L 10 R 2079/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 2805/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2079/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Eine falsche Auskunft über die geltenden Hinzuverdienstgrenzen in einer Rentenauskunft nach § 109 SGB VI aF stellt auch ohne konkrete Nachfrage des Versicherten und ohne Anlass zu einer Spontanberatung eine Pflichtverletzung dar, die einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösen kann.
2. Die erforderliche Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden (hier: verspätete Rentenantragstellung) setzt voraus, dass bei korrekten Angaben über die Hinzuverdienstgrenzen der Rentenantrag früher gestellt worden wäre. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn nach der Rentenauskunft (nach den mangels Mitwirkung der Versicherten bei der Kontenklärung allein bekannten Versicherungszeiten zutreffend) schon die Wartezeit für die begehrte Rente bei Weitem nicht erfüllt ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.06.2023 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt einen früheren Rentenbeginn der ihr bewilligten Altersrente auf Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (sHA).

Die 1957 geborene Klägerin, Mutter von zwei Töchtern (geb. 1977 und 1982) und eines Sohnes (geb.1985), erhielt von der Beklagten eine Rentenauskunft vom 10.09.2021. In dieser wurde u.a. ausgeführt, dass sie auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts und der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten erstellt worden sei, dass sie damit unter dem Vorbehalt künftiger Rechtsänderungen sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten stehe und daher nicht rechtsverbindlich sei, dass die Klägerin die Wartezeitvoraussetzung von 45 Jahren für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte (auch) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze am 09.09.2023 nicht erfülle, da derzeit und unter Zugrundelegung der bislang im Versicherungskonto gespeicherten Daten lediglich 415 (Wartezeit-)Monate vorlägen, dass bei Inanspruchnahme einer Altersrente vor dem 01.10.2023 eine Hinzuverdienstgrenze „bis 6.300 EUR im Kalenderjahr“ gelte und dass bei der Klägerin bis zum 31.12.2019 noch Versicherungszeiten ungeklärt seien, nämlich vom 17.10.1977 bis 31.01.1979 und vom 28.01.1986 bis 15.06.1997. Auch enthielt die Rentenauskunft unter dem Abschnitt „Auskunft und Beratung“ u.a. den Passus, dass der Klägerin die Regionalzentren der Beklagten, ihre Außenstellen, die Versichertenberater, die örtlichen Versicherungsämter bzw. die Stadt- oder Gemeindeverwaltungen für eine kostenlose Beratung zur Verfügung stünden, sollte sie zu der Auskunft weitere Erläuterungen wünschen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rentenauskunft vom 10.09.2021 nebst Versicherungsverlauf - der Zeiten der Schwangerschaft/des Mutterschutzes und keine Kindererziehungszeiten (KEZ) respektive Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (KBZ) auswies - Bezug genommen (S. 79 ff. SG-Akte).

Mit Schreiben vom 26.11.2021 forderte die Beklagte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflichten auf, sich zu den o.a. ungeklärten Zeiten respektive zur Vollständig- und Richtigkeit des Versicherungsverlaufs zu erklären; darauf reagierte die Klägerin nicht.

Mit Schreiben vom 25.02.2022 beantragte der hiesige Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese formlos Altersrente und mit Formrentenantrag vom 03.03.2022 Altersrente für besonders langjährig Versicherte als Teilrente i.H.v. 99 v.H. zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Im Rentenantrag wurde u.a. eine Ausbildung der Klägerin zur Gehilfin in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen in der Zeit vom 01.09.1972 bis 23.09.1975 angegeben; Anrechnungszeiten wurden im Übrigen verneint und es wurde unter Mitteilung der Personenstandsdaten der Kinder sowie der entsprechenden Erklärung des Kindsvaters die Feststellung von KEZ bzw. KBZ zugunsten der Klägerin beantragt. Zudem wurde erklärt, dass die Klägerin „ab Rentenbeginn“ bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ein Arbeitsentgelt von 3.500 € brutto monatlich habe. Mit Bevollmächtigten-Schreiben vom selben Tag beantragte die Klägerin eine rückwirkende Rentengewährung „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ im Rahmen des sHA. Bereits im August 2021 habe sie sich „intensiv mit dem Thema Rente beschäftigt“ und „hierzu auch eine Rentenauskunft mit Datum vom 10.09.2021 übermittelt bekommen“. Die dortige Angabe der Hinzuverdienstgrenze sei indes falsch gewesen. Wäre der Klägerin die richtige Grenze (vgl. hierzu § 34 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI] in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung vom 08.12.2016 [a.F.] i.V.m. § 302 Abs. 8 Nr. 1 SGB VI in der Fassung vom 22.12.2020: kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze 2021 i.H.v 46.060 €) mitgeteilt worden, hätte sie den Rentenantrag bereits „wesentlich früher bzw. im August 2021 gestellt“.

