der Verkehrswert der Wohnung im 1. OG 340.000,00 € betragen. Die Wohnungen waren zu diesem Zeitpunkt nicht vermietet. Diese Gutachten legte die Klägerin erstmals im Klageverfahren im Dezember 2023 nach Anforderung des Sozialgerichts (SG) vor.

Ihren im März 2020 gestellten Weiterbewilligungsantrag begründete die Klägerin damit, dass sich die Auflösung der Erbengemeinschaft aufgrund der Pandemie verzögere und sie weiterhin über kein verwertbares Vermögen verfüge. Die Beklagte bewilligte vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, vorläufig deshalb, weil die Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin als Kursleiterin Aquafitness wegen des Lockdowns weggefallen seien.

Am 28.05.2020 floss der Klägerin ein Betrag von 1.734,50 € zu, der aus dem mit der Schwester gemeinschaftlich erfolgten Verkauf der Ikonen (Gesamtkaufpreis/Einnahme 3.469,00 €) resultierte. Hierüber informierte die Klägerin die Beklagte (erst) am 15.11.2020 auf deren Anfrage.

Mit Schreiben vom 08.06.2020 forderte die Beklagte von der Klägerin das ihr bis dato nicht vorliegende Testament an. Außerdem bat sie um Mitteilung des Stands der Erbauseinandersetzung und Vorlage von entsprechenden Nachweisen. Dem kam die Klägerin zunächst nicht nach.

Am 03.09.2020 trafen die Rechtsanwälte der Klägerin und ihrer Schwester im Namen beider streitenden Erben eine rechtsverbindliche Einigung dahingehend, dass ab 30.09.2020 vom Nachlasskonto keine verbrauchsabhängigen Kosten für die Immobilien mehr gezahlt werden sollten.

Am 08.09.2020 stellte die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag für den Bewilligungsabschnitt 01.10.2020 bis 31.03.2021 für sich und ihre Tochter F1. Sie wolle ein Darlehen nach § 24 Abs. 5 SGB II, ihr sei die Rückzahlungsverpflichtung bei Vermögensverwertung bekannt. Dabei teilte sie mit, das Haus in S1 müsse umfangreich saniert werden, damit aus Mieteinnahmen das Vermögen verwertbar werde. Sie sei erst nach einer Ausgleichszahlung an ihre Schwester und dem darauffolgenden Grundbucheintrag Eigentümerin. Daher könne sie frühestens im November 2020 mit Arbeiten am Haus beginnen, bezugsfertige Wohneinheiten gebe es nicht vor Mai/Juni 2021. Sie habe dennoch ab 01.11.2020 die Kosten für das Haus zu tragen.

Am 09.09.2020 schloss die Klägerin mit der V1bank zwei zweckgebundene Darlehensverträge ab. Der eine Darlehensvertrag über eine Darlehenssumme von 315.000,00 € (Darlehensvertrag Endziffer -202) wurde abgeschlossen zum Erwerb von Wohneigentum sowie zur Renovierung der Eigentumswohnungen in der S1er Immobilie und waren als Ausgleichszahlung an die Schwester gedacht. Der andere Darlehensvertrag über eine Darlehenssumme von 192.000,00
 € (Darlehensvertrag Endziffer -210) diente dem Vorhaben der Übernahme von drei Eigentumswohnungen sowie von deren Renovierung. Die Auszahlung der Darlehenssummen sollte nur gegen Rechnungsvorlage erfolge. Die Darlehen sollten überdies durch die Eintragung von Sicherungsgrundschulden für die V1bank abgesichert werden. Ebenfalls am 09.09.2020 verfasste die V1bank ein Anschreiben an einen Notar, in dem diese um die Bestellung der Sicherungsgrundschulden an den Eigentumswohnungen im UG/EG, im 1. OG und im 2. OG der S1er Immobilie bat. Die Darlehensverträge legte die Klägerin der Beklagten erstmals am 15./16.11.2020 vor.

Am 09.09.2020 forderte die Beklagte von der Klägerin Nachweise über das Haus (vollständiger Grundriss mit Angabe Gesamtfläche und Größe der einzelnen Wohneinheiten), eine schriftliche Stellungnahme dazu, wie die restlichen Einheiten des Hauses derzeit genutzt würden, Angaben zum Strom- und Wasserzähler je Wohneinheit. Außerdem solle sie Nachweise über den Stand der Erbauseinandersetzung und eine vollständige Kopie des Testaments der Mutter übersenden.

