L 12 R 37/24

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Bremen (NSB)
Aktenzeichen
S 47 R 223/21
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 12 R 37/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 6.12.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich zum wiederholten Male gegen die Anrechnung seiner Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf seine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der 1952 geborene Kläger erlitt im Mai 1970 während seiner Lehre zum Flugzeugbauer einen Wegeunfall. Nach Abschluss der Ausbildung im Februar 1972 arbeitete er zunächst im erlernten Beruf, bevor er ab September 1972 die Fachoberschule besuchte. Im September 1973 nahm er ein Studium zum Maschinenbauingenieur auf, das er im August 1976 erfolgreich abschloss. Anschließend war er bis zum 31.3.2013 als Ingenieur tätig.

Nach dem erwähnten Wegeunfall hatte der G. (H.) dem Kläger zunächst eine vorläufige Verletztenrente gewährt, die er ihm jedoch mit Bescheid vom 26.1.1972 wegen fehlender entschädigungspflichtiger Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab dem 1.3.1972 wieder entzog. Mit Bescheid vom 21.2.1991 stellte er die Rente dann mit Wirkung ab dem 7.8.1989 nach einer MdE von 30 % neu fest. Dabei legte er seiner Berechnung einen Jahresarbeitsverdienst des Klägers i.H.v. 31.685,56 DM für den Zeitraum vom 7.8.1989 bis zum 30.6.1990 und i.H.v. 32.686,82 DM für den Zeitraum ab dem 1.7.1990 zugrunde.

In einer „Kurzauskunft – kein Rentenbescheid“ vom 4.1.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich seine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bei einem Rentenbeginn am 1.4.2013 auf monatlich 1.762,75 € belaufen würde (abzgl. der Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung). Sie wies darauf hin, dass sich eine Änderung der Rentenhöhe z.B. aus dem Bezug einer Verletztenrente ergeben könnte. Die Auskunft sei deshalb nicht rechtsverbindlich. Unter dem 22.1.2013 teilte der H. der Beklagten mit, dass der Jahresarbeitsverdienst des Klägers seit Juli 2012 bis auf Weiteres 22.973,05 € betrage.

Mit Bescheid vom 10.4.2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1.4.2013 i.H.v. monatlich 1.508,40 € (abzgl. der Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung). Dabei rechnete sie die Verletztenrente des Klägers auf seine Altersrente an. Ihre Berechnung basierte zunächst auf dem vom H. genannten Jahresarbeitsverdienst. Da der auf dieser Grundlage berechnete Grenzbetrag niedriger lag als der Monatsbetrag der Altersrente, legte sie den letztgenannten Betrag als Mindestgrenzbetrag zugrunde. Am 8.5.2016 erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, für ihn sei nicht ersichtlich, warum seine Rente aus der Rentenversicherung aufgrund seiner Verletztenrente reduziert werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.9.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, § 93 SGB VI bestimme, ohne verfassungsrechtlichen Bedenken zu begegnen, dass eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei gleichzeitigem Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung insoweit nicht geleistet werde, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteige. Der Grenzbetrag sei so ausgestaltet, dass die Beträge aus beiden Versicherungen zusammen etwa dem vorherigen Nettoeinkommen entsprächen. Sie sei dabei an die durch den H. festgelegten Werte gebunden.

