I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger tragt die Kosten beider Rechtszüge.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1975 geborene Kläger stand zeitweise bei dem Jobcenter Frankfurt am Main im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Mit Schreiben vom 26. März 2020 legte der Kläger bei dem Beklagten eine Beschwerde nach Art. 77 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein mit der Begründung, das Jobcenter Frankfurt am Main habe sein Auskunftsersuchen vom 20. Februar 2020 nicht ausreichend beantwortet. Daraufhin forderte der Beklagte das Jobcenter Frankfurt am Main mit Schreiben vom 7. April 2020 zur Stellungnahme auf. Mit Schreiben vom 12. Mai 2020 teilte das Jobcenter Frankfurt am Main dem Beklagten mit, dass dem Kläger mit Schreiben vom 11. Mai 2020 sämtliche Daten im Sinne des Art. 15 DSGVO übermittelt worden seien.
Unter Hinweis auf diese Auskunft des Jobcenters Frankfurt am Main fragte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 26. Mai 2020 an, ob sich sein Begehren aufgrund der nunmehr erfolgten Auskunftserteilung erledigt habe. Eine Reaktion auf dieses Schreiben ist durch den Kläger nicht erfolgt.
Am 8. Juni 2020 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Köln Klage sowohl gegen den Beklagten (1. Beklagte) als auch gegen das Jobcenter Frankfurt am Main (2. Beklagter) erhoben und wörtlich beantragt, „der 1. Beklagte wird verurteilt die Eingaben des Klägers sachlich zu prüfen und förmlich zu bescheiden“.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Auffassung vertreten, dass die Klage bereits unzulässig sei, da die Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgrund der Sonderrechtszuweisung in § 81 a Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht zuständig sei. Die Klage sei zudem unbegründet, da der Beklagte keinerlei Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Hätte der Kläger dem Beklagten auf dessen Anfrage vom 26. Mai 2020 geantwortet, wäre der Beklagte der Beschwerde weiter nachgegangen.
Mit Beschluss vom 13. Juli 2020 hat das Verwaltungsgericht Köln das unter dem Aktenzeichen 13 K 2916/20 dort geführte Verfahren hinsichtlich des Beklagten zu 2. abgetrennt und das Verfahren gegen den Beklagten zu 1. (also den hiesigen Beklagten) an das Sozialgericht Köln verwiesen. Die dagegen vom Kläger erhobene Beschwerde wurde vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 19. April 2022 (Az.: 16 E 159/21) als unzulässig verworfen. Mit Beschluss vom 5. Juli 2022 hat das Sozialgericht Köln sich für örtlich unzuständig erklärt und das unter dem Aktenzeichen S 44 AS 86/21 dort geführte Verfahren an das Sozialgericht Frankfurt am Main verwiesen.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Frankfurt am Main sodann die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. Oktober 2022 abgewiesen.
Die Zulässigkeit des Sozialrechtswegs sei gemäß § 81a Abs. 1 S. 1 SGB X gegeben. Danach sei für Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und dem oder der Bundesbeauftragten oder der nach Landesrecht für die Kontrolle des Datenschutzes zuständigen Stelle gem. Artikel 78 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 aufgrund der Verarbeitung von Sozialdaten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Vorliegend handele es sich bei den streitgegenständlichen Daten um Daten im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit des Antragstellers und der Bearbeitung durch das Jobcenter und damit um Sozialdaten die im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG stehe.
Die Klage sei jedoch unzulässig.
Ungeachtet der Frage, ob die Klage bereits unzulässig sei, weil der Kläger seine zutreffende und insbesondere ladungsfähige Adresse nicht angegeben habe (vgl. hierzu Hessisches LSG, Beschluss vom 21. Juni 2021, Az. L 7 AS 177/21 B ER), sei der Antrag jedenfalls mangels eines erkennbaren Rechtschutzbedürfnisses unzulässig.
