Die Berufungen der Klägerin und des Beigeladenen zu 1 werden zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in 1. Instanz mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Außergerichtliche Kosten sind in 2. Instanz nicht zu erstatten.
Der Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 1.000 €.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 (Berufungskläger zu 2) bei der Klägerin (Berufungsklägerin zu 1) für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.09.2016 i.H.v. 47.379,38 €.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen im Bereich Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Beschallungs- und Beleuchtungsanlagen. Das Stammkapital der Klägerin beträgt 205.500 €. Hieran hielten bis zum 18.11.2008 die damaligen Geschäftsführer, Herr W. A. – die Schreibweise mit „V.“ im Rahmen der Betriebsprüfungen ist unzutreffend –, Herr D. O. sowie Herr Q. U., der Beigeladene zu 1, jeweils 33,33 % der Anteile. Seit dem 19.11.2008 (Eintragung ins Handelsregister) ist der Beigeladene zu 1 nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin, sondern ausschließlich noch mitarbeitender Gesellschafter. Herr J. T. – die Schreibweise „I.“ im Rahmen der Betriebsprüfung ist unzutreffend – übernahm zu diesem Zeitpunkt vom Beigeladenen zu 1 10% der Geschäftsanteile sowie die Position als Geschäftsführer. 2009 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2008 statt. Mit Bescheid vom 04.09.2009 stellte die Beklagte fest:
„Sonstige Personenkreise:
Es handelt sich um eine GmbH. Die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb beschäftigten Gesellschafter/Geschäftsführer war Bestandteil der Betriebsprüfung. Für die Gesellschafter/Geschäftsführer W. M., D. O. und J. I. (nicht versicherungspflichtig) erfolgte die versicherungsrechtliche Beurteilung zutreffend.“
Ausführungen zum Gesellschafter Q. U., dem Beigeladenen zu 1, fehlen. Im Protokoll der Schlussbesprechung vom 03.09.2009 über die Betriebsprüfung heißt es zu den Gesellschaftern und Geschäftsführern der Klägerin:
„Anlässlich der Schlussbesprechung wurde darauf hingewiesen, dass sich Feststellungen aufgrund versicherungs-/beitragsrechtlicher Fehlbeurteilung nachfolgender Personengruppen/Sachverhalte ergeben haben:
- Es handelt sich um eine GmbH
Gesellschafter W. M., D. O., Q. U. und J. I.
Geschäftsführer: W. M., D. O. und J. I.
Buchhaltung: Frau P.
…
Die Einzelheiten sowie die Höhe der Beitragsdifferenzen entnehmen Sie bitte der schriftlichen Prüfmitteilung.“
2013 fand eine weitere Betriebsprüfung bei der Klägerin statt, dieses Mal für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2012. Mit einem nicht als Bescheid bezeichneten Schreiben vom 27.06.2013 führte die Beklagte gegenüber der Klägerin aus, dass die stichprobenweise durchgeführte Prüfung keine Beanstandungen, jedoch Feststellungen unter anderem zum Sachverhalt „Gesellschafter/Geschäftsführer“ ergeben hätten. Wörtlich wurde ausgeführt:
„…
1. Allgemeine/gesetzliche Grundlagen
Es handelt sich um eine GmbH. Die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb tätigen Gesellschafter/Geschäftsführer war Bestandteil der Betriebsprüfung.
2. Feststellungen im Rahmen der Betriebsprüfung und deren Auswirkungen
Die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb tätigen Gesellschafter/Geschäftsführer erfolgte bereits durch die zuständigen Einzugsstellen. Laut Auskunft von Frau S. haben sich keine Änderungen ergeben, sodass eine neue Beurteilung nicht vorzunehmen war.“
Bei Frau S. handelte es sich um eine Mitarbeiterin des Steuerberaterbüros der Klägerin.
In der Zeit vom 17.08.2017 bis zum 10.11.2017 führte die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.12.2016 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Im Rahmen dieser Prüfung stellte die Beklagte fest, dass für den Beigeladenen zu 1 zu Unrecht keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden seien. Mit Anhörungsschreiben vom 10.11.2017 führte sie aus, der Beigeladene zu 1 habe ab dem 19.11.2008 bis zum 30.09.2016 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und der Sozialversicherungspflicht in der Renten- sowie Arbeitslosenversicherung unterlegen. Die Klägerin wandte hiergegen ein, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 sei bereits Gegenstand der Betriebsprüfungen der Jahre 2009 sowie 2013 gewesen und dort unbeanstandet geblieben. Es bestehe daher Vertrauensschutz.