Mit Bescheid vom 21.06.2022 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte als Teilrente beginnend ab dem 01.12.2021 (monatliches Recht auf Rente: 1.343,89 € ab 01.12.2021 bzw. 1.415,82 € ab 01.07.2022). Dabei anerkannte sie KEZ/KBZ für alle drei Kinder (s. im Einzelnen S. 185 VerwA) an, sodass damit die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt war (469 Monate Beitragszeiten, 105 Monate Berücksichtigungszeiten). Die Rentenzahlung erfolge - ausgehend von einem frühestmöglichen Rentenbeginn am 01.09.2021, dem Rentenantrag (erst) am 25.02.2022 und § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI - mit Kalendermonatsbeginn Dezember 2021. Ein früherer Rentenbeginn im Wege des sHA komme nicht in Betracht, da im Anschluss an die Rentenauskunft seitens der Klägerin keinerlei Kontakt zur Beklagten aufgenommen worden sei und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Rentenauskunft und dem verspäteten Rentenantrag nicht als gegeben erscheine. Im Widerspruchsverfahren machte der hiesige Prozessbevollmächtigte geltend, dass sich „sein Mandant im September 2021 intensiv mit dem Thema Rentenansprüche auseinandergesetzt“ habe und dass „ihm hierzu auch mit Datum vom 10.09.2021 eine Rentenauskunft übermittelt“ worden sei. Wäre dort die korrekte Hinzuverdienstgrenze ausgewiesen gewesen, hätte „er“ die Rente bereits zum 01.09.2021 beantragt. Es liege ein „klassischer Fall“ des sHA vor und andere Rentenversicherungsträger seien „der“ (gemeint: seiner) Argumentation auch bereits gefolgt. Die Rente müsse mithin rückwirkend zum September 2021 erbracht werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2022 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Dem Begehren, die Rente im Wege des sHA bereits ab dem 01.09.2021 zu gewähren, könne nicht entsprochen werden. Die von Amts wegen und maschinell erstellte Rentenauskunft sei nicht rechtsverbindlich gewesen und die Klägerin habe weder davor, noch in der Zeit danach eine Beratung bei der Beklagten in Anspruch genommen, geschweige denn habe sie überhaupt einen Erläuterungs- bzw. Beratungsbedarf artikuliert. Ein Fall unterlassener oder fehlerhafter Beratung durch die Beklagte liege somit nicht vor. Unabhängig davon mangele es auch an einer Ursächlichkeit eines Beratungsfehlers und der verspäteten Rentenantragstellung. Die Angaben der Klägerseite, die Klägerin habe sich bereits im Jahr 2021 intensiv mit dem Thema Rente beschäftigt, sei weder belegt, noch nach dem Akteninhalt plausibel. Daran ändere es auch nichts, dass in anderen (Einzel-)Fällen ein sHA angenommen worden sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.11.2022 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und ihr Begehren zuletzt - nachdem die Beklagte dem Antrag der Klägerin, die Rente ab 01.01.2023 als Vollrente zu gewähren, nachgekommen war (vgl. Bescheid vom 15.12.2022) - auf die Gewährung ihrer Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab dem 01.09.2021 eingegrenzt (s. den in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23.06.2023 gestellten Antrag, S. 77 SG-Akte). Zur Begründung hat die Klägerseite im Wesentlichen geltend gemacht, dass sich die Klägerin im September 2021 mit dem Thema Rentenansprüche auseinandergesetzt und sich „hierzu“ mit der hinsichtlich des jährlichen (rentenunschädlichen) Hinzuverdienstes fehlerhaften Rentenauskunft vom 10.09.2021 „beschäftigt“ habe. Wäre die korrekte Hinzuverdienstgrenze 2021 mitgeteilt worden, hätte die Klägerin den Rentenantrag bereits im Jahr 2021 gestellt. Zudem ist wegen des sHA auf „Parallelfälle“ bzw. auf gerichtliche Entscheidungen in anderen Fällen zugunsten der dortigen Versicherten verwiesen worden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Rentenauskunft sei maschinell und von Amts wegen - und gerade nicht auf Antrag - ergangen, sie sei nicht rechtsverbindlich und ohnehin habe ein „allgemeiner Hinweis“ auf die Hinzuverdienstgrenze genügt. Die Klägerin habe auch zu keinem Zeitpunkt um eine Beratung bei der Beklagten ersucht, obgleich sie behaupte, sich im August bzw. September 2021 „intensiv“ mit ihrer Rente beschäftigt zu haben. Unabhängig davon hätten zum Zeitpunkt der Rentenauskunft auch ungeklärte Versicherungszeiten vorgelegen; die Beklagte könne aber nur zu Dingen beraten, die sie auch wisse.