Sachentscheidungsvoraussetzung für jede Rechtsverfolgung sei das Vorhandensein eines Rechtsschutzbedürfnisses. Die Gerichte hätten die Aufgabe, den Bürgern und der Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit das notwendig sei. Soweit eine Möglichkeit bestehe, das Recht außerprozessual durchzusetzen, bestehe kein Anlass, die Hilfe des Gerichts zur Verfügung zu stellen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, vor § 51 Rn. 16/16 a).
Deswegen bestehe der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte unnütz oder gar unlauter in Anspruch nehmen oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausnutzen dürfe (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, vor § 51 Rn. 16/16a). Vorliegend habe der Kläger eine Entscheidung des Beklagten nicht abgewartet und stattdessen Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Denn der Beklagte habe den Kläger am 26. Mai 2020 unter Hinweis auf die Mitteilung des Jobcenters Frankfurt am Main, dem Kläger mit Schreiben vom 11. Mai 2020 sämtliche Daten im Sinne des Art. 15 DSGV übermittelt zu haben, angeschrieben und angefragt, ob sich dessen Beschwerde nunmehr erledigt habe. Eine Reaktion bzw. Antwort des Klägers an den Beklagten sei hierauf jedoch nicht erfolgt. Vielmehr habe der Kläger sodann am 8. Juni 2020 die hiesige Klage erhoben. Dem Kläger wäre es jedoch zumutbar gewesen, zunächst auf das Schreiben und die Anfrage des Beklagten vom 26. Mai 2020 zu reagieren und dessen Entscheidung abzuwarten. Durch den Abbruch der Kommunikation bzw. das Unterlassen einer Antwort auf das Schreiben des Beklagten vom 26. Mai 2020 habe der Kläger die Möglichkeit, zunächst im Beschwerdeverfahren vom Beklagten eine Entscheidung zu erhalten nicht ausgeschöpft. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich bei dem Begehren des Klägers um eine besonders dringliche Angelegenheit gehandelt habe und daher ausnahmsweise eine vorherige Entscheidung des Beklagten entbehrlich gewesen wäre.
Der Gerichtsbescheid vom 24. Oktober 2022 ist dem Kläger am 8. November 2022 zugestellt worden. Hiergegen hat der Kläger am 14. November 2022 bei dem Hessischen Landessozialgericht „das statthafte Rechtsmittel“ eingelegt. Die Entscheidungen erschöpften sich in ins Blaue hinein aufgestellten Spekulationen und seien sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht unvertretbar, insbesondere fehle die geforderte Sachentscheidung § 308 ZPO ganz. Zudem gehe er davon aus, dass der 7. Senat für Datenschutz nicht zuständig sei.
Einen konkreten Sachantrag hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht gestellt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Seiner Auffassung nach sei die Berufung bereits mangels ladungsfähiger Adresse, fehlender eigenhändiger Unterschrift des Klägers sowie fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. In jedem Fall sei sie jedoch unbegründet. Insoweit werde auf die Ausführungen in dem angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Oktober 2022 Bezug genommen.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 3. August 2023 die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter des 7. Senats übertragen. Zudem hat der Senat die Beteiligten auf eine mögliche Kostenpflichtigkeit des Verfahrens nach Maßgabe des § 197a SGG hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in der Besetzung mit nur einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden, da das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG entschieden hatte und die Berufung mit Beschluss des Senats vom 3. August 2023 auf den Berichterstatter übertragen wurde (vgl. § 153 Abs. 5 SGG). Die Entscheidung konnte auch in Abwesenheit der Beteiligten ergehen, da diese in der Ladung vom 23. August 2023 auf diese Möglichkeit ausdrücklich hingewiesen worden sind.
