S 20 SO 26/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 26/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für die Installation eines neues Duschschlauches in Höhe von 40,00 EUR aus Mitteln der Sozialhilfe.

Die 1973 geborene Klägerin steht wegen einer psychischen Erkrankung unter gesetzlicher Betreuung; ein Einwilligungsvorbehalt besteht nicht. Sie ist als Schwerbehinderte anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 50 (ohne Nachteilsausgleichsmerkmale). Von der Deutschen Rentenversicherung Bund bezieht sie seit 01.08.2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, befristet bis 31.03.2010. Ergänzend hierzu erhielt sie seit dem 24.10.2008 vom Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Seit dem Sommersemester 2009 (Beginn: 01.04.2009) studiert die Klägerin Rechtswissenschaft an der Universität Köln.

Am 27.02.2009 beantragte sie die Übernahme der Kosten für die Reparatur/Erneuerung des Duschschlauches im Badezimmer. Sie legte hierzu eine Rechnung der Firma I. vom 26.02.2009 über 40,00 EUR für einen 1,60 m langen Metaflex-Duschschlauch und Arbeitslohn für 0,25 Arbeitsstunden.

Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 11.03.2009 ab mit der Begründung, der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhaltes mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung werde grundsätzlich nach den Regelsätzen erbracht; einmalige Beihilfen würden gem. § 31 SGB XII lediglich für die Erstausstattung von Wohnungen, die Erstausstattung für Bekleidung sowie für mehrtägige Klassenfahrten erbracht; über die genannten Ausnahmen hinaus würden grundsätzlich keine einmaligen Beihilfen gewährt; ein Teil des Regelsatzes sei anzusparen, um bei entstehendem Bedarf Anschaffungen oder Reparaturkosten bezahlen zu können.

Dagegen legte die Klägerin am 17.03.2009 Widerspruch ein: Sie haben keinen Schonbetrag mehr, aber ein dringendes Interesse daran, sich weiter ordentlich pflegen zu können; am Waschbecken sei das nicht mehr zeitgemäß; als erwerbslose Rentenbezieherin wolle sie auch duschen können.

Bereits am 29.03.2009 hat die Klägerin Klage erhoben, u.a. mit dem Begehren, die Kosten der Installation eines neuen Duschschlauches durch einen Installateur in Höhe von 40,00 EUR zu erstatten.

Der Beklagte hat den Widerspruch vom 17.03.2009 durch Widerspruchsbescheid vom 18.06.2009 zurückgewiesen.

Die Klägerin meint, ein Duschschlauch sei kein Sonderbedarf, sondern notwendig, um sich ordnungsgemäß regelmäßig pflegen zu können. Sie habe es geschafft anzusparen, andernfalls sie die 40,00 EUR der Installationsfirma nicht hätte bezahlen können. Sie fragt sich, warum Klassenfahrten, Bekleidung für Schwangere etc. mehr wert seien als funktionsfähige Duschvorrichtungen. Die Basispflege und der ordnungsgemäße Gebrauch des Badezimmers sei nur durch die Reparatur des Duschschlauches möglich geworden. Sie beanspruche die Badezimmerreparatur nicht vom Vermieter, sondern vom Beklagten; es werde ein soziales Recht in Anspruch genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.03.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2009 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Installation eines neuen Duschschlauches in Höhe von 40,00 EUR zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er weist daraufhin, dass der Duschschlauch am 27.02.2009, als die Klägerin die Übernahme der Kosten seiner Erneuerung beantragt habe, bereits ausgetauscht und die Rechnung von der Klägerin ausgeglichen worden sei. Der Bedarf - neuer Duschschlauch - sei also bei Antragstellung bereits gedeckt gewesen; als Hilfe in einer gegenwärtigen Notlage sei Sozialhilfe nach Wegfall der Notlage grundsätzlich ausgeschlossen und zwar auch dann, wenn der Hilfsbedürftige die Notlage z.B. durch Verzicht bewältigt habe. Darüber hinaus vertritt der Beklagte die Auffassung, die Anschaffung eines neuen Duschschlauches gehöre zum notwendigen Lebensunterhalt, der durch den pauschalen Regelsatz gesichert werde; es bestehe daher kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für den neuen Duschschlauch aus Sozialhilfemitteln. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichts-akte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Zum Zeitpunkt ihrer Erhebung war die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unzulässig, weil das erforderliche Vorverfahren noch nicht abgeschlossen war (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2009 ist die Klage zulässig geworden.