Mit Bescheid vom 17.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 forderte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 48.841,68 € von der Klägerin. Auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 entfiel dabei für die Nachforderung von Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie für die Umlage 2 und die Insolvenzgeldumlage ein Betrag i.H.v. 47.379,38 €. Säumniszuschläge wurden insoweit nicht erhoben. Die Beklagte führte aus, der Beigeladene zu 1 sei als in der Gesellschaft mitarbeitender Gesellschafter für diese abhängig beschäftigt gewesen. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der mitarbeitenden Gesellschafter sei insbesondere die sich aus dem Gesellschaftsrecht ergebende Rechtsmacht ausschlaggebend. Der Beigeladene zu 1 habe in dem fraglichen Zeitraum mit seinen Anteilen an der GmbH keine eigenen Entscheidungen treffen und ihm nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse nicht kraft seines Geschäftsanteils verhindern können. Darüber hinaus habe ihn der „Anstellungsvertrag“ – so wörtlich – als „Arbeitnehmer“ ausgewiesen. Ihm hätten Ansprüche auf regelmäßige monatliche Gehaltszahlungen und Sonderzahlungen sowie auf bezahlten Erholungsurlaub und einen Dienstwagen zugestanden. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz aufgrund der vorangegangenen Betriebsprüfungen berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könnten weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber aus Betriebsprüfungen, in denen keine Beanstandungen erfolgt seien, weitergehende Rechte herleiten. Betriebsprüfungen bezweckten insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa „Entlastungen“ zu erteilen. Auch den Prüfberichten käme keine solche Bedeutung zu. Diese hielten lediglich das Ergebnis der Prüfungen für den zuständigen, die Betriebsprüfung durchführenden Versicherungsträger fest. Schließlich enthielten die Prüfmitteilungen vom 04.09.2009 sowie vom 27.06.2013 keine Aussagen zur Arbeitnehmereigenschaft bzw. zur Eigenschaft als Selbstständiger in Bezug auf den Beigeladenen zu 1.
Am 02.08.2018 hat die Klägerin hiergegen bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, angesichts der Rechtsprechung des 12. Senats des BSG nicht geltend zu machen, dass der Beigeladene zu 1 dem Grunde nach nicht versicherungspflichtig gewesen sei. Spätestens durch den Bescheid vom Juni 2013 sei jedoch ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Dort sei ausdrücklich aufgeführt worden, dass die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb tätigen „Gesellschafter/Geschäftsführer“ Bestandteil der Betriebsprüfungen gewesen sei. Dies könne nicht anders verstanden werden, als dass umfassend alle Geschäftsführer und alle Gesellschafter auf die Richtigkeit ihrer versicherungsrechtlichen Beurteilung hin überprüft worden seien. Ergänzend hat die Klägerin auf das Protokoll der Schlussbesprechung der Betriebsprüfung vom 03.09.2009 verwiesen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 17.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 insoweit aufzuheben, als für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 Sozialversicherung- und Umlagebeiträge i.H.v. 47.379,38 € nachgefordert werden.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Rechtsprechung des BSG zum möglichen Umfang von Vertrauensschutz bei Betriebsprüfungen und insbesondere auf dessen Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R – verwiesen. Gemessen an dieser Rechtsprechung könne auch das Schlussprotokoll vom 03.09. der Betriebsprüfung des Jahres 2009 keinen Vertrauensschutz begründen in Bezug auf den sozialversicherungsrechtlichen Status der „Gesellschafter/Geschäftsführer“. In diesem Protokoll werde schlicht ausgeführt, wer Gesellschafter (unter anderem der Beigeladene zu 1) sei und wer Geschäftsführer. Eine versicherungsrechtliche Bewertung erfolge nicht. Das Schlussprotokoll sei zudem kein Verwaltungsakt mit Regelungsgehalt. Aus ihm könne entsprechend auch kein Vertrauensschutz hergeleitet werden. Erst im Betriebsprüfungsbescheid vom 04.09.2009 sei personenbezogen und für bestimmte Zeiträume die versicherungsrechtliche Bewertung der „Gesellschafter/Geschäftsführer“ geregelt worden. In diesem Bescheid werde der Beigeladene zu 1 jedoch gerade nicht erwähnt. Für ihn habe keine versicherungsrechtliche Beurteilung hinsichtlich seiner Funktion als mitarbeitender Gesellschafter stattgefunden.
Mit Beschluss vom 04.03.2019 ist Herr Q. U. zum Verfahren beigeladen worden. Persönlich vom Sozialgericht angehört hat der Beigeladene zu 1 angegeben, nach dem seinerzeitigen Anstellungsvertrag aus dem Jahr 1987 keinen erneuten oder geänderten Vertrag mit der Klägerin geschlossen zu haben. Aus persönlichen und familiären Gründen sei es seinerzeit – im Jahr 2008 – für ihn kein Problem gewesen, auf seine Geschäftsführertätigkeit zugunsten von Herrn J. T. zu verzichten, der an das Unternehmen gebunden werden sollte. Ihm sei es letztlich recht gewesen, weniger zu arbeiten und auch weniger Verantwortung zu tragen. Intern habe sich nichts geändert. Er habe jedoch etwas mehr Freiheiten genossen.
