S 18 AS 168/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 168/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 09.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2009 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides betreffend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Monat Mai 2009 streitig.

Die 1949 geborene Klägerin stand jedenfalls seit Dezember 2007 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II bei der Beklagten. Nachdem sie zunächst einer Tätigkeit als Honorarkraft für die B, H nachgegangen war, nahm die Klägerin ab 1. August 2008 eine auf ein Jahr befristete Tätigkeit bei der B, H als pädagogische Mitarbeiterin auf. Sie war zu diesem Zeitpunkt Eigentümerin eines PKW der Marke Ford Fiesta, Baujahr 1994. Über weitere Vermögenswerte verfügte die Klägerin nicht.

Mit Bescheid vom 12.11.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum vom 01.12.2008 bis zum 31.05.2009. Der Bewilligungsbescheid enthielt den Zusatz, dass die Bewilligung für den vorgenannten Bewilligungszeitraum vorläufig erfolgt. Mit dem vorgenannten Bescheid bewilligte die Beklagte der Klägerin monatlich Leistungen von insgesamt 147,65 EURO Kosten der Unterkunft und Heizung. Unter dem 10.12.2008 erging seitens der Beklagten ein Änderungsbescheid mit dem für die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.05.2009 weiterhin 147,65 EURO monatlich als Leistungen nach dem SGB II für die Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen einer vorläufigen Bewilligung gewährt wurden. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 16.01.2009 änderte die Beklagte die vorläufige Bewilligung dahingehend ab, dass der Klägerin für den Monat Januar 2009 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 95,83 EURO Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt wurden. Für die Monate vom 01.02.2009 bis zum 31.05.2009 änderte die Beklagte die Bewilligung dahingehend ab, dass nun vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von jeweils 47,65 EURO Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt wurden. In dem vorgenannten Änderungsbescheid legte die Beklagte der Bedarfsberechnung für den Monat Mai 2009 folgende Werte zugrunde: Regelleistung 351,00 EURO zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung 376,65 EURO, Gesamtbedarf 727,65 EURO. Demgegenüber stellte die Beklagte ein zu erwartendes anrechenbares Einkommen von 680,00 EURO für den Monat Mai 2009. Dieses errechnete die Beklagte unter Zugrundelegung eines Nettoeinkommens von 950,00 EURO sowie eines Erwerbstätigen-Freibetrages von 270,00 EURO. Aus der Gegenüberstellung des Gesamtbedarfes und des anrechenbaren Einkommens errechnete die Beklagte die vorläufig bewilligte Leistungshöhe für den Monat Mai 2009 von 47,65 EURO.

In der Folgezeit ergingen weitere Änderungsbescheide am 10.02.2009, 09.03.2009 sowie 07.04.2009. Durch diese Änderungsbescheide änderte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Monate Februar bis April 2009 ab. Eine Änderung der Bewilligung für den vorliegend streitbefangenen Monat Mai 2009 erfolgte hierdurch jedoch nicht.

Bereits im Februar 2009 hatte die Klägerin mit einem Autohaus einen Kaufvertrag über einen Neuwagen der Marke Peugeot 107 mit Erstzulassung Januar 2009 zu einem Kaufpreis von 10.900,00 EURO geschlossen. Neben dem Kaufvertrag hatte die Klägerin mit dem Autohaus eine Zusatzvereinbarung zur sog. Umweltprämie geschlossen. Hiernach vereinbarte die Klägerin mit dem Autohaus, dass einvernehmlich davon ausgegangen werde, dass die derzeit bekannten Voraussetzungen zur Erlangung der staatlichen Umweltprämie in Höhe von 2.500,00 EURO vorliegen. Hinsichtlich der Zahlungsweise für den neu erworbenen PKW vereinbarte die Klägerin mit dem Autohaus, dass die Klägerin zunächst den vereinbarten Kaufpreis abzüglich 2.500,00 EURO zahlen müsse. Weiterhin ermächtigte die Klägerin das Autohaus mit dem von ihr unterschriebenen Antragsformular die staatliche Umweltprämie beim zuständigen "Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)" zu beantragen. Weiterhin erkläre sich die Klägerin damit einverstanden, dass das BAFA die Umweltprämie unmittelbar an das Autohaus mit schuldbefreiender Wirkung zugunsten der Klägerin auszahlen sollte. Den zunächst verbliebenen Kaufpreis von 8.400,00 EURO finanzierte die Klägerin über eine Darlehen.

