L 4 AS 1180/23

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 127 AS 1847/23 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AS 1180/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Auch unter der Geltung von § 41a Abs. 4 SGB II in der Zeit vom 1. August 2016 bis zum 31. März 2021 war das Einkommen Selbständiger zunächst nach § 3 Alg II-V zu ermitteln.

2. Es bleibt offen, wie zu verfahren ist, wenn eine als notwendige angesehene Betriebsausgabe Selbständiger im anschließenden Bewilligungszeitraum zivilrechtlich rückabgewickelt wird.

 

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

 

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten für den Zeitraum vom 01. Oktober 2018 bis zum 31. März 2019 die Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

 

Die 1983 geborene Klägerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten.

 

Sie lebt zur Untermiete in einem Zimmer in einer 3-Zimmer-Wohnung  in der K Str. , für welches sie eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 390,00 EUR und Nebenkosten in Höhe von 55,00 EUR zu zahlen hat.

 

Sie ist selbstständig erwerbstätig im Bereich Animationsfilm/Illustration.

 

Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 12. November 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. November 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Oktober 2018 bis zum 31. Dezember 2018 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 512,17 EUR monatlich und für den Zeitraum vom 01. Januar 2019 bis zum 31. März 2019 in Höhe von 489,56 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte er monatlich Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 518,05 EUR brutto = netto und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 400,00 EUR.

 

Am 31. Juli 2019 reichte die Klägerin bei dem Beklagten die abschließende Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (EKS) für den Zeitraum von Oktober 2018 bis März 2019 ein, aus welcher sich im streitigen Zeitraum Betriebseinnahmen in Höhe von 9.864,35 EUR und Betriebsausgaben in Höhe von 7.713,95 EUR ergaben. Der erzielte Gewinn betrug danach bezogen auf den Bewilligungszeitraum 2.150,39 EUR, wobei die EKS Gewinne im Monat Oktober 2018 in Höhe von 535,81 EUR, im Monat Dezember 2018 in Höhe von 590,47 EUR und im Monat März 2019 in Höhe von 1.848,12 EUR sowie in den Monaten November 2018, Januar 2019 und Februar 2019 Verluste auswies.

 

Als Betriebsausgaben machte sie dabei unter anderem Ausgaben für eine Teilzeitbeschäftigte in Höhe von 1.593,30 EUR im Monat Oktober 2018 und in Höhe von 60,00 EUR im Monat November 2019 sowie im Monat März 2019 Investitionskosten in Höhe von 3.365,68 EUR und eine Umsatzsteuerforderung in Höhe von 419,84 EUR geltend.

 

Beigefügt waren der Anlage EKS schriftliche Erläuterungen zu den Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. Dabei bat die Klägerin zunächst um eine gemeinsame Beurteilung des streitigen Zeitraums mit dem nachfolgenden Bewilligungszeitraum, da eine größere im Monat März 2019 zugeflossene Einnahme erst im nachfolgenden Bewilligungszeitraum für damit in Verbindung stehende betriebliche Ausgaben verbraucht worden sei. Nachfolgend erläuterte sie Betriebsausgaben und Einnahmen monatsweise und gab dabei unter anderem an, dass 52,90 EUR für ein ausgefallenes Netzteil und weitere 178,99 EUR für einen Drucker angefallen seien. Die Anschaffung des Druckers sei zuvor mit der Sachbearbeiterin abgesprochen worden. Zu den im März getätigten Investitionen in Höhe von 3.365,68 EUR machte sie im Rahmen der Erläuterungen keine näheren Angaben. Für den Monat März war insofern zu den Ausgaben lediglich angemerkt: „Außerdem fand die Ausgabe im März statt, wie sie auf dem Kaufbeleg sehen können und nicht im April, wie es auf der Abbuchung aussieht“.

 

Die im Monat März 2019 geltend gemachten Investitionskosten bezogen sich auf den Kauf eines mobilen Stiftcomputers Modell „Wacom Mobile Studio Pro 16“ zu einem Kaufpreis von 2.369,00 EUR inklusive Umsatzsteuer sowie den Kauf einer Kameraausrüstung in Höhe von 995,98 EUR.  2.369,00 EUR für den Stiftcomputer wurden am 29. März 2019 vom Konto der Klägerin abgebucht, 995,98 EUR am 01. April 2019, wobei die Klägerin auch die Kameraausrüstung am 29. März 2019 mit ihrer EC-Karte bezahlt hatte. Der Kauf des Stiftcomputers wurde durch die Klägerin nachträglich wieder rückabgewickelt. Der Kaufpreis wurde ihrem Konto am 23. April 2019 wieder gutgeschrieben. In der abschließenden EKS für den nachfolgenden Bewilligungszeitraum gab die Klägerin den Rückfluss des Kaufpreises als Betriebseinnahme im Monat April 2019 an. Der Beklagte berücksichtigte den Rückfluss entsprechend der Angaben der Klägerin als Betriebseinnahme, bei der endgültigen Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum berücksichtigte er aufgrund von Verlusten in anderen Monaten gleichwohl kein bedarfsminderndes Einkommen.