Die B. hat unter dem 19.08.2020 mitgeteilt, dass dort keine Unterlagen bezüglich einer sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung für den Beigeladenen zu 1 vorliegen. Die E. Krankenkasse hat unter dem 01.09.2020 angezeigt, der Beigeladene zu 1 sei dort vom 01.10.1976 bis zum 31.12.1987 versichert gewesen. Feststellungen zu seinem sozialversicherungsrechtlichen Status seien von ihr nicht getroffen worden.
Mit Beschluss vom 19.02.2021 sind die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als für den Beigeladenen zu 1 zuständiger Rentenversicherungsträger sowie die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen worden.
Das SG Dortmund hat – mit Zustimmung der Beteiligten – ohne mündliche Verhandlung entschieden. Durch Urteil vom 25.01.2022 hat es die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen zu 1, die dieser selbst zu tragen habe, auferlegt. Den Streitwert hat das SG auf 47.379,38 € festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei, denn die Beklagte verlange zurecht die Zahlung der Sozialversicherungs- und Umlagebeiträge für den Beigeladenen zu 1. Nach § 28p Abs. 1 SGB IV trage der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm versicherungspflichtig Beschäftigten, d.h. die Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- sowie Pflegeversicherung. Die Verpflichtung zur Zahlung der Umlage 2 ergebe sich aus § 7 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und diejenige zur Zahlung der Insolvenzgeldumlage aus § 358 Abs. 1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Versicherungspflicht unterlägen dabei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB XI>, § 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch <SGB VI> sowie § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Beschäftigung sei § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung im Sinne dieser Norm sei die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Der Beigeladene zu 1 sei weisungsgebunden und abhängig beschäftigt gewesen. Er habe aufgrund seiner im streitbefangenen Zeitraum bei 23,33 % liegenden Kapitalbeteiligung keine Rechtsmacht besessen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Klägerin bestimmen zu können. Dieser Einschätzung sei die Klägerin auch nicht entgegengetreten.
Die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagebeiträgen für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 30.09.2016 verletze auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin. Ein der Beitragsnacherhebung entgegenstehendes schutzwürdiges Vertrauen ergebe sich weder aus dem Prüfbescheid vom 04.09.2009 oder demjenigen vom 27.06.2013 noch aus den jeweiligen Schlussbesprechungen. Nach der Rechtsprechung des BSG vermittelten durchgeführte Betriebsprüfungen keine Entlastungswirkungen zugunsten der geprüften Arbeitgeber oder der betroffenen Arbeitnehmer (BSG, Urt. v. 14.07.2004 – B 12 KR 1/04 R). Nach den vom BSG entwickelten Maßstäben verfolgten Betriebsprüfungen unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung komme Betriebsprüfungen nicht zu und könne auch deshalb nicht angenommen werden, weil eine Betriebsprüfung nicht umfassend oder erschöpfend zu sein brauche. Eine materielle Bindungswirkung könne sich lediglich dann und nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und Beitragspflicht im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt würden (LSG NRW, Urt. v. 17.10.2018 – L 8 R 1031/17). Weder im Rahmen der Betriebsprüfung aus September 2009 noch im Rahmen der Prüfung aus Juni 2013 sei ausdrücklich und personenscharf für einen bestimmten Zeitraum durch Prüfbescheid das Nichtbestehen der Versicherungs- und Beitragspflicht für den Beigeladenen zu 1 festgestellt worden. Im Bescheid des Jahres 2009 werde für den Prüfzeitraum von 2005-2008 zwar ausgeführt, dass die versicherungsrechtliche Beurteilung der „Gesellschafter/Geschäftsführer“ Bestandteil der Betriebsprüfung gewesen sei. Der Beigeladene zu 1 werde in diesem Bescheid aber namentlich nicht erwähnt. Vertrauensschutz hinsichtlich der Richtigkeit der Beurteilung seiner Versicherungspflicht könne entsprechend nicht vermittelt werden. Es hätte der Klägerin bei entsprechenden Zweifeln oblegen, eine rechtliche Beurteilung konkret für den Beigeladenen zu 1 herbeizuführen. Auch aus dem Bescheid vom 27.06.2013 ergebe sich kein Vertrauensschutz. Die Beklagte habe 2013 gerade keine neue, eigene Beurteilung betreffend die Sozialversicherungspflicht vorgenommen, da nach Auskunft der Klägerin bzw. ihrer Steuerberaterin, Frau S., die Beurteilung bereits durch Einzugsstellen erfolgt sei und sich keine Änderungen ergeben hätten.
