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Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
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Tatbestand
Streitig ist die Rückforderung einer gezahlten Rente nach Todeserklärung eines Verschollenen von dessen Erben.
Der Verstorbene Herr E. M. bezog in der Zeit ab …. eine Witwenrente und ab …. eine Altersrente von der Beklagten. Die Kläger sind die Kinder des Herrn E. M. und dessen Erben.
Bei einem Badeausflug am …. ging Herr E. M. vor Zeugen beim Schwimmen unter. Sein Körper konnte nicht aufgefunden werden. In der Folge wurde Herr E. M. als Verschollen behandelt. Durch das zuständige Notariat wurden Abwesenheitspflegschaften eingerichtet. U.a. wurden durch Entscheidung des zuständigen Notariats am 23.07.2014 die beiden Töchter des Herrn E. M., die Klägerin zu 2) und die Klägerin zu 3) als Abwesenheitspflegerinnen bestimmt.
Nachdem die Beklagte die Rentenzahlung zunächst nach Bekanntwerdung des Unglücks im Jahr 2011 die Rentenzahlungen mit Dezember 2011 eingestellt hatte, wurden diese mit Bescheid vom 09.01.2015 wieder aufgenommen und für die Zeit ab 01.01.2012 auch nachgezahlt (42.080,49 €). Es wurde darauf hingewiesen, dass die Rente unter Vorbehalt gezahlt und zurückgefordert werde, sollte Herr E. M. rückwirkend für Tod erklärt werden.
Mit Bescheid vom 18.05.2015 stellte die Beklagte den Tod des Herr E. M. zum … gem. § 102 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) fest. Der Widerspruch hiergegen war nicht erfolgreich (Widerspruchsbescheid vom 05.02.2018). Die Klage zum Sozialgericht Reutlingen war nicht erfolgreich (Gerichtsbescheid v. 18.10.2018 – S 11 R 537/18). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg wies die Berufung zurück (Urteil vom 07.07.2021 – L 13 R 4143/18). Das Landessozialgericht geht davon aus, dass § 102 Abs. 6 SGB VI anwendbar war und der Todeszeitpunkt korrekt bestimmt worden sei. Für eine Nichtzulassungsbeschwerde bewilligte das Bundessozialgericht keine Prozesskostenhilfe (Beschluss vom 24.05.2022 – B 5 R 22/21 BH).
Zwischenzeitlich stellte auch das Amtsgericht Oberndorf mit Beschluss vom 09.07.2019 den Todeszeitpunkt auf den … fest. Das Rechtsmittel zum Oberlandesgericht Stuttgart war nicht erfolgreich, da auch dieses von einem wahrscheinlichsten Todeszeitpunkt am … ausging.
Im Jahr 2018 erfolgte bereits eine Rückforderung der zu Unrecht bezahlten Rente von der X Bank, soweit diese noch auf dem Konto des Erblassers vorhanden war. Die X Bank überwies der Beklagten einen Betrag von 33.297,23 €
Mit Schreiben vom 17.11.2021 wurde der Kläger zu 1) wegen der Rückforderung angehört. Es sei beabsichtigt, von dem Kläger zu 1) als Erben, hilfsweise von der Erbengemeinschaft die an Herrn E. M. gezahlte Rente in Höhe von 32.517,09 € zurückzufordern.
