L 6 U 45/23

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 81/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 6 U 45/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ein durch Kaffeetrinken entstandenes Verschlucken mit einer Hustensynkope kann ein Arbeitsunfall sein.
2. Die Voraussetzungen dafür sind erfüllt, wenn das Kaffeetrinken in einem betrieblich organisierten Zusammenhang erfolgt und das nachfolgende Verhalten - fluchtartiges Verlassen des betrieblichen Raumes zum Aushusten des eingeatmeten Kaffees - durch die betrieblichen Umstände geprägt ist.

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. August 2023 sowie der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2022 werden aufgehoben.

Das Ereignis vom 28. Februar 2022 wird mit einer Nasenbeinfraktur als Arbeitsunfall festgestellt.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Vorverfahren sowie beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.

Laut der Anzeige einer Mitarbeiterin des Arbeitgebers des 1970 geborenen Klägers (Frau P.) vom 3. März 2022 habe dieser am 28. Februar 2022 um 7:25 Uhr nach der Eingabe der Wochenstunden der Mitarbeiter den Mannschaftscontainer verlassen, um seine Arbeit zu beginnen. Beim Hinausgehen habe er einen Schluck Kaffee getrunken und sich verschluckt, wobei ihm schwarz vor Augen geworden und er bewusstlos zusammengebrochen sei. Hierbei sei er aus der Tür mit dem Gesicht auf ein davor liegendes Metallgitter gestürzt, das als Abtreter gedient habe. Zuerst zur Kenntnis genommen habe den Unfall der Zeuge H. F. (Bruder des Klägers). Diese Angaben würden auf der Schilderung des Klägers und einer anderen Person beruhen.

Nach dem D-Arztbericht Prof. Dr. W. vom 28. Februar 2022 habe der Kläger in einem Raum auf der Arbeit einen Schluck getrunken und sich dabei verschluckt. Um auszuspucken, habe er den Raum verlassen. Draußen sei ihm plötzlich schwarz vor Augen geworden; er sei synkopiert und mit dem Gesicht auf ein Metallgitter gefallen. Prof. Dr. W. diagnostizierte eine offene Nasenbeinfraktur mit multiplen tiefen Wunden und freiliegendem Flügelknorpel rechts sowie eine Wunde unter der Lippe. Laut dem Kläger seien Hustensynkopen „bekannt“. Auffällig seien ein grenzwertiger Blutdruck (um 100 mmHg systolisch), wobei der Kläger morgens die hierfür verordneten Medikamente eingenommen habe, sowie eine Bradykardie.

Mit Bescheid vom 4. März 2022 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab, da das Kaffeetrinken nicht betrieblichen, sondern persönlichen Zwecken gedient habe und daher dem privaten Lebensbereich zuzurechnen sei.

Aus dem von der Beklagten beigezogenen Entlassungsbrief des H. Klinikums H. vom 6. März 2022 über die dort bis zu diesem Tag erfolgte stationäre Behandlung des Klägers gingen u.a. für den 2. März 2022 im Langzeit-RR ein noch unzureichend eingestellter Blutdruck (138/94 mmHG), keine Auffälligkeiten im Langzeit-EKG sowie keine Bradykardien hervor. Die Diagnosen lauteten u.a. offene Nasenbeinfraktur mit Septumhämatom der Nase sowie Zustand nach Hustensynkope.