Hinsichtlich der Berechnung der nachzuentrichtenden Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie zur Umlage 2 und zum Insolvenzgeld würden keine Fehler geltend gemacht. Solche Fehler seien auch nicht ersichtlich. Eine Versicherungs- und Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1 in der Kranken- und Pflegeversicherung habe die Beklagte nicht angenommen.
Das Urteil des SG Dortmund ist der Klägerin sowie dem Beigeladenen zu 1 am 24.02.2022 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 14.03.2022 haben beide Berufung eingelegt. Sie sind der Auffassung, dass die Auslegung der Betriebsprüfungsbescheide durch das SG falsch vorgenommen worden sei. Der Beigeladene zu 1 sei im „Streitzeitraum“ mitarbeitender Gesellschafter der Klägerin gewesen. Mit Bescheid vom 04.09.2009 sei dabei unter anderem festgestellt worden:
„Sonstige Personenkreise:
Es handelt sich um eine GmbH. Die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb beschäftigten Gesellschafter/Geschäftsführer war Bestandteil der Betriebsprüfung. Für die Gesellschafter/Geschäftsführer W. M., D. O. und J. I. (nicht versicherungspflichtig) erfolgte die versicherungsrechtliche Beurteilung zutreffend.“
Und im „Betriebsprüfungsbescheid“ vom 27.06.2013 heiße es:
„1. allgemeines/gesetzliche Grundlagen
Es handelt sich um eine GmbH. Die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb tätigen Gesellschafter/Geschäftsführer war Bestandteil der Betriebsprüfung.
2. Feststellungen im Rahmen der Betriebsprüfung und deren Auswirkungen
Die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb tätigen Gesellschafter/Geschäftsführer erfolgte bereits durch die zuständigen Einzugsstellen. Laut Auskunft von Frau S. haben sich keine Änderungen ergeben, sodass eine neue Beurteilung nicht vorzunehmen war.“
Die Verfügungssätze dieser Bescheide seien nach dem Meistbegünstigungsprinzip so auszulegen, dass der Schrägstrich („/“) zwischen den Worten Geschäftsführer und Gesellschafter bedeute, dass kumulativ sowohl alle Geschäftsführer als auch alle Gesellschafter Bestandteil der Prüfung gewesen seien. Im Sprachgebrauch stehe der Schrägstrich für „oder“. Das SG lege diese Formulierung jedoch so aus, dass ausschließlich die geschäftsführenden Gesellschafter, nicht jedoch der Beigeladene zu 1 als reiner Gesellschafter, vom Ergebnis der Prüfung – Bestätigung der zutreffenden Behandlung als selbständig – umfasst seien. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1 stützen ihr Begehren weiter auf das Urteil des BSG vom 27.09.1983 – 12 RK 10/82 – und hier insbesondere auf die Randnummer 19.
Die Klägerin und der Beigeladene zu 1 beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.01.2022 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 17.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018 insoweit aufzuheben, als für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 Sozialversicherungs- und Umlagebeiträge in Höhe von 47.379,38 € nachgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid sowie auf das Urteil des SG Dortmund vom 25.01.2022. Neue Gesichtspunkte würden mit der Berufungsbegründung nicht vorgetragen.
Der Senat hat unter dem 23.10.2013 darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg verspreche. Das BSG verneine in Fällen der vorliegenden Art Vertrauensschutz der geprüften Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende vor der Antragstellung den weiteren Hinweis erteilt, dass in einem Urteil die Auferlegung von Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu Lasten der Klägerseite und des Beigeladenen zu 1 prüfen sein werde. Als zu verhängender Betrag käme ein solcher in Höhe von etwa 1.000 € in Betracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisse wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Sie lagen der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG Dortmund hat die Klage zurecht abgewiesen.
I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG). Das Urteil des SG Dortmund vom 25.01.2022 ist der Klägerin sowie dem Beigeladenen zu 1 am 24.02.2022 zugestellt worden. Unter dem 14.03.2022 haben sie hiergegen Berufung eingelegt.
II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1. Mit ihrer isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 SGG) wenden sich die Klägerin und – ab Einlegung der Berufung – auch der Beigeladene zu 1 in zulässiger Weise gegen den Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten vom 17.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2018.
2. Dieser Bescheid verletzt weder die Klägerin noch den Beigeladenen zu 1 im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
a. Ermächtigungsgrundlage für den Bescheid vom 17.01.2018 sind § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV, § 7 AAG sowie § 358 Abs. 1 S. 1 SGB III. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen von Betriebsprüfungen gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung, zur U2- sowie zur Insolvenzgeldumlage.
aa. Der Betriebsprüfungsbescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist die Klägerin mit Schreiben vom 10.11.2017 vor seinem Erlass ordnungsgemäß gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angehört worden.
bb. Der Bescheid erweist sich auch als materiell rechtmäßig, denn die Beklagte verlangt zu Recht die Zahlung von Sozialversicherungs- (Arbeitslosen- sowie Rentenversicherungsbeiträge) und Umlagebeiträgen (U2- sowie Insolvenzgeldumlage) für den Beigeladenen zu 1.
aaa. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm versicherungspflichtigen Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtig Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, und Arbeitslosen- sowie zur Pflegeversicherung zu entrichten. Die Verpflichtung zur Zahlung der Umlage U2 ergibt sich aus § 7 AAG und zur Zahlung der Insolvenzgeldumlage aus § 358 Abs. 1 S. 1 SGB III.