Am 18./21.09.2020 beantragte die Klägerin die Leistungen als Zuschuss. Sie teilte mit, ein vollständiger Grundriss des Hauses sei nicht sachdienlich für die Entscheidung und verursache hohe Kosten durch Beauftragung eines Architekten. Die Wohnungseinheiten ihrer verstorbenen Mutter stünden leer. Die Miterben hätten eine Übernahmeerklärung der Immobilien gegenseitig angezeigt. Bisher bestünden über die Höhe der Ausgleichszahlungen an Schwester noch Unklarheiten. Um im Grundbuch eingetragen zu werden, benötige sie ein Bankdarlehen. Bei der notariellen Vereinbarung erhalte sie eine Finanzierungsvollmacht für die Bank, danach zahle die Bank dann die Ausgleichszahlung an die Schwester, danach erst sei die Grundbuch-Eintragung möglich. Nach der Grundbuch-Eintragung könne sie ein weiteres Bankdarlehen in Anspruch nehmen für umfangreiche Sanierungs- und Renovierungsarbeiten. Erst nach Abschluss der Sanierungsarbeiten könne sie die Wohneinheiten vermieten und erhalte erst durch diese Mieteinnahmen verwertbares Vermögen. Dies sei nicht vor April 2021. Sie verfüge also derzeit über kein Vermögen, sondern über Schulden. Die Kläger legte die vollständige Testament-Eröffnungsniederschrift des Notars vom 02.04.2019 vor. Ergänzend führte die Klägerin aus, sie benötige mit Sicherheit nur noch Unterstützung für maximal sechs Monate, bevor sie über verwertbares Vermögen verfüge, daher bitte sie um weiteführende Unterstützung durch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf Darlehensbasis ab Oktober 2020.

Am 24.09.2020 setzte die Klägerin die Beklagte von der am 03.09.2020 erfolgten Einigung mit ihrer Schwester in Kenntnis und wies darauf hin, dass diese getroffen worden sei, um die an die Schwester zu leistende Ausgleichszahlung berechnen zu können.

Am 06.10.2020 forderte die Beklagte die Klägerin auf, u.a. mitzuteilen, warum die Miterbengemeinschaft die leerstehenden Einheiten in S1er Immobilie nicht vermiete. Hierauf teilte die Klägerin mit, dass die Vermietung nach den Umbaumaßnahmen beginne, geplant sei der 01.06.2021. Das Darlehen werde voraussichtlich ab 01.11.2020 in Anspruch genommen.

Am 22.10.2020 legte die Klägerin einen Grundriss des Kellers, EG, 1. OG – Auszüge aus dem Verkehrswertgutachten – vor und teilte mit, dass weitere Pläne nicht existierten.
Das 1. OG und das 2. OG seien vom Grundriss gleich. Beide Etagen seien zusammengebaut und könnten nicht getrennt vermietet werden. Dies sei der Beklagten seit 2004 bekannt. Eine Vermietung sei weder gewünscht noch sinnvoll und im Zustand des Hauses nicht möglich. Aufgrund der Entrümpelung sei ein Wasserschaden im 1. OG und EG des Hauses entstanden und nur wenige Räume seien nutzbar. Hierzu legte die Klägerin Fotos vom Zustand des EG und 1. OG vor.

Am 05.11.2020 forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine vollständige Aufstellung über die Nachlassgegenstände und deren Veräußerung zu übersenden, nachdem aus den zwischenzeitlich übersandten Kontoauszügen der Klägerin der Zufluss des halben Veräußerungserlöses der Ikonen ersichtlich war.

Am 17.11.2020 beantragte die Klägerin beim SG Stuttgart (S 25 AS 4645/20 ER) den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Am 18.11.2020 ermittelte die Beklagte auf der Grundlage des Grundstücksmarktberichts des Gutachterausschusses 2020 den Bodenrichtwert der geerbten S1er Immobilie mit 2.750,00 €/m², auf dieser Basis einen Grundstücksbodenwert von 937.750 € und nach Abzug des Wertes der Wohnung im 2.OG einen verbleibenden Grundstückswert von 717.378,75 €. Zu diesem Zeitpunkt lagen der Beklagten die beiden Verkehrswertgutachten nicht vor.

Mit Bescheid vom 19.11.2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf zuschussweise Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab, da die Klägerin nicht hilfebedürftig sei. Sie verfüge über verwertbares Vermögen. Auch bei noch nicht erfolgter Erbauseinandersetzung bestehe eine schnelle Verwertbarkeit der Wohneinheiten der S1er Immobilie durch Versteigerung oder gemeinsame Vermietung durch die Erbengemeinschaft. Die bereits abgeschlossenen Darlehensverträge würden die Verwertungsmöglichkeit durch Beleihung zeigen.

Per Email vom 24.11.2020 teilte der die Klägerin im Erbstreit vertretende Rechtsanwalt dieser unter Bezugnahme auf eine E-Mail an den Rechtsanwalt der Schwester der Klägerin mit, dass er davon ausgehe, dass nun zeitnah eine Einigung erfolgen und die Erbauseinandersetzung mit Ende des Jahres vollzogen werden könne.

Am 25.11.2020 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.11.2020 ein und begehrte Leistungen für sich und ihre Tochter F1. Sie verwies darauf, dass eine Vermietung wegen der Wasserschäden ausgeschlossen sei und sie die Darlehen der V1bank bislang nicht in Anspruch genommen habe.

Am 26.11.2020 beantragte die Klägerin ein Darlehen (gem. § 24 Abs. 1 SGB II) bei der Beklagten.

Am 14.12.2020 verkaufte die Erbengemeinschaft die Eigentumswohnung in B1 zu einem Preis von 225.000,00 €. Die Klägerin und ihre Schwester einigten sich darauf, dass jede die Hälfte des Kaufpreises bekomme.

