L 12 AS 15/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 126/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 15/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 45/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Versagung der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an den Kläger.

Der 1972 geborene Kläger ist Kirchenmusiker und lebt gemeinsam mit seinem 1936 geborenen Vater in dessen Wohnung. Der Vater ist Rentner und bezieht ergänzende Leistungen nach dem SGB XII.

Das letzte Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Firma D Services endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung im April 2006. Am 17.05.2006 stellte der Kläger daraufhin einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bei der Beklagten. Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 17.05.2006 auf, eine Vielzahl im Einzelnen benannter Unterlagen zur Prüfung des gestellten Antrags vorzulegen.

Mit Schreiben vom 22.05.2006 brachte der Kläger daraufhin verschiedene Unterlagen bei, unter anderem Verdienstabrechnungen der Krankenanstalt N für den Zeitraum Januar bis März 2006, Verdienstbescheinigungen des Kirchenkreises B für den Zeitraum Februar 2006 bis April 2006, einzelne, nicht fortlaufende Kontoauszugsblätter aus dem Zeitraum von März 2006 bis Mai 2006, sowie schließlich einen Wohngeldbescheid der Stadt T vom 13.02.2006, gerichtet an seinen Vater.

Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 22.06.2006 erneut zur Vorlage noch fehlender Unterlagen auf. Angemahnt wurden insbesondere vollständige und fortlaufende Kontoauszüge der letzten sechs Monate, die Vorlage eines Mietvertrages und einer Mietbescheinigung, ein Nachweis der Mietzahlungen der letzten drei Monate sowie ein Nachweis der Eigenbemühungen um Arbeit. Zugleich wies die Beklagte den Kläger auf seine Mitwirkungspflichten nach § 60 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) sowie die Möglichkeit einer Versagung der beantragten Leistungen gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I hin.

Mit Schreiben vom 23.06.2006 legte der Vater des Klägers als dessen Bevollmächtigter eine eidesstattliche Versicherung über die Höhe der Unterkunftskosten und den vom Kläger zu tragenden Anteil vor und erklärte im Übrigen, sein Sohn werde keine weiteren Unterlagen beibringen.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 30.06.2006 den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab und stützte sich hierbei auf § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 10.07.2006 Widerspruch. Parallel hierzu stellte der Kläger beim Sozialgericht Köln einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, der mit Beschluss vom 14.09.2006 - S 11 AS 162/06 ER - abgelehnt wurde. Im Zuge der dortigen Auseinandersetzung bot die Beklagte mehrfach an, der Kläger könne zunächst Kontoauszüge für drei Monate vorlegen. Ob zur Aufklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sodann die Vorlage weiterer Unterlagen erforderlich sei, könne anschließend verlässlich entschieden werden. Die gegen den ablehnenden Beschluss eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 04.12.2006 - L 9 B 117/06 AS ER - zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2007 wies die Beklagte anschließend den Widerspruch des Klägers zurück. Nach Maßgabe der im Eilverfahren zum Ausdruck gekommenen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bestehe der Ablehnungsgrund des § 66 Abs. 1 SGB I fort.

Hiergegen richtet sich die am 11.04.2007 bei dem Sozialgericht Köln eingegangene Klage.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, alle für die Leistungsgewährung erheblichen Tatsachen seien im Leistungsantrag angegeben worden. Er sei frei darin, wie er den Nachweis seiner Bedürftigkeit erbringe. Zurückliegende Kontobewegungen könnten nichts an seiner aktuellen Bedarfslage ändern. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Leistungsmissbrauch durch ihn. Er könne keine Mietbescheinigung vorlegen, da allein sein Vater Partei des Mietvertrages sei. Eine Vorlage des Mietvertrages sei auch nicht erforderlich, da die Beklagte die Möglichkeit habe, Einsicht in die Grundsicherungsakte und die Wohngeldakte des Vaters zu nehmen. Ferner nehme er Bezug auf einen Vergleich, den sein Vater im März 2005 vor dem Sozialgericht Köln mit der Stadt Schleiden geschlossen habe, wonach sich die Stadt T bei der Prüfung von Folgeanträgen auf Leistungen der Grundsicherung wegen Alters verpflichtet habe, die Vorlage von Kontoauszügen nur dann zu verlangen, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Änderung der Einkommens- oder Vermögensverhältnisse bestehen. Schließlich habe das Landessozialgericht Hessen in einem Präzedenzverfahren mit Beschluss vom 22.08.2005 - L 7 AS 32/05 ER - die verdachtsunabhängige Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen verneint.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 30.06.2006 in der Gestalt des Wider spruchsbescheides vom 15.03.2007 aufzuheben und die Beklagte zu ver urteilen, ihm ab 19.05.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, dass die angeforderten Unterlagen nach wie vor nicht vorgelegt seien. Darüber hinaus sei zwischenzeitlich die Hilfebedürftigkeit des Klägers schon deshalb fraglich, weil nicht ersichtlich sei, wovon dieser seit Antragstellung im Mai 2006 lebe.