Zur Begründung seines am 1. April 2022 gegen den Bescheid vom 4. März 2022 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, er habe die Wochenstunden der Mitarbeiter in die EDV eingegeben und sodann mit dem Polier (dem Zeugen K.) den Tagesablauf auf der Baustelle besprochen. Dabei habe er Kaffee getrunken und sich verschluckt. Er sei hustend zur Tür des Bürocontainers gegangen, habe dort kurz das Bewusstsein verloren und sei gestürzt. Das Verschlucken habe sich in direktem räumlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz ereignet. Die Verletzungen seien nur deswegen derart ausgefallen, weil er auf das Metallgitter gestürzt sei, das sich in einiger Höhendistanz zur Containerschwelle befunden habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2022 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 18. Juli 2022 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und sein Anliegen weiterverfolgt. Das gemeinsame Kaffeetrinken während der Besprechung sei betrieblichen Belangen zuzuordnen. Dieses diene nicht dem Grundbedürfnis, den Durst zu stillen, sondern stelle den gesellschaftlichen Rahmen dar, in dem gemeinsam die bevorstehenden Tätigkeiten besprochen, Mitarbeiter eingeteilt und denkbare Probleme angegangen würden. Das Verschlucken, Husten, Aufstehen und die Synkope seien daher nicht von der versicherten Tätigkeit zu trennen. Er habe sich nicht deshalb von der Besprechung entfernt, weil diese beendet gewesen sei, sondern weil er den Kaffee vor der Tür habe aushusten wollen. Es handele sich um eine gemischte Tätigkeit, die nicht in einen versicherten und privaten Teil auftrennbar sei (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. Oktober 2016 – B 2 U 16/15 R – juris). An vorherige Bewusstlosigkeiten könne er sich nicht erinnern.

Ergänzend hat der Kläger ein Foto des Baucontainers übermittelt. Danach befand sich vor dessen Tür eine aus zwei Betonplatten bestehende Treppe; auf der unteren Platte lag ein Metallgitter.

Die Beklagte hat gemeint, der Kläger habe keine gemischte Tätigkeit ausgeübt. Das Aushusten nach dem Verschlucken lasse sich von der Dienstbesprechung räumlich und zeitlich trennen. Vielmehr habe es sich um eine Verrichtung mit gemischter Motivationslage gehandelt. Hierbei sei zu prüfen, ob die konkrete Handlung hypothetisch auch ohne die private Zweckbestimmung vorgenommen werden wäre. Versicherungsschutz sei insoweit gegeben, wenn eine aus dem Bereich der versicherten Tätigkeit stammende Gefahr wesentlich für das Unfallgeschehen gewesen sei. Hier habe der Kläger sich ausschließlich beim unversicherten Kaffeetrinken verschluckt, welches wiederum wesentlich für den Sturz gewesen sei.

Das SG hat Befundberichte behandelnder Ärzte eingeholt, die Klage mit Urteil vom 1. August 2023 abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Der Kläger habe beim Ereignis am 28. Februar 2022 nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Die Nahrungsaufnahme und damit auch das Trinken sei in der Regel eine dem persönlichen Bereich zuzuordnende, nicht versicherte Betätigung (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. Juni 2003 – B 2 U 24/02 R – juris, Rn. 14). Auch eine gemischte Tätigkeit sei nicht gegeben. Denn dies setze voraus, dass beide Verrichtungen dem versicherten Bereich zuzurechnen seien (BSG, Urteil vom 26. Juni 2014 – B 2 U 4/13 R – juris, Rn. 20). Eine gemischte Motivationslage (hierzu BSG, a.a.O., Rn. 21 ff.) scheide ebenfalls aus. Denn ob die sturzbedingte Einwirkung auf den Körper des Klägers und der dadurch verursachte Gesundheitsschaden infolge der Verrichtung der versicherten Tätigkeit eingetreten und ihr damit zuzurechnen ist, sei danach zu beurteilen, ob die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden eine Wirkursache sei. Wirkursache sei vorliegend das Kaffeetrinken gewesen, das sowohl tatsächlich als auch rechtlich von der versicherten Besprechung abtrennbar sei. Danach liege ein Sturz infolge einer inneren Ursache vor. Ein Unfallversicherungsschutz bestehe auch nicht wegen einer besonderen betrieblichen Gefahr der Unfallstelle. Die aus dem vom Kläger vorgelegten Foto hervorgehende Situation sei sowohl auf einer Baustelle als auch im öffentlichen Raum nicht unüblich.