Der Versicherungspflicht unterliegen dabei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei der Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit sowie Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, richtet sich – ausgehend von den vorgenannten Umständen – nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urt. v. 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R – Rn. 21 juris; BSG, Urt. v. 18.11.2015 – B 12 KR 16/13 R – Rn. 16 juris; BSG, Urt. v. 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R – Rn. 16 juris).
Der Beigeladene zu 1 war in dem hier fraglichen Zeitraum als mitarbeitender Gesellschafter abhängig beschäftigt. Er verfügte mit seiner Kapitalbeteiligung i.H.v. 23,33 % am Stammkapital der Klägerin über keine Rechtsmacht, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Nach § 8 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags vom 27.06.2008 waren im streitigen Zeitraum 2/3 der (abgegebenen) Gesellschafterstimmanteile für eine Gesellschafterentscheidung notwendig. Der Beigeladene zu 1 besaß 23,33% der Stimmanteile und somit keine Sperrminorität, um ihm unliebsame Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Zudem waren auch die Geschäftsführer der Klägerin ihm gegenüber weisungsberechtigt (vergleiche zum Ganzen: BSG, Urt. v. 19.08.2015 – B 12 KR 9/14 R – Rn. 25 ff juris). Da es auf die reine Weisungsrechtsmacht ankommt und nicht darauf, ob im strittigen Zeitraum tatsächlich Weisungen erteilt wurden, kann offenbleiben, inwiefern dem Beigeladenen zu 1 vom 01.01.2013 bis zum 30.09.2016 Weisungen erteilt worden sind. Der rechtlichen Bewertung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin durch die Beklagte als abhängig beschäftigt treten entsprechend weder die Klägerin noch der Beigeladene zu 1 entgegen.
bbb. Entgegen der von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 vertretenen Auffassung verletzt die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie von Umlagen für den streitgegenständlichen Zeitraum kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin oder des Beigeladenen zu 1.
Ein der Beitragsnachforderung entgegenstehendes schutzwürdiges Vertrauen ergibt sich weder aus dem Prüfbescheid vom 04.09.2009 noch aus dem Schreiben der Beklagten vom 27.06.2013 oder aus den Schlussbesprechungen der beiden Betriebsprüfungen. Das BSG hat allerdings mit Urteil vom 19.09.2019 (B 12 R 25/18 – Rn. 30-36 juris) seine Rechtsprechung zum Vertrauensschutz für Arbeitgeber und Versicherte aufgrund von vorangegangenen Betriebsprüfungen im September 2019 modifiziert und schließt einen solchen Schutz seither nicht mehr grundsätzlich aus. Ein solcher Schutz setzt aber weiterhin voraus, dass ein Bescheid vorliegt, der den Versicherten, die von ihm ausgeübte Tätigkeit sowie den Tätigkeitszeitraum ausdrücklich benennt und als versicherungsfrei bewertet. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Beigeladene zu 1, seine Tätigkeit für die Klägerin und der Tätigkeitszeitraum werden im Betriebsprüfungsbescheid vom 04.09.2009 sowie im Schreiben der Beklagten vom 27.06.2013 nicht ausdrücklich benannt und auch nicht als sozialversicherungsfrei bewertet. Namentlich benannt werden ausschließlich – und dies auch nur im Betriebsprüfungsbescheid vom 04.09.2009 – die Gesellschafter-Geschäftsführer A., O. und T.. Ausdrücklich nur für sie wird festgestellt:
„Für die Gesellschafter/Geschäftsführer W. M., D. O. und J. I. (nicht versicherungspflichtig) erfolgt die versicherungsrechtliche Beurteilung zutreffend.“
Für die anderen Gesellschafter und/oder Geschäftsführer heißt es im Bescheid aus 2009 lediglich:
„Sonstige Personenkreise:
Es handelt sich um eine GmbH. Die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb beschäftigten Gesellschafter/Geschäftsführer war Bestandteil der Betriebsprüfung.“