Mit Urteil vom 15.02.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die Klage bereits unzulässig sei, soweit der Kläger neben der Aufhebung des Bescheides vom 30.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2007 beantrage, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab Antragstellung Leistungen nach dem SGB II zu zahlen. Versage die Behörde auf Grundlage des § 66 SGB I die beantragten Leistungen, so enthalte der entsprechende Bescheid keine Entscheidung der Behörde in der Sache selbst. Es entspreche daher ständiger Rechtsprechung, dass der Bescheid nach § 66 SGB I in der Regel allein mit der Anfechtungsklage, nicht aber mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen werden könne.

Im Übrigen sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II zu Recht gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I abgelehnt. Denn der Kläger sei seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I nicht in erforderlichem Umfang nachgekommen. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I habe derjenige, der Sozialleistungen beantrage, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. Beweisurkunden in diesem Sinne seien auch die von der Beklagten verlangten vollständigen Kontoauszüge der letzten sechs Monate vor Antragstellung sowie der Mietvertrag und eine Mietbescheinigung.

Die genannten Unterlagen seien auch erforderlich, um den Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II bescheiden zu können. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II könnten nur gewährt werden, wenn die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 9 SGB II feststehe. Hilfebedürftigkeit in diesem Sinne könne insbesondere bei selbstständig oder freiberuflich tätigen Antragstellern nur dann zuverlässig festgestellt werden, wenn Einsicht in die vollständigen und ungeschwärzten Kontoauszüge der zurückliegenden Monate genommen werde. Nur so könne die Beklagte überprüfen, ob der Kläger Zuwendungen Dritter erhalten oder Aufwendungen getätigt habe, die auf einen Nebenerwerb hindeuten. Auch habe die Beklagte nur bei Vorlage der Kontoauszüge für die Zeit vor dem Beginn des Leistungsbezuges die Möglichkeit zu überprüfen zu, ob die Voraussetzungen des § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II vorlägen, d. h. ob der Hilfebedürftige sein Einkommen oder Vermögen in der Absicht gemindert habe, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistungen nach dem SGB II herbeizuführen.

Wollte man die Beklagte darauf verweisen, den Angaben der Arbeitssuchenden ohne Nachweise zu vertrauen, wäre ein Leistungsmissbrauch nicht auszuschließen. Aus diesem Grund könne die Vorlage der letzten Kontoauszüge entgegen der Auffassung des Klägers auch dann verlangt werden, wenn keine Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch im konkreten Einzelfall gegeben seien.

Die Beklagte müsse insofern auch die Regelungen zur Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit nach § 2 a der Arbeitslosengeld II / Sozialgeld-Verordnung a. F. (Alg ll-V) beachten. Danach sei Grundlage für die Berücksichtigung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit das Einkommen aus dem Kalenderjahr, in dem der Bewilligungsabschnitt liege. Die Beklagte habe insofern vergangeheitsbezogene Ermittlungen zur Höhe des Einkommens des Klägers aus seinen selbstständigen Tätigkeiten als Kirchenmusiker anzustellen gehabt.

Auch der von der Beklagten angeforderte Mietvertrag bzw. eine Mietbescheinigung sei nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I vorzulegen. Allein aus diesen Dokumenten ergebe sich zuverlässig die Höhe der Miete und der Nebenkostenabschläge. Die Beklagte müsse sich insoweit nicht auf die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen verweisen lassen.

Der Kläger könne auch nicht einwenden, dass ihm die Erfüllung der vorgenannten Mitwirkungspflichten gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 SGB I nicht zugemutet werden könne. In Anbetracht des engen Verhältnisses zwischen dem Kläger und seinem mit ihm zusammen lebenden Vater, der im Verfahren als Prozessbevollmächtigter aufgetreten sei, könne die Einlassung des Klägers, ihm sei eine Vorlage des Mietvertrages nicht möglich, nicht nachvollzogen werden.