Gegen das ihm am 7. August 2023 zugestellte Urteil hat der Kläger noch im selben Monat beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Das Kaffeetrinken und die morgendliche Besprechung seien untrennbar verbunden; ohne letztere würde er keinen Kaffee zu sich genommen haben. Dass im Rahmen betrieblicher Besprechungen gemeinsam Kaffee getrunken werde, sei üblich und betriebsdienlich. Soweit das SG der Entscheidung des BSG vom 26. Juni 2014 – B 2 U 4/13 R – entnehme, dass eine gemischte Tätigkeit nur dann vorliege, wenn beide Verrichtungen dem versicherten Bereich zuzuordnen seien, ergebe sich aus der zitierten Randnummer Gegenteiliges.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. August 2023 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2022 aufzuheben und das Ereignis vom 28. Februar 2022 mit einer Nasenbeinfraktur als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des SG. Weder das Kaffeetrinken noch der Schluckvorgang sei der versicherten Tätigkeit zuzurechnen; sowohl der Verzehr von Nahrung als auch das Trinken von Flüssigkeiten erfolgten grundsätzlich eigenwirtschaftlich. Das Kaffeetrinken sei auch nicht von der Unternehmensleitung angeordnet oder organisiert worden noch habe es einem Unternehmenszweck gedient. Es habe als Ritual unter Arbeitskollegen, das diese zu ihrem eigenen leiblichen Wohl unterhielten, lediglich in einem gewissen zeitlichen, nicht aber sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden, so dass die unfallbringende Verrichtung des Klägers dieser nicht zuzurechnen sei.

Im Erörterungstermin am 21. Dezember 2023 hat der Kläger ergänzend erklärt, üblicherweise treffe man sich eine Viertelstunde bzw. 10 Minuten vor Arbeitsbeginn im Aufenthaltscontainer. Dort werde auch regelmäßig Kaffee getrunken, der zum Teil vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werde. Am 28. Februar 2022 sei er dabei gewesen, die Stundenerfassungen für die Buchhaltung zusammenzustellen. Neben ihm selbst seien die Zeugen A. und F. anwesend gewesen; der Zeuge K. sei dann als Polier dazugestoßen. Besprochen worden sei die Herstellung einer Betonage. Während des Kaffeetrinkens habe er sich verschluckt und sei aufgestanden, um den Container zu verlassen und abzuhusten. Plötzlich sei im schwarz vor Augen geworden und er sei hingestürzt. Die Angaben in der Unfallanzeige vom 3. März 2022 könne er sich nicht erklären. Mit Frau P., die als Büromitarbeiterin im Betrieb beschäftigt sei, habe er während des Krankenhausaufenthalts jedenfalls nicht gesprochen.

Der Zeuge F. hat im Wesentlichen erklärt, die Mitarbeiter führen üblicherweise so rechtzeitig zu den Baustellen, dass zuvor noch Besprechungen zur Arbeitseinteilung stattfinden könnten und Kaffee getrunken werde. Am 28. Februar 2022 habe er am Tisch gesessen und Kaffee getrunken. Jeder Kollege bringe üblicherweise ein Päckchen mit, wenn dieser zur Neige gehe. Am Abend zuvor werde die Maschine fertiggemacht und der erste, der eintreffe, stelle das Gerät an. Im Container habe ein Tisch gestanden, an dessen Längsseite sie gesessen hätten. Dahinter hätten sich ein Kühlschrank sowie der Kaffeeautomat befunden. An der Stirnseite dieses Tisches habe der Zeuge K. gesessen, der sich zur Seite gedreht und mit dem Kläger unterhalten habe. Dessen Tisch habe quer im Container mit Blick nach draußen gestanden, so dass dieser mit dem Rücken zum Längstisch gesessen habe. Der Kläger sei gerade dabei gewesen, die Stundenabrechnungen des Monats für die Lohnbuchhaltung zu erstellen. Plötzlich sei er aufgestanden, hinter ihm langgegangen, habe sich den Mund zugehalten, die Containertür geöffnet und sei in die Hocke gegangen. Es habe den Eindruck erweckt, als habe er sich verschluckt und den Mund zugehalten, um herauszugehen und zu husten. Dann sei er nach vorn umgekippt. Sie hätten ihn hochgehoben und Blutverschmierungen im Gesicht bemerkt; der Zeuge K. habe den Notarzt angerufen. In dem Moment, als sie den Kläger draußen hochgehoben hätten, sei dieser klar bei Bewusstsein gewesen. Die Angaben in der Unfallanzeige vom 3. März 2022 habe er nicht gemacht und auch nicht mit Frau P. gesprochen.