Mit Urteil vom 23.06.2023 hat das SG die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 21.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2022 verurteilt, der Klägerin die Altersrente für besonders langjährig Versicherte (bereits) ab dem 01.09.2021 (anstelle ab dem 01.12.2021) zu gewähren; es hat ferner angeordnet, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der allein streitbefangene Rentenbeginn kraft entsprechendem Anspruch aus den Grundsätzen des sHA auf den 01.09.2021 vorzuverlegen sei. Auch wenn der zugrundeliegende Sachverhalt aufgrund der „recht vagen Angaben“ der Klägerin im Einzelnen „nicht zuverlässig rekonstruiert bzw. ermittelt werden“ könne und damit eine der Beklagten zuzurechnende Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflichten (§§ 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]) „kaum nachweisbar“ erscheine, schließe dies einen sHA nicht aus. Denn dieser greife auch bei einer andersartigen Fehl- oder Nichtinformationen des Versicherten, wie etwa einem Verstoß des Rentenversicherungsträgers gegen die Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI oder gegen die Verpflichtung zur Erteilung von (zutreffenden) Rentenauskünften nach § 109 SGB VI bzw. „Allgemeininformationen“ (§ 13 SGB I), die vollständig und inhaltlich zutreffend sein müssten, auch wenn eine Rechtsverbindlichkeit fehle. So liege der Fall hier, nachdem die Beklagte in der Rentenauskunft vom 10.09.2021 eine unrichtige rentenunschädliche kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze (6.300 € statt 46.060 €) genannt habe. Diese Pflichtverletzung sei zur Überzeugung der Kammer auch ursächlich dafür, dass die Klägerin die ihr abschlagsfrei zustehende Altersrente nicht bis spätestens 30.11.2021 beantragt habe. Aufgrund der Gesamtumstände und der Angaben der Klägerin, an deren Richtigkeit kein Grund zu zweifeln bestehe, sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin, wenn sie mit der Rentenauskunft vom 10.09.2021 zutreffend darüber informiert worden wäre, dass der rentenunschädliche Hinzuverdienst im Jahr 2021 nicht nur bei 6.300 €, sondern bei 46.060 € und damit deutlich über ihrem Jahresarbeitsentgelt gelegen habe, zeitnah um eine „weitere“ Rentenberatung bemüht hätte und dann bei sachgerechter Beratung auch die für sie günstige Möglichkeit der Rentenantragstellung genutzt hätte. Denn es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Information und anschließender Beratung die Antragsfrist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI versäumt hätte. Auf die Ermittlung eines individuellen Informationsbegehrens in der Person des Rentenantragstellers könne in der Regel bei inhaltlich falscher Rentenauskunft verzichtet werden.

Gegen das ihr am 26.06.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.07.2023 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Ergänzend hat sie eingeräumt, dass die Klägerin über die zutreffende Hinzuverdienstgrenze im Jahr 2021 nicht anderweitig hätte informiert gewesen sein müssen. Indes sei sie bereits seit Anfang des Jahres 2020 wiederholt auf Lücken im Versicherungsverlauf hingewiesen worden, ohne an der Kontenklärung mitgewirkt zu haben. Die - neben der Hinzuverdienstgrenze - fehlerhafte Angabe in der Rentenauskunft, dass die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllt sei, sei der Beklagten daher nicht zuzurechnen. Im Übrigen gingen die Hinweise der Klägerseite auf „Parallelfälle“ - auch bei anderen Rentenversicherungsträgern - ins Leere, nachdem diese gänzlich andere Einzelfälle beträfen. 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.06.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens erneut auf „Parallelfälle“ (u.a. das nach Anerkenntnis der Beklagten erledigte Berufungsverfahren L 10 R 1491/24 beim erkennenden Senat) im Zusammenhang mit der Angabe einer in Folge gesetzlicher Erhöhung fehlerhaften Hinzuverdienstgrenze im Jahr 2021 durch die Rentenversicherungsträger sowie auf den Gleichbehandlungsgrundsatz verwiesen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG (zulassungsfrei, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, nachdem Altersrentenansprüche für drei Monate i.H.v. jedenfalls mehr als 750 € in Rede stehen: Rentenzahlungsanspruch der Klägerin ab Dezember 2021 knapp 1.200 € netto/monatlich) statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 21.06.2022 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2022, dies indes nur insoweit, wie die Beklagte damit die Gewährung der zugleich mit Rentenbeginn ab dem 01.12.2021 bewilligten Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab dem 01.09.2021 abgelehnt hat. Denn nur dagegen - also den verfügten Beginn der Altersrente - hat die rechtskundig vertretene Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren auf einen früheren Rentenbeginn im erstinstanzlichen Klageverfahren zuletzt ausdrücklich gerichtet und entsprechend eingegrenzt (zu den einzelnen, selbstständig anfechtbaren Verfügungssätzen - Rentenart, Rentenbeginn, Rentendauer, Rentenhöhe - eines Rentenbewilligungsbescheids statt vieler nur Bundessozialgericht [BSG] 11.05.2011, B 5 R 8/10 R, in juris, Rn. 13 m.w.N.; Senatsurteil vom 28.09.2006, L 10 R 4911/05, in juris, Rn. 23; zur Beschränkung auf einen begrenzten Zeitraum s. nur BSG 10.11.2022, B 5 R 37/21 R, in juris, Rn. 9). Demgemäß ist der Bescheid der Beklagten vom 15.12.2022 über die Gewährung - und in Folge Neuberechnung - der Rente als Vollrente ab 01.01.2023 mangels Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) des Rentenbeginns (sondern allein der Rentenhöhe, vgl. § 42 Abs. 1 SGB VI) nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, unabhängig davon, dass diese Verwaltungsentscheidung ohnehin antragsgemäß (vgl. Schreiben des Klägerbevollmächtigten an die Beklagte vom 26.09.2022) ergangen ist.

Zu Unrecht hat das SG den Bescheid vom 21.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2022 auf die als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4, § 56 SGG; s. dazu im Zusammenhang mit einem früheren Rentenbeginn nur BSG 10.11.2022, B 5 R 37/21 R, a.a.O.) statthafte und auch ansonsten zulässige Klage abgeändert und die Beklagte verurteilt, die bewilligte Altersrente bereits ab dem 01.09.2021 (statt 01.12.2021) zu gewähren. Denn der Bescheid vom 21.06.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2022 ist hinsichtlich des allein (s.o.) angefochtenen Rentenbeginns rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung der Rente auch für die Monate September bis einschließlich November 2021.