Auch sei die Verpflichtung des Klägers zur Vorlage der genannten Unterlagen nicht gem. § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I ausgeschlossen. Danach bestehe die Mitwirkungspflicht nicht, wenn der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen könne. Soweit der Kläger die Beklagte auf eine Einsichtnahme in die Wohngeldakten sowie die Grundsicherungsakten seines Vaters verweise, sei eine entsprechende Vorgehensweise für die Beklagte mit einem deutlichen höheren Verwaltungsaufwand verbunden. Eine entsprechende Vorgehensweise stimme zudem nicht mit dem in § 67 a Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) enthaltenen Grundsatz überein, dass Sozialdaten beim Betroffenen zu erheben sind und nur in Ausnahmefällen ohne seine Mitwirkung erhoben werden können, wenn die Ermittlung bei ihm zu unverhältnismäßigem Aufwand führe und trotz fehlender Beteiligung des Betroffenen nicht zu befürchten sei, dass dessen schutzwürdige Interessen betroffen seien. Hinzu komme, dass eine entsprechende Akteneinsicht durch die Beklagte deutlich stärker in das Persönlichkeitsrecht des an dem hier streitigen Sozialrechtsverhältnis nicht beteiligten Vaters des Klägers eingreife als die bloße Vorlage des Mietvertrages.

Auch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten bestünden keine Bedenken gegen eine Pflicht des Klägers zur Vorlage der Kontoauszüge sowie des Mietvertrages oder einer Mietbescheinigung. Die Vorlage der genannten Unterlagen sei erforderlich und geeignet, die Hilfebedürftigkeit des Klägers feststellen zu können. Die Berechtigung zur Erhebung dieser Daten ergebe sich damit aus § 67 a Abs. 1 SGB X. Die Zulässigkeit der Verarbeitung und Nutzung dieser Daten folge aus § 67 b Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 67 c Abs. 1 S. 1 SGB X.

Das Auskunftsverlangen der Beklagten verletze auch nicht das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Das Interesse des Klägers am Schutz seiner persönlichen wirtschaftlichen Daten trete insoweit hinter dem öffentlichen Interesse, die steuerfinanzierten Leistungen des SGB II nur solchen Personen zu gewähren, die tatsächlich hilfebedürftig sind, zurück.

Die Beklagte habe ferner die aus § 66 Abs. 3 SGB I folgenden formellen Voraussetzungen der Versagung einer Leistung wegen fehlender Mitwirkung gewahrt. Nach § 66 Abs. 3 SGB I dürfe eine Versagung wegen fehlender Mitwirkung nur erfolgen, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden und seiner Mitwirkungs- pflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen sei. Mit Schreiben vom 22. Juni 2006 habe die Beklagte den Kläger zum wiederholten Mal zur Vorlage der noch ausstehenden Unterlagen aufgefordert, hierfür eine Frist bis 30.06.2006 gesetzt und auf die Rechtsfolge des § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I hingewiesen. Bei Erlass des versagenden Bescheides am 30.06.2006 seien die Anhörungsrechte des Klägers somit hinreichend gewahrt worden.

Schließlich könne sich der Kläger nicht auf einen Vergleich berufen, den sein Vater im März 2005 mit der Stadt T geschlossen habe. Dies folge schon daraus, dass weder der Kläger noch die Beklagte Partei des Vergleichsvertrages geworden seien.

Das Urteil ist dem Kläger am 25.02.2008 zugestellt worden. Hiergegen hat dieser am 20.03.2008 Berufung eingelegt.

Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, dass die angegriffene Entscheidung von einer falschen Voraussetzung ausgehe. Seine Tätigkeit als Kirchenmusiker stelle eine abhängige Beschäftigung dar. Deshalb stelle er auch keine Rechnungen. Die einzelnen erbrachten Leistungen würden vielmehr in eine Auszahlungsanweisung eingetragen, von der örtlichen Kirchenleitung gegengezeichnet und dann vom zuständigen Verwaltungsamt ausgezahlt. Aus den vorgelegten Abrechnungen der Kirchenkreise C und B und der Krankenanstalt N hätten sich in Zusammenschau mit den vorgelegten Kontoauszügen seine Einkünfte in ausreichendem Maße nachvollziehen lassen.