Mit Zuwendungsbescheid vom 21.04.2009 gewährte das BAFA der Klägerin eine Prämie nach der "Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen" (Umweltprämie) in Höhe von 2.500,00 EURO. Die Auszahlung der Prämie erfolgte entsprechend der Vereinbarung zwischen Klägerin und Autohaus unmittelbar an das Autohaus.

Im Monat Mai 2009 floss der Klägerin aus ihrer Beschäftigung bei der B, H, das Gehalt für den Monat April 2009 zu. Die Klägerin erhielt für den Monat April 2009 eine Bruttovergütung von 1.086,13 EURO sowie einer weiteren Bruttovergütung für Vormonate in Höhe von 46,96 EURO, netto erhielt die Klägerin 877,63 EURO überwiesen.

Nach erfolgter Anhörung hob die Beklagte mit dem angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 09.06.2009 die Leistungsbewilligung für den Monat Mai 2009 ganz auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der gewährten 47,65 EURO. Dies begründet die Beklagte damit, dass die Klägerin aufgrund des Zuflusses der Umweltprämie nicht mehr im ursprünglich festgestellten Umfang hilfebedürftig gewesen sei, da es sich bei der Umweltprämie um eine einmalige Einnahme handele, die auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sei.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Diesen begründete sie damit, dass es sich bei der Umweltprämie um eine zweckbestimmte Einnahme handele, die nicht auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dies begründet sie damit, dass es sich bei Umweltprämie um Einkommen handele, dass nicht zweckbestimmt sei. Leistungen nach dem SGB II seien neben der erhaltenen Umweltprämie im Fall der Klägerin nicht gerechtfertigt. Eine zweckbestimmte Leistung dürfe lediglich die Hälfte der Regelleistung betragen, die Umweltprämie erreiche jedoch das Siebenfache der Regeleistung. Die Umweltprämie sei als einmaliges Einkommen auf einen Zeitraum von sechs Monaten aufzuteilen und monatlich in Höhe von 416,67 EURO anzurechnen. Hierdurch sei zusammen mit dem bereinigten anrechenbaren Erwerbseinkommen der Hilfebedarf der Klägerin im Monat Mai 2009 vollständig gedeckt.

Am 14.09.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei rechtswidrig, da es sich bei der Zuwendung durch die Umweltprämie um eine zweckbestimmte Leistung handele. Weiterhin sei das erworbene Kraftfahrzeug der Klägerin auch angemessen, da sie es für ihre Erwerbstätigkeit benötige.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 09.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 12.08.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Aufhebung- und Erstattungsentscheidung durch den angefochtenen Bescheid sei zu Recht erfolgt. Hierzu verweist sie zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten. Diese lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage nicht das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin entgegen. Grundsätzlich sind zwar Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gegen vorläufige Bewilligungsentscheidungen nur in begrenztem Umfang einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich (vgl. LSG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 01.10.2009, L 10 AS 654/09 NZB). Vorliegend wendet sich die Klägerin jedoch gegen die endgültige Aufhebung der ihr vorläufig für den Monat Mai 2009 bewilligten Leistungen nach dem SGB II und deren Erstattung. Hinsichtlich dieser Aufhebungsentscheidung ist die Beklagte nicht vom Vorliegen von tatsächlichen Unsicherheiten, welche lediglich eine vorläufige Entscheidung ermöglicht hätten, ausgegangen. Vielmehr hat die Beklagte die Auffassung vertreten aufgrund der ihrer Ansicht nach zulässigen Anrechnung der Umweltprämie auf die Leistungen nach dem SGB II sei von bedarfsdeckenden Einkommen im Monat Mai 2009 bei der Klägerin auszugehen. Da die Beklagte daher die vorläufige Bewilligung für den Monat Mai 2009 endgültig aufgehoben hat, ist die durch die Klägerin erhobene Klage auch zulässig. Denn insoweit hat die Beklagte eine endgültige Entscheidung getroffen.

Da jedoch lediglich eine vorläufige Bewilligungsentscheidung durch die Beklagte aufgehoben wurde, ist die Prüfungsberechtigung der Kammer eingeschränkt. Die Kammer kann den streitgegenständlichen Bescheid lediglich dahingehend prüfen, ob die erfolgte Anrechnung der Umweltprämie als bedarfsminderndes Einkommen nach dem SGB II rechtlich zutreffend erfolgt ist. Denn nur diesbezüglich wurde durch die Beklagte eine abschließende Entscheidung betreffend Leistungen für den Monat Mai 2009 getroffen (vgl. SG Cottbus, Urteil vom 21.12.2009, S 27 AS 1923/09).