An einer Feststellung der Versicherungsfreiheit für den Beigeladenen zu 1 fehlt es somit. Nicht entscheidungserheblich ist insoweit, wie man den Begriff „Gesellschafter/Geschäftsführer“ versteht, im Sinn von „Gesellschafter-Geschäftsführer“ oder alle Gesellschafter und alle Geschäftsführer. Zu den nicht namentlich genannten Gesellschaftern und damit zum Beigeladenen zu 1 trifft der Bescheid nämlich keine Feststellungen zum (Nicht-) Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses oder gar zur Sozialversicherungs- und Umlagenpflicht. Aus dem Umstand, dass der Beigeladene zu 1 – obwohl Gesellschafter – im Bescheid nicht ausdrücklich genannt wird und für die namentlich genannten Gesellschafter-Geschäftsführer das Nichtvorliegen der Versicherungspflicht festgestellt wurde, kann auch nicht darauf geschlossen werden, dass dies für den Beigeladenen zu 1 ebenfalls gelten sollte. Im Gegenteil spricht das Nichterwähnen des aufgrund fehlender Geschäftsführerstellung mit den Gesellschafter-Geschäftsführern sozialversicherungsrechtlich nicht vergleichbarem Beigeladenen zu 1 eher dafür, dass bei ihm gerade keine Versicherungsfreiheit festgestellt werden konnte und sollte. Zumindest fehlt es jedoch an einer ausdrücklichen, Versicherungsfreiheit feststellenden Regelung der Beklagten für den Beigeladenen zu 1.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 27.06.2013. Dort wird nur festgehalten, was geprüft wurde:
„1. Allgemeine/gesetzliche Grundlagen
Es handelt sich um eine GmbH. Die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb tätigen Gesellschafter/Geschäftsführer war Bestandteil der Betriebsprüfung“.
Feststellungen zum (Nicht-)Bestehen der Versicherungspflicht der Gesellschafter und/oder der Geschäftsführer der Klägerin oder gar ausdrücklich für den Beigeladenen zu 1 wurden auch hier nicht getroffen, denn es heißt weiter:
„2. Feststellungen im Rahmen der Betriebsprüfung und deren Auswirkungen
Die versicherungsrechtliche Beurteilung der im Betrieb tätigen Gesellschafter/Geschäftsführer erfolgte bereits durch die zuständigen Einzugsstellen. Laut Auskunft von Frau S. haben sich keine Änderungen ergeben, sodass eine neue Beurteilung nicht vorzunehmen war.“.
Frau S. war damals im Steuerberaterbüro beschäftigt, das für die Klägerin (auch) im Rahmen der Betriebsprüfung tätig wurde. Damit fehlt es bereits an einer Regelung und somit an einem Bescheid (vgl. § 31 S. 1 SGB X). Nur ein solcher Bescheid könnte jedoch schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin und/oder des Beigeladenen zu 1 begründen. Denn eine materielle Bindungswirkung aufgrund einer Betriebsprüfung kann sich nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und Beitragspflicht sowie -höhe im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden (BSG, Urt. v. 29.07.2003 – B 12 AL 03/03 R; Urt. v. 30.10.2013 – B 12 AL 2/11 R – Rn. 24 juris; Urt. v. 18.11.2015 – B 12 R 7/14 R – Rn. 18 juris).
Dieser Rechtsprechung hat das BSG allerdings im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz (Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG), die Indienstnahme der Arbeitgeber für den Beitragseinzug (vergleiche Schlegel, Die Indienstnahme des Arbeitgebers in der Sozialversicherung, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, 265 ff.) sowie angesichts der Einführung des § 7 Abs. 4 S. 2 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) mit Wirkung vom 01.01.2017 durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 11.11.2016 (Bundesgesetzblatt I 2500) fortentwickelt (BSG, Urt. v. 19.09. 2019 – B 12 R 25/18 R – Rn. 31 juris). Danach ist davon auszugehen, dass Betriebsprüfungen auch eine Schutzwirkung für Arbeitgeber zukommen, seit den Betriebsprüfungsstellen aufgegeben wurde, die geprüften Sachverhalte offenzulegen, d.h. seit dem 01.01.2017. Damit wird der strittige Prüfzeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.09.2016 bereits zeitlich nicht erfasst.
Die Klägerin kann sich aber auch inhaltlich nicht auf beanstandungsfreie vorangegangenen Betriebsprüfungen berufen, da diese nicht durch entsprechende Verwaltungsakte abgeschlossen wurden. Denn eine materielle Bindungswirkung kann auch nach der neueren Rechtsprechung des BSG nur insoweit bestehen, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist (BSG, Urt. v. 19.09. 2019 – B 12 R 25/18 R – Rn. 30 juris). Im Prüfbescheid vom 04.09.2009 fehlt es jedoch gerade an einer solchen Feststellung für den Beigeladenen zu 1 (s.o.). Das Schreiben der Beklagten vom 27.06.2013 trifft bereits keine Regelung und stellt somit keinen Bescheid dar, auf den Vertrauen basieren könnte.