Zwar erfüllte die Klägerin - mit Ausnahme einer rechtzeitigen Antragstellung i.S.d. § 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV] i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 und § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (dazu sogleich; zur verfahrens- und materiell-rechtlichen Bedeutung des Rentenantrags s. nur Kater in BeckOGK, SGB VI, § 115 Rn. 7, Stand 15.08.2024, m.w.N. zur Rspr. des BSG) - die Anspruchsvoraussetzungen der mit Bescheid vom 21.06.2022 bewilligten Altersrente für besonders langjährig Versicherte (vgl. dazu § 34 Abs. 1 und 2 SGB VI a.F. i.V.m. § 302 Abs. 8 Nr. 1, §§ 38, § 50 Abs. 5 sowie § 236b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI, insbesondere Erfüllung der wartezeitlichen und altersmäßigen Voraussetzungen, diese für die Klägerin aufgrund § 236b Abs. 2 Satz 2 SGB VI angehoben auf 63 Jahre und zehn Monate, also im Laufe des August 2021 erreicht) bereits zu Beginn des 01.09.2021, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Ebenfalls zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, dass die Beklagte die Rente ausgehend von dem am 25.02.2022 bei ihr eingegangenen Rentenantrag und unter Anwendung der dreimonatigen Antragsfrist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI insoweit zu Recht erst ab dem sich daraus ergebenden frühestmöglichen Rentenbeginn 01.12.2021 bewilligt hat (Erfüllung der wartezeitlichen und altersmäßigen Voraussetzungen [auch] am 30.11.2021, Dreimonatsfrist: 01.12.2021 bis 28.02.2022, Rentenantragstellung am 25.02.2022, Rentenbeginn somit 01.12.2021; s. zur Berechnung eines frühestmöglichen Rentenbeginns ausgehend vom Rentenantrag nur Kuszynski in BeckOK SozR, 76. Ed., SGB VI, § 99 Rn. 5.1, Stand 01.03.2025; Deutsche Rentenversicherung [DRV] Bund, Hg., rvRecht - Gemeinsame Rechtliche Anweisungen [GRA] zu § 99 SGB VI, Nr. 2.5.8.1, veröffentlicht unter www.rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de).

Der von der Klägerin begehrte frühere Rentenbeginn (01.09.2021) kann sich somit - wie von ihr auch geltend gemacht - allein aus einem sHA ergeben. Dieser steht der Klägerin indes entgegen dem SG nicht zur Seite.

Das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des sHA greift im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs ein, wenn ein Leistungsträger „durch“ die Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht - ohne dass es auf ein behördliches Verschulden ankommt (statt vieler nur BSG 16.12.2019, B 13 R 53/18 B, in juris, Rn. 19 m.w.N.) -, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (statt vieler zum sHA nur BSG 21.10.2021, B 5 R 28/21 R, in juris, Rn. 43 m.w.N., st. Rspr.), was im Falle einer nicht rechtzeitigen Antragstellung i.S. der vorliegend gegebenen Konstellation bedeutet, dass der Versicherte bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen im Wege des sHA verlangen kann, so gestellt zu werden, als hätte er die Rente spätestens binnen des Dreimonatszeitraums des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI beginnend ab (erstmaligem) Erfüllen der (sonstigen) Rentenanspruchsvoraussetzungen beantragt (s. dazu nur BSG 06.03.2003, B 4 RA 38/02 R, in juris, Rn. 14, 54; 22.10.1996, 13 RJ 23/95, in juris, Rn. 50; Westphal in Kreikebohm/Roßbach, SGB VI, 6. Aufl. 2021, § 99 Rn. 16, auch zu einem früheren Rentenbeginn), hier die Klägerin also bis spätestens 30.11.2021, was zu einem Rentenzahlungsanspruch bereits ab 01.09.2021 statt 01.12.2021 führen würde.

Zwischen der Pflichtverletzung des Sozialversicherungsträgers und dem Nachteil für den Betroffenen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Es muss im Einzelfall i.S. des Vollbeweises feststehen (so ausdrücklich BSG 06.03.2003, B 4 RA 38/02 R, a.a.O. Rn. 19, 54, auch zum Nachfolgenden), dass die Pflichtverletzung die wesentliche Bedingung dafür gewesen ist, dass der Versicherte sein Gestaltungsrecht, ein Stammrecht auf Altersrente zu begründen, und die Zahlungsansprüche hieraus nicht schon früher geltend gemacht hat; die bloße Möglichkeit genügt nicht (s. im Einzelnen Spellbrink in BeckOGK SGB I, Vorbem. §§ 13-15 Rn. 28 f. m.w.N., Stand 01.07.2020; Trenk-Hinterberger in Krahmer/Trenk-Hinterberger, SGB I, 4. Aufl. 2020, § 14 Rn. 18: hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich). Ebenso scheidet ein sHA aus, wenn sich der eingetretene Nachteil beim Versicherten gerade nicht aus der Pflichtverletzung des Trägers ergibt, denn der sHA dient nicht dazu, den Versicherten vor Nachteilen etwa aufgrund unsorgfältiger Führung der eigenen Angelegenheiten respektive vor einer wissentlichen bzw. „fahrlässigen Handlung gegen sich selbst“ zu schützen (vgl. dazu nur BSG 06.03.2003, B 4 RA 38/02 R, a.a.O. Rn. 54; LSG Berlin-Brandenburg 12.07.2016, L 2 R 172/12, in juris, Rn. 32; Kater in BeckOGK, a.a.O. Rn. 38; Öndül in jurisPK-SGB I, 4. Aufl., § 14 Rn. 104 ff., Stand 29.08.2024). Im Übrigen trägt der Versicherte die „negative Feststellungslast (Beweislast)“ für die Kausalität der Pflichtverletzung zum eingetretenen sozialrechtlichen Schaden (BSG 18.01.2011, B 4 AS 29/10 R, in juris, Rn. 16; 26.07.2007, B 13 R 4/06 R, in juris, Rn. 25; Kater a.a.O.).