Am 2.10.2013 erhob der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Bremen Klage, die dieses mit Gerichtsbescheid vom 19.1.2017 abwies. Es führte aus, die Beklagte habe die Verletztenrente zutreffend auf die Altersrente angerechnet. § 93 SGB VI trage der sozialpolitischen Überlegung Rechnung, dass das Erwerbsersatzeinkommen aus beiden Renten nicht höher sein solle als dass Nettoerwerbseinkommen bei voller Arbeitsleistung. Abgestellt werde auf den individuellen Arbeitsverdienst in den zwölf Monaten vor dem Versicherungsfall (§ 82 Abs. 1 SGB VII) ohne Berücksichtigung eines späteren beruflichen Aufstiegs, allerdings nach § 95 SGB VII dynamisiert. Wenn nach § 93 Abs. 3 Satz 1 SGB VI auf den Jahresarbeitsverdienst abzustellen sei, „der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt“, könne dies schon dem Wortlaut nach nur der Jahresarbeitsverdienst sein, den der Unfallversicherungsträger tatsächlich der Berechnung zugrunde gelegt habe. Darüber hinaus sprächen auch Gründe der Praktikabilität dafür, eine Bindung des Rentenversicherungsträgers an den vom Unfallversicherungsträger angenommenen Jahresarbeitsverdienst zu bejahen. Davon abgesehen sei weder ersichtlich, dass dem H. Fehler bei der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes unterlaufen seien noch habe der Kläger diesem gegenüber einen solchen Fehler geltend gemacht. Die Beklagte habe daher zu Recht zunächst den vom H. errechneten Wert übernommen und dann den Monatsbetrag der Altersrente als Mindestbetrag zugrunde gelegt. Auch im Übrigen seien keine Berechnungsfehler der Beklagten ersichtlich. Die Kurzauskunft vom 4.1.2013 stehe einer Anrechnung der Verletztenrente nicht entgegen. Abgesehen davon, dass in dieser Auskunft ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass sich eine solche Rente auf die Höhe der Rente aus der Rentenversicherung auswirken könne, sei sie nicht rechtsverbindlich gewesen. Vielmehr sei die Beklagte bei der Berechnung an die gesetzlichen Vorgaben des § 93 SGB VI gebunden geblieben. Gegen den Gerichtsbescheid legte der Kläger Berufung ein, die das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 31.5.2018 (L 12 R 33/17) zurückwies. Es führte aus, der Begründung des SG in vollem Umfang zu folgen und gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen. Die im Berufungsverfahren erneut vertretene Rechtsansicht des Klägers sei mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Klägers verwarf das BSG mit Beschluss vom 28.10.2019 (B 13 R 200/18 B) als unzulässig.

Zwischenzeitlich hatte die Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 17.5.2019 die Altersrente des Klägers neu berechnet und mitgeteilt, dass diese ab Juli 2019 monatlich 1.777,49 € (abzgl. der Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung) betrage. Dabei setzte sie als Jahresarbeitsverdienst, der den Leistungen aus der Unfallversicherung zugrunde lag, den ihr vom H. zuletzt übermittelten Betrag i.H.v. 27.047,75 € an. Da der auf dieser Grundlage ermittelte Grenzbetrag niedriger als die Altersrente i.H.v. 2.077,29 € monatlich lag, bestimmte deren Höhe die des Grenzbetrages. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Berechnung wurde auf die Anlage „Zusammentreffen von Rente und Einkommen“ verwiesen, die Bestandteil des Bescheides war.

Unter dem 3.6.2019 erhob der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch. Er trug abermals vor, es sei für ihn nicht ersichtlich, weshalb seine Altersrente aufgrund seiner Verletztenrente reduziert werde. Er meinte, zur Berechnung müsse sein Gehalt als Ingenieur als Basis herangezogen werden. Denn dies sei sein Berufsziel gewesen und schließlich auch erreicht worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.8.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie erklärte, § 93 SGB VI bestimme bei gleichzeitigem Bezug von Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung, inwieweit letztere zu leisten sei. Nach § 93 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI werde letztere insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteige. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Sie (die Beklagte) sei an die durch den H. festgelegten Werte der Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung verbunden. Sie verwies ergänzend auf das Urteil des LSG vom 31.5.2018.

Am 27.9.2024 hat der Kläger vor dem SG Bremen Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Verletztenrente sei nicht auf seine Altersrente anzurechnen. Es sei von vornherein sein Berufsziel gewesen, als Flugzeugbauingenieur tätig zu sein. Da er jedoch aus familiären Gründen kein Abitur habe erlangen können, sei vor dem Studium der Abschluss einer Berufsausbildung erforderlich gewesen. Darum habe er eine solche als Flugzeugbauer begonnen. Erst aufgrund des Unfalls während der Ausbildung habe er dann noch ein halbes Jahr als Flugzeugbauer gearbeitet. Dies sei der Situation geschuldet gewesen, dass der Semesterbeginn für das Studium im Herbst gelegen habe und er nach Abschluss der Ausbildung das Studium unfallbedingt noch nicht habe aufnehmen können. Deswegen sei hinsichtlich der Rechengröße das Gehalt des Flugzeugbauingenieurs zugrunde zu legen und nicht das des Flugzeugbauers.