II.

Die Klage ist auch begründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 09.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die angefochtene Entscheidung der Beklagten, die vorläufige Bewilligung für den Monat Mai 2009 aufzuheben und in Höhe von 47,65 EURO die Erstattung der für den Monat Mai 2009 gewährten Leistungen zu verlangen, erfolgte zu Unrecht.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der vorläufigen Leistungsbewilligung wäre § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und § 330 SGB III. Der Anwendung von § 48 SGB X steht nicht entgegen, dass es sich bei der aufgehobenen Entscheidung lediglich um eine vorläufige Bewilligung (§ 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a SGB II, § 328 SGB III) handelt. Denn auch eine Änderung der vorläufigen Entscheidung zu Lasten des durch sie Berechtigten richtet sich nach den Vorschriften des § 48 SGB X (Gagel, SGB III/SGB II, § 328 SGB III, RnNr. 37).

1) Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor. Denn die Klägerin hat durch die Gewährung der Umweltprämie kein anrechenbares Einkommen im Sinne von § 11 SGB II erhalten.

Bei der Umweltprämie gemäß der "Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenwagen" handelt es sich um Einkommen in Form einer zweckbestimmten, im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II nicht anrechenbaren Einnahme.

Die Umweltprämie ist grundsätzlich Einkommen im Sinn von § 11 SGB II. Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Einkommen im Sinn dieser Norm ist alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R). Einkommen sind somit solche Einnahmen, die den Vermögensstand der Person vermehren, die solche Einnahmen hat. Es kommt nicht auf die Herkunft und Rechtsgrundlage der Einnahmen an. Umfasst werden sämtliche Geldzahlungen (Söhngen in: juris-PK-SGB II, § 11 Rn. 36). Nach diesen Grundsätzen stellt die Auszahlung der Umweltprämie zunächst Einkommen im Sinn von § 11 SGB II dar. Gegen die Einordnung als Einkommen spricht nicht, dass die Klägerin den Anspruch auf die Umweltprämie bereits vor der Bewilligung und der Auszahlung an das Autohaus abgetreten hatte. Die Vorausabtretung steht wertungsmäßig einer Verfügung über die bewilligte Summe gleich, so dass die auf Veranlassung der Klägerin erfolgte Auszahlung der Umweltprämie an das Autohauses, die eine Befreiung von der Kaufpreisschuld in Höhe der Umweltprämie bewirkte, als der Klägerin zugeflossene Einnahme in Geldeswert in Höhe von 2500,00 EUR zu werten ist (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.09.2009, L 2 AS 315/09 B ER).

a) Die Umweltprämie stellt jedoch nach Auffassung der Kammer eine zweckbestimmte Einnahme im Sinn von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II dar (so auch LSG Hessen, Beschluss vom 15.01.2010, L 6 AS 515/09 B ER; SG Cottbus a.a.O.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.12.2009, L 7 AS 831/09 B ER; LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.; a.A. SG Chemnitz, Beschluss vom 09.09.2009, S 44 AS 4601/09 ER; LSG NRW, Beschluss vom 03.07.2009, L 20 B 59/09 AS ER). Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt sind.

§ 11 Abs 3 Nr. 1 a SGB II soll einerseits bewirken, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch ihre Berücksichtigung im Rahmen des SGB II nicht verfehlt wird. Andererseits soll die Vorschrift die Leistungserbringung für einen identischen Zweck, also eine Doppelleistung verhindern. Es kommt demnach darauf an, ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dient (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 19/07 R; BSG, Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 62/06 R). Unter die Regelung von § 11 Abs 3 Nr. 1 a SGB II fallen solche Einnahmen, die einem anderen Zweck als Unterhalt oder Eingliederung dienen und deren Zweck im Falle der Anrechnung vereitelt würde.

Nach der "Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen" vom 20. Februar 2009, geändert mit Richtlinien vom 17. März 2009 und 26. Juni 2009 ist Förderziel, "mit Hilfe einer Umweltprämie die Verschrottung alter und den Absatz neuer Personenkraftwagen zu fördern. Dadurch werden alte Personenkraftwagen mit hohen Emissionen an klassischen Schadstoffen durch neue, effizientere und sauberere Fahrzeuge ersetzt. Damit wird ein Beitrag zur Reduzierung der Schadstoffbelastung der Luft geleistet bei gleichzeitiger Stärkung der Nachfrage." Davon ausgehend dient die staatliche "Umweltprämie" zweifelsfrei einem anderen Zweck als Unterhalt oder Eingliederung im Sinne des § 1 Abs. 2 SGB II. Im Falle der Anrechnung der Prämie als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II würde der von der Bundesregierung mit der Richtlinie verfolgte Zweck vereitelt.