Rechtsgrundlage für die trägerbezogene Beratungspflicht in Form einer Hinweispflicht sind zunächst die in den §§ 14, 15 SGB I genannten allgemeinen Hinweis- und Auskunftspflichten der Sozialleistungsträger. Dabei besteht nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (statt vieler nur BSG 08.02.2007, B 7a AL 22/06 R, in juris, Rn. 18 m.w.N.) eine umfassende Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Versicherten. Ausnahmsweise besteht jedoch auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Trägers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (sog. Spontanberatung); die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zutage tritt, ist dabei allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG 08.02.2007, B 7a AL 22/06 R, a.a.O.; vgl. auch BSG 28.09.2010, B 1 KR 31/09 R, in juris, Rn. 19, beide m.w.N.).

Derartiges ist vorliegend indes bereits - insoweit in Übereinstimmung mit dem SG - nicht ersichtlich. Die Klägerin ist weder im Sommer 2021, noch in der Zeit nach Erteilung der Rentenauskunft vom 10.09.2021 bis zur Rentenantragstellung in irgendeiner Weise an die Beklagte mit einem
Auskunfts- oder Beratungsbegehren herangetreten, erst recht hat sich mangels jeglicher Kontaktaufnahme auch kein Anlass für eine sog. Spontanberatung ergeben - Gegenteiliges hat auch die Klägerseite nicht einmal auch nur behauptet -, zumal die Klägerin weder auf die Hinweise der Beklagten in der Rentenauskunft zu den ungeklärten rentenrechtlichen Zeiten, noch auf die (erneute) Aufforderung, an der Kontenklärung mitzuwirken bzw. sich zur Vollständig- und Richtigkeit des mit der Auskunft übersandten Versicherungsverlaufs zu erklären, reagierte. Hinsichtlich der ungeklärten Zeiten im Versicherungskonto der Klägerin (dazu noch sogleich) ist die Beklagte mithin vielmehr ihrer Hinweispflicht im Einzelfall gerade nachgekommen und die Klägerin erklärte sich erstmals mit Rentenantragstellung zu den Lücken im Versicherungsverlauf.

Auch eine Verletzung der Hinweispflicht der Beklagten aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI ist nicht ersichtlich, nachdem ausgehend von dem ihr zum Zeitpunkt der Rentenauskunft vom 10.09.2021 bis zur Rentenantragstellung zur Verfügung stehenden Datenbestand - bzw. dementsprechend aus dem Versicherungskonto der Klägerin - nicht erkennbar war, dass die Klägerin die besondere Anspruchsvoraussetzung für die in Rede stehende Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Gestalt der Wartezeit (§ 50 Abs. 5 SGB VI) bereits zu Beginn des Monats September 2021 erfüllte. Denn die dazu erforderlichen KEZ/KBZ (KEZ als Pflichtbeitragszeiten nach § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Satz 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, § 56 und § 177 Abs. 1 SGB VI, hier: vom 01.09.1977 bis 29.02.1980 betreffend die 1977 geborene Tochter, vom 01.07.1982 bis 31.12.1984 betreffend die 1982 geborene Tochter, vom 01.01.1986 bis 30.06.1988 betreffend den 1985 geborenen Sohn; KBZ als auf die Wartezeit anrechenbare Berücksichtigungszeiten nach § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 57 SGB VI, hier: vom 21.08.1977 bis 20.08.1987 betreffend die 1977 geborene Tochter, vom 03.06.1982 bis 02.06.1992 betreffend die 1982 geborene Tochter, vom 02.12.1985 bis 01.12.1995 betreffend den 1985 geborenen Sohn; s. dazu die „Entscheidungen zu rentenrechtlichen Daten“, Anlage zum Rentenbewilligungsbescheid vom 21.06.2022) waren gerade mangels Kenntnis der Beklagten von den rechtserheblichen tatsächlichen Umständen (s. im Einzelnen die gesetzlichen Anforderungen in §§ 56, 57, 249, 249a SGB VI), zu denen sich die Klägerin erstmals mit Rentenantragstellung erklärte, im Versicherungskonto nicht erfasst. Gerade deswegen hatte sie die Klägerin zum wiederholten Mal, zuletzt eben mit der Rentenauskunft und mit nachfolgendem Schreiben vom 26.11.2021, zur Mitwirkung bei der Kontoklärung bzw. bei der Klärung der Vollständig- und Richtigkeit des Versicherungsverlaufs vom 10.09.2021 aufgefordert (vgl. zum Ausschluss einer Verletzung der Hinweispflicht des gegenüber § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI inhaltsgleichen § 44 Abs. 2 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte [ALG] in einer solchen Konstellation bereits Senatsurteil vom 26.01.2017, L 10 LW 3083/16, www.sozialgerichtsbarkeit.de, unter Hinweis u.a. auf BSG 07.07.1998, B 5 RJ 18/98 R und 22.10.1998, B 5 RJ 62/97 R, beide in juris). Darauf hat die Beklagte zu Recht bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem SG und in ihrer Rechtsmittelschrift hingewiesen. Allein der Umstand, dass im Versicherungsverlauf der Klägerin vom 10.09.2021 Schwangerschafts-/Mutterschutzzeiten hinterlegt waren, führt nicht zu der Annahme, dass die Beklagte seinerzeit vom Vorliegen der später zugunsten der Klägerin anerkannten Beitrags- und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung hätte ausgehen können oder gar müssen (zumal ihr auch noch im März 2022 die Geburtsurkunden der beiden Töchter nicht vorlagen, allein die Geburt des Sohnes war vom Standesamt gemeldet worden, s. Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10.03.2022, S. 128 VerwA). Sie bemühte sich ob der Lücken im Versicherungskonto vielmehr gerade, diese unter Mitwirkung der Klägerin zu klären und kam damit ihrer Hinweis- und Aufklärungspflicht hinreichend nach. Nur am Rande wird insoweit noch angemerkt, dass der Beklagten seinerzeit auch nicht bekannt war, dass die Klägerin überhaupt Arbeitsentgelt bezog. Der Versicherungsverlauf vom 10.09.2021 endete nach Krankengeldbezug von Anfang März bis Anfang August 2021 mit einem im Juli 2021 einmalig gezahltem Entgelt (anders dann der Datenbestand am 14.03.2022: Pflichtbeiträge aus Beschäftigung vom 04.08. bis 31.12.2021, s. Gesamtkontospiegel S. 127 VerwA).