Der Zeuge K. hat angegeben, im Container habe eine Arbeitsbesprechung stattgefunden, bei der es um die Tagesplanung sowie Betonage gegangen sei und der Kläger Kaffee getrunken habe. Dieser habe hierbei an einem separaten Tisch mit Blick aus dem Fenster gesessen. Hinter ihm habe sich eine andere Tischreihe befunden, an der er selbst neben dem Kläger gesessen habe. Dieser habe sich beim Trinken verschluckt, sei aufgestanden und zur Tür gegangen. Nachdem er einen Unfall registriert habe, sei er aufgesprungen; die Zeugen A. sowie F. hätten sich um den Kläger gekümmert und er habe den Notruf gewählt. Die Bauleitung und Bauüberwachung habe er anschließend telefonisch informiert; mit einer Frau habe er im Zusammenhang mit dem Unfall nicht gesprochen. Der Kaffee werde zum Teil von der Firma und zum Teil von den Mitarbeitern selbst organisiert.

Der Zeuge A. hat im Wesentlichen bekundet, der Kläger habe am Unfalltag wie üblich am Monatsende die Stundenabrechnungen erstellt. Zwischen ihm, dem Zeugen K. und den anderen Anwesenden sei über die Planung des Arbeitstages und die Betonierung gesprochen worden. Währenddessen habe der Kläger seinen Kaffee getrunken. Kaffee werde teilweise vom Betrieb bereitgestellt und zum Teil von den Mitarbeitern mitgebracht; er selbst trinke Tee. Der Kläger habe sich beim Trinken verschluckt, gehustet, sei aufgestanden und zur Tür gegangen. Er habe noch das Türklicken gehört. Als der Sturz bemerkt worden sei, habe er den Kläger zusammen mit dem Zeugen F. hochgehoben; der Zeuge K. habe den Notarzt verständigt. Bei ihm sei seitens des Arbeitgebers keine Nachfrage zu einer Unfallanzeige erfolgt.

Auf gerichtliche Nachfragen hat Frau P. unter dem 2. Januar bzw. 28. Februar 2024 mitgeteilt, die Angaben vom 3. März 2022 habe sie einer zwei Tage zuvor digital erstellten Unfallanzeige entnommen.

Der Berichterstatter hat insbesondere auf das Urteil des BSG vom 31. März 2022 (B 2 U 5/20 R – juris) hingewiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats.

 

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat Erfolg, worüber der Senat nach Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung befinden konnte.

Der Bescheid der Beklagten vom 4. März 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2022 beschwert den Kläger im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn das Ereignis vom 28. Februar 2022 ist mit einer Nasenbeinfraktur als Arbeitsunfall festzustellen.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls seiner versicherten Haupttätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat, und dieses Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (z.B. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 R – juris; Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 24/06 R – juris).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Zunächst stand der Kläger zum Zeitpunkt des angeschuldigten Vorgangs als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII generell unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auf Grundlage der im D-Arztbericht vom 28. Februar 2022 sowie der in der Epikrise vom 6. März 2022 dokumentierten Befunde und übereinstimmend gestellten Diagnose ist auch eine Nasenbeinfraktur als Gesundheitserstschaden gesichert.

Beim Geschehen vom 28. Februar 2022 handelte es sich um ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Diese Legaldefinition beschreibt den Unfall nicht als „unfreiwilliges", „unvorhergesehenes" oder „unvorhersehbares", sondern nur als ein äußeres, körperwirksames Geschehen, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Das Erfordernis der Einwirkung von außen dient lediglich der Abgrenzung unfallbedingter Gesundheitsschäden zu Gesundheitsbeeinträchtigungen aufgrund innerer Ursachen sowie zu geplanten Selbstschädigungen (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R – juris, Rn. 30 f.; Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 18/07 R – juris; Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 8/06 R – juris, Rn. 15; Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – juris). Auch ein gewolltes Handeln mit ungewollter Einwirkung beinhaltet ein äußeres Ereignis (BSG, Urteil vom 29. November 2011 – B 2 U 23/10 R – juris, Rn. 17; Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 8/06 R – juris, Rn. 15). Ebenso ist hierfür kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen im Sinne eines „Störfaktors“ nötig. Vielmehr genügen auch alltägliche Vorgänge und können sogar bloße Wahrnehmungen (Sehen, Hören, Schmecken, Ertasten, Riechen) ausreichen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2021 – B 2 U 15/19 R – juris, Rn. 18). Geschützt sind alle Hergänge, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ablaufen, wobei für den Unfallbegriff ein versichertes („äußeres") Ereignis als Ursache und ein Gesundheits(erst)schaden als Wirkung maßgeblich sind (so schon BSG, Urteil vom 18. März 1997 – 2 RU 8/96 – juris, Rn. 22).