Für die Bestimmung des verfolgten Zweckes ist auf den manifestierten Willen des Gesetzgebers abzustellen. Deutlicher als in der Richtlinie, die der Gewährung der Umweltprämie zugrunde gelegt wird, kann der durch die Prämie verfolgte gesetzgeberische Wille nicht zum Ausdruck kommen. Grundlegend für die Schaffung der Umweltprämie war die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Belebung der Konjunktur (insbesondere der angeschlagenen Autoindustrie) zu sorgen sowie Aspekte des Umweltschutzes. Eine durch die Gewährung der Umweltprämie bewirkte Stärkung der Kauflust und ggf. Kaufkraft der Bürger ist ein Annex zur bezweckten Konjunkturbelebung. Primäre Zielsetzung der Bundesregierung war daher nicht dem Bürger dazu verhelfen sich ein Auto kaufen zu können. Sie wollte erreichen, dass die Automobilindustrie mehr Autos absetzen kann. Die vom Gesetzgeber gewählte Zielsetzung ist jedoch die entscheidende, die im Bereich der Zweckgebundenheit zu berücksichtigen ist. Die Argumentation, die Kaufkraft der Bürger werde mit der Prämie verbessert und damit ein Bereich abgedeckt wie auch das SGB II ihn abdecken würde (vgl. LSG Nordrhein-Westfahlen a.a.O.), kann daher nicht überzeugen. Dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II durch die Prämie ggf. animiert wurden sich einen neuen PKW zu kaufen ist daher nur ein Nebeneffekt, nicht aber das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Umweltprämie (überzeugend SG Cottbus a.a.O.).

Hinzu kommt auch, dass wenn die Umweltprämie nicht als anrechenfreie zweckbestimmte Einnahme angesehen würde die mit ihr verfolgte Zielrichtung verfehlt werden würde. In diesem Fall wäre der Anreiz hinfällig, und der Leistungsempfänger nach dem SGB II wäre von vornherein gehalten gewesen auf die Umweltprämie verzichten. Insofern ist auch die Erbringung von Doppelleistungen nicht zu befürchten: Die Umweltprämie ist ein Zuschuss zum Erwerb eines neuen PKW, für diesen Zweck gibt es im SGB II keine Entsprechung (Bayerisches LSG a.a.O.)

Unter der aus rechtsstaatlichen Gründen anzunehmenden Prämisse, dass es nicht als Erreichung des Zuwendungszwecks angesehen werden kann, wenn die Hilfebedürftigen auf Grund der falschen Vorstellung von einer "Anrechnungsfreiheit" der Prämie zur Anschaffung einer Neufahrzeuges motiviert würden ist ebenfalls von einer zweckbestimmten Einnahme auszugehen. Denn im Fall der Anrechnung auf die SGB II Leistungen würde der Prämienbetrag wirtschaftlich allein dem Träger der Grundsicherungsleistungen zugute kommen und nicht den Hilfebedürftigen. Dies hätte dann in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle zur Folge, dass die Leistungsempfänger entweder den Fehlbetrag in ihrer Neuwagenfinanzierung in Höhe der Umweltprämie aus ihrem Schonvermögen bestreiten müssten. Oder sie wären gezwungen, wenn sie über kein entsprechendes Vermögen verfügen, ihre Zahlungsverpflichtung nicht zu erfüllen (LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.). Dieser Betrachtung steht auch nicht entgegen, dass grundsätzlich die Tilgung privater Schulden bei der Berücksichtigung als Einkommen unbeachtlich ist (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R). Denn die Begründung der Verbindlichkeit in Form der Kaufpreisschuld ist sachlich untrennbar mit der Auszahlung der Umweltprämie verbunden. Die Umweltprämie kann entsprechend der Richtlinie nur in dem Fall erhalten werden, wenn zuvor ein förderungsfähiger Neuwagen erworben wird.

b) Eine Berücksichtigung der Umweltprämie als Einkommen ist auch nicht deshalb geboten, weil die Leistung die Lage des Empfängers so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären (§ 11 Abs. 3 Nr. 1 Hs. 2 SGB II) (a.A. LSG NRW a.a.O.).