Unter Zugrundelegung all dessen kann sich eine Pflichtverletzung der Beklagten als Anknüpfungspunkt für den geltend gemachten sHA allein aus der in der Rentenauskunft vom 10.09.2021 ausgewiesenen unzutreffenden (s. sogleich) Hinzuverdienstgrenze ergeben, worauf die Klägerseite auch maßgeblich abgestellt hat. Denn die Angabe in der Rentenauskunft, dass die Klägerin die Wartezeit für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht erfülle, war in Ansehung des ausdrücklich gesetzlich normierten Rahmens der - von Amts wegen (§ 115 Abs. 5 SGB VI) - zu erteilenden Rentenauskunft (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) insoweit, bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Verlautbarung Anfang September 2021 - zutreffend. Gemäß § 109 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist eine Rentenauskunft nämlich mit dem Hinweis zu versehen, dass sie auf der Grundlage des geltenden Rechts und der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten erstellt ist und damit unter dem Vorbehalt künftiger Rechtsänderungen sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten (sic!) steht; sie hat insbesondere eine Übersicht über die im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten (§ 109 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI) und „allgemeine“ Hinweise zur Erfüllung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - also auch der Wartezeit - für einen Rentenanspruch (§ 109 Abs. 4 Nr. 5 lit. a SGB VI) zu enthalten. Diesen Anforderungen entsprach die Rentenauskunft auf der Grundlage der seinerzeit im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten (Mindestversicherungszeit von 45 Jahren [deutlich] nicht erfüllt) und Gegenteiliges war der Beklagen - wie bereits oben dargelegt - nicht bekannt, weswegen in der Auskunft gerade auf die ungeklärten Zeiten (erneut) hingewiesen und die Klägerin zur Mitwirkung an der Klärung aufgefordert wurde, wie ebenfalls bereits dargelegt. Dass die Klägerin auf der Grundlage des Versicherungsverlaufs vom 10.09.2021 respektive der zu diesem Zeitpunkt im Versicherungskonto gespeicherten Daten - also ohne die später mit Bescheid vom 21.06.2022 anerkannten KEZ/KBZ (aufgrund der Angaben der Klägerin Anfang März 2022) - die Wartezeit für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht erfüllte (nur 415 statt 540 anrechenbare Monate), ist vollkommen unzweifelhaft und von der Klägerseite auch nicht konkret in Abrede gestellt worden.