Mit Bescheid vom 21.12.2020 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Darlehens nach § 24 Abs. 1 SGB II ab, da es sich bei der begehrten Leistung nicht um einen unabweisbaren Bedarf handele. Hiergegen erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte am 22.12.2020 Widerspruch und verwies darauf, dass ein Darlehensanspruch nach § 24 Abs. 5 SGB II bestehe, da die Verwertung der S1er Immobilie derzeit ausgeschlossen sei, da die Klägerin es nicht ohne abgeschlossene Erbauseinandersetzung veräußern könne. Auch eine Vermietung sei derzeit wegen des erheblichen Sanierungsbedarfs ausgeschlossen. Eine notarielle Teilungserklärung, die ihr erlauben würde, die nicht bewohnte Fläche zu veräußern, existiere nicht, die Nachlassauseinandersetzung sei noch nicht abgeschlossen.

Am 22.12.2020 schloss die Klägerin mit der V1bank einen weiteren Darlehensvertrag über eine Darlehenssumme von 150.000,00 € (Darlehensvertrag Endziffer -245) ab. Ebenfalls am 22.12.2020 gab die V1bank eine Zweckerklärung zur Eintragung von Sicherungsgrundschulden an allen Eigentumswohnungen in der S1er Immobilie für alle drei Darlehensverträge ab.
Am 28.12.2020 erfolgte die Auflassung der Eigentumswohnungen UG/EG und 1. OG der S1er Immobilie.

Am 30.12.2020 schlossen die Klägerin und ihre Schwester einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag. In diesem kamen beide überein, dass die Klägerin die Eigentumswohnungen im UG/EG und 1. OG in der S1er Immobilie, die Schwester die Eigentumswohnung in L1 und das Wertpapierdepot, soweit es aktuell noch vorhanden sei und jeder die Hälfte des Kaufpreises der B1er Eigentumswohnung bekomme. Die Sammlung der Briefbeschwerer und die Gemälde sollten einem Auktionshaus zum Verkauf angeboten werden und es falls bis 30.06.2021 kein Verkauf erfolge, sollte die Schwester zwei der Gemälde erhalten und die Klägerin ein signiertes Gemälde und die Sammlung Briefbeschwerer. Außerdem kamen beide überein, dass die Klägerin ab 04.11.2020 die Kosten für die S1er Immobilie selbst trägt und sie ihrer Schwester eine Ausgleichszahlung in Höhe von 318.543,84 € zahlt. Der hälftige Kaufpreis aus der B1er Eigentumswohnung floss der Klägerin nach ihren Angaben (vgl. Protokoll Erörterungstermin vor dem Senat) im Januar 2021 zu.

Am 04.01.2021 bot die Beklagte der Klägerin eine darlehensweise Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (gem. § 24 Abs. 5 SGB II) für die Zeit vom 01.10.2020 bis 31.03.2021 an unter der Bedingung, dass der Rückforderungsanspruch der Beklagten durch Eintragung einer Sicherungsgrundschuld für die S1er Immobilie gesichert wird und dass die Klägerin der Beklagten bis 28.02.2021 den Verkehrswert der S1er Immobilie durch eine Gutachten nachweist, das nicht älter als drei Jahre ist und – soweit vorhanden – den Stand der aktuellen Belastungen des Hausgrundstücks nachweist. Die Verkehrswertgutachten vom 17.02.2020 lagen der Beklagten zu diesem Zeitpunkt (noch immer) nicht vor.
Hierauf entgegnete die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass die Zustimmungserklärung noch nicht erteilt werden könne, da die Eintragung einer Sicherungsgrundschuld aktuell nicht finanziert werden könne und zudem bereits Grundschulden eingetragen seien, die Beklagte also nur noch nachrangig eingetragen werden könne. Ein Verkehrswertgutachten könne nicht finanziert werden. Auch sei unklar, in welcher Höhe ein Darlehensrückforderungsanspruch der Beklagten gesichert werden solle. Hierauf teilte die Beklagte mit, dass die Kosten der Eintragung gem. § 64 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) kostenfrei sei. In der Folge kam es zwischen der Klägerin und der Beklagten zu keiner Einigung über eine darlehensweise Leistungsgewährung.

Am 14.01.2021 wurde zugunsten der Klägerin im Grundbuch für die Eigentumswohnungen im UG/EG und 1. OG der S1er Immobilie eine Erwerbsvormerkung eingetragen. Außerdem wurden Grundschulden an der gesamten Immobilie (einschließlich der Eigentumswohnung im 2. OG) zugunsten der V1bank zur Sicherung aller drei Kredite (insgesamt 657.000,00 €) eingetragen.

Im Januar 2021 begann die Klägerin mit den Sanierungsarbeiten in der S1er Immobilie.

Mit Beschluss vom 25.02.2021 (S 25 AS 4654/20 ER) verpflichtete das SG die Beklagte, vorläufig der Klägerin und deren Tochter F1 für die Zeit vom 17.11.2020 bis 16.05.2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. In Umsetzung des Beschlusses zahlte die Beklagte unter Berücksichtigung von Einkommen für die Zeit vom 17.11. bis 30.11.2020 427,01 €, für den Monat Dezember 2020 709,14 €, für die Monate Januar 2021 bis März 2021 monatlich 755,77 € und für die Zeit vom 01.04.2021 bis 16.05.2021 insgesamt 1.605,28 € aus.

Am 08.03.2021 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag für den Zeitraum 01.04.2021 bis 30.06.2021.