Die Beklagte hat auf die Urteile des SG zum Aktenzeichen S 14 R 383/13 und des LSG zum Aktenzeichen L 12 R 33/17 verwiesen.

Mit Urteil vom 6.12.2023, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 8.3.2024, hat das SG die Klage abgewiesen. Unter ausführlicher Darstellung der Berechnung hat es ausgeführt, dass die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung der Verletztenrente auf die Altersrente den Vorgaben des § 93 SGB VI entspreche. Soweit der Kläger geltend mache, es müsse der Verdienst als Ingenieur, nicht als Flugzeugbauer, zugrunde gelegt werden, stehe dem der eindeutige Wortlaut des § 82 Abs. 1 SGB VII entgegen. Danach sei das Einkommen des Versicherten in den zwölf Monaten vor dem Unfall maßgeblich, das allerdings nach § 95 Abs. 2 SGB VII dynamisiert werde. Der vom Unfallversicherungsträger übermittelte Jahresarbeitsverdienst entfalte faktische Bindungswirkung für die Beklagte. Dazu hat das SG auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.10.2008 (L 8 R 197/07) verwiesen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers hat das SG nicht geteilt.

Am 4.4.2024 hat der Kläger vor dem LSG Berufung eingelegt. Er trägt vor, tatsächlich sei der Berechnung nicht das (während der Ausbildung bezogene) Gehalt in den letzten zwölf Monaten vor dem Unfall zugrunde gelegt worden, sondern gerade ein hypothetisches Gehalt, nämlich das eines Flugzeugbauers „analog entsprechend den Karriereschritten zum damaligen Zeitpunkt“. Es hätte jedoch „in entsprechender analoger Anwendung“ das Gehalt des Ingenieurs zugrunde gelegt werden müssen. Die Anrechnung stelle die Diskriminierung eines schwerbehinderten Menschen dar. Folge man dem Gedanken des SG, beim Zusammentreffen von zwei Sozialleistungen sei es legitim, diese nicht zu summieren, hätte seine Verletztenrente bereits mit dem Erhalt des Ingenieursgehalts gekürzt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

          

das Urteil des SG Bremen vom 6.12.2023 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 17.5.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.8.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1.7.2019 eine Altersrente ohne Anrechnung der Verletztenrente aus der Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            

              die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug.

Mit Schreiben an die Beteiligten vom 9.8.2024 hat der Berichterstatter eine Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG angekündigt.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Prozessakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.

II.

Der Senat kann über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden. Ihrer Zustimmung bedarf es nicht.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 6.12.2023 und der Bescheid der Beklagten vom 17.5.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.8.2021 sind nicht zu beanstanden. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Nur ergänzend sei angemerkt, dass dem Kläger die Rechtslage bereits im Gerichtsbescheid des SG vom 19.1.2017 und im Urteil des Senats vom 31.5.2018 ausführlich dargelegt worden ist. Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung geltend macht, der H. habe der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes tatsächlich nicht das (während der Ausbildung bezogenen) Gehalt in den letzten zwölf Monaten vor dem Unfall zugrunde gelegt, sondern ein „hypothetisches Gehalt … analog entsprechend den Karriereschritten“ ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit er dadurch schlechter gestellt sein könnte. Im Übrigen ist er wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte an die Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes durch den H. gebunden ist. Eine Diskriminierung von schwerbehinderten Menschen ist nicht erkennbar. Denn die Vorschriften über die Anrechnung der Verletztenrente auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gelten unabhängig vom Grad der Behinderung (GdB) des Rentenbeziehers. Zudem ist die Summe der Renten aus gesetzlicher Renten- und gesetzlicher Unfallversicherung auch nach Anrechnung der Letzteren höher, als allein die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn keine Verletztenrente bezogen (und angerechnet) wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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