Ebenso unzweifelhaft ist indes, dass die Angabe der kalenderjährlichen Hinzuverdienstgrenze von 6.300 € in der Rentenauskunft vom 10.09.2021 schlicht falsch war. Sie entsprach nicht dem seit 01.01.2021 geltenden Recht (§ 302 Abs. 8 SGB VI in der Fassung des Art. 9 lit c Nr. 3 des Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz vom 22.12.2020, BGBl. I S. 3334 mit Inkrafttreten am 01.01.2021, Art. 11 Satz 5 dieses Gesetzes: 46.060 € und Nichtanwendung des sog. Hinzuverdienstdeckels im Zeit vom 01.01. bis zum 31.12.2021). Soweit die Beklagte ausweislich des internen Aktenvermerks vom 11.04.2022 (S. 154 VerwA) gemeint hat, in den Rentenauskünften sei die Hinzuverdienstgrenze für Altersrenten nicht (von 6.300 € auf 46.060 €) angepasst worden, weil sie sich nur „temporär“ erhöht habe, ändert dies zum einen nichts daran, dass die Angabe gerade nicht dem „geltenden Recht“ (§ 109 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) entsprach, zum anderen war die Annahme einer nur vorübergehenden Erhöhung ohnehin eine reine Spekulation (die sich ebenfalls als unzutreffend herausgestellt hat, § 302 Abs. 8 SGB VI in der Fassung des Art. 6a des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.11.2021, BGBl. I S. 4906 mit Inkrafttreten am 24.11.2021, Art. 22 Abs. 1 dieses Gesetzes: Verlängerung bis 31.12.2022). Es spielt auch keine Rolle, wie die Beklagte gemeint hat, dass sie zur Angabe einer konkreten Hinzuverdienstgrenze nicht verpflichtet sei, sondern ein „allgemeiner Hinweis“ genüge. Denn auch dies ändert nichts daran, dass in der Rentenauskunft vom 10.09.2021 gleichwohl eine konkrete Hinzuverdienstgrenze angegeben wurde und dass diese zu jenem Zeitpunkt unzutreffend war, weil sie dem geltenden Recht nicht entsprach.

Allerdings folgt daraus entsprechend der obigen Ausführungen noch kein sHA der Klägerin auf einen früheren Rentenbeginn. Wie bereits aufgezeigt, muss gerade der geltend gemachte Behördenfehler, also hier die Angabe der falschen Hinzuverdienstgrenze 2021 in der Rentenauskunft vom 10.09.2021, in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Nachteil des Versicherten (hier: Rentenantragstellung erst im Februar 2022 statt früher respektive bis 30.11.2021) stehen. Mit anderen Worten: Es müsste (hinreichend) wahrscheinlich sein, dass die Klägerin, hätte die Beklagte in der Rentenauskunft vom 10.09.2021 die korrekte jährliche Hinzuverdienstgrenze von 46.060 € genannt, bereits am 30.11.2021 oder jedenfalls vor dem 01.02.2022 den Rentenantrag gestellt hätte. Davon vermag sich der Senat indes nicht zu überzeugen.

Soweit die Klägerin zunächst noch im Ausgangsverfahren behauptet hat, sie habe sich bereits „im August 2021 intensiv mit dem Thema Rente beschäftigt“ und bei Mitteilung der korrekten Hinzuverdienstgrenze ihren Rentenantrag
„wesentlich früher bzw. im August 2021 gestellt“ (so ausdrücklich im Bevollmächtigten-Schreiben vom 03.03.2022), ist dies schon in zeitlicher Hinsicht der Abfolge aus sich heraus nicht geeignet, die erforderliche Kausalität zwischen der Rentenauskunft vom 10.09.2021 und dem geltend gemachten Unterlassen einer früheren Rentenantragstellung (schon) im „August 2021“ bzw. „wesentlich früher“ auch nur plausibel zu machen.
Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin dann abweichend davon im Widerspruchsverfahren vorgetragen hat, „sein Mandant“ habe sich „im September 2021 intensiv mit dem Thema Rentenansprüche beschäftigt“ und „er“ hätte den Rentenantrag bei korrekter Angabe der Hinzuverdienstgrenze bereits im Jahr 2021 gestellt, lässt dies schon keinen konkreten Bezug zur Klägerin erkennen. Unabhängig davon, dass dieser Vortrag sodann im Klageverfahren, nunmehr bezogen auf die Klägerin, wiederholt worden ist, ist er nicht geeignet, eine Kausalität zwischen der unzutreffenden Angabe der Hinzuverdienstgrenze in der Rentenauskunft und der Rentenantragstellung erst im Februar 2022 auch nur wahrscheinlich zu machen.