Am 10.03.2021 erfolgte die Eigentumseintragung zugunsten der Klägerin im Grundbuch bezüglich der Wohnungen im UG/EG und 1. OG in der S1er Immobilie.

Im weiteren Verlauf nahm die Klägerin bei der V1bank ein weiteres Darlehen über 200.000,00 € (Darlehensvertrag Endziffer -229) auf.

Einen erneut am 27.07.2021 gestellten Eilantrag – wegen Verzögerung der Renovierungsarbeiten und einer daher erst möglichen Vermietung der Wohneinheiten ab 01.10.2021 – lehnte das SG mit Beschluss vom 07.10.2021 wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis ab, nachdem die Beklagte erneut eine darlehensweise Gewährung von Leistungen gegen eine dingliche Sicherung des Rückforderungsanspruchs durch Grundschuldeintragung anbot und die Klägerin diese ablehnte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2021 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.11.2020 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausschließlich im Namen der Klägerin am 09.11.2021 Klage zum SG Stuttgart erhoben, mit der die zuschussweise Gewährung von Leistungen für den Bewilligungsabschnitt 01.10.2020 bis 31.03.2021 begehrt worden ist.

Das SG hat am 26.04.2022 und am 08.11.2023 Termine zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Auf die entsprechenden Protokolle wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 23.07.2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der angefochtene Ablehnungsbescheid gegenüber der Tochter F1 bestandskräftig geworden sei, da die Klage von der rechtskundig vertretenen Klägerin ausschließlich im Namen der Klägerin und nicht auch in Vertretung deren Tochter F1 erhoben worden sei. Daher stünden ausschließlich SGB II-Leistungen der Klägerin in Streit. Die Klägerin sei im Streitzeitraum 01.10.2020 bis 31.03.2021 nicht hilfebedürftig nach § 9 SGB II gewesen, da sie ihren Lebensunterhalt aus eigenem, verwertbaren Vermögen (§ 12 SGB II) habe decken können. Der Nachlasswert habe sich insgesamt auf mindestens auf 1.284.034,00 € (Eigentumswohnungen UG/EG und 1. OG 627.000,00 € und 340.000,00 €; B1er Eigentumswohnung 225.000,00 €; Immobilie L1, Verkehrswert unbekannt, Wertpapierdepots 92.034,00 €) belaufen, wobei der Wert der Wohnung in L1 dabei noch nicht berücksichtigt sei. Die Klägerin sei zur Hälfte Miterbin geworden, sodass ihr ein Vermögen von 642.017,00 € (ohne die Wohnung in L1) aus dem Nachlass zugestanden habe. Dieses Vermögen habe den der Bedarfsgemeinschaft aus Klägerin und Tochter zustehenden Freibetrag von insgesamt 13.300,00 € zum Zeitpunkt der Antragstellung deutlich überstiegen.
Das Vermögen sei auch unter der Geltung der Sonderregelungen in § 67 Abs. 2 SGB II zu berücksichtigen. Danach werde für Bewilligungszeiträume, die – wie der vorliegende Zeitraum – in der Zeit vom 01.03.2020 bis zum 31.12.2021 beginnen, Vermögen für die Dauer von sechs Monaten nicht berücksichtigt, es sei denn, dass das Vermögen erheblich sei. Nach der Gesetzesbegründung sollten die Sonderregelungen des § 67 SGB II Personen zugutekommen, die durch die Corona-Pandemie hilfebedürftig geworden seien und solle Abs. 2 die insbesondere bei Erstanträgen oft sehr aufwändige Vermögensprüfung berücksichtigen (BT-Drs 19/18107, S. 25). Es sei zwar umstritten, ob die Vorschrift nur bei Erst- bzw. Neuanträgen oder auch bei Weiterbewilligungsanträgen anwendbar sei.
Jedoch könne die Frage der Anwendbarkeit für Weiterbewilligungsanträge hier offenbleiben, da die Klägerin jedenfalls über erhebliches Vermögen verfügt habe. Im Oktober 2020 habe sich ihr Vermögen auf einen Gesamtwert von mehr als 642.017,00 € belaufen. Entgegen der Ansicht der Klägerin seien nicht nur Barmittel oder Wertgegenstände, die sofort verkäuflich gewesen seien, zu berücksichtigen. Hierfür finde sich im Gesetz kein Anhaltspunkt. Vielmehr sei die Vermögensprüfung und auch die Prüfung, ob und in welchem Zeitraum das Vermögen verwertbar sei, nach den üblichen Regelungen in § 12 SGB II durchzuführen. Dieses Vermögen sei erheblich i.S.d. § 67 Abs. 2 SGB II gewesen. Die Erheblichkeit des Vermögens werde im Gesetzestext nicht näher definiert oder durch die Gesetzesbegründung konkretisiert. Im Sinne des Begriffs der Erheblichkeit sei ein Vermögen als erheblich zu qualifizieren, wenn es so deutlich oberhalb der Vermögensfreigrenzen des SGB II liege, dass für jedermann offenkundig sei, dass die Gewährung existenzsichernder Leistungen nicht gerechtfertigt sei. Nur ein solches Begriffsverständnis werde den Zielen des Gesetzes, insbesondere selbstständig Tätigen in der akuten Notlage des Lockdowns eine unbürokratische Nothilfe zu gewähren, hinreichend gerecht (unter Verweis auf Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 67 1. Überarbeitung [Stand: 30.05.2022], Rn. 22). Dies sei bei der hälftigen Beteiligung an einer Erbengemeinschaft an einem Nachlass mit einem Wert von deutlich über 1 Mio. € nicht der Fall; Personen mit einem solchen Vermögen würden allgemein nicht nur als nicht hilfebedürftig, sondern als ausgesprochen wohlhabend in der Bevölkerung angesehen.
Dieses Vermögen sei auch im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II verwertbar gewesen. Eine Verwertbarkeit liege vor, wenn der Berechtigte in der Lage sei, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln – autonom – herbeizuführen. Sei dagegen völlig ungewiss, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintrete, so liege eine generelle Unverwertbarkeit vor (unter Verweis auf Bundesssozialgericht <BSG>, Urteil vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 46/06 R -, juris). Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfalle, sei im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt würden (unter Verweis auf BSG, Urteile vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R - und vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R -, beide über juris). Eine Festlegung für darüber hinaus gehende Zeiträume sei demgegenüber nicht erforderlich und wegen der Unsicherheiten, die mit einer langfristigen Prognose verbunden seien, auch nicht geboten. Nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungszeitraumes sei bei fortlaufendem Leistungsbezug erneut und ohne Bindung an die vorangegangene Einschätzung zu überprüfen, wie für einen weiteren Bewilligungszeitraum die Verwertungsmöglichkeiten zu beurteilen seien (unter Verweis auf Eicher/Luik/Lange, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 12 Rn. 45). Der Prognosezeitraum dürfe nach der Verlängerung des Regelbewilligungszeitraums wohl grundsätzlich ein Jahr betragen (vgl. § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der ab 01.08.2016 geltenden Fassung). Allerdings habe die Beklagte im streitigen Zeitraum die Leistungen nur für die Dauer von sechs Monaten geprüft; danach ergebe sich eine zeitliche Zäsur durch eine erneute Antragstellung der Klägerin vom 08.03.2021. Das SG könne offenlassen, ob für die Prognose vorliegend ein Jahr oder sechs Monate heranzuziehen sei, da eine Verwertung vom Oktober 2020 aus gesehen auch innerhalb von sechs Monaten möglich gewesen und tatsächlich auch erfolgt sei.