Was die Frage angehe, ob er vor Antragstellung möglicherweise seine Bedürftigkeit herbeigeführt habe, reichten die vorgelegten Kontoauszüge der letzten drei Monate aus. Im übrigen könne er seine Bedürftigkeit auch auf andere Weise als durch Vorlage von Kontoauszügen nachweisen. Dies ergebe sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung BVerfGE 65, 1ff ausgestaltet habe. Soweit der Senat auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 - Bezug nehme, sei diese unbeachtlich. Es handele sich um eine Einzelfallentscheidung, welche ihrerseits gegen die die Entscheidung des BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - verstoße. Die Anforderung der Kontoauszüge diffamiere ihn, da er unter Generalverdacht gestellt werde. Die Berufung könne schon deshalb nicht zurückgenommen werden, weil dann rechtskräftig feststehe, dass die Beklagte ihm die Vorlage eines Mietvertrages abverlangen könne, den er gar nicht habe. Die Vorlage des Mietvertrages des Vaters sei mehrfach angeboten worden. Die zuständige Sachbearbeiterin habe daran aber kein Interesse gezeigt.

Es sei schließlich sehr wohl zulässig, unmittelbar in Zusammenhang mit der Anfechtung der Versagungsentscheidung der Beklagten auf Gewährung von Leistungen zu klagen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.02.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2007 zu verurteilen, ihm ab 17.05.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung, deren Begründung sie sich zu eigen macht.

In einem am 03.06.2009 eingeleiteten zweitinstanzlichen Eilverfahren hat der Kläger ab 01.06.2009 bis zur Entscheidung über die Berufung eine einstweilige monatliche Leistung von 427,17 EUR begehrt.

Er verfüge über monatliche Einkünfte von 112,50 EUR von der N GmbH A. Zusätzlich verdiene er mit Orgelunterricht ca. 51,25 EUR und mit Hausmeistertätigkeit ca. 50,00 EUR. Hinzu träten 102,00 EUR Wohngeld. Diesem Einkommen von 315,75 EUR seien die Regelleistung von 351 EUR sowie die auf ihn entfallenden Kosten der Unterkunft von 219,43 EUR zzgl. Heizkosten von 28,85 EUR sowie ein Krankenversicherungsbeitrag von 143,64 EUR entgegen zu stellen. Hieraus ergebe sich der geltend gemachte Bedarf.

Die vorstehenden Einkünfte und die Höhe der Kosten der Unterkunft hat der Kläger eidesstattlich versichert. In der gleichen Erklärung hat er ausgeführt, dass er aus dem Rechts-streit mit der Firma D eine Abfindung von 1.000 EUR und aus dem ebenfalls im April 2006 beendeten freien Mitarbeiterverhältnis bei der Evangelischen Kirchengemeinde S eine Abfindung von 6.000 EUR erhalten habe. Diese Beträge seien allerdings inzwischen aufgebraucht.

In einem am 05.08.2009 durchgeführten Erörterungstermin hat der Kläger mitgeteilt, dass er für die Zeit ab 01.06.2006 für ein Jahr Arbeitslosengeld I bezogen habe. Die Beteiligten haben im Termin eine einstweilige Leistungserbringung ab 03.06.2009 auf der Grundlage von durchschnittlichen Einkünften in Höhe von 320 EUR und Kosten der Unterkunft in der durch den Kläger angegebenen Höhe vereinbart. Der Kläger hat versprochen, sein Einkommen für den Zeitraum ab Mai 2006 zu dokumentieren und Kontoauszüge jedenfalls insoweit vorzulegen, als darin Einkommenszuflüsse enthalten sind.

Im Zuge des Prozesskostenhilfeverfahrens hat der Kläger sodann seine Einkünfte für das Jahr 2009 tabellarisch dargestellt, sowie u.a. Lohnbescheinigungen der Krankenanstalten N, den Bewilligungsbescheid für Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.06.2006 bis 31.05.2007 und die Kopien zweier Kontoauszüge (31.10.2009 und 28.11.2009) vorgelegt. Das Arbeitslosengeld betrug monatlich 202,80 EUR. Mit Bescheid vom 31.08.2009 hat die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 03.06.2009 bis 30.11.2009 endgültig Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines monatlichen Einkommens von 320 EUR bewilligt. Mit Bescheid vom 26.11.2009 sind auch für den darauf folgenden Bewilligungszeitraum vom 01.12.2009 bis 31.05.2010 Leistungen endgültig bewilligt worden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der Verfahrensakten L 20 B 19/09 SO ER und L 9 B 117/06 AS ER des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, die ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die angegriffene Versagungsentscheidung ist durch die unbedingte Leistungsgewährung der Beklagten an den Kläger ab 03.06.2009 begrenzt und damit konkludent ab diesem Zeitpunkt aufgehoben worden. Insoweit ist der Kläger durch die angegriffenen Bescheide nicht mehr im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert.