Ausgehend hiervon stellt der Sturz auf das Metallgitter das unmittelbare Unfallereignis dar. Denn insoweit ist aus der Sicht eines objektiven Betrachters regelmäßig auf die kleinste beobachtbare Handlungssequenz abzustellen (BSG, Urteil vom 31. März 2022 – B 2 U 5/20 R – a.a.O., Rn. 16, m.w.N.). Letzte vorangehende Verrichtung ist das Verlassen des Containers zum Aushusten des Kaffees im Freien. Das nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen vom 21. Dezember 2023 beim Kaffeetrinken erfolgte Verschlucken des Klägers, das seinerseits den Gang zur Containertür, die kurzfristige Synkope und den nachfolgenden Sturz bedingte, beinhaltet ebenfalls eine äußere Einwirkung. Beim gewollten Schlucken gelangte nämlich ungewollt – von außen – Kaffee in die Luftröhre des Klägers.

Weiterhin ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass sich dieses Geschehen im Rahmen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit des Klägers als Beschäftigter ereignete. Das Kaffeetrinken ist dieser auch sachlich zuzurechnen.

Ob ein sachlicher Zusammenhang zwischen der betroffenen Verrichtung und der versicherten Tätigkeit besteht, ist wertend zu untersuchen, wobei es maßgebend auf die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten ankommt. Das objektiv beobachtbare Handeln muss subjektiv – zumindest auch – auf die versicherte Tätigkeit gerichtet sein (vgl. BSG, Urteil vom 10 August 2021 – B 2 U 2/20 R – juris, Rn. 18, m.w.N.; Urteil vom 6. Oktober 2020 – B 2 U 9/19 R – juris, Rn. 20).

Gemessen daran erstreckt sich der allgemeine Schutzweck des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zwar grundsätzlich nicht auf die Aufnahme von Nahrung oder Getränken, wenn und soweit mit ihr ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt wird (BSG, Urteil vom 31. März 2022 – B 2 U 5/20 R – a.a.O., Rn. 19). Hier war das Trinken von Kaffee – wie auch sonst selten – indessen nicht auf eine Durstlöschung des Klägers als Grundbedürfnis gerichtet. Vielmehr diente es als sozialtypisches Verhalten (auch) betrieblichen Zwecken, die sein Handeln als Vorarbeiter zumindest auch subjektiv miteinschloss. Denn der gemeinsame Kaffeegenuss während der von den Zeugen übereinstimmend beschriebenen Einsatzplanung bewirkte vor allem auch eine positive Arbeitsatmosphäre und eine Stärkung der kollegialen Gemeinschaft. Daneben sorgte der morgendliche Konsum des Getränks sowohl während der Besprechung als auch danach für erhöhte Wachsamkeit und Aufnahmebereitschaft. Entsprechendes war dem Arbeitgeber auch bewusst und von ihm gewünscht. Denn nach den gleichlautenden Bekundungen der Zeugen A. und K. hat dieser teilweise selbst für das Auffüllen des Kaffeevorrats gesorgt. Damit liegt kein Kaffeetrinken lediglich zum eigenen leiblichen Wohl – z.B. Mitbringen des Getränks allein für sich in einer Thermoskanne zum beliebigen Genuss – vor.

Darüber hinaus war das Kaffeetrinken nach den von allen Zeugen bestätigten Angaben des Klägers integraler Bestandteil der rein dienstlichen Besprechung über die anstehende Arbeit. Es fand nicht etwa nur bei Gelegenheit als rein private Verrichtung innerhalb einer Frühstückspause statt, während der jeder sein von zu Hause mitgebrachtes Getränk zu sich nimmt. Vielmehr erfolgte die morgendliche Kaffeezubereitung entsprechend der plastischen Schilderung des Zeugen F. im Sinne einer betrieblichen Übung dergestalt, als der erste anwesende Mitarbeiter die am Vorabend vorbereitete Maschine für alle kollektivbezogen einschaltete. Die Teilnahme an der Besprechung war verpflichtend. Hinweise auf eine Unterbrechung zwecks aktiver Vornahme nicht versicherter Verrichtungen fehlen, so dass für Überlegungen zu einer gemischten Tätigkeit oder gespaltenen Handlungstendenz kein Raum verbleibt.

Für eine dem Betriebsklima förderliche Motivation spricht insbesondere auch das Vermeidungsverhalten des Klägers, der sich beim Verschlucken die Hand vor den Mund hielt und den Raum verlassen wollte, um den Mundinhalt nicht gegenüber den Anwesenden auszuspucken. Dies hätte Arbeitspapiere oder anderes verunreinigt.

Handelt es sich demnach um ein im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehendes Gesehen, kommt es nicht mehr auf die – vom SG unter Hinweis auf die Trittgestaltung vor dem Baucontainer zutreffend verneinte – Frage eines Unfallversicherungsschutzes wegen einer besonderen betrieblichen Gefahr der Unfallstelle an.

Die Nasenbeinfraktur ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den versicherten Sturz verursacht worden (vgl. zu diesen Prüfungsschritten nur BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris, Rn. 13 ff. und 20). Wenn sich der Kläger nicht verschluckt, dadurch Hustenreiz entwickelt und hierdurch eine kurzzeitige Bewusstseinstrübung erlitten hätte, wäre er nicht aus der Tür auf das Metallgitter gestützt. Der naturwissenschaftliche Zusammenhang insbesondere zwischen dem Husten und dem kurzzeitigen Bewusstseinsverlust wird von mehreren Ärzten – insbesondere im Entlassungsbrief vom 6. März 2022 – unter der Bezeichnung Hustensynkope bestätigt.

Schließlich ist der Sturz auch rechtlich als (eine) wesentliche Ursache der Verletzung zu werten (vgl. nur BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 8/06 R – juris; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris, Rn. 15). Denn belastbare Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine Synkopenveranlagung im Sinne einer weit überragenden Ansprechbarkeit infolge alltäglicher Ereignisse besteht, fehlen. Der im D-Arztbericht enthaltene Hinweis auf vermeintlich „bekannte“ Hustensynkopen hat sich nicht bestätigt. Auf direkte Nachfrage des SG hat der Kläger ausdrücklich erklärt, dass zuvor nie eine Bewusstlosigkeit aufgetreten war. Auch in den Mitteilungen seiner behandelnden Ärzte findet sich hierfür keinerlei Hinweis, insbesondere nicht im Befundbericht seiner Hausärztin G. vom 15. Dezember 2022, die den Kläger seit 1999 betreut. Die im D-Arztbericht verdächtigte Bradykardie ist im Rahmen der nachfolgenden stationären Behandlung ebenfalls ausdrücklich widerlegt worden; auch sonst fanden sich im Langzeit-EKG keine Auffälligkeiten. Angesichts dieser Tatsachen ist der Senat davon überzeugt, dass es sich im D-Arztbericht um einen Schreibfehler handelt und insoweit „unbekannt“ gemeint gewesen ist. Die im Entlassungsbrief vom 6. März 2022 diagnostizierte Hustensynkope beschreibt als Phänomen lediglich eine potentiell bei jedem infolge intrakranieller Druckerhöhung und Verminderung des Schlagvolumens während einer Hustenattacke mögliche Durchblutungsminderung (vgl. Pschyrembel-online, Stichwort: Hustensynkope) und bietet keine Grundlage für eine relevante innere Ursache.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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