Nach allgemeiner Übung vieler SGB II - Leistungsträger sind Leistungen nach dem SGB II dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die zweckgebundene Einnahme die halbe Regelleistung übersteigt. Diese interne Handhabung hat weder normative Wirkung noch ist das Gericht an sie gebunden. Jedoch wäre auch bei der Anwendung der internen Handhabung der Beklagten unter verständiger Betrachtung der Umweltprämie diese nicht als ungerechtfertigt hoch zu bewerten. Denn es ist dabei nicht überzeugend, wenn ein Vergleich der einmal gezahlten Umweltprämie für einen PKW, der mehrere Jahre vorhalten soll, mit der Regelleistung eines Monats angestellt werden würde (SG Cottbus a.a.O.). Selbst die Verteilung über einen Zeitraum von 6 Monaten, wie sie durch die Beklagte erfolgte, erscheint hinsichtlich der üblichen Lebensdauer eines Neuwagens keine gerechte Vergleichsgrundlage zu bieten. Bereits bei einer Gebrauchsdauer des Neuwagens von 2 Jahren ergäbe sich jedoch nur noch ein monatlicher Vorteil aus der Umweltprämie in Höhe von rund 104,00 Euro. Insofern würde die von der Beklagten bei der Gerechtfertigkeitsprüfung angewandte Höhe des halben Regelleistung nicht erreicht.

Weiterhin ist die Klägerin auch durch die Umweltprämie in ihrer wirtschaftlichen Lage nicht so günstig beeinflusst, dass daneben die Gewährung von weiteren Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wäre. Denn die Klägerin hat die Umweltprämie auch nachweislich durch die Vorausabtretung zweckentsprechend zum Erwerb eines geförderten Neuwagens genutzt. Zu einer wirtschaftlichen Besserstellung bzw. einer anderweitigen Bedarfsdeckung bei der Klägerin ist es damit durch die Umweltprämie nicht gekommen (so auch LSG Hessen a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.).

2) Schließlich ist auch keine wesentliche Änderung an der Bedürftigkeit der Klägerin für den Monat Mai 2009 aufgrund einer Berücksichtigung des neu angeschafften PKW als Vermögen im Sinne von § 12 SGB II eingetreten.

Denn dass bei der Klägerin vorhandene neue Kraftfahrzeug fällt unter die Vermögensschongrenze und ist deshalb kein bei der Frage der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigendes Vermögen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Auch wenn die Wertgrenze für ein angemessenes Kraftfahrzeug grundsätzlich bei 7.500,00 EURO liegt (BSG, Urteil vom 06.09.2007, B 14/7 B AS 66/06 R) kann dieser Wert überschritten werden, soweit der die Angemessenheit übersteigende Wert über den allgemeinen Vermögensfreibetrag aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II abgedeckt ist (BSG a.a.O.). Die 1949 geborene Klägerin war im Mai 2009 59 Jahre alt. Entsprechend stand ihr ein Vermögensfreibetrag von 8.850,00 EURO (59 x 150,00 EURO) zu. Da die Klägerin über keine weiteren nennenswerten Vermögensgegenstände verfügte, war der Wertanteil des neu erworbenen PKW, welcher den Betrag von 7.500,00 EURO überstieg, jedenfalls durch den allgemeinen Vermögensfreibetrag der Klägerin abgedeckt.

3) Aufgrund der Tatsache, dass mit dem streitgegenständlichen Bescheid lediglich eine vorläufige Bewilligung von Leistungen für den Monat Mai 2009 aufgehoben wurde, sind weitere Aspekte des Leistungsanspruches für den Monat Mai 2009 nicht zu prüfen (siehe oben). Soweit die Klägerin davon ausgeht, dass ihr aufgrund eines gegebenenfalls geringeren Einkommens als zunächst von der Beklagten angenommen noch weitere, höhere Leistungen nach dem SGB II zustehen, wäre dies im Rahmen einer endgültigen Festsetzung nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Verfahrens gegenüber der Beklagten geltend zu machen (§ 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a SGB II, § 328 SGB III). Daneben wird auch die Beklagte unabhängig von einem entsprechenden Antrag der Kläger nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens von Amts wegen zu prüfen haben, ob im Wege der endgültigen Festsetzung ein höherer als der bisherige Leistungsanspruch zu Gunsten der Klägerin festzusetzen ist.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

IV.

Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Frage der Anrechenbarkeit der Umweltprämie im Rahmen des SGB II ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt und die Klärung dieser Frage liegt im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern.
Rechtskraft
Aus
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