Die Argumentation der Klägerin, sie habe über die Wohnungen in S1 aufgrund der Miterbengemeinschaft nicht verfügen können und diese seien unrenoviert nicht verwertbar gewesen, trage nicht. Zum einen habe ihr Vermögen ausweislich des Erbauseinandersetzungsvertrages vom 30.12.2020 nicht nur aus diesen Immobilien bestanden. Der Nachlass habe vielmehr auch Wertgegenstände wie die Depots bei der B2 Bank enthalten, deren Wert am 10.02.2019 92.034,00 € betragen hätten und die sofort zur Verwertung durch die Erbengemeinschaft bereitgestanden hätten. Zum anderen hätten die Wohnungen in der S1er Immobilie bereits im unrenovierten Zustand einen erheblichen Verkehrswert gehabt, sodass eine noch nicht durchgeführte Renovierung kein Verwertungshindernis dargestellt habe. Auch sei bei noch ungeteilter Erbengemeinschaft grundsätzlich eine Verwertung durch Veräußerung des Miterbenanteils möglich. Rechtliche Hindernisse für eine Verwertbarkeit durch Übertragung des Erbteils im Wege des Erbschaftsverkaufs oder auch durch eine Verpfändung des Miterbenanteils hätten nicht bestanden. Solange die Erbengemeinschaft ungeteilt fortbestehe, könne der einzelne Miterbe zwar nicht über einzelne Nachlassgegenstände, jedoch über seinen Anteil an dem Nachlass als solchen verfügen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB; unter Verweis auf BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R -, juris Rn. 27). Vor der abschließenden Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft könnten die Miterben über einzelne Nachlassgegenstände gemeinschaftlich verfügen (§ 2040 Abs. 1 BGB). Im Übrigen sei die Miterbin hier zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bereit gewesen, nur hätten die Bedingungen dafür ausgehandelt werden müssen. Die Auseinandersetzung und Verwertung der Immobilien durch Zwangsversteigerung nach § 753 BGB i.V.m. §§ 180 ff des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, auf die die Beklagte als weitere Verwertungsmöglichkeit hingewiesen habe, sei insofern nicht notwendig gewesen. Dass die Auseinandersetzung des Nachlasses und die Verwertung der Nachlassgegenstände prognostisch im vorliegenden Bewilligungsabschnitt möglich gewesen sei, werde anhand des gesamten Zeitablaufes deutlich. Nach dem Tod der Mutter der Klägerin 2019 hätten die Miterbinnen die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft geplant. Dies werde auch daran deutlich, dass die Klägerin – wie von ihrer Mutter auch testamentarisch vorgesehen – am 09.05.2019 ein Verkehrswertgutachten über die Wohnungen im UG/EG und 1. OG in der S1er Immobilie in Auftrag gegeben habe. Weiter hätten sie und ihre Schwester offenbar Verkaufsbemühungen hinsichtlich der B1er Wohnung eingeleitet, sodass diese am 14.12.2020 habe verkauft werden können. Bei Antragstellung für den Bewilligungsabschnitt vom 01.10.2020 bis zum 31.03.2021 sei angesichts der fortgeschrittenen Auseinandersetzungsbemühungen davon auszugehen gewesen, dass die Auseinandersetzung – und damit die Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich einzelner Nachlassgegenstände – in den nächsten Monaten abgeschlossen werden könne. So habe der Fall dann auch nicht nur prognostisch, sondern faktisch gelegen.
Denn die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft sei ausweislich des Erbauseinandersetzungsvertrags vom 30.12.2020 tatsächlich im hier streitigen Bewilligungsabschnitt erfolgt, sodass die Behauptung der Klägerin, eine solche Auseinandersetzung sei ihr nicht möglich gewesen, nicht nachvollziehbar sei. Die Klägerin habe nach dem Erbauseinandersetzungsvertrag dabei das Alleineigentum an den beiden Wohnungen im UG/EG und im 1. OG in der S1er Immobilie und die Hälfte des Erlöses aus dem Verkauf der B1 Wohnung gegen eine Ausgleichszahlung an ihre Schwester erhalten. Die Klägerin habe die Immobilien sodann veräußern können, wobei angesichts der begehrten Lage in der S1er Innenstadt mit einem schnellen Verkauf habe gerechnet werden können. Dass die Klägerin eine andere Art der Verwertung als die Veräußerung der Immobilien bevorzugt habe, nämlich die Renovierung und anschließende Vermietung der Wohnungen, könne nicht entscheidend sein.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 27.09.2024 gegen das ihr am 27.08.2024 zugestellte Urteil Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die Erbengemeinschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung im September 2020 ungeteilt gewesen sei und die Klägerin nicht autonom über ihren Erbanteil habe verfügen können.
Die Verwertung des Erbanteils durch Verkauf oder Beleihung sei rechtlich möglich, jedoch faktisch oft erschwert. Die Klägerin hätte die Teilungsversteigerung betreiben können. Dieses Verfahren führe jedoch nicht zu einem kurzfristigen Erfolg, sondern dauere üblicherweise länger, etwa sechs bis 12 Monate. Es sei daher nicht zu erwarten gewesen, dass sich an der Verwertbarkeit bzw. der Verfügbarkeit über das Vermögen im streitigen Zeitraum etwas ändern würde. Bis zur erst am 30.12.2020 erfolgten Erbauseinandersetzung sei die Klägerin in ihrer Verfügungsmacht eingeschränkt gewesen. Die Verwertung des Erbanteils durch Verkauf oder Beleihung bzw. Teilungsversteigerung sei aufgrund der Marktbedingungen und der spezifischen Umstände der Erbengemeinschaft nicht kurzfristig realisierbar gewesen. Sie habe ihren Lebensunterhalt nicht damit bestreiten können. Im Übrigen sei das Vermögen der Klägerin aufgrund der eingeschränkten Verwertbarkeit nicht als erheblich im Sinne des § 67 Abs. 2 SGB II anzusehen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt (vgl. Protokoll Erörterungstermin vom 26.03.2025, Bl. 146 Senatsakte),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2024 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 01.10.2020 bis 31.03.2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe als Zuschuss zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig und ist dem Berufungsvorbringen entgegengetreten.