Denn ausweislich eben dieser Rentenauskunft war die Wartezeit für die in Rede stehende Rente überhaupt nicht erfüllt. Dass die Klägerin gewusst oder auch nur erkannt haben will, dass sie die Wartezeit gleichwohl bereits erfüllte, weil bei ihr die Voraussetzungen für die Anerkennung von Beitrags- und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in nennenswertem Umfang (s.o.) gegeben waren, hat die Klägerseite nicht einmal auch nur behauptet. Im Gegenteil, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin ausdrücklich eingeräumt, dass sie bis zur Beratung bei ihrem Rentenberater nicht gewusst hat, dass noch Kinderziehungszeiten hinzukommen. Insoweit erschließt sich nicht, warum sie bei Angabe der korrekten Hinzuverdienstgrenze von kalenderjährlich 46.060 € in der Rentenauskunft vom 10.09.2021 bereits vor Februar 2022 einen Rentenantrag gestellt hätte, wenn sich - wie aufgezeigt - aus eben dieser Rentenauskunft ergab, dass die Wartezeit für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte gar nicht erfüllt war. Dies ist nicht plausibel, ebenso wenig wie der Umstand, dass die Klägerin weder im Anschluss an die Rentenauskunft im September 2021, noch auf das Mitwirkungsschreiben der Beklagten vom 26.11.2021 und die dort erteilten Hinweise zu den fehlenden rentenrechtlichen Zeiten reagierte. Viel plausibler ist für den Senat, dass sich die Klägerin erst anlässlich der Beratung durch ihren Prozessbevollmächtigten am 25.02.2022 (s. die auf dieses Datum datierte Vollmacht) mit der Frage einer Rentenbeantragung nebst Antrag auf Anerkennung von KEZ/KBZ überhaupt beschäftigte. Freilich kommt es darauf auch nicht entscheidend an, weil jedenfalls gerade die falsche Nennung der Hinzuverdienstgrenze in der Rentenauskunft nach Würdigung der Gesamtumstände nicht als wesentliche Bedingung dafür angesehen werden kann, dass die Klägerin ihren Rentenantrag nicht früher stellte. Überwiegend wahrscheinlich ist vielmehr, dass sie dies nicht tat, weil in der Auskunft entsprechend dem seinerzeit vorhandenen Datenbestand (zutreffend, s.o.) ausgeführt war, dass die Voraussetzungen für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte mangels Wartezeiterfüllung - also vollkommen unabhängig von der Hinzuverdienstgrenze - nicht gegeben seien. Ohnehin erschließt sich nicht, warum die Klägerin sich nicht zeitnah nach der Auskunft oder jedenfalls noch im November 2021 im Anschluss an das Schreiben der Beklagten vom 26.11.2021 an diese wandte, um an der Kontenklärung mitzuwirken. Dass sie dies unterließ, weil sie geglaubt haben könnte, sie habe gerade wegen der angegebenen Hinzuverdienstgrenze von
6.300 € kalenderjährlich sowieso keinen Rentenanspruch, ist unplausibel und mit dem Umstand, dass die Beklagte sie unwidersprochen bereits seit Anfang 2020 wiederholt auf die ungeklärten Zeiten hingewiesen und zur entsprechenden Klärung aufgefordert hatte, nicht überzeugend zu vereinbaren, zumal rentenrechtliche Zeiten (auch) für die Höhe einer späteren Regelaltersrente von Bedeutung sind, worauf die Beklagte in der Rentenauskunft ebenfalls hinwies (vgl. auch § 109 Abs. 4 Nrn. 2 und 3 SGB VI).

Wie bereits oben dargelegt, reicht es für einen sHA nicht aus, einen Behördenfehler zu benennen und daraus unter Hinweis auf pauschale, nachträglich vom Ergebnis hergeleitete „Vernünftigkeitserwägungen“ eine frühere Rentenantragstellung zu behaupten, wäre der Fehler nicht passiert. Ebenso dient der sHA - wie ebenfalls bereits dargelegt - nicht dazu, ein tatsächlich unvernünftiges Verhalten oder Nachlässigkeiten des Versicherten im Nachhinein auszugleichen. Entsprechend dem Vorbringen der Klägerseite ist vielmehr allein maßgeblich, ob gerade die Angabe der nicht korrekten Hinzuverdienstgrenze in der Rentenauskunft vom 10.09.2021 als wesentliche Bedingung für die Rentenantragstellung erst im Februar 2022 angesehen werden kann. Dies verneint der Senat im vorliegenden Einzelfall, auch und gerade auf der Grundlage der zitierten BSG-Rechtsprechung.

Der pauschale Hinweis der Klägerseite auf (vermeintliche) „Parallelfälle“ ändert daran nichts. Unabhängig davon, dass der Senat nicht an die Rechtsprechung anderer erstinstanzlicher Gerichte oder Obergerichte gebunden ist, handelt es sich bei der Frage, ob einem Versicherten im konkreten Fall ein sHA zur Seite steht, um eine Einzelfallentscheidung aufgrund der jeweiligen konkreten Umstände (s. dazu nur BSG
25.02.2021, B 4 AS 406/20 B, in juris, Rn. 4). Ohnehin lag dem beim Senat anhängig gewesenen Berufungsverfahren L 10 R 1491/24 - der dortige Kläger wurde ebenfalls durch den hiesigen Prozessbevollmächtigten vertreten und die Berufung wurde im Wesentlichen mit der nämlichen Begründung wie vorliegend (falsche Angabe der Hinzuverdienstgrenze 2021) geführt - ein anderer Sachverhalt zugrunde, ebenso wie z.B. der Entscheidung des 9. Senats des hiesigen Gerichts vom 21.01.2025 (L 9 R 1412/23, in juris). Dabei hilft der Klägerin auch ihr - wiederum nur pauschaler - Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (gemeint: Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) nicht weiter. Denn dieser gebietet es gerade, wesentlich ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln (statt vieler nur Bundesverfassungsgericht [BVerfG] 28.11.2023, 2 BvL 8/13, in juris Rn. 63; 14.07.2011, 1 BvR 932/10, in juris, Rn. 32 f., st. Rspr.).

Mithin ist das angefochtene Urteil des SG im Rahmen des Berufungsantrags der Beklagten aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung für beide Rechtszüge beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, nachdem die Voraussetzungen des sHA in der Rechtsprechung des BSG geklärt sind (BSG 15.07.2024, B 5 R 46/23 BH, in juris, Rn. 11; 25.02.2021, B 4 AS 406/20 B, a.a.O.); ob dessen Voraussetzungen vorliegen, ist jeweils eine Frage des konkreten Einzelfalls (s. erneut BSG 25.02.2021, B 4 AS 406/20 B, a.a.O.).



 

Rechtskraft
Aus
Saved