Mit Bescheid vom 18.03.2022 forderte die Beklagte vom Kläger zu 1), hilfsweise von der Erbengemeinschaft die für den Zeitraum 01.08.2010 bis 31.05.2015 gezahlte Rente in Höhe von 32.517,09 € zurück. Im Hinblick auf den rechtskräftig festgestellten Todeszeitpunkt seien die Renten in Höhe von 59.312,40 € überzahlt. Der Betrag mindere sich um den von der X Bank zurücküberwiesenen Betrag in Höhe von 33.297,23 €. Jeder Erbe hafte hierfür als Gesamtschuldner. Nach pflichtgemäßem Ermessen sei zu prüfen, ob der Betrag auch bei fehlendem Vertrauensschutz zurückzufordern sei. Die Klägerinnen und Kläger hätten mit der Todeserklärung zum Zeitpunkt des Verschwindens rechnen müssen. Es sei bekannt, dass Renten nicht über den Tod hinaus gezahlt würden. Die Rentenzahlung sei für den Zeitraum 01.01.2012 bis 31.05.2015 unter Vorbehalt erfolgt. Auch wenn die überzahlten Rentenbeträge ganz oder teilweise verbraucht seien, seien diese Beträge direkt oder indirekt in die Erbmasse geflossen. Die Klägerin zu 2) lebe auch in dem Haus des Erblassers, so dass diese von den Rentenzahlungen mutmaßlich profitiert habe. Es sei der Versichertengemeinschaft nicht zuzumuten, auf die Rückforderung ganz oder teilweise zu verzichten.
Dagegen erhob der Kläger zu 1), hilfsweise die Erbengemeinschaft, Widerspruch mit Schreiben vom 16.04.2022. Zur Begründung wurde angegeben, der Bescheid sei rechtswidrig. Die Regelung des § 102 Abs. 6 SGB VI unterliege dem Rückwirkungsverbot. Die Ergänzungspflegerinnen seien verpflichtet worden, bis zum Ablauf der Wartefrist des Verschollenheitsgesetzes die Eigentums- und Vermögensverhältnisse nicht zu verändern. Dazu seien sie auf die Rentenzahlungen angewiesen gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2023 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Renten würden an Verschollene nach § 102 Abs. 6 SGB VI längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten. Die Abwesenheitspflegschaft stehe der Festlegung des Rentenendes und dem Rückforderungsanspruch nicht entgegen. Die nach dem … gezahlten Rentenbeträge seien zu Unrecht entrichtet worden. Nach § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI in Verbindung mit §§ 50 Abs. 2, 45 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) könne eine zu Unrecht erbrachte Leistung von den Erben zurückgefordert werden, wenn diese wussten oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wussten, dass die Leistung nicht zugestanden hatte. Gründe, auf die Rückforderung zu verzichten seien nicht bekannt. Der Kläger zu 1) und seine Geschwister hätten mit der Todeserklärung zum … und der Rückforderung der Rente rechnen müssen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 18.01.2024, die durch den Kläger zu 1), hilfsweise durch die Erbengemeinschaft erhoben worden ist.
Mit Beschluss vom 17.04.2025 hat das Bundessozialgericht das Sozialgericht Konstanz als örtlich zuständiges Gericht bestimmt (Az.: B 4 SF 10/25 S).
Zur Begründung der Klage wird ausgeführt, dass die Klägerinnen zu 2) und 3) seit 2014 als Abwesenheitspflegerinnen bestellt worden waren. Sie seien nicht einverstanden mit einer Feststellung des Todeszeitpunktes zum ... , da hier ein Widerspruch zum Verschollenheitsgesetz deutlich werde. Es liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor. Da nach dem Verschollenheitsgesetz eine 5-Jahres Frist hätte eingehalten werden müssen, seien die Vorbehalte aus den Bescheiden vom 20.02.2015 und 09.01.2015 unberechtigt gewesen. Es werde die Einrede der Verjährung geltend gemacht. Es seien fixe und variable Kosten entstanden. Der Einzug von Geldern bei der X Bank sei unberechtigt gewesen. Erben seien besonders schutzwürdig. Die Rückforderung der Beklagten sei nicht berechtigt. Die Erben seien davon ausgegangen, dass der Todeszeitpunkt frühestens zum … hätte festgestellt werden können. Der Widerspruchsbescheid sei nicht an den Kläger zu 1) zugestellt worden, sondern an die Rechtsanwältin, die nur die Klägerin zu 2) vertreten habe. Die Klage sei durch die Klägerin zu 2) für den Kläger zu 1) erhoben worden. Es lägen weiterhin keine Beweise für den sicheren Tod des Herrn E. M. vor, da dieser bisher nicht aufgetaucht sei. Das Interesse der Versichertengemeinschaft sei vorliegend nachrangig. Die Klägerin zu 2) wohne auch nicht im Haus des Erblassers. Die Rentenzahlungen hatten zur Erhaltung des Eigentums und Vermögens, insbesondere der Wohnung des Erblassers, verwendet werden müssen. Es lägen Gründe vor, auf die Rückzahlung im Wege des Ermessens zu verzichten. Die Beklagte habe ihre Befugnisse überschritten, so dass es zu einer Forderung X Bank gegenüber den Klägerinnen und Kläger von 9.419,16 € gekommen sei. Das Konto hätte durch die Beklagte nicht leergeräumt werden dürfen.
Klägerseitig ist eine Aufstellung vorgelegt worden bzgl. entstandener Kosten im Rahmen der Abwesenheitspflegschaft, die auf ca. 16.000 € geschätzt werden. Außerdem wurde ausgeführt, dass die Familie seit Generationen von der Deutschen Rentenversicherung betrogen worden sei. Zuletzt ist angegeben worden, der Widerspruchsbescheid sei nicht unterschrieben und daher nichtig. Außerdem ist angegeben worden, der Widerspruchsbescheid habe sich gegen die freie Geburtsurkundenbestimmte Person des Klägers zu 1) gerichtet, der aber keine öffentlichen Rechte und Pflichten habe und dem öffentlichen Recht nicht verpflichtet sei, was durch den 2+4 Vertrag untermauert werde.
Die Klägerinnen und Kläger haben zuletzt folgenden Antrag gestellt:
Den Widerspruchsbescheid aufgrund der Formunwirksamkeit für nichtig zu erklären und das Verfahren wegen neuer Tatsachen zu überprüfen sowie den Antrag auf rückwirkende Geltendmachung der entstandenen Schäden ab dem mutmaßlichen Todestag und fortlaufende Geltendmachung der Schäden bekannt oder noch unbekannt bis zum Abschluss des Verfahrens, auch von den bereits 33.297,23 € welche durch die Beklagte rechtsirrig bei der X Bank abgeräumt wurden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird auf die Entscheidungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren verwiesen. Über den Todeszeitpunkt sei bereits rechtskräftig entschieden, so dass die Klage insoweit unzulässig sein dürfte. Im Widerspruchsverfahren habe die Rechtsanwältin eine Vollmacht der Erbengemeinschaft vorgelegt, so dass die Zustellung an diese nicht zu beanstanden sei.
Am 07.11.2024 hat mit den Beteiligten ein Termin zur Erörterung des Rechtsstreits stattgefunden. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage war nicht erfolgreich.
Gemäß § 123 SGG ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Vielmehr hat es das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln. Maßgebend für den Umfang des Begehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) anzuwenden. Der Klageantrag ist daher dahingehend auszulegen, dass die Klägerinnen und Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 18.03.2022 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2023 auch dann begehren, wenn dieser zwar nicht nichtig, aber rechtswidrig wäre.
Darüber hinaus ist der zuletzt durch die Klägerinnen und Kläger in der mündlichen Verhandlung durch deren Bevollmächtigte gestellte Antrag auf Geltendmachung von verursachten Schäden, insbesondere des durch die Beklagte bei der X Bank des verstorbenen Vaters der Klägerinnen und Kläger zurückgeforderten Geldes, insbesondere eben auf die Rückzahlung dieses Betrages gerichtet. Das Gericht kann nicht erkennen, dass die Klägerinnen und Kläger einen Schaden geltend machen, der über die Rückzahlung des von der X Bank eingeforderten Betrages und der Berücksichtigung der vorgebrachten Ausgaben im Rahmen der Abwesenheitspflegschaft hinausgehen würde. Insbesondere kann nicht erkannt werden, dass die Klägerinnen und Kläger durch Stellung dieses Antrags einen ernstgemeinten Amtshaftungsanspruch hatten erheben wollen. Eine Verweisung eines Amtshaftungsanspruchs an die nach Art. 34 Grundgesetz, § 71 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hierfür ausschließlich zuständigen Landgerichte war daher nicht vorzunehmen.
Soweit sich die Klage daher auf die Rückzahlung des bei der X Bank eingezogenen Betrags richtet, so ist die Klage bereits unzulässig. Die Entscheidung der Beklagten, den auf dem Konto des Erblassers noch vorhandenen Betrag der Rentenzahlungen von dort einzuziehen, ist nicht gegenüber den Klägerinnen und Klägern ergangen. Ein Verwaltungsakt zu Lasten der Klägerinnen und Kläger liegt insoweit nicht vor. Die Forderung der Beklagten gegenüber der X Bank erfolgte im Rahmen des § 118 Abs. 3 SGB VI. Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut, für das die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. L 94 vom 30.3.2012, S. 22) gilt, überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Ein Rechtsmittel der Erben besteht nicht. Im Hinblick auf den letztlich bestandskräftig festgestellten Todeszeitpunkt waren die Rentenzahlungen über diesen Zeitpunkt hinaus auch zu Unrecht erfolgt, da gem. § 102 6 SGB VI Renten an Verschollene längstens bis zum Ende des Monats geleistet werden, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten. Die Rückforderung war bereits vor der Entscheidung des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts bezüglich es Bescheids vom 18.05.2015 zulässig, da Widerspruch und Klage keine Aufschiebende Wirkung haben.
Soweit die Klägerinnen und Kläger in ihren Ausführungen immer wieder die Rechtswidrigkeit der Todesfeststellung durch die Beklagte rügen, so ist eine dagegen gerichtete Klage bereits unzulässig. Der Bescheid vom 18.05.2015 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2018 ist durch die Entscheidung des Landessozialgerichts vom 07.07.2021 – L 13 R 4143/18 bindend geworden, vgl. § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Damit hat der Bescheid auch Gültigkeit, wenn dieser und die gerichtlichen Entscheidungen fehlerhaft wären, wofür es jedoch keinerlei Anhaltspunkte gibt. Durch den Bescheid vom 18.03.2022 oder einen anderen Bescheid hat die Beklagte nicht erneut über die Todesfeststellung entschieden. Diese Entscheidung kann daher vorliegend kein zulässiger Klagegegenstand sein.
Die Klage hinsichtlich des Bescheids vom 18.03.2022 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2023 ist zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG statthaft und form- und fristgerecht (vgl. §§ 87, 92 SGG) erhoben worden. In der Sache ist die Klage jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18.03.2022 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen und Kläger daher nicht in ihren Rechten.
Die Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere sind sie nicht nichtig, weil der Widerspruchsbescheid nicht händisch unterschrieben ist.
§ 40 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) regelt:
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt,
- der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt,
- den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann,
- der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
- der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
- eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
- ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
- die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
Solche Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor. Insbesondere lässt sowohl der Bescheid vom 18.03.2022 als auch der Widerspruchsbescheid klar die Beklagte als erlassende Behörde erkennen.
Der Widerspruchsbescheid ist auch nicht wegen eines Formmangels rechtswidrig. Gem. § 85 Abs. 3 SGG ist der Widerspruchsbescheid schriftlich zu erlassen, zu begründen und den Beteiligten bekanntzugeben. Gem. § 33 Absatz 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gilt: (3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Insoweit ist auf dem Widerspruchsbescheid auch die Person erkennbar, die als Vertreter oder Beauftragter für den Behördenleiter bei Erstellung des Widerspruchsbescheids verantwortlich war. Die Namen der an der Entscheidung über den Widerspruch beteiligten Personen ist im Widerspruchsbescheid angegeben. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen und Kläger ist eine händische Unterschrift auf einem Widerspruchsbescheid keine Wirksamkeitsvoraussetzung, sofern eine Namenswidergabe enthalten ist.
Der Widerspruchsbescheid ist den Klägerinnen und Klägern auch ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ist durch die damals beteiligte Rechtsanwältin eine Vollmacht für die Erbengemeinschaft übersandt worden. Die Klägerin zu 3) selbst hat der Beklagten mitgeteilt: „… dass wir einen Rechtsanwalt eingeschaltet haben.“ (E-Mail vom 07.07.2023). Den Anschein, der Widerspruchsbescheid könne an die Rechtsanwältin für alle Erben bekanntgemacht werden, wurde ausdrücklich durch die Klägerinnen und Kläger gesetzt.
Der Bescheid vom 18.03.2022 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2023 ist auch nicht materiell rechtswidrig. Das Gericht ist vielmehr nach rechtlicher Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass die Entscheidung der Beklagten in der Sache nicht zu beanstanden ist.
Nach Ansicht des Gerichts ist der Kläger zu 1) hilfsweise die Klägerinnen und Kläger als Erbengemeinschaft verpflichtet, die an deren Vater gezahlte Rente zu erstatten.
Gem. § 102 6 SGB VI werden Renten an Verschollene längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten. Damit waren die Renten an den Erblasser ab dem … zu Unrecht gezahlt worden. Nach § 118 Abs. 4 S. 4 SGB VI iVm. § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sind zu Unrecht erbrachte Rentenzahlungen zu erstatten. Im Hinblick auf die Feststellung des Todes des Erblassers hat sich die Rentengewährung gem. 39 Abs. 2 SGB X „auf andere Weise“ erledigt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil v. 05.00.2009 – B 13/4 R 91/06 R). Gem. § 50 Abs. 2 SGB X sind Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu erstatten, soweit die Voraussetzungen der §§ 45, 48 SGB X vorliegen.
Gem. § 45 SGB X gilt:
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
- er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
- der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
- er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
- die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
- der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
Den Klägerinnen und Klägern kommt Vertrauensschutz nach § 45 SGB X nicht zu. Die Klägerinnen und Kläger mussten aufgrund der Bewilligung durch den Bescheid vom 09.01.2015 für die Zeit ab 01.01.2012 positiv wissen, dass eine Rückzahlung im Raum steht, da ein entsprechender Hinweis im Bescheid enthalten war. Auch für die Zeit vom ... bis 31.12.2011 hätten die Klägerinnen und Kläger wissen müssen, dass dem Erblasser die Rente nicht zugestanden haben könnte, wenn die Feststellung des Todes rückwirkend erfolgen würde. Es ist allgemein bekannt, dass Renten nur bis zum Tod gezahlt werden. Die Todeserklärung zum ... muss für die Klägerinnen und Kläger im Anbetracht der Umstände des Badeunfalls besonders nahegelegen haben. Damit war die Beklagte berechtigt, die Rente ab dem … zurückzufordern. Die Frist des § 45 Abs. 4 SGB X war eingehalten, da der streitige Bescheid vom 18.03.2022 innerhalb eines Jahres nach der Entscheidung des Landessozialgerichts über die Todeserklärung (Urteil v. 07.07.2021 – L 13 R 4143/18) und innerhalb eines Jahres nach Anhörung der Klägerinnen und Kläger (Schreiben vom 17.1.12021) erfolgt ist. Zuvor waren der Beklagten nicht sämtliche Umstände bekannt, die für eine Entscheidung erforderlich waren. Die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 1 und Satz 4 SGB X sind nicht entsprechend anzuwenden (vgl. Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 50 SGB X (Stand: 15.11.2023), Rn. 114).
Im Rahmen der Rückforderung nach § 50 Abs. 2 SGB X ist durch die Behörde jedoch Ermessen auszuüben. Im Rahmen dieser Ermessensausübung sind die Interessen der Beteiligten und die öffentlichen Interessen einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen. Das Gericht kann die Ermessensentscheidung nur eingeschränkt hinsichtlich Ermessensfehler, nicht jedoch hinsichtlich des Ergebnisses überprüfen.
Solche Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat ihren Ermessensspielraum erkannt und die ihr bekannten Gegebenheiten berücksichtigt. Der Umstand, dass die von den Klägerinnen und Kläger im Rahmen der Abwesenheitspflegschaft gemachten Aufwendungen bei der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch die Beklagte nicht berücksichtigt worden sind, stellt keinen Ermessensfehler dar. Die Beklagte war nicht gehalten, diese finanzielle Belastung der Klägerinnen und Kläger zwingend durch eine Minderung des Rückzahlungsbegehrens anzuerkennen. Die von den Klägerinnen und Kläger getätigten Ausgaben standen im Zusammenhang mit der Situation der Verschollenheit des Erblassers. Eine Abwägung der Interessen der Klägerinnen und Kläger an der Berücksichtigung dieser Kosten mit den Interessen der Versichertengemeinschaft an der vollständigen Rückzahlung der überzahlten Rente muss nicht zugunsten der Klägerinnen und Kläger ausgehen. Insbesondere nicht dann, wenn das Erbe den Rückzahlungsanspruch überwiegt, wovon vorliegend auszugehen ist. Weder im Anhörungsverfahren, noch sonst im Verfahren haben die Klägerinnen und Kläger geltend gemacht, die Summe könnte weder durch den Kläger zu 1) noch durch die Klägerinnen und Kläger als Erbengemeinschaft etwa aus der Erbschaft bestritten werden. Dass der Vater der Klägerinnen und Kläger verschollen war und nicht unmittelbar am ... hatte für Tod erklärt werden können, hat die Situation für die Klägerinnen und Kläger selbstverständlich ganz erheblich verkompliziert. Dies liegt jedoch ausschließlich in der Sphäre der Klägerinnen und Kläger und ist nicht zwingend zum Teil oder komplett durch die Versichertengemeinschaft abzumildern. Soweit die Beklagte davon ausging, dass die Klägerin zu 2) in der Immobilie des Erblassers wohne und sie daher auch von der Erhaltung der Immobilie durch die Rente profitiert habe, so führt dies nicht zur Fehlerhaftigkeit der Entscheidung, wenn die Klägerin zu 2) tatsächlich dort nicht gewohnt haben sollte. Die Instandhaltung der Immobilie hat sich dennoch in deren Wert niedergeschlagen. Dass den Vorfahren der Klägerinnen und Kläger durch die Rentenversicherung Unrecht zu teil geworden sein soll, ist im vorliegenden Verfahren irrelevant. Die Entscheidung der Beklagten, den Belangen der Versichertengemeinschaft auf vollständige Erstattung der überzahlten Rente den Vorzug zu geben, ist daher nicht zu beanstanden.
Die weiteren klägerseitigen Ausführungen zur Geburtsurkundenbestimmten Person des Klägers zu 1) und zum 2+4 Vertrag entbehren jeglicher rechtlichen Grundlage und gehören ins verworrene und jegliche juristische Realität leugnende Phantasiegebilde von Reichsbürgern und Selbstverwaltern. Selbstverständlich unterliegen die Klägerinnen und Kläger den geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen und sind daher ggf. durch hoheitliche Entscheidungen von Behörden verpflichtet und an gerichtliche Entscheidungen gebunden. Weitere Ausführungen hierzu sind entbehrlich, da sie von der richtigen Seite betrachtet unnötig sind und von der anderen Seite wohl nicht zur Kenntnis genommen werden.
Die Klage war damit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 193 SGG.