Offenbleiben kann, ob die Beklagte mit dem Bescheid vom 04.09.2009 sowie dem Schreiben vom 27.06.2013 hinter den Anforderungen des § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV i.V.m. § 7 Abs. 4 S. 1 und 2 BVV zurückgeblieben ist. Nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Hierbei handelt es sich nicht nur um die Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern vielmehr um einen verpflichtenden Auftrag, Umfang und Ergebnis der durchgeführten Prüfung anzugeben. Nach § 7 Abs. 4 S. 1 BVV ist dem Arbeitgeber das Ergebnis der Prüfung dementsprechend innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Prüfung „mitzuteilen“. Diesem Auftrag wird der betriebsprüfende Rentenversicherungsträger gerecht, wenn die Betriebsprüfung durch einen Prüfbescheid, d.h. ein Verwaltungsakt, abgeschlossen wird. Unzureichend hingegen ist der Abschluss der Betriebsführung durch ein mündliches Abschlussgespräch und/oder eine schriftliche Prüfmitteilung ohne Regelungscharakter. Bei in der Vergangenheit abgeschlossenen beanstandungsfreien Betriebsprüfungen, die nicht durch einen hinsichtlich der Angabe von Gegenstand und Ergebnis der Prüfung hinreichend bestimmten Verwaltungsakt beendet wurden, besteht danach zwar möglicherweise noch ein (formaler) Anspruch des Arbeitgebers auf Bescheidung. Hieraus kann aber kein Bestands- und Vertrauensschutz für die Vergangenheit begründet werden, weil es an einem die Beanstandungsfreiheit regelnden Verwaltungsakt gerade fehlt. Auch ist der Rentenversicherungsträger nicht verpflichtet, für vergangene Zeiträume zwischenzeitlich als rechtswidrig erkannte Feststellungen in dem zu erlassenden Verwaltungsakt zu treffen (BSG, Urt. v. 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R – Rn. 35 f. juris).
Schutzwürdiges Vertrauen ergibt sich auch nicht aus dem Protokoll der Schlussbesprechung der Betriebsprüfung vom 03.09.2009. Denn dieses Protokoll trifft bereits keine Regelung, sodass es auch insoweit an einem Bescheid fehlt, der schutzwürdiges Vertrauen begründen könnte. Im Übrigen wird der Beigeladene zu 1 im Protokoll zwar genannt („1. Es handelt sich um eine GmbH, Gesellschafter W. M., D. O., Q. U. und J. I.“), Aussagen oder gar Feststellungen zum (Nicht-)Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit der Gesellschafter fehlen indes vollständig. Irgendwelche Rückschlüsse können daraus nicht gezogen werden, insbesondere auch, da sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 während dieses Überprüfungszeitraums wesentlich geändert hat und insofern nicht einheitlich zu beurteilen ist. War der Beigeladene zu 1 bis Mitte November 2008 (Eintragung ins Handelsregister) noch mitarbeitender Gesellschafter-Geschäftsführer, der über eine Sperrminorität verfügte, war er zum Ende des Prüfzeitraums Ende 2008 nicht mehr Geschäftsführer und verfügte auch über keine Sperrminorität mehr.
ccc. Aus der von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 27.09.1983 – 12 RK 10/82 – und dort insbesondere aus Rn. 19 ergibt sich nichts anderes. Das Urteil befasst sich mit Fürsorgepflichten von Einzugsstellen, nicht mit denen der Träger der Rentenversicherung im Rahmen von Betriebsprüfungen. Inwiefern der dortige Sachverhalt und die damalige Rechtslage mit dem/der vorliegenden vergleichbar sein soll und welche Rechtssätze hierausübertragbar sein sollen, erschließt sich nicht und wird auch von der Prozessbevollmächtigen von Klägerin und Beigeladenen zu 1 nicht vorgetragen
cc. Der Rechtsstreit ist auch entscheidungsreif. Die Bevollmächtigte der Klägerin und des Beigeladenen zu 1 hat zwar unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung und auch noch zu Beginn der Verhandlung weitere Ermittlungen angeregt, insbesondere die Einvernahme des Betriebsprüfers C., der die Klägerin 2009 geprüft hat. Ein Beweisantrag wurde jedoch nicht bis zum Ende der Verhandlung aufrechterhalten (vgl. hierzu BSG, Beschl. v. 15.07.2019 – B 13 R 3/18 B – Rn. 7 beck-online). Vielmehr haben Klägerin und Beigeladener zu 1 als Sachantrag keinen Beweisantrag gestellt, sondern allein die Stattgabe der Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des SG beantragt. Im Übrigen enthielt der im Verhandlungstermin (hand-)schriftlich zur Akte gereichte Beweisantrag keinen vollständigen, in sich geschlossenen und verständlichen Satz. Er lautete:
„Ich beantrage die Vernehmung des Mitarbeiters der Beklagten D. C., zu laden über die Beklagte, zum Beweis der Tatsache, dass er am 3.9.2009 im Rahmen der von ihm durchgeführten Betriebsprüfung einen mündlichen Verwaltungsakt des Inhalts erlassen hat, dass der von ihm im Protokoll der Schlussbesprechung vom 3.9.2009 namentlich als zwar als Gesellschafter, nicht jedoch Geschäftsführer der Klägerin zutreffend als nicht-sozialversicherungspflichtig behandelt wird und zutreffend keine Sozialversicherungsbeiträge für Q. U. abgeführt werden.
Hilfsweise beantrage ich, die Beklagte zur Herausgabe der ladungsfähigen Anschrift des D. C. zu verpflichten.“
Wäre der Antrag aufrecht erhalten geblieben, hätte ihm bereits aus diesem Grund nicht stattgegeben werden können. Schließlich war der Antrag, soweit er teilweise zu verstehen war, nicht auf die Feststellung weiterer Tatsachen gerichtet, sondern auf die Feststellung einer rechtlichen Wertung, nämlich auf die Feststellung des Erlasses eines „mündlichen Verwaltungsaktes“. Hierbei handelt es sich um keine einem Beweis zugängliche Tatsache (BSG, Beschl. v. 04.04.2019 – B 13 R 14/18 B – Rn. 10 beck-online).
dd. Die Berechnung der nachzuentrichtenden Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie zur Umlage 2 und zur Insolvenzgeldumlage begegnet keinen Bedenken. Fehler werden auch von den Beteiligten nicht geltend gemacht.
III. Die Kostenentscheidung für die erste Instanz folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem Unterliegen der Klägerin Rechnung. Die Kosten der Beigeladenen waren aus Billigkeit weder der Klägerin noch der Staatskasse nach § 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen.
Die Kostenentscheidung in zweiter Instanz folgt aus § 183 SGG. Die Versicherteneigenschaft des Beigeladene zu 1 ist strittig und in dieser Eigenschaft ist er als (Berufungs-) Kläger am Rechtsstreit beteiligt (BSG, Urt. v. 05.10.2006 – B 10 LW 5/05 R – SozR 4-1500 § 183 Nr. 4).
Die Entscheidung, dem berufungsführenden Beigeladenen zu 1 als Beteiligtem (§ 69 Nr. 3 SGG) sogenannte „Mutwillenskosten“ aufzuerlegen, folgt aus § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 2 SGG. Nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Nach § 192 Abs. 1 S. 2 SGG steht dem Beteiligten gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Ein Missbrauch liegt vor, wenn die Rechtsverfolgung oder -verteidigung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. z.B. LSG NRW, Urt. v. 14.02.2019 – L 9 AS 1178/18 – Rn. 40 juris; BVerfG, Beschl. v. 19.12.2002 - 2 BvR 1255/02 – Rn. 3 juris). Vorliegend war die Rechtsverfolgung (auch) des Beigeladenen zu 1 in Anbetracht der klaren Rechtsprechung des BSG zu den – hier offenkundig nicht vorliegenden – Voraussetzungen für Vertrauensschutz aufgrund vorangegangener Betriebsprüfungen vollkommen aussichtslos (vgl. zu dieser Fallgruppe Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 192 Rn. 9). Darauf ist der Beigeladene zu 1 vom Vorsitzenden im Rahmen der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden. Dieser hat mit der gleichwohl gewünschten Fortführung des Rechtsstreits ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit gezeigt. Dabei muss er sich die Rechtskunde seiner Bevollmächtigten zurechnen lassen (Krauß, in: Beck-Online GK, 01.11.2023, SGG § 192 Rn. 33).
Ein Vertreter der Klägerin war in der mündlichen Verhandlung nicht zugegen. Der für die Verhängung von Mutwillenskosten notwendige Hinweis nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG konnte ihr gegenüber deshalb nicht erfolgen. Die ansonsten in Betracht kommende Verhängung von Mutwillenskosten auch gegenüber der Klägerin hatte daher zu unterbleiben.
Der Senat hat es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung für gerechtfertigt erachtet, dem Beigeladenen zu 1 Kosten in Höhe von 1.000 € aufzuerlegen (§ 202 SGG i.V.m. § 287 Zivilprozessordnung). Dieser Betrag übersteigt nicht die Kosten von regelmäßig mindestens 1.000 €, die der Landeskasse tatsächlich entstanden sind (vgl. zur Abschätzung der Kosten z.B. LSG NRW Urt. v. 14.02.2019 – L 9 AS 1178/18 – Rn. 42 juris m.w.N.; Urt. v. 28.6.2015 – L 18 KN 89/15 – Rn. 24 juris).
IV. Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.