Sofern der Kläger lediglich „Rechtsmittel“ eingelegt hat, ist allein die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 24. Oktober 2022 das statthafte Rechtsmittel. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143, 144 SGG. Auch ist der 7. Senat für die Entscheidung in der Sache berufen. Dies ergibt sich explizit aus der klarstellenden Regelung in Ziffer 1 der „Ergänzenden Regelungen zum Geschäftsverteilungsplan“ des Hessischen Landessozialgerichts. Danach folgt die Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Bereich …u.a. des Datenschutzes nach §§ 81a, 81b SGB X der Zuständigkeit für die den einzelnen Senaten zugewiesenen Sachgebiete (sog. Annexzuständigkeit). Da der 7. Senat insbesondere für Streitsachen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende aus dem Sozialgerichtsbezirk Frankfurt am Main zuständig ist und sich das hier zugrundeliegende Auskunftsersuchen des Klägers gegen das Jobcenter Frankfurt am Main und seine dort gespeicherten Daten richtete, ist der 7. Senat folglich auch für eine sich daraus ergebende datenschutzrechtliche Streitigkeit nach §§ 81a, 81b SGB X zuständig. Die frühere ausdrücklich dem 6. Senats des Hessischen Landessozialgerichts übertragene Zuständigkeit für Streitsachen nach §§ 81a und 81b SGB X wurde bereits mit Beschluss des Präsidiums des Hessischen Landessozialgerichts vom 2. Dezember 2021 gestrichen.
Die insoweit zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage zu Recht und aus zutreffenden Gründen mit Gerichtsbescheid vom 24. Oktober 2022 abgewiesen. Der Senat schließt sich nach eigener Überzeugung den Ausführungen des Sozialgerichts Frankfurt am Main an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Auch der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren gibt zu einer anderen rechtlichen Bewertung keine Veranlassung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG. Der Senat kann insoweit auch die Kostenentscheidung des Sozialgerichts zu Ungunsten des Klägers ändern, denn das Verbot der reformatio in peius gilt hier nicht (BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 – B 10 LW 5/05 R –, BSGE 97, 153-158, SozR 4-1500 § 183 Nr 4, SozR 4-1930 § 116 Nr 4, SozR 4-1920 § 63 Nr 1, Rn 20; BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40). Die Beteiligten sind vor der Entscheidung auf die Möglichkeit der Kostenpflichtigkeit hingewiesen worden.
Die garantierte Kostenfreiheit des Beschwerdeverfahrens (Art 57 Abs. 3 DSGVO) gilt nach den Grundsätzen der DS-GVO nicht für das Gerichtsverfahren (Kühling/Buchner/Bergt DS-GVO, 3. Aufl 2020, Art 78 Rn 25). Für Streitigkeiten im Sinne des § 81a Abs. 1 SGB X ist mangels Vorhandenseins spezieller Regelungen vielmehr das SGG anzuwenden (§ 81a Abs. 2 SGB X). Nach § 197a Abs. 1 SGG sind Kosten nach dem GKG zu erheben und die §§ 154 bis 162 VwGO anzuwenden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zum Kreis der in § 183 SGG genannten Personen gehört. Dies ist hier der Fall. Nach Maßgabe des § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Vorliegend war der Kläger zwar Grundsicherungsempfänger, er klagt jedoch gerade nicht in dieser Eigenschaft, sondern richtet sich gegen den – nicht in einem Verhältnis als Leistungsträger zu ihm stehenden – beklagten Datenschutzbeauftragten. Auch in der Sache macht er keine Ansprüche aus seinem Sozialleistungsverhältnis geltend, sondern Ansprüche aus der DSGVO auf ein hoheitliches Einschreiten (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. November 2021 – L 1 SF 2777/21 DS; Schütze/Bieresborn, 9. Aufl 2020, SGB X § 81a Rn 23). Als unterliegendem Beteiligten waren ihm die Kosten beider Rechtszüge gemäß § 154 Abs. 1 und 2 VwGO aufzuerlegen.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 47 Abs. 1 und 2, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Mangels hinreichender Anhaltspunkte auf die wirtschaftliche Bedeutung des Streitgegenstandes für den Kläger, war der Auffangstreitwert von 5.000,- Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).