Die Berichterstatterin hat am 26.03.2025 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Auf das Protokoll (Bl. 145 ff. Senatsakte) wird Bezug genommen.


Mit Schreiben vom 27.03.2025 sind die Beteiligten auf die Absicht des Senats hingewiesen worden, gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu entscheiden. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.


II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die zulässige Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 19.11.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2021, mit dem die Beklagte über den Weiterbewilligungsantrag vom 18./21.09.2020 auf zuschussweise Leistungsgewährung in Form der Leistungsablehnung entschied. Streitgegenstand ist insoweit ausschließlich ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss für die Zeit vom 01.10.2020 bis 31.03.2021.

Nicht Streitgegenstand ist ein Leistungsanspruch der Tochter F1, da – wie das SG zutreffend dargelegt hat – nicht auch im Namen der Tochter Klage erhoben worden ist. Die Übergangszeit, innerhalb der nach der Rechtsprechung des BSG Anträge im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren grundsätzlich im Zweifel als Anträge aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder anzusehen waren, ist bereits am 30.06.2007 abgelaufen (BSG, Beschluss vom 26.09.2024 - B 4 AS 80/24 BH -juris Rn. 6, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -, juris Rn. 11).

Da die Klägerin zudem ihren Weiterbewilligungsantrag vom September 2020 explizit auf den Zeitraum Oktober 2020 bis März 2021 beschränkte und sie im März 2021 einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 01.04.2021 stellte, beschränkt sich die Leistungsablehnung mit Bescheid vom 19.11.2020 auf den Zeitraum 01.10.2020 bis 31.03.2021. Auf diesen Zeitraum beschränkt sich auch das Klagebegehren; dies hat die Klägerin im Erörterungstermin vor dem SG am 26.04.2022 (vgl. Protokoll, Bl. 26 f. SG-Akte) klargestellt. Ausschließlich über diesen Zeitraum hat das SG entschieden. Auf diesen Zeitraum beschränkt sich auch das Berufungsverfahren.

Nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist überdies, ob die Klägerin für den Streitzeitraum einen Anspruch auf darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hatte. Denn über einen solchen Anspruch entschied die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.11.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2021 nicht. Konsequenterweise hat die Klägerin mit der Klage von Anfang an ausschließlich die zuschussweise Leistungsgewährung geltend gemacht.

Nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist zudem eine (Fortsetzungs-)Feststellungsklage der Klägerin, da im Berufungsverfahren an dem noch im Klageverfahren gestellten Feststellungsantrag nicht mehr festgehalten worden ist.

Das SG hat die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 01.10.2020 bis 31.03.2021 keinen Anspruch auf zuschussweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Bescheid vom
19.11.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Das SG hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier begehrten Leistungen (§§ 7, 19 ff. SGB II) dargelegt und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG sowie der Kommentarliteratur und den Gesetzesmaterialien ebenso zutreffend ausgeführt und begründet, dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen für die geltend gemachten Leistungen nicht erfüllt, da sie im Streitzeitraum über (erhebliches) Vermögen (§§ 12, 67 Abs. 2 SGB II) verfügte, das in diesem Streitzeitraum verwertbar war. Der Senat schließt sich daher der Begründung des SG nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend und klarstellend ist Folgendes auszuführen:

Als Vermögensgegenstände eines Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft, während der er nicht über einzelne Vermögensgegenstände verfügen kann (§ 2033 Abs. 2 BGB), sind in die Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach §§ 9, 12 SGB II einzubeziehen (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R -, juris Rn. 19 ff.):
der (Miterben-)Anteil an dem (Gesamt-)Nachlass (da er über diesen als Miterbe verfügen kann, § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB),
der Miteigentumsanteil des Miterben an den einzelnen Nachlassgegenständen, wie z.B. Immobilien (über den die Miterben in ungeteilter Miterbengemeinschaft gemeinschaftlich verfügen können, § 2040 Abs. 1 BGB) und
der Anspruch des Miterben gegen andere Miterben auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (§§ 2042 ff. BGB) und der damit verbundene Anspruch auf einen Anteil am Auseinandersetzungsguthaben (§ 2047 BGB).
Die Verwertung des Miterbenanteils (Ziff. 1) durch den Miterben kann durch Übertragung des Erbteils durch Erbschaftsverkauf oder Verpfändung (§ 1273 Abs. 2, § 1258 BGB; in erster Linie an eine Bank) seines Erbteils erfolgen. Die Verwertung einzelner Nachlassgegenstände (Ziff. 2) durch die Miterben gemeinschaftlich kann z.B. durch freihändigen Verkauf erfolgen. Die Verwertung des Miterbenanspruchs auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (Ziff. 3) kann durch einvernehmlichen Erbauseinandersetzungsvertrag erfolgen und setzt eine ernstliche Geltendmachung des Anspruchs eines Miterben gegenüber den/dem anderen Miterben voraus; eine gerichtliche Geltendmachung nicht voraus.

Von einer Verwertbarkeit dieser Vermögensgegenstände ist auszugehen, wenn keine rechtlichen Verwertungshindernisse bestehen und sie tatsächlich verwertbar sind, d.h. für sie in absehbarer Zeit Käufer zu finden sind, weil Gegenstände dieser Art marktgängig sind. Die Verwertung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

Zur Abgrenzung der hier streitigen Bewilligung von Leistungen als Zuschuss gegenüber einer nur darlehensweisen Leistungsgewährung ist im Vorhinein, also zu Beginn des streitigen Bewilligungszeitraums, eine Prognose dahingehend anzustellen, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, Hilfebedürftigkeit abzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2009, a.a.O., Rn. 22 f.). Besteht in diesem Sinne prognostisch eine Verwertungsmöglichkeit während des streitigen Bewilligungszeitraum, hat der Hilfesuchende keinen Anspruch auf zuschussweise Leistungen, sondern allenfalls auf darlehensweise Leistungen (§ 24 Abs. 5 SGB II). Nur für den Fall, dass in diesem Sinne prognostisch während des streitigen Bewilligungszeitraums keine Verwertungsmöglichkeit besteht, ist von einer Unverwertbarkeit des Vermögens während des streitigen Bewilligungszeitraums auszugehen und nur in diesem Fall besteht ein Anspruch auf zuschussweise Leistungen (bei Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen). Für die Prognoseentscheidung sind im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Aus dem Erfordernis einer Prognoseentscheidung für den Bewilligungszeitraum folgt kein über § 12 Abs. 2 und 3 SGB II hinausgehender Verwertungsschutz von solchen Vermögensgegenständen, deren Verwertung sich regelmäßig als schwierig und zeitaufwändig darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2009, a.a.O., Rn. 24).

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestand zu Beginn des streitigen Bewilligungszeitraum am 01.10.2020 aufgrund einer prognostischen Einschätzung der bis dahin bestehenden Tatsachen die Aussicht, dass die Klägerin die ihr als Miterbin zugefallenen Vermögensgegenstände innerhalb des Streitzeitraums – und damit bis zu dessen Ende am 31.03.2021 – rechtlich und tatsächlich verwerten können wird. Denn die von ihr jedenfalls durch die Einschaltung des Rechtsanwalts im Dezember 2019 gegenüber ihrer Schwester geltend gemachte Erbauseinandersetzung (also der Vermögensgegenstand des Miterbenanspruchs auf Erbauseinandersetzung des Gesamtnachlasses, vgl. oben Ziff. 3) war bis zur Stellung des Weiterbewilligungsantrags im September 2020 und bei Beginn des Bewilligungsabschnitts prognostisch gesehen schon so weit voran geschritten, dass mit der Erbauseinandersetzung bis Ende März 2021 zu rechnen war. Dies steht für den Senat aufgrund folgender Tatsachen fest: Die Klägerin hatte (bereits) am 09.09.2020 zwei Darlehensverträge mit der V1bank abgeschlossen, die der Finanzierung sowohl der Ausgleichzahlung an die Schwester als auch damit verbunden dem Erwerb der beiden Eigentumswohnungen im UG/EG und im 1. OG der S1er Immobilie dienten. Angesichts der Höhe der aufgenommenen Darlehenssummen war davon auszugehen, dass sich beide Miterben – über ihre jeweiligen Rechtsanwälte – bereits in einem Einigungsprozess über die Größenordnung der von der Klägerin an ihre Schwester zu leistenden Ausgleichszahlung im Gegenzug dazu, dass sie die Eigentumswohnungen in der S1er Immobilie erhält, befanden. Andernfalls hätte zum Abschluss der Darlehensverträge mit der V1bank zu diesem Zeitpunkt (09.09.2020), zu diesem Zweck („Erwerb“ – also von der Schwester im Wege des Erbvertrages und durch Leistung einer Ausgleichszahlung –, Renovierung/Sanierung Immobilie) und in dieser Höhe (u.a. 315.000,00 € bei tatsächlicher Ausgleichszahlung von ca. 318.500,00 €; 192.000,00 € Renovierung) schon rein objektiv keine Veranlassung bestanden. Dass eine endgültige Erbauseinandersetzung innerhalb des Zeitraums 01.10.2020 bis 31.03.2021 zu erwarten war, ergab sich überdies auch aus der anwaltlichen Email vom 03.09.2020.

Darüberhinaus führten die Klägerin und ihre Schwester gemeinschaftlich – jeweils anwaltlich vertreten – offensichtlich bereits zum Zeitpunkt der Stellung des Weiterbewilligungsantrag im September 2020 bzw. zu Beginn des Bewilligungszeitraums 01.10.2020 Verkaufsbemühungen bezüglich der B1er Eigentumswohnung. Anders jedenfalls lässt sich der tatsächliche Verkauf dieser Wohnung am 14.12.2020 angesichts des für einen Wohnungsverkauf notwendigen Vorlaufs, zumal unter Pandemiebedingungen, nicht erklären. Sie unternahmen damit eine gemeinschaftliche Verwertung ihrer Miteigentumsanteile an dieser Eigentumswohnung (vgl. oben zum Vermögensgegenstand des Miterben Ziff. 2).

Die prognostische Einschätzung der rechtlichen und tatsächlichen Verwertung sowohl des Erb- auseinandersetzungsanspruchs als auch der damit verbundenen Verfügungsmöglichkeit über bereite Mittel, von denen die Klägerin ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte, trat dann auch bis zum Ende des Streitzeitraums (31.03.2021) ein, da der notarielle Erbauseinandersetzungsvertrag am 30.12.2020 geschlossen wurde, die Klägerin im Januar 2021 die Darlehenssumme aus dem Darlehensvertrag mit der V1bank abrief, die Ausgleichszahlung an ihre Schwester leistete, zugunsten der Klägerin im Gegenzug im Januar 2021 Erwerbsvormerkungen an den Eigentumswohnungen in der S1er Immobilie im Grundbuch eingetragen wurden und die Klägerin ebenfalls im Januar 2021 jedenfalls aus dem Verkauf der B1er Wohnung den halben Kaufpreis (112.500,00 €) erhielt. Bereits mit letzterem hatte sie somit im Streitzeitraum bereite Mittel, die sie zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts einsetzen konnte (und musste). Daher kommt es auf die Frage der Verwertbarkeit („Versilberung“) der S1er Immobilie (als ein Teil des Nachlasses) während des streitigen Bewilligungszeitraums nicht entscheidungserheblich an. Der der Klägerin aus dem Verkauf der B1er Wohnung zugeflossene Erlös überschritt bereits den der Bedarfsgemeinschaft von Klägerin und Tochter zustehenden Gesamtfreibetrag von 13.300,00 € erheblich.

Nur am Rande merkt der Senat an, dass die Klägerin die Beklagte trotz entsprechender Nachfragen nie zeitnah über die wesentlichen Umstände der Erbauseinandersetzung informiert hat. Dies betrifft sowohl die laufenden Verkaufsbemühungen bezüglich der B1er Wohnung als auch die Vorlage der Verkehrswertgutachten zu den Eigentumswohnungen der S1er Immobilie, die Vorlage der Darlehensverträge mit der V1bank und die Vorlage des Erbauseinandersetzungsvertrages vom 30.12.2020. Sie hat somit selbst erheblich zur verzögerten Bearbeitung ihrer Anliegen beigetragen. All diese Unterlagen hat sie vielmehr erst während des Klageverfahrens übersandt.

Einen Anspruch auf zuschussweise Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hatte die Klägerin nach alledem im Streitzeitraum nicht.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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