Die im übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Senat nimmt zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Prüfung im Wesentlichen zu eigen macht.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Versagungsentscheidung der Beklagten auch nicht vor dem Hintergrund zu beanstanden ist, dass die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit als Kirchenmusiker möglicherweise als abhängige Beschäftigung ausgeübt wurde.

Das vom Sozialgericht festgestellte Erfordernis der Bestimmung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ist nicht der alleine tragende Grund für die Rechtmäßigkeit der Versagungsentscheidung.

Vielmehr ist es generell nicht zu beanstanden, dass die zuständige Behörde von dem Hilfesuchenden lückenlose Kontoauszüge für die Vergangenheit anfordert. In seiner Entscheidung vom 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 -, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, hat das Bundessozialgericht die Anforderung von Kontoauszügen jedenfalls für die letzten drei Monate vor Antragstellung als zumutbar im Sinne des § 65 SGB I erachtet. Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass es der Behörde möglich sein muss, die Voraussetzungen der Sanktionsvorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II zu prüfen, d. h. ob der Hilfebedürftige sein Einkommen oder Vermögen in der Absicht gemindert hat, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistungen nach dem SGB II herbeizuführen. Ebenso wichtig ist die Möglichkeit zu erkennen, ob vor Antragstellung regelmäßige Einnahmen zugeflossen sind. Deren Wegfall zum Zeitpunkt der Antragstellung ist ggf. sodann erläuterungsbedürftig. Eine solche Prüfung setzt den einzelnen Betroffenen nicht dem Generalverdacht strafbarer Handlungen aus, sondern ist Ausdruck des Gebots eines wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit steuerfinanzierten Leistungen. Von daher kann der Entscheidung des Bundessozialgerichts auch nicht mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - entgegen getreten werden. Durch die Anforderung von Kontoauszügen für die Vergangenheit wird dem Betroffenen nicht ein in der Vergangenheit an den Tag gelegtes Fehlverhalten entgegen gehalten, um sodann allein hierauf gestützt die gegenwärtige Bedürftigkeit zu verneinen. Die Einsichtnahme in die Kontoauszüge ist vielmehr nur ein Teil der erforderlichen Ermittlungen, welcher anschließend ggf. Ansatzpunkte für weitere Nachfragen bietet.

In diesem Zusammenhang erachtet es der Senat als im Sinne des § 65 SGB I zumutbar, dass die Beklagte dem Kläger zunächst die Vorlage der Kontoauszüge für die letzten sechs Monate abverlangt und hierbei Hinweise über mögliche Einschränkungen der Vorlagepflicht nicht erteilt hat.

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 19.09.2008 darauf hingewiesen, dass die Adressaten etwaiger Zahlungsabgänge geschwärzt werden können. Hierdurch soll verhindert werden, dass der Betroffene beispielsweise eine Parteizugehörigkeit aufdecken muss. In zeitlicher Hinsicht ist offen gelassen worden, ob eine Vorlage von Kontoauszügen für die letzten 12 Monate abverlangt werden kann. Jedenfalls kann eine Vorlage für die Vergangenheit nicht unbegrenzt verlangt werden.

Diese Vorgaben sind gewahrt.

Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Vorlagepflicht ist dem Kläger zumutbar, in einen Dialog mit der Beklagten einzutreten und auf eine Konkretisierung der Verpflichtung zu drängen, wenn er dazu einen konkreten Anlass sieht. Erst die konkrete Weigerung der Beklagten, hierauf einzugehen, würde die Grenze des Zulässigen überschreiten.