 

Eine Nachfrage des Beklagten zur Notwendigkeit der im März 2019 getätigten Investitionen beantwortete die Klägerin nicht.

 

Mit endgültigem Bewilligungsbescheid vom 21. Januar 2020 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Monate Oktober 2018 bis Dezember 2018 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 104,54 EUR und für die Monate Januar 2019 bis März 2019 in Höhe von 112,54 EUR. Als monatlichen Bedarf für Unterkunft und Heizung berücksichtigte er dabei weiterhin 400,00 EUR und als Einkommen einen monatlichen Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 989,32 EUR. Dabei ging er von den in der EKS angegebenen Betriebseinnahmen aus, von welchen er die angegebenen Betriebsausgaben, mit Ausnahme der o.g. Umsatzsteuerzahlung in Höhe von 419,84 EUR und der im März 2019 getätigten Investitionen in Höhe von 3.365,68 EUR, in Abzug brachte. Die Zahlung an das Finanzamt in Höhe von 419,84 EUR habe nicht berücksichtigt werden können, da eine entsprechende Überweisung auf den Kontoauszügen nicht ersichtlich gewesen sei, hinsichtlich der Investitionen über 3.365,68 EUR sei die unbedingte Notwendigkeit nicht mit dem zuständigen Arbeitsvermittler vorab geklärt worden. Da sie 1/3 der Einnahmen betrage, sei sie unangemessen.

 

Mit Erstattungsbescheid vom selben Tag forderte er die Erstattung von 2.353,95 EUR.

 

Hiergegen legte die Klägerin am 20. Februar 2020 Widerspruch ein, den sie dahingehend begründete, erst nach der Investition über eine entsprechende Absprachepflicht aufgeklärt worden zu sein. Im Übrigen sei das angeschaffte Gerät nach kurzem Ausprobieren auch wieder zurückgegeben worden und der Kaufpreis wieder zugeflossen und daher zu diesem Zeitpunkt als Betriebseinnahme zu berücksichtigen. Sie gehe nicht davon aus, dass bis zum Ablauf von Rückgaberechten im geschäftlichen Verkehr von einer tatsächlichen Investitionsabsicht zum Zeitpunkt des Kaufes ausgegangen werden könne.

 

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2020 als unbegründet zurück. Der Erwerb eines Grafik-Tablets für 3.365,68 EUR stehe in einem Missverhältnis zu den Einnahmen, zudem lasse der Vortrag zur Rückgabe die Vermutung zu, dass gar nicht ernsthaft ein Gerät erworben werden sollte, sondern dass bewusst Betriebseinnahmen im betreffenden Bewilligungsabschnitt gemindert werden sollten.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 18. Mai 2020 vor dem Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben. Zur Begründung führte sie aus, dass der Beklagte ihre monatlichen Mietkosten in Höhe von 445,00 EUR nicht vollständig berücksichtigt habe. Zudem habe er die im Monat Oktober 2018 angegebenen Personalkosten zu Unrecht nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt. Sie habe für die Hilfe von Frau  W insgesamt 1.696,30 EUR zahlen müssen, hiervon habe sie im September 2018 einen Betrag von 598,00 EUR bar gezahlt und im Oktober 2018 einen Betrag in Höhe von 1.098,30 EUR überwiesen. Bei der Angabe der Personalkosten sei in der EKS insofern ein Fehler unterlaufen. Darüber hinaus hätte der Beklagte bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens nach § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II von der Bildung eines Durchschnittseinkommens absehen müssen. Diese Regelung verdränge die abweichenden Regelungen der Alg II-V als lex specialis.

 

Nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 07. Januar 2022 für die Monate Oktober 2018 bis Dezember 2018 monatliche Leistungen in Höhe von 295,98 EUR und für die Monate Januar 2019 bis März 2019 in Höhe von 303,98 EUR. Dabei berücksichtigte er nunmehr Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 445,00 EUR monatlich und anrechenbares Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 565,02 EUR monatlich. Bei der Einkommensermittlung berücksichtigte er weitere 1.098,30 EUR als notwendige Betriebsausgaben, das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit verminderte sich dadurch auf monatlich 806,27 EUR brutto = netto. Mit weiterem Änderungsbescheid vom selben Tag reduzierte er die zu erstattenden Leistungen auf 1.205,31 EUR.

 

Mit Gerichtsbescheid vom 21. November 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zutreffend habe der Beklagte bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs gemäß § 41a Abs. 4 SGB II in der bis zum 31. März 2021 geltenden Fassung (aF) ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt. Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 41a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF lägen nicht vor, da sich das nach dieser Vorschrift „zu berücksichtigende“ Einkommen nach § 3 Abs. 4 Satz 1 der Alg II-V richte. Dieses habe der Beklagte zutreffend ermittelt.

 

Hiergegen hat die Klägerin am 20. Dezember 2023 Berufung eingelegt, mit welcher sie geltend macht, die Annahme der Vorrangigkeit von § 3 Abs. 4 Alg II-V vor § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF widerspreche sowohl der Gesetzgebungsgenese als auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der Gesetzgeber habe insofern selbst § 41a SGB II aF in der Gesetzesbegründung als spezialgesetzliche Regelung angesehen, das BSG habe in einem Urteil ebenfalls § 41a Abs. 4 SGB II aF als spezialgesetzliche Ausnahme in Bezug auf die §§ 11 ff SGB II bezeichnet. Ausdrücklich habe das BSG die Anwendbarkeit des § 41a Abs. 4 SGB II aF auf alle Einkommensarten, insbesondere auch aus selbstständiger Arbeit, erstreckt. Im Übrigen habe sie auch bei Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens einen Anspruch auf höhere Leistungen, da dann die im März 2019 getätigten Investitionen als Betriebsausgabe hätte berücksichtigt werden müssen. Sowohl die Kameraausrüstung als auch ein neues Tablet, bei welchem man direkt auf dem Bildschirm zeichnen könne, habe sie für den Auftrag, für welchem sie im März 2019 die Vorschusszahlung erhalten habe, dringend benötigt. Das bisher vorhandene Tablet sei veraltet gewesen, ein Zeichnen auf dem Bildschirm sei nicht möglich gewesen. Der Stiftcomputer sei nicht nur ein Tablet, sondern darüber hinaus ein vollwertiger Computer. Auch ihr bis dahin genutztes Macbook sei bereits veraltet gewesen. Letztlich habe sie sich dann aber dafür entschieden, doch zunächst nur ein reines Tablet zu erwerben und den Kauf des Stiftcomputers rückabzuwickeln. Im Mai 2019 habe sie ein Grafik-Tablet der Firma Wacom zu einem Preis von ca. 600,00 EUR erworben. Mit diesem und ihrem vorhandenen Macbook habe sie den Auftrag dann zunächst ausgeführt. Einen neuen Standcomputer mit dem Betriebssystem eines Macintosh habe sie im Jahr 2020 erworben, als sie nicht mehr im Leistungsbezug gestanden habe. Auch das sei noch im Rahmen des Auftrags geschehen, für welchen sie im März 2019 den Vorschuss erhalten habe. Die Anschaffung eines neuen Computers sei für diesen Auftrag notwendig gewesen. Insgesamt habe sie für den Auftrag ca. 15.000,00 EUR erhalten. Es stünden ihr vor diesem Hintergrund höhere Leistungen als vorläufig bewilligt zu. Einen bezifferten Klageantrag wolle sie diesbezüglich nicht stellen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. November 2023 zu ändern und den Beklagten unter Änderung des Bewilligungsbescheides vom 7. Januar 2022 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis 31. März 2019 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als vorläufig bewilligt zu zahlen und den Erstattungsbescheid vom 7. Januar 2022 aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt,

           

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er verweist auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Zudem habe das BSG bereits entschieden, dass die Ausnahmeregelung des § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF nur Fälle erfasse, in denen das gebildete Durchschnittseinkommen in mindestens einem Monat den Leistungsanspruch entfallen lasse. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Im Übrigen seien sowohl der Bescheid vom 21. Januar 2020 als auch der Änderungsbescheid vom 07. Januar 2022 bereits rechtswidrig begünstigend gewesen, da er – der Beklagte – die von der Klägerin im Monat Oktober angegebenen Personalkosten in Höhe von 1.593,30 EUR bereits im Bescheid vom 21. Januar 2020 vollständig berücksichtigt habe, obwohl nach den Angaben der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren hiervon nur 1.098,30 EUR tatsächlich im streitigen Zeitraum angefallen waren. Darüber hinaus habe er bei Erlass des Änderungsbescheides die Berücksichtigung der 1.593,30 EUR im Bescheid vom 21. Januar 2020 übersehen und daher die 1.098,30 EUR zu Unrecht als zusätzliche Betriebsausgaben berücksichtigt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands, insbesondere wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen sind.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die Berufung ist im Sinne der §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet.

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem Gerichtsbescheid vom 21. November 2023 nur noch die Bescheide vom 07. Januar 2022, mit denen der Beklagte die Leistungen für den Bewilligungszeitraum Oktober 2018 bis März 2019  unter Ersetzung der Bescheide 21. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2020 (§ 96 Abs. 1 SGG) abschließend festgesetzt und vorläufig gezahltes Alg II erstattet verlangt hat, soweit es den von ihm errechneten abschließenden Leistungsanspruch übersteigt.

 

Statthafte Klageart hinsichtlich der Klage auf Änderung der abschließenden Entscheidung ist die kombinierte Anfechtungs- Verpflichtungs- und Leistungsklage  (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 § 56 SGG), da das Klageziel auf Änderung der abschließenden Entscheidung gerichtet ist, soweit Leistungen abschließend in geringerer Höhe als vorläufig bewilligt festgestellt worden sind, und zugleich die Feststellung höherer (als vorläufig bewilligter) endgültiger Leistungen verlangt wird (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2021 – B 14 AS 41/20 R –, juris Rn. 11). Soweit die Klägerin die Aufhebung des Erstattungsbescheides begehrt, ist statthafte Klageart die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG).

 

Die Klage ist zulässigerweise gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Höhenstreit. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Grundurteils im Höhenstreit ist eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der Klage gefolgt wird (BSG, Urteil vom 11. November 2021 – B 14 AS 41/20 R –, juris Rn. 12). Diese Voraussetzungen liegen vor. Ausgehend von der Rechtsansicht der Klägerin kommen in jedem streitbefangenen Monat höhere Leistungen als abschließend festgestellt in Betracht.

 

Zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hatte im Zeitraum vom 01. Oktober 2018 bis zum 31. März 2019 keinen Anspruch auf höhere Leistungen als ihr mit dem Bescheid vom 07. Januar 2022 endgültig bewilligt wurden. Zu Recht hat der Beklagte bei der endgültigen Leistungsbewilligung als Erwerbseinkommen aus selbständiger Tätigkeit ein monatliches Durchschnittseinkommen berücksichtigt. Dabei hat er von den Einnahmen der Klägerin aus selbstständiger Tätigkeit bereits zu hohe Betriebsausgaben in Abzug gebracht.

 

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf höheres Alg II ist §§ 19 ff i.V.m. §§ 7 ff SGB II in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung, denn in Rechtsstreitigkeiten über abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip; vgl. BSG vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 53/15 R –, juris Rn. 14 f).

 

Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (Nr. 1), ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4) und war erwerbsfähig (Nr. 2).

Sie war auch hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II, da sie nicht in der Lage war, ihren Bedarf vollständig aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen zu decken.

 

Grundlage für die abschließende Entscheidung des Beklagten ist § 41a SGB II aF. Gemäß § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II aF entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht. Bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs ist nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II aF als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen, soweit keine Ausnahmetatbestände nach § 41a Abs. 4 Satz 2 SGB II aF vorliegen.

 

Die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II aF für eine abschließende Bewilligung nach vorläufiger Leistung liegen vor. Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die abschließend festzustellenden Leistungen von den vorläufigen Leistungen abweichen, denn das tatsächliche Einkommen der Klägerin aus selbstständiger Tätigkeit wich von dem im vorläufigen Bewilligungsbescheid zugrunde gelegten Einkommen ab.

 

Entsprechend der Regelung des § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II aF war bei der endgültigen Leistungsbewilligung als Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ein monatliches Durchschnittseinkommen zu berücksichtigen. Hiervon war nicht im Hinblick auf § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF abzusehen. Hiernach gilt Satz 1 nicht, soweit der Leistungsanspruch in mindestens einem Monat des Bewilligungszeitraums durch das zum Zeitpunkt der abschließenden Feststellung nachgewiesene zu berücksichtigende Einkommen entfällt. Das von der Klägerin nachgewiesene zu berücksichtigende Einkommen ließ vorliegend ihren Leistungsanspruch in keinem Monat entfallen.

 

Die Frage, welches Einkommen in welcher Höhe in diesem Sinne „zu berücksichtigen“ ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Einkommensanrechnung, erfasst sind alle Einkommensarten und alle Monate des Bewilligungszeitraums (BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 44/18 R –, juris Rn. 18). Danach sind bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens die zur Berechnung des Einkommens im Einzelnen erlassenen Vorschriften der auf der Grundlage von § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erlassenen Alg II-V heranzuziehen (Landessozialgericht -LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Februar 2021 – L 7 AS 992/20 –, juris Rn. 28 m.w.N., die nachgehend unter B 4 AS 38/21 R anhängige Revision wurde zurückgenommen). Bei Selbstständigen richtet sich die Einkommensberechnung nach § 3 Alg II-V (hier in der bis 29. Februar 2020 geltenden Fassung vom 26. Juli 2016 - aF).  § 41a SGB II aF verdrängt § 3 Alg II-V aF nicht als lex specialis (so auch: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Februar 2021 – L 7 AS 992/20 –, juris Rn. 28; SG Berlin, Urteil vom 20. Januar 2021 – S 123 AS 13858/17 –, juris Rn. 36 ff.; SG Braunschweig, Urteil vom 18. Januar 2021 – S 52 AS 1405/19 –, juris Rn. 29 ff., Schifferdecker, NZS 2021, 73; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Mai 2020 – L 18 AS 732/18 –, juris Rn. 23).

 

Auch wenn § 41a Abs. 4 SGB II aF eine Ausnahmeregelung zu dem nach § 11 Abs. 2 und 3 SGB II aF normierten im SGB II grundsätzlich geltenden Monatsprinzip darstellt und als solche diesem insoweit spezialgesetzlich vorgeht und alle Einkommensarten erfasst (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2019 – B 14 AS 44/18 R –, juris Rn. 21 und 29), findet sich darin keine Regelung darüber, wie das Einkommen zu ermitteln ist, welches im Rahmen einer Durchschnittsberechnung oder im Rahmen einer monatlichen Betrachtung „zu berücksichtigen“ ist  (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Februar 2021 – L 7 AS 992/20 –, juris). Dementsprechend hat das  BSG auch in Bezug auf die Verteilung einmaliger Einnahmen ausgeführt, dass vor der Anwendung des § 41a Abs. 4 SGB II aF zunächst das „zu berücksichtigende“ Einkommen nach den allgemeinen Regeln der §§ 11 SGB II ff. zu ermitteln ist  (BSG, Urteil vom 18. Mai 2022 – B 7/14 AS 9/21 R –, juris Rn. 27 f., 34). Soweit die Klägerin hinsichtlich der Spezialgesetzlichkeit auf die Gesetzesbegründung verweist (BT-Drs. 18/8041, Seite 52), ist dieser lediglich zu entnehmen, dass § 41a SGB II aF Vorschussleistungen (§ 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I) und vorläufige Leistungen spezialgesetzlich zusammenfasst. Dass § 41a SGB II aF auch den allgemeinen Regelungen zur Einkommensermittlung (§§ 11 ff. SGB II) und dabei insbesondere der Alg II-V vorgehen soll, lässt sich der Gesetzesbegründung demgegenüber nicht entnehmen (a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Mai 2020 – L 18 AS 732/18 –, juris Rn. 23). Vielmehr ging der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung im Rahmen der sog. Nullfestsetzung ausdrücklich davon aus, dass aufgrund der materiell-rechtlichen Regelung des § 3 Alg II-V aF der Leistungsanspruch für Selbstständige weiterhin für alle Monate des Bewilligungszeitraums nur einheitlich festgestellt werden kann (vgl. BT-Drs. 18/8041, Seite 53). Dies zeigt, dass auch der Gesetzgeber von einer weiteren Anwendbarkeit des § 3 Abs. 4 Alg II-V aF ausging, denn bei direkter Anwendung des § 41a SGB II aF hätte auch im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit nach § 41a Abs. 3 Satz 3 SGB II aF die Hilfebedürftigkeit auch nur für einzelne Monate festgestellt werden können und die Bildung eines auf den Bewilligungszeitraum bezogenen Durchschnittseinkommens wäre aufgrund der Rückausnahme des § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SGB II aF ausgeschlossen gewesen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch das BSG nicht von einer direkten Anwendbarkeit des § 41a Abs. 4 SGB II aF auf den monatlichen Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit ausgegangen, sondern hat auch nach Inkrafttreten des § 41a Abs. 4 SGB II aF weiterhin § 3 Abs. 4 Alg II-V aF angewendet (BSG, Urteil vom 29. November 2022 – B 4 AS 64/21 R –, juris Rn. 36).

 

Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung § 41a Abs. 4 SGB II aF mit der Klägerin als Spezialvorschrift zu § 3 Abs. 2 und 4 Alg II-V begriffe und § 41a Abs. 4 SGB II direkt auf die monatlich erzielten Gewinne aus selbstständiger Tätigkeit anwenden würde, wäre im Übrigen vorliegend ein Durchschnittseinkommen zu bilden. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Rückausnahme des § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach der Rechtsprechung des BSG nur dann greift, wenn die Berücksichtigung des nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II aF nach den allgemeinen Regelungen der §§ 11 ff SGB II gebildete Durchschnittseinkommens in mindestens einem Monat den Leistungsanspruch entfallen lassen würde (BSG, Urteil vom 18. Mai 2022 – B 7/14 AS 9/21 R –, juris Rn. 22; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB II, 1. Ergänzungslieferung 2025, § 41a SGB II Rn. 395, Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 41a (Stand: 21.08.2024) Rn. 61.4.). Auf die Frage, ob der Leistungsanspruch bei einer monatsweisen Betrachtung in einem Monat entfiele, käme es daher auch im Rahmen der Rückausnahme des § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II aF nicht an. Bei Berücksichtigung des Durchschnittseinkommens entfiele der Leistungsanspruch der Klägerin in keinem Monat (vgl. insofern die nachfolgende Berechnung des Leistungsanspruchs, welche im Ergebnis der direkten Bildung eines Durchschnittseinkommens entspricht).

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Alg II-V aF ist beim Einkommen aus selbständiger Arbeit von den Betriebseinnahmen im Bewilligungszeitraum auszugehen. Zur Berechnung des Einkommens sind nach § 3 Abs. 2 Alg II-V aF von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Alg II-V aF sollen tatsächliche Ausgaben nicht abgesetzt werden, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen. Ausgaben können bei der Berechnung nicht abgesetzt werden, soweit das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht (§ 3 Abs. 3 S. 3 Alg II-V aF). Absatz 4 bestimmt, dass für jeden Monat der Teil des Einkommens zu berücksichtigen ist, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Nach Satz 3 sind von dem Einkommen die Beträge nach § 11b  SGB II abzusetzen.

 

§ 3 Alg II-V aF ist ermächtigungskonform und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R –, juris Rn. 35 ff, BSG, Beschluss vom 8. März 2021 – B 4 AS 12/21 B –, juris Rn. 3). Auch wenn § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II für das SGB II grundsätzlich das Monatsprinzip normiert, ist der Verordnungsgeber über § 13 Abs. 1 Nr. 1 SGB II ermächtigt, hiervon abweichende Regelungen für Selbstständige zu treffen und bei der Ermittlung des Einkommens auf den Bewilligungszeitraum abzustellen (BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R –, juris Rn. 34 f.). Eine Ungleichbehandlung zwischen selbstständigen und nichtselbstständigen Erwerbstätigen ist insofern durch die Unterschiede in der Art der Erwerbstätigkeit gerechtfertigt. Für eine selbständige Tätigkeit ist der auch von der Auftragslage abhängige unregelmäßige Zufluss von Einnahmen typisch. Es ist von daher nicht zu beanstanden, wenn von selbständigen Leistungsempfängern nach nur vorläufiger Bewilligung von Arbeitslosengeld II regelmäßig ein vorausschauendes Wirtschaften erwartet wird, das zu einem gleichmäßigen Verbrauch von unregelmäßigen Einnahmen führt (BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R –, juris Rn. 38).

 

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass eine monatsweise Betrachtung bei Selbstständigen auch mit dem Bedarfsdeckungsprinzip in Konflikt geraten könnte (vgl. zur Notwendigkeit der Beachtung des Bedarfsdeckungsprinzips im Rahmen der Alg II-‍V: BSG, Beschluss vom 8. März 2021 – B 4 AS 12/21 B –, juris Rn. 3; BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 – B 4 AS 21/10 R –, juris Rn. 26; BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R –, juris Rn. 35 f.). Insofern ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit nicht nur der unregelmäßige Zufluss von Einnahmen für eine selbstständige Tätigkeit typisch ist, sondern auch in unregelmäßigen Abständen Betriebsausgaben notwendig werden können, die auch bei einer grundsätzlich gewinnbringenden selbstständigen Tätigkeit auf den Monat bezogen zu Verlusten führen können. Je nach Verteilung von Gewinnen und Verlusten über den Bewilligungszeitraum kann eine monatsweise Betrachtung auch bei insgesamt positiven Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit dazu führen, dass das Existenzminimum auf den Bewilligungszeitraum bezogen nicht gedeckt werden kann (so auch: SG Berlin, Urteil vom 20. Januar 2021 – S 123 AS 13858/17 –, juris Rn. 47; Schifferdecker, NZS 2021, 73).

 

Für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit waren gemäß § 3 Abs. 1 und 2 Alg II-V aF von den Betriebseinnahmen der Klägerin im Bewilligungszeitraum die in diesem Zeitraum geleisteten tatsächlichen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Maßgeblich war dabei der Zeitraum vom 01. Oktober 2018 bis zum 31. März 2019, welchen der Beklagte entsprechend der Regelung des § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II aF der vorläufigen Leistungsbewilligung zugrunde gelegt hatte. Dies ergibt sich aus § 3 Alg II-V aF, der ausdrücklich auf den Bewilligungszeitraum abstellt. Soweit § 3 Abs. 1 Satz 2 Alg II-V aF bezüglich des Bewilligungszeitraums auf § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II aF verwies, welcher in der ab dem 01. August 2016 geltenden Fassung des § 41 SGB II gar nicht mehr existierte, handelt es sich um ein redaktionelles Versehen, welches zum 01. März 2020 zu einer diesbezüglichen Anpassung der Verweisung auf die Regelung des § 41 Abs. 3 SGB II führte. Schon in dem hier streitigen Zeitraum war entsprechend der nachträglich erfolgten Klarstellung auf den der vorläufigen Bewilligung zugrunde liegenden Bewilligungszeitraum abzustellen (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Juli 2024 – L 7 AS 122/23 –, juris Rn. 26; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. November 2022 – L 12 AS 223/22 –, juris Rn. 39; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Februar 2021 – L 7 AS 992/20 –, juris; a.A.: Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 41 (Stand: 17.02.2025) Rn. 15 f.). Hiervon war auch nicht deshalb abzuweichen, weil die Klägerin im nachfolgenden Bewilligungszeitraum Betriebsausgaben tätigen musste, welche im Zusammenhang mit dem Auftrag standen, für welchen sie im März 2019 eine höhere Vorschusszahlung erhalten hatte und welche durch die Betriebseinnahmen des nachfolgenden Bewilligungszeitraums unter Umständen nicht gedeckt werden konnten. Eine nachträgliche Verlängerung des Bewilligungszeitraums aufgrund der ungünstigen Verteilung von Gewinnen und Verlusten sieht das Gesetz nicht vor.

 

Zu Recht hat der Beklagte die von der Klägerin im März 2018 angegebenen Investitionen in Höhe von 3.365,68 EUR sowie die Umsatzsteuerzahlung in Höhe von 419,84 EUR nicht als notwendige Betriebsausgaben berücksichtigt.

 

Hinsichtlich der Kameraausrüstung fand die diesbezügliche Abbuchung vom Konto der Klägerin in Höhe von 995,98 EUR erst am 01. April 2019 statt. Eine Berücksichtigung für den Monat März scheidet bereits aus diesem Grund aus. Hinsichtlich des von der Klägerin erworbenen o.g. Stiftcomputers konnte sich der Senat von der Notwendigkeit dieser Investition nicht überzeugen. Notwendig ist eine Ausgabe, die üblicherweise im Rahmen der selbständigen Tätigkeit anfällt und die auch ohne Leistungsbezug nach dem SGB II bei wirtschaftlichem Ausgabeverhalten getätigt worden wäre. Eine Notwendigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Geschäftsidee ohne den Gegenstand nicht umsetzen lässt oder der bereits bestehende Betrieb nicht fortgeführt werden kann (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. August 2022 – L 1 AS 401/18 –, juris Rn. 48 ff.). Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vollständig der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Kaufs für die Durchführung ihrer selbständigen Tätigkeit auf den Stiftcomputer angewiesen war. Die Rückgabe im Rahmen eines bestehenden Rückgaberechts spricht gegen die Notwendigkeit der Ausgabe, denn die Klägerin war offenbar selbst zu dem Schluss gekommen, auf das Gerät zur Ausübung ihrer selbstständigen Tätigkeit nicht angewiesen zu sein. Sie war auch mit dem im Mai 2019 erworbenen, deutlich günstigeren Grafik-Tablet in Kombination mit dem vorhandenen Macbook der Lage, ihre selbstständige Tätigkeit auszuüben. Erst im Jahr 2020, nach Beendigung der Hilfebedürftigkeit, ersetzte sie nach ihren eigenen Angaben das vorhandene Macbook durch einen aktuelleren Standcomputer. Anhaltspunkte dafür, dass der Austausch des Macbooks gegen einen aktuelleren Computer eigentlich schon im März 2019 zwingend notwendig gewesen wäre, sind für das Gericht nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin andere Anschaffungen gegenüber dem Beklagten in den mit der EKS eingereichten Erläuterungen näher begründet hat und gleichzeitig aufgrund einer im März zugeflossenen höheren Vorschusszahlung um eine gemeinsame Betrachtung des streitigen Zeitraums mit dem nachfolgenden Bewilligungszeitraum bat, hält der Senat es mit dem Beklagten zumindest nicht für ausgeschlossen, dass die Rückgabe des Stiftcomputers von vornherein beabsichtigt war und der Kauf der Verschiebung des Gewinns in den nachfolgenden Bewilligungszeitraum diente, um eine Unterdeckung des Existenzminimums in diesem Zeitraum zu vermeiden. Ob Aufwendungen für betriebsbedingte Käufe, die kurz nach der Anschaffung wieder rückabgewickelt werden, überhaupt im Rahmen des § 3 Abs. 2 und 3 Alg II-V aF als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, muss vor diesem Hintergrund vorliegend nicht entschieden werden. Dagegen spricht, dass Betriebseinnahmen im Rahmen der Gewinnermittlung stets zu berücksichtigen sind, während bei Betriebsausgaben nur bei Notwendigkeit abgesetzt werden dürfen. Dies kann bei Ausübung eines Widerrufsrechts zu unbilligen Ergebnissen führen, denn gerade in Fällen des Widerrufs eines Kaufvertrags wird es häufig an der Notwendigkeit der Ausgabe fehlen, die Berücksichtigung des Rückflusses als Einnahme ohne die Absetzung der Kaufpreiszahlung als notwendige Ausgabe führte aber zu unbilligen Ergebnissen. Die Berücksichtigung der Kaufpreiszahlung unabhängig von deren Notwendigkeit widerspräche aber der eindeutigen gesetzlichen Regelung und könnte zu einer leistungsmissbräuchlichen Verschiebung von Gewinnen in Zeiten ohne Leistungsbezug genutzt werden. Es spricht vor diesem Hintergrund einiges dafür, in diesen Fällen im Rahmen einer wertungsmäßigen Betrachtung zu berücksichtigen, dass es zu keiner endgültigen Vermögensverschiebung gekommen ist und unabhängig von der Notwendigkeit des entsprechenden Kaufs weder die Kaufpreiszahlung noch den zeitnahen Rückfluss im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen.

 

Hinsichtlich der in der EKS aufgeführten Umsatzsteuerzahlung ist eine Berücksichtigung nur möglich, sofern diese im Bewilligungszeitraum auch tatsächlich an das Finanzamt gezahlt wurde (BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R –, juris Rn. 31). Eine solche tatsächliche Zahlung konnte in den Kontoauszügen der Klägerin nicht festgestellt werden.

 

Zieht man von den Betriebseinnahmen in Höhe von 9.864,35 EUR die notwendigen Betriebsausgaben in Höhe von 3.433,43 EUR ab, ergibt sich ein Gesamteinkommen im Bewilligungszeitraum in Höhe von 6.430,92 EUR. Insofern waren von den geltend gemachten Betriebsausgaben in Höhe von 7.713,95 EUR die Investitionskosten in Höhe von 3.365,68 EUR und die Umsatzsteuerzahlung in Höhe von 419,84 EUR in Abzug zu bringen und die Personalkosten entsprechend der Angaben der Klägerin im Klageverfahren um 495,00 EUR (= 1.593,30 EUR – 1.098,30 EUR) zu korrigieren. An der Notwendigkeit der Übrigen von der Klägerin getätigten Betriebsausgaben hat der Senat keine Zweifel.

 

Durch Teilung des Gesamteinkommens durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V aF) ergibt sich ein monatlich zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 1.071,82 EUR, von welchem nach § 3 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V aF die Beträge nach § 11b SGB II aF abzusetzen sind.   

 

Nach Absetzung des Pauschbetrags von 100 EUR (§ 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II) sowie des Erwerbstätigenfreibetrags von 187,18 EUR (§ 11b Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 2 SGB II aF) verbleibt ein bedarfsminderndes Einkommen in Höhe von 784,64 EUR monatlich, welches dem nach § 41a Abs. 4 SGB II aF zu bildenden Durchschnittseinkommen entspricht und oberhalb des vom Beklagten berücksichtigten Einkommens liegt. Über weiteres Einkommen verfügte die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht.

 

Den Bedarf der Klägerin hat der Beklagte im Änderungsbescheid vom 07. Januar 2022 zutreffend im Zeitraum von Oktober 2018 bis Dezember 2018 mit 861,00 EUR und im Zeitraum von Januar 2019 bis März 2019 mit 869,00 EUR  berücksichtigt. Er setzt sich aus dem Regelbedarf nach § 20 SGB II und den tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) in Höhe von 445,00 EUR monatlich zusammen. Der Regelbedarf betrug bis Dezember 2018 416,00 EUR und ab Januar 2019 424,00 EUR.

 

Rechnet man hierauf das zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin an, ergibt sich für den Zeitraum Oktober 2018 bis Dezember 2018 ein monatlicher Leistungsanspruch in Höhe von 76,36 EUR und für den Zeitraum von Januar bis März 2019 ein monatlicher Leistungsanspruch in Höhe von 84,36 EUR.

 

Der Beklagte hat der Klägerin daher bereits zu hohe Leistungen bewilligt, was daraus resultiert, dass er im Änderungsbescheid vom 07. Januar 2022 Personalkosten in Höhe von 1.593,30 EUR zu Unrecht berücksichtigt hatte. Bereits im Rahmen der ursprünglichen endgültigen Leistungsfestsetzung hatte der Beklagte die von der Klägerin im Rahme der abschließenden EKS im Monat Oktober 2018 angegebenen Personalkosten in Höhe von 1.593,30 EUR vollständig berücksichtigt. Nachdem diese im erstinstanzlichen Klageverfahren angegeben hatte, dass die diesbezüglichen Angaben in der EKS fehlerhaft waren, da im Monat Oktober 2018 nur eine Teilzahlung in Höhe von 1.098,30 EUR getätigt wurde, berücksichtigte er im Rahmen des Änderungsbescheid vom 07. Januar 2022 diese irrtümlich als weitere Betriebsausgabe.

Auch der Erstattungsbescheid vom 07. Februar 2022 erweist sich als rechtmäßig. Die Klägerin hat gemäß § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II aF die zu viel erhaltenen vorläufigen Leistungen zu erstatten. Den diesbezüglichen Erstattungsbetrag hat der Beklagte zutreffend ermittelt.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 in Verbindung mit § 183 Satz 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

 

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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