Die Klage ist zurecht gegen den Oberbürgermeister der Stadt Aachen gerichtet, denn dieser ist beteiligtenfähig im Sinne von § 70 Nr. 3 SGG. Soweit der 9. Senat des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Urteil vom 19.03.2009 (L 9 SO 9/07) diese Auffassung der Kammer "in Ermangelung abweichender Vorschriften im Sinne des § 70 Nr. 3 SGG" für "unzutreffend" und deshalb allein die Stadt selbst gem. § 70 Nr. 1 SGG für den richtigen Beklagten hält, hat er offenbar die Vorschrift des § 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGG im Lande NRW (AG-SGG NRW) vom 08.12.1953 (GVBl. NRW 1953, 412), zuletzt geändert durch Art. II des Gesetzes vom 28.10.2008 (GVBl. NRW 2008, 646), übersehen. Die Vorschrift lautet: "Behörden sind fähig, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein." Die Stadt Aachen ist als kreisfreie Stadt der zuständige örtliche Träger der Sozialhilfe (vgl. §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 1 des Landesausführungsgesetzes zum SGB XII für das Land NRW vom 16.12.2004 (GVBl. 2004, 816). Für diese handelt der Oberbürgermeister als beteiligtenfähige Behörde (BSG, Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 8/06 R in Bezug auf den Bürgermeister der Stadt Düren; Urteil vom 18.03.2008 - B 8/9b SO 11/06 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Remscheid; Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 16/07 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Essen; Urteil vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 18/07 R in Bezug auf den Oberbürgermeister der Stadt Aachen; Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R in Bezug auf den Landrat des Kreises Herford).

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 3 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Installation eines neuen Duschschlauches in Höhe von 40,00 EUR aus Mitteln der Sozialhilfe. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB XII umfasst der notwendige Lebensunterhalt u.a. Körperpflege und Hausrat. Mit Ausnahme für Leistungen für Unterkunft und Heizungen und der Sonderbedarfe nach den §§ 30-34 wird der gesamte Bedarf des Lebensunterhaltes nach Regelsätzen erbracht (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Kosten für die Erneuerung eines Duschschlauches stellen keinen Sonderbedarf dar; das ist auch die Auffassung der Klägerin. Insbesondere können diese Kosten nicht aus Mitteln für einmalige Bedarfe nach § 31 Abs. 1 SGB XII gedeckt werden.

Die Kosten für die Erneuerung eines Duschschlauches gehören zum notwendigen Lebensunterhalt, der durch die Regelsätze gedeckt ist. Der Regelsatz ist so bemessen, dass daraus auch Ansparungen für Neuanschaffungen und Reparaturen möglich sind. Dies gilt insbesondere für derart geringe Kosten, wie sie hier angefallen sind. Die Klägerin hat selbst dargelegt, dass sie in der Lage war Geld anzusparen, um die Reparatur durchführen zu können. Ist der Bedarf somit aus Ansparmitteln gedeckt worden, besteht kein darüber hinaus gehender Sozialhilfeanspruch auf Erstattung der Kosten.

Einem solchen Anspruch steht auch entgegen, dass die Klägerin die Erstattung zu einem Zeitpunkt beantragt hat, als der Bedarf bereits aus eigenen Mitteln gedeckt war. Zu den materiellen Voraussetzungen eines Sozialhilfeanspruchs gehört regelmäßig das (Fort-)Bestehen einer tatsächlichen, gegenwärtigen Notlage (Bedarfsdeckungsgrundsatz/Gegenwärtigkeitsprinzip). Diese bestand zum Zeitpunkt der Antragstellung am 27.02.2009 nicht mehr; der Duschschlauch war bereits installiert und bezahlt.

Des Weiteren steht dem mit der Klage verfolgten Anspruch der in § 2 Abs. 1 SGB XII normierte Nachranggrundsatz entgegen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Leistung von anderen erhält. Die Klägerin hätte die Erneuerung des Duschschlauches, wenn dieser nicht mehr gebrauchsfähig war, vom Vermieter verlangen können. Denn dieser hat grundsätzlich einen Mangel der Mietsache auf Anzeige des Mieters hin zu beheben (vgl. § 536 c BGB). Im Übrigen steht der Höhe des geltend gemachten Anspruchs entgegen, dass für die Erneuerung eines Duschschlauches keine Kosten von 40,00 EUR notwendig waren. Die Kosten für den Duschschlauch selbst liegen weiter unter 40,00 EUR; bei "ALDI" ist ein Duschschlauch für 3,99 EUR zu haben (vgl. &7776;ortimentskatalog ALDI Süd vom 29.06.2009). Zur Installation eines Duschschlauches ist es in aller Regel nicht notwendig, einen Installateur zu beauftragen; der Wechsel eines Duschschlauches kann im allgemeinen von durchschnittlich begabten Laien - zu denen die Klägerin als Jurastudentin gehören dürfte - mit einfachen Handgriffen (und meist auch ohne Werkzeug) selbst durchgeführt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kammer hat keine Veranlassung gesehen, die gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG unstatthafte Berufung zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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