Bezüglich des zeitlichen Umfangs der Vorlagepflicht ist festzustellen, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt aus einer Vielzahl kleinerer Beschäftigungen und Tätigkeiten bestritten hat. Um sich ein ausreichendes Bild von dieser Erwerbstätigkeit zu machen und die zur Leistungsanstragstellung führenden Veränderungen nachvollziehen zu können, ist eine Verpflichtung zur Vorlage von Auszügen für die zurückliegenden sechs Monate grundsätzlich nicht zu beanstanden. Es muss der Beklagten möglich sein, der Frage erst einmal ansatzweise nachzugehen, ob der Kläger möglicherweise neben seinen abhängigen geringfügigen Beschäftigungen auch selbständige Tätigkeiten mit gewisser Regelmäßigkeit verrichtet. In Betracht kommt hier z.B. die zwischenzeitlich vorgetragene Erbringung von Orgelunterricht. Dies kann als Tätigkeit eines selbständigen Lehrers gewertet werden. Zudem ist das Verhalten der Beklagten im Eilverfahren vor dem 9. Senat des LSG NRW - L 9 B 117/06 AS ER - zu berücksichtigen. Dort hat die Beklagte eingeräumt, der Kläger könne statt der zunächst geforderten sechs Monate erst einmal nur Auszüge der letzten drei Monate vorzulegen. Anschließend könnten ggf. weitere Nachfragen erfolgen. Dass die Beklagte sich bereit erklärt hat, in einen Dialog über die Vorlagepflicht einzutreten, spricht zusätzlich für die Zumutbarkeit des dem Kläger abverlangten Verhaltens.

Auch die übrigen Voraussetzungen der Versagungsentscheidung liegen vor.

Die Leistungsvorausetzungen waren nicht im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 a.E. SGB I bereits ohne die abverlangte Mitwirkungshandlung des Klägers nachgewiesen. Dass der Kläger zumindest einen Teil seiner Einkünfte durch Vorlage von Verdienstbescheinigungen dokumentiert hat, ändert an dieser Feststellung nichts. Es bedurfte aus zutreffender Sicht der Beklagten gerade der Vorlage der Kontoauszüge. Nur auf diesem Wege konnte sie sich in objektivierbarer Weise vergewissern, dass die vorgelegten Unterlagen vollständig waren. Dass die Beklagte sich aus dem Eindruck des Erörterungstermins vom 05.08.2009 heraus darauf eingelassen hat, Leistungen ab 03.06.2009 zu gewähren, ist insoweit unbeachtlich. Die Leistungsgewährung im Eilverfahren im Wege eines Vergleichs war Ausdruck dessen, dass dem Kläger ein Verbrauch der zwischenzeitlich zugeflossenen Abfindungen geglaubt wurde. Unter Zurückstellung von Bedenken wurde zur Sicherstellung des laufenden Lebensunterhalts ein durchschnittliches Einkommen nach Maßgabe der schriftlichen Aufstellung der Einkünfte des Klägers für 2009 zugrunde gelegt. Eine Einigung auf unsicherer Tatsachengrundlage vermag einen Nachweis der Leistungsvoraussetzungen für die hier noch streitige Zeit bis 03.06.2009 nicht zu ersetzen.

Der Kläger hat die Mitwirkungshandlung, d.h. die Vorlage der Kontoauszüge, auch nicht bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz nachgeholt. Die fortwährende Verletzung dieses Bestandteils seiner Mitwirkungspflichten rechtfertigt bereits die Geltung der Versagungsentscheidung bis zur Aufnahme der Leistungsgewährung ab 03.06.2009. Ob die übrigen dem Kläger mit der ursprünglichen Anforderung abverlangten Unterlagen und Handlungen ihrerseits eine Versagungsentscheidung tragen könnten, braucht nicht geprüft zu werden. Soweit hierin unzumutbare oder unsachliche Anforderungen enthalten waren, hätte der Kläger sich nur dann erfolgreich hiergegen verteidigen können, wenn er die übrigen - zumutbaren - Anforderungen erfüllt hätte.

Schließlich ist auch die bei der Versagungsentscheidung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I erforderliche Ermessensausübung der Beklagten nicht zu beanstanden. Zwar sind die Ausführungen zur Ermessensentscheidung knapp gehalten. Die Beklagte hat aber ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass ihr das eingeräumte Ermessen bewusst war und sie sich in Abwägung des klägerischen Begehrens und der unklaren Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers gegen eine Leistungsgewährung entschieden hat.

Schon aufgrund der Rechtmäßigkeit der Versagungsentscheidung konnte der Kläger mit seinem Leistungsantrag nicht durchdringen. Inwieweit ein solcher Antrag überhaupt neben der Anfechtung einer Versagungsentscheidung zulässig ist, brauchte daher